Vergleichstest Honda XL 600 V Transalp gegen Kawasaki KLE 500

Vergleichstest Honda XL 600 V Transalp gegen Kawasaki KLE 500 Stille Stars

Nie groß rausgekommen. Andere kassieren Preise, sie sind preiswert. Jetzt der späte Druchbruch: MOTORRAD proudly presents Honda XL 600 V und Kawasaki KLE 500.

Der Himmel führt Regie, weil er mal Blau trägt und dann Grau, Forsythien und Narzissen prunken Beifall heischend mit gelbem Blütenkleid, die Menschenkinder schwanken zwischen bedeckt und hautfrei: Der Frühling bricht sich Bahn, und da stehen eigentlich wichtigere Dinge an, als über Motorräder zu plaudern. Das jedoch widerspräche dem Zweck dieser Zeitschrift, und deshalb fügt es sich gut, wenn hier und jetzt zwei begnadete Komparsen zum Test antreten. Zwei, die der schönsten Nebensache der Welt schon deshalb nachhaltig gedient haben, weil sie sich nicht immer in die Hauptrolle drängen müssen.
Hondas Transalp gibt der KLE von Kawasaki die Ehre. Ein ungleiches Duell? Wieder mal Äpfel mit Birnen...? Woher denn. Beide tragen Stollen, beide wiegen um die 200 Kilogramm, beide leisten rund 50 PS und setzen auf einen wassergekühlten Zweizylinder. Der Preis differiert, sicher, und zwar um satte 2000 Mark, aber die zunehmende Verwendung der nur 10820 Mark teuren Kawa als Reisegefährt legt diesen Vergleich dennoch nahe. Zwar wurde sie 1991 als gemäßigtes Funbike lanciert, doch die Steherqualitäten des robusten, von der GPZ 500 übernommenen Twins sowie die ordentliche Machart des Großen und Ganzen sorgten schon bald dafür, daß viele Besitzer mittlerweile eher ihre transalpinen Anlagen als ihre Showeffekte schätzen.
So kam es, daß sie nun mit den immer gemäßigteren und fast preisgleichen Einzylinder-Enduros vom Schlage einer Aprilia Pegaso oder Suzuki XF 650 sowie - eben - mit der Transalp konkurrieren muß. Selbige übrigens feiert in diesem Jahr ihr zehntes Jubiläum, und weil die Alte noch so rüstig ist, gilt dieser Test als liebevolles Kompliment. Herzlichen Glückwunsch auf jeden Fall, und besten Dank an Honda, weil mit der zweiten Scheibenbremse im Vorderrad mal ein wirklich sinnvolles Geburtstagsgeschenk rüberkam. Damit nämlich - und jetzt geht«s endlich los in den Frühling - schrecken selbst spritzige Paßabfahrten unter voller Beladung nicht mehr. Wenn die einsame und viel Kraft verlangende Scheibe der vollbeladenen KLE nach der vierten Gewaltbremsung bereits spürbar weich um Gnade wimmert, dann bringen die zweifachen Nissins das Honda-Vorderrad noch locker zum Blockieren. Womit angedeutet wäre, daß diese Stopper zu den wenigen Enduro-Bremsen zählen, die auch auf Asphalt behutsam dosiert sein wollen.
Ansonsten ging die seit kurzem im Honda-Werk Italien gefertigte Transalp unverändert ins neue Verkaufsjahr, hat sich also hohe Wertigkeit und gute Funktionalität erhalten. Zwei Frühlingsuchende können sich kaum eine bessere Sitzbank wünschen. Den Fahrer befremden die hoch angebrachten Rasten inzwischen aber auch auf einer Enduro; daran, daß er die Beine mehr spreizen muß als auf der schlanken Kawasaki, gewöhnt er sich schon schneller. Kleinere Zeitgenossen können sich hinter der Verkleidung prima verstecken, größere rüttelt es ein wenig bei Tempi oberhalb von 130 km/h.
Erstaunlichen Komfort schafft die eng anliegende Schale der KLE, doch nicht einmal ein aerodynamisches Wunder könnte die Sitzbank genannte Unverschämtheit vergessen machen: Nach spätestens einer Stunde ist der Fahrersitz eingesessen, große Piloten haben außerdem zu wenig Platz, rutschen ständig auf dem Halteriemen herum. Schade, denn die Rasten und der recht schmale Lenker liegen gut, die Armaturen sind denen der Honda sogar voraus. Der Beifahrer fühlt sich schon wohler, beklagt allenfalls, daß ihm die von Kawasaki für diesen Test gelieferten Givi-Koffer den Platz auf den Rasten beschneiden.
Koffer müssen natürlich sein. Schließlich geht es hier in erster Linie um Reisequalitäten. Durch die hochgelegten Auspuffanlagen steht jeweils eines der Behältnisse ziemlich weit ab, und hoch hängen sie an beiden Maschinen. Das fördert nicht unbedingt die Handlichkeit, tatsächlich verlangt die sowieso nicht besonders agile Transalp noch mehr Nachdruck, wenn sie sich von einer Kurve in die nächste werfen soll. Schon die vollgeladenen Koffer verleiten ihr in der Zugstufendämpfung nicht einstellbares Federbein zu gelindem Nachwippen, andererseits verschlimmert sich diese Unart kaum, wenn auch noch ein Sozius zusteigt. Der in Gummi gelagerte Lenker vermittelt ein etwas indifferentes Gefühl zur Straße, was freilich nichts daran ändert, daß selbst die vollgeladene Honda - einmal auf Kurs gebracht - zielgenau dahin steuert, wo sie hin soll. Wer ausgelassen in den Frühling stürmt, der registriert, daß sich der Rahmen beim Durcheilen welliger Kurven verwindet. Nur keine Panik.
Noch weniger beeidruckt zeigt sich das ehemalige Funbike: Den Doppelschleifen-Rahmen der Kawa kann auch volle Last nicht verbiegen, ihren solo allzu sensiblen Federelementen verschafft diese sogar ein wenig Ruhe. Dann erst arbeiten die Federn in ihrem idealen Progressionsbereich. Nur wellige, schnell durchfahrene Kurven sorgen für Unruhe, weil die KLE-Gabel mangels ausreichender Dämpfung dort nicht anständig führt und die ganze Fuhre sanft nach außen wandert. Bei der fälligen Richtungskorrektur zeigt sich dann wieder einmal, daß die Kawa zwar deutlich handlicher ist als Hondas Transalp, dafür aber nicht so präzise auf Lenkbefehle reagiert. Unter ihrem Spar-Federbein leidet die KLE kaum, eine verstellbare Zugstufendämpfung wird nur bei maximaler Beladung vermißt. Und dann auch nur bei wilder Fahrweise.
Doch es ist Frühling, Zeit zum Genießen. Sich daran zu erfreuen, daß Kawasakis agile 500er ihre kleinen Fehler im sportlichen Einsatz durchaus mit unerwartet hohem Federungskomfort ausgleicht. Den Motor sanft schnurren zu lassen. Zu ignorieren, daß er schon im Leerlauf den kleinen Kämpfer mimt. Wer will, entlockt ihm bereits unter 2000 Touren Leistung, ganz brav zockelt er im sechsten Gang durch Ortschaften. Wenn Frühlings Erwachen ansteht - einfach am Ortsausgangsschild dreimal runterschalten, jenseits von 5500/min den drehfreudigen Vierventiler jubeln lassen. Bis knapp 9000/min bläst er munter vorwärts, alles weitere wäre verschenkt. Diese Leistungscharakteristik darf in Endurokreisen als untypisch gelten, aber nach zwei Tagen auf kleinen und kleinsten Straßen sowie zwei Stunden auf mildem Schotter sei die Frage erlaubt: warum eigentlich? Es existieren wahrhaft unzivilisiertere Einzylinder-Aggregate, die unten ruckeln und oben zäh werden, da kann ein wenig Schaltarbeit doch so schlimm nicht sein. Na also.
Nämliche geht übrigens leicht vonstatten, aber bei sehr schnellen Schaltvorgängen flutscht bisweilen ein Gang wieder raus. Kann der Honda nie passieren. Oder fast nie. Mit kurzen Wegen läßt sie sich ihre fünf gut sortierten Gängen einlegen, findet dank des deutlich Drehmoment-stärkeren Motors stets Anschluß. Der 52-Grad-V-Dreiventiler gilt längst als unkaputtbar, wird aber auch den Ruf nicht los, reichlich unspektakulär zu sein. Gut, wer die für einen 600er nahezu perfekten Leistungs- und Drehmomentkurven für unspektakulär hält, mag an diesem Urteil festhalten. Wer sich an guten Lösungen erfreuen kann, dem wird der Dreiventiler gefallen. Ab 2000 Umdrehungen schiebt er, entwickelt schon 1000 Touren später sanften Nachdruck, um zwischen 5500 und 7000/min fast ein kleines Feuerchen zu entfachen. Kurz gesagt: Weder die KLE noch gängige Singles können die Transalp abhängen.
Längst dürfte bekannt sein, daß sie ihre Arbeit mit größter Laufkultur verrichtet, noch weniger Vibrationen als die KLE produziert. Auch zwei Personen befördert ihr V-Twin äußerst gelassen, und während der Kawasaki-Fahrer dann gezielt im Drehzahlbereich über 5000, besser noch 6000 Touren bleiben sollte, erhöht sich die Schaltarbeit auf der Honda nur minimal. Mit dieser Motorcharakteristik erleichtert sie selbst Ungeübten den Einstieg in leichte Off Road-Passagen, verlangt viel weniger Aufmerksamkeit fürs Triebwerk als die allermeisten Einzylinder. Mit geringen Abstrichen kann auch die KLE dieses Lob einheimsen. Dafür, daß zwischen Verkleidung und Rahmen der Sand hochspritzt, kann der Zweizylinder ja nichts, andererseits erleichtert die schlanke Tank-/Sitzbankkombination das Fahren im Stehen und das Vorrutschen vor engen Kehren. Unterm Strich bieten sich jedenfalls gleich beide als Alternative zu den kaum leichteren Singles an. Tja, die ollen Briten wußten vor über 30 Jahren schon, warum sie auch ihre Twins in Scrambler-Fahrwerke steckten.
Beide Probanden standen auf gemäßigten Stollenprofilen, gute Allrounder, wie es sich gehört, von Bridgestone für die Honda und von Dunlop für die Kawasaki. Weil letztere schon solo sehr leicht um die Vorderachse wirkt, konnte nicht verwundern, daß sie mit Packtaschen bei hohem Autobahntempo leicht rührt. Nicht besorgniserregend, halt einfach so nach alter Enduro Sitte, und weniger ein anderer Reifen als eine Verstrebung zwischen den beiden Kofferträgern könnte da abhelfen. Andererseits empfehlen sich hohe Geschwindigkeiten schon deshalb nicht, weil die KLE dann mit unbotmäßigem Durst den nur 15 Liter fassenden Tank leersaugt. 230 Kilometer schafft sie auf der Landstraße, 300 die Transalp, dann geht«s an die Reserven. Auf der Honda ist halt etwas länger Frühling.

2. Platz - Kawasaki

Man muß sie nur ins Rampenlicht zerren, die stillen Stars. Dann entpuppt sich so eine KLE locker als ernsthaftes Angebot: Mit stabilem Rahmen, komfortablen Federelementen und frechem Motor begeistert sie vor allem Solisten. Umso schlimmer die schlechte Sitzbannk. Zu zweit wird es enger als auf der Transalp, aber im Vergleich mit ähnlich teuren Singles reicht das Platzangebot allemal. Der Motor erlebt seine Sternstunden bei flotter Landstraßenfahrt, touristische Bummeleien erledigt er eher als Pflichtübung. Immerhin.

1. Platz - Honda

Die Honda ist gediegener und trägt die besseren Bremsen. Das gibt den Ausschlag. Weil sie zwei Personen mehr Platz bietet, selbst große Koffer deren Bewegungsfreiheit kaum einschränken und auf den Tank - trotz des dämlichen, aufgesetzten Tankdeckels - ein größerer Rucksack paßt, vereint sie auch die besseren Touring-Eigenschaften. Dazu paßt der wunderbar weich laufende V-Motor, dessen Kraft vor allem jene schätzen, die oft zu zweit unterwegs sind. Bliebe noch ein in der Zugstufe verstellbares Federbein zu wünschen.

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