Solitude Revival 2013

Solitude Revival 2013
Die Bänkles-Bauer sind zurück

Inhalt von
Veröffentlicht am 29.08.2013

Das erste Training lief zwar erst samstags, aber schon ab Montag waren die echten Solitude-Fans in den 60er-Jahren fleißig dabei – beim Bänkles bauen. Einer Disziplin, die auch auf anderen Natur-Rennstrecken gepflegt wurde. Da entstanden Hochsitze nur für Schwindelfreie, massive, tief eingestampfte, Couch-ähnliche Konstruktionen für die ganze Familie oder lässig dahergezimmerte Notsitze aus dürrem Sperrholz. Wichtig war dabei nur eines: Die Rennen am Wochenende wollte man auf der eigenen Sitzgarnitur mit bester Sicht und möglichst aus der ersten Reihe erleben. Und das war bei knapp 500 000 Zuschauern nur möglich, wenn man „seine“ Sitzgelegenheit in strenger Nachtwache und mit martialischen Drohungen verteidigte.

Rund 100 Motorräder und Gespanne aller Epochen

Ganz so rustikal musste man bei der zweiten Auflage des Solitude Revivals im Juli nicht vorgehen. Für akzeptable 18 Euro konnte man das hochwertige Fahrerfeld mitsamt Maschinen im ehemaligen Start- und Zielbereich in einer sehr familiären Atmosphäre bestaunen. Zu bestaunen gab es die rund 100 Motorräder und Gespanne aller Epochen aber nicht nur im Stand, sondern auch als fahrende Meute. Wenn sie denn auch zum Fahren kam. Was bei einer Streckenlänge von über elf Kilometern so einfach nicht war. Zumal die Umwelt- und Sicherheitsauflagen der Stadt Stuttgart  bei jedem noch so kleinen Ölfleck gleich ein ganzes Bataillon an Strecken-Marshalls, Feuerwehrleuten und Sportkomissaren auf den Weg zwangen.

Egal, die gut 15000 Besucher rund um die Strecke waren völlig begeistert, wenn die Meute mit infernalischem Getöse über die langen Geraden heranbrauste. Zurückversetzt in die 50er- und 60er-Jahre, lief es einem wirklich eiskalt den Rücken runter, wenn man am Schattengrund  schon Minuten vorher die ungedämpften Rennmotoren  über die Büsnauer Gerade ballern hörte. Damals mit dem euphorischen Kommentar des Streckensprechers garniert: „Posten vier meldet: Ginger Molloy auf der Bultaco in Führung!“ Oder: „Phil Read in der Schattenkurve gestürzt, Fahrer unverletzt, fährt weiter“.

Schön war beim überwiegend von ehrenamtlichen Organisatoren und Helfern aufgezogenen Solitude Revival, dass sowohl bei den Motorrädern als auch bei den Rennwagen Modelle zugelassen waren, die weit nach dem letzen Solitude-Rennen im Jahre 1965 für Furore gesorgt hatten. So spannte sich die Bandbreite der Motorräder von der Opel-Rennmaschine aus den 20er-Jahren bis zu Hans-Peter Amanns Honda VFR 750 R (RC 30/1988). 

Sehr schön in Ton und Bild auch die 250er- Vierzylinder-Honda RC 163 von Harry Mieth oder der von Stefan Knittel gefahrene „Nasenbär“, die 1954er-Norton- WM-Maschine von Ray Amm.  Klar, auch Dieter Braun mit seiner Yamaha TZ war da, ebenso wie die 50er-Spezialisten Rolf Blatter aus der Schweiz, Gerhard Singer und Lokalmatador Wolfgang Müller aus Büsnau, also Luftlinie keine 200 Meter von der legendären Rennstrecke entfernt.

Mit dem Fahrrad und Rucksack unterwegs, freute sich Ex-MOTORRAD-Testfahrer und Aermacchi-Spezialist Siggi Güttner am regen Treiben rund um die Solitude. Auch deshalb, weil der rüstige Siggi bereits 1949 als junger Bub beim ersten Nachkriegsrennen auf der Solitude Rennluft geschnuppert hatte. Die später mit einem vierten Platz in Daytona hinter Phil Read  und einem Deutschen Vizemeistertitel bei den 350ern ihre Wirkung zeigte. Auf die Frage, ob der Siggi 1949 auch schon in alter schwäbischer Tradition sein Bänkle an der Solitude aufgebaut hatte, gab‘s von dem verschmitzten  Rentner die Antwort: „Warum ein Bänkle bauen? Da waren doch g‘nug Bänkle da.“

Mehr Infos zur Veranstaltung, den Fahrern und der legendären Rennstrecke gibt’s unter www.solitude-revival.org