Klappe auf, Film ab: Vor der Kamera müssen die Hauptdarsteller beweisen, was sie drauf haben. Gibt´s nur Szenenapplaus, oder reicht´s am Schluss für stehende Ovationen?
Klappe auf, Film ab: Vor der Kamera müssen die Hauptdarsteller beweisen, was sie drauf haben. Gibt´s nur Szenenapplaus, oder reicht´s am Schluss für stehende Ovationen?
Die Kleinsten spucken oft die dicksten Töne. Als ob sie mit aller Macht die Aufmerksamkeit auf sich ziehen wollen. Dabei geht es den kleinen Viertaktern von KTM und Yamaha gar nicht ums Spektakel, sie können einfach nicht anders. Ein Leben hart am Limit ist ihr Schicksal, denn nur mit höchsten Drehzahlen lässt sich aus dem Viertelliter Hubraum verwertbare Leistung herausholen. Wähend bei den großvolumigen Maschinen der souveräne, lockere Trab reicht, muss in dieser Hubraumkategorie jedes einzelne Pferdchen in den gestreckten Galopp übergehen.
Pferdestärken sind in durchaus beachtlicher Anzahl vorhanden, denn technisch haben die kleinen Viertakter besonders im letzten Jahr enorm aufgerüstet. Die Zeit der angestaubten, luftgekühlten Oldies - im Fachjargon gern als Luftpumpen geschmäht - ist vorbei, seit Yamaha vor Jahresfrist die YZ/WR 250 F-Modelle kreierte, eine maßstabsgerechte Verkleinerung der erfolgreichen 400/426er. Aus der Ferne weitgehend identisch entpuppen sich die 250er bei näherer Betrachtung als Neukonstruktion: Alles ist kleiner, leichter, vom Motor bis zum Rahmen. KTM geht bei der neuen 250 EXC einen anderen Weg. Der Motor ist ein Ableger der erfolgreichen 400/520er-Modelle, die meisten Bauteile, zum Beispiel der Motorblock, sind gleich. Beim Chassis besteht der einzige Unterschied in der Abstimmung der Federelemente.
Die Papierform spricht zunächst eindeutig für die KTM: Sie ist perfekt für den Sporteinsatz ausgerüstet, praxisgerecht durchdacht, dazu kommt als I-Tüpfelchen der zu Recht vielgepriesene E-Starter. Den Beinamen Racing hat sich die EXC verdient, bei ihr fehlen nur noch die Startnummern. Den Straßen-Umbaukit gibts ohnehin dazu, leider ist die Zulassung aber nur mit starker Drosselung möglich. Die Yamaha lässt sich legal immerhin mit 29 PS bewegen. Körperlicher Einsatz ist beim Ankicken gefragt. Das klappt normalerweise auf den ersten Kick, nur nach einem Ausrutscher im Gelände sind manchmal einige Tritte nötig. Servicearbeiten sind an der Yamaha umständlicher, diesbezüglich ist die KTM vorbildlich.
Doch nun zur alles entscheidenden Frage: Können die Österreicher mit dem heruntergebuchsten ohc-Motor leistungsmäßig mit dem aufwendigeren dohc-Japan-Triebwerk mithalten? Laut Prüfstandsdiagramm sieht´s gar nicht mal so schlecht aus, unten herum zieht die KTM ordentlich an, in der Spitze fehlen drei PS. Nur mit den Drehzahlen tut sich die EXC schwer, bei rund 10500/min geht ihr schlagartig die Puste aus. Da bläst die WR noch munter weiter, sie lässt sich locker flockig bis über 13000/min hochjubeln. Erst bei 13500/min setzt der Begrenzer dem Treiben ein jähes Ende.
Wer forsch am Quirl dreht, hält die WR im Bereich von rund 8000 bis über 13000 Umdrehungen, dann warten stets mindestens 25 Pferdestärken auf ihren Einsatz. Ein angesichts des Hubraums respektables Band von gut 5000/min. Um mit der KTM ein ähnliches Leistungsniveau zu erreichen, müsste sie zwischen 7500 und 10500/min bewegt werden. Also ein Band von 3000 Umdrehungen mit weniger Spitzenleistung. Erstaunlich, dass die Yamaha die Leistungskurve mit dem zugestopften Auspuff hinkriegt, während die KTM deutlich vernehmbar - aber keineswegs unangenehm - aus ihrem Sportauspuff tönt.
Prüfstandsdiagramme sind jedoch gerade bei Sportmaschinen graue Theorie, dafür sind diese beiden 250er ein gutes Beispiel. Im richtigen Leben treten Phänomene auf, die der Messschrieb nicht aufzeigt. Bei der Yamaha baut sich die Leistung schon im untersten Drehzahbereich jederzeit absolut spontan und direkt auf, jeden Gasstoß setzt sie bei jeder Drehzahl direkt in Leistung um. Das verschweigt das unter Volllast bei langsamem Drehzahlaufbau ermittelte Diagramm. Sicher hat die kleine WR nicht den Bums einer 400er. Aber es geht bei missglückten Manövern auch dann tapfer voran, wenn Gangstufe und Drehzahl mal völlig aus dem gewünschten Rhythmus geraten sind. Die EXC nimmt sich in solchen Situationen gern eine Auszeit, kommt erst nach ein paar Gedenksekunden in Schwung. Offensichtlich müssen sich die Gasschwingungen in den Ansaugwegen erst aufbauen. Das ist in der Praxis mitunter extrem lästig. Vor allem, wenn man nicht volle Pulle Tempo bolzt, sondern trialmäßig durchs Gehölz pirscht. Bei der EXC ist der hochsensible Umgang mit dem Gasgriff gefragt. Problematisch ist dieses Verhalten weniger für den Enduro-Profi, der die KTM auf der Sonderprüfung im schmalen Band halten kann, wo sie sich wohlfühlt. Der Hobby-Endurist tut sich da deutlich schwerer. Wer will und kann schon mit knapp 10000 Umdrehungen durch schwierige Felspassagen zirkeln?
Eigentlich schade, denn fahrwerksmäßig ist die KTM absolut top. Die Abstimmung der Federelemente ist sportlich straff mit guter Progression, selbst hohe Jumps auf der Crosspiste oder einen zu kurz gesprungenen Table verdaut die Österreicherin klaglos. Im Gegesatz dazu ist die Yamaha eher ein Softie, sie schlägt bei harter Fahrweise hinten wie vorn schon mal durch. Auch über Wellen und Löcher schaukelt sie sich mehr auf, im Vergleich wirkt die KTM deutlich präziser. Ein Kritikpunkt bei der EXC: Beim Anbremsen gebärdet sie sich ab und zu etwas flatterhaft, kräftiges Zupacken am Lenker ist empfehlenswert.
Die weiche Auslegung der WR hat andererseits auch positive Seiten. Sie ist komfortabler, gibt Kanten und Löcher nicht so ungefiltert an den sitzenden Fahrer weiter. Und sie lenkt sich leichter, richtet sich beim Beschleunigen weniger auf. Was sicherlich mit der Sitzposition zu tun hat. Die Yamaha integriert den Fahrer mehr, während er bei der KTM eher oben drauf sitzt. Tendentiell fühlen sich große Piloten auf der KTM besser aufgehoben, kleinere bevorzugen die Yamaha.
Für eine Osacar-nimnierung reicht die darstellerische Leistung der Yamaha allemal. Es fehlt etwas an Feinschliff, was sich mit strafferen Federn und ein paar Umbaumaßnahme relativ schnell machen ließe - und ein E-Starter. Bei der KTM sind es substantiellere Mängel die lassensich nur mit sehr viel Engagement überspielen.
Die kleine EXC muss mit dem Kompromiss leben: Dass sie viele Bauteile von den größeren Modellen erbt, kostet unterm Strich Drehfreudigkeit und Power und resultiert in einer heiklen Gasannahme im unteren Drehzahlbereich. Schade, denn das Fahrwerk ist sportlich, die Ausstattung hochwertig und praxisgerecht, der E-Starter eine Wucht.
Der Aufwand wird belohnt: Yamaha hat einen fantastischen 250er-Motor konstruiert, dessen breites Leistungsband, hervoragende Spitzenleistung und spontane Spritzigkeit begeistert. Bleibt nur ein Wunsch unerfüllt: ein E-Starter. Die Federung passt für softe Offroad-Exkursionen, Sportler brauchen mehr Härte und Progression.