Das Motorrad dieser Geschichte stammt aus der zweiten Serie der Ducati 750 Super Sport mit eckigen Gehäusedeckeln. Nur ganze 249 Exemplare dieses Typs hat Ducati gebaut und ist dann zur 900er übergegangen. Die hier gezeigte Maschine ist also seltener als die berühmten Rundmotor-Ducs. Vor allem ist sie in einem fast makellosen Zustand. Seit 1979 gehört sie dem Ducati-Händler und österreichischen Ducati-Importeur Ronald März aus Ettlingen, der sie selten, aber wenn, dann schnell bewegt. Nach dem Fluten der Schwimmerkammern und zweimaligem Drehen am Gasgriff springt sie auf den ersten Tritt an und verfällt in einen stabilen Leerlauf, bei dem man meint, jede Zündung mitzählen zu können.
Das erste Aufziehen der Gasschieber offenbart einen großen Unterschied zu Motorrädern mit Gleichdruckvergasern. Wer es vorsichtig tut, damit sich der Motor der Ducati 750 Super Sport nicht verschluckt, erreicht genau das. Plopp, aus. Also wieder antreten – und diesmal herzhaft am Tommaselli-Gasgriff drehen. Es zischt ein wenig, wenn die Beschleunigerpumpen der beiden offenen Dell’Orto-Vergaser einen ordentlichen Benzinstrahl in die Einlasskanäle spritzen, und der V2 dreht mit wohligem Brummen hoch. Die schnelle Benzinspritze aus dem Handgelenk mag er gerne; beim Gasgeben in der Kurvenmitte sorgt sie für einen sanften Lastwechsel.
Handhabung der Kupplung nicht ganz einfach
Weit schwieriger in der Handhabung als der Gasgriff ist die Kupplung der Ducati 750 Super Sport. Trotz geringer Zugreibung verlangt sie enorme Handkräfte über einen weiten Hebelweg. Dass zwei Stunden Fahrt keine Spätfolgen nach sich zogen, ist erstaunlich. Damit nicht genug: Bis einschließlich 1975 hatten die Königswellen-Ducatis Rechtsschaltung und den ersten Gang oben liegend. Es galt also, die gewohnten Abläufe beim Schalten, Kuppeln, Bremsen umzustellen, was komischerweise ganz gut gelang. Am meisten Schwierigkeiten machte das Betätigen und vor allem Dosieren der Hinterradbremse mit dem linken Fuß. Die kräftige hintere Scheibenbremse verlangt einen besser geübten Bremsfuß.
Stadtverkehr ist mit der Ducati 750 Super Sport noch mühsamer als mit anderen Motorrädern. Sie mag die Weite vor dem Vorderrad, das zeigt sie schon nach wenigen Kurven. Im Lenker sind die Rückstellkräfte, die der lange Nachlauf von 145 Millimetern erzeugt, deutlich zu spüren. Kein Zweifel, die Ducati will am liebsten geradeaus rennen, und wenn sie Kurven fährt, sollten diese möglichst weit sein. Unwillkürlich fällt mir ein, welche wahnwitzigen Geschwindigkeiten auf der alten Imola-Strecke ohne die Tamburello- und Villeneuve-Schikane, die beiden Varianten Alta und Bassa möglich gewesen sein müssen.
Der Motor der Ducati 750 Super Sport ist eine Wucht!
1972 gewann Paul Smart auf dieser Strecke mit einer Vorläuferin der Ducati 750 Super Sport das 200-Meilen-Rennen und gab damit den Anstoß für deren (Klein-)Serienfertigung. Ich stelle mir vor, in einem weiten Linksbogen, die Haken der Variante Alta rechts liegen lassend über die Kuppe zu jagen und denke: „Mit solchen Motorrädern kann man auf solchen Strecken Rennen gewinnen, klar.“ Und weil neben Imola auch noch Monza, Hockenheim oder Spa Francorchamps von ähnlichem Kaliber waren und alle anderen Kurse ebenfalls weniger Schikanen hatten, verdienten die Ducatis jegliches Lob für ihr stabiles Fahrwerk voll und ganz.
Der Motor der Ducati 750 Super Sport ist sowieso eine Wucht. Nicht weil er gewaltig viel Leistung bringt, sondern weil er schon im mittleren Bereich eine ganze Menge davon bereithält, weil er aus den legendären offenen Conti-Auspuffen so satt und dunkel grollen kann und sich das im Zusammenklang mit dem Ansaugschlürfen und Beschleunigerpumpenzischen so ungemein sinnlich anhört. Nur das Mahlen der Mechanik, das man den Königswellenmotoren so oft schon zugeschrieben hat, ist bloß sehr dezent zu hören.
Suche nach dem Leerlauf etwas schwierig
Leichtes Ticken aus den Desmo-Zylinderköpfen als Zeichen genügend großen Ventilspiels und ein bisschen Zahnradgesang – das ist alles. Dieser Motor ist offenbar so sorgfältig zusammengebaut, dass er trotz allen mechanischen Aufwands nur vergleichsweise dezente mechanische Geräusche hervorbringt. Er läuft auch sehr kultiviert und vibriert in den Drehzahlregionen, in denen er vibriert, relativ weich. Und abgesehen von einer etwas schwierigen Suche nach dem Leerlauf schaltet sich das Getriebe der Ducati 750 Super Sport knackig, aber exakt.
Zu alledem sieht der Desmo-V2 auch noch richtig gut aus. Er besitzt gefällige Linien, strahlt eine unbedingte technische Logik aus und duldet kein einziges unansehnliches Teil an sich, das seinen Anblick stören könnte. Und kein überflüssiges. Seine Maße geben die lang gestreckten Proportionen des gesamten Motorrads vor. Wie in seiner Mitte verzichtet es auch in der Peripherie auf alles, was nicht unmittelbar dem schnellen Vorwärtsfahren dient. Nicht einmal Blinker und Spiegel sind vorgesehen. So keimt nach der Erfüllung des Traums vom Königswellen-Fahren gleich der nächste: die Ducati 750 Super Sport einmal auf der Rennstrecke zu bewegen. Als Empfehlung für mich kann ich vorbringen, mich während der ganzen Fahrzeit auf der 750er nicht einmal verschaltet zu haben. Erst später, vor der Heimfahrt mit der Dauertest-KTM 1190 Adventure: Mit einem Zug am Fußbremshebel wollte ich den ersten Gang einlegen.
Technische Daten Ducati 750 Super Sport
Antrieb: Luftgekühlter Zweizylinder-Viertakt-V-Motor, zwei desmodromisch betätigte Ventile pro Zylinder, je eine per Königswelle angetriebene Nockenwelle, Bohrung/Hub 80/74,4 mm, 748 cm³, 73 PS bei 8000/min*, 71,6 Nm bei 5500/min*, zwei 40er-Dell’Orto-Rundschiebervergaser, Primärantrieb über Zahnräder, Mehrscheiben-Ölbadkupplung, Fünfganggetriebe, Kickstarter, Kettenantrieb;
Fahrwerk: Rückgratrohrrahmen, Motor mittragend, hydraulische Telegabel, Ø 38 mm, zwei Federbeine, Reifen v/h: 3.50 x 18, hydraulisch betätigte Bremsen, Doppelscheibe vorn, Ø 275 mm, Scheibe hinten, Ø 230 mm,
Gewicht: vollgetankt mit Werkzeug 202 kg*, Tank 20 l,
Höchstgeschwindigkeit (lang liegend): 216,7 km/h*
Preis: 11.000 Mark (1975).
*MOTORRAD-Messungen von 1975