Kawasaki bescherte 1989 der Motorradwelt ein sensationelles Technik-Highlight: die „Staudruck-Belüftung der Motoroberseite“. Schade nur, dass sich der Motorradwelt nicht recht erschließen wollte, warum ein Ventildeckel zusätzlich angepustet werden sollte. Statt ehrfürchtigem Staunen gab es für die schwer nach Racing aussehenden, im Serientrimm aber völlig überflüssigen Luftführungen nur Spott. Noch heute weiß eigentlich jeder Ü40-jährige Sportfahrer, welches Motorradmodell gemeint ist, wenn das Stichwort „Staubsaugerschläuche“ fällt, die Kawasaki ZXR 750.
Dabei hätte die Kawasaki ZXR 750 deutlich mehr Respekt verdient, aber auch an ihrem 25. Geburtstag schätzt bislang nur ein kleiner, verschworener Kreis ihre wahren Qualitäten. Jede Wette, dass es in zehn, 15 Jahren heißen wird: „Ach, hätte ich doch damals noch eine gekauft …“ Die ZXR 750 ist aber bereits aus heutiger Perspektive ein Meilenstein, denn sie machte mit einem Einstiegspreis von 15.150 Mark das Thema Superbike für die breite Masse bezahlbar.
Reihenvierzylinder der GPX 750 R diente als Basis
Wer Ende der 80er-Jahre einen ernst zu nehmenden und zur 1988 gestarteten Superbike-WM passenden Vollblutracer haben wollte, musste zuvor zwischen 24.000 und 36.000 Mark zahlen, um eine Suzuki GSX-R 750 R, Yamaha FZR 750 R (OW01) oder gar Honda VFR 750 R (RC30) zu ergattern. Kawasaki war als kleinster der japanischen Motorradhersteller etwas spät dran. Bereits mit der 1986 vorgestellten GPX 750 R war man der letzte japanische Anbieter, der eine 100 PS starke 750er im Programm hatte – eine eher tourensportliche 750er. Als Basis für die Kawasaki ZXR 750 taugte deren Reihenvierzylinder aber allemal.
Und so pflanzten die Kawasaki-Techniker aufs praktisch unveränderte GPX-Kurbelgehäuse einen neuen, mit drehzahlfreundlichen Tassenstößeln bestückten Zylinderkopf, verpassten der Kurbelwelle eine geringere Schwungmasse,
verstärkten die Kupplung und trieben viel Detailarbeit. Der offen 107 PS leistende und auch nach der Überarbeitung erfreulich durchzugsstarke und genial tönende Motor landete in einem komplett neuen, nach ZX-10-Vorbild gestrickten Alurahmen modernster Bauart, bei dem zwei Aluprofile vom Steuerkopf zur Schwingenlagerung führten – fertig war zur Saison 1989 die Erstauflage der Kawasaki ZXR 750 (Typ H1).
Mit 234 Kilogramm schwerer als die Konkurrenz
Im Vergleich mit der direkten Konkurrentin Suzuki GSX-R 750 war die Kawasaki ZXR 750 mit 234 Kilogramm zwar zehn Kilo schwerer, bot aber den menschenfreundlicheren Arbeitsplatz, das fahrstabilere Fahrwerk und die besseren Fahrleistungen. Was nichts daran änderte, dass ihre motorsportlichen Meriten anfangs recht übersichtlich blieben und bereits 1990 eine kräftige Überarbeitung anstand. Die Zweitauflage (Typ H2) bekam einige Teile des 1989er-Racing-Kits, größere Vergaser, einen größeren Kühler und eine geänderte Schwinge spendiert.
Sie speckte ein wenig ab und hatte auch nicht mehr mit den H1-Kinderkrankheiten (u. a. Gabeldichtringe, Bremsbeläge) zu kämpfen, war mit offen 108 PS aber nur unwesentlich stärker. Nur ein Jahr später trat mit dem J-Modell eine komplette Neukonstruktion an, die Kawasaki ZXR 750 hielt sich dann noch bis 1995 im Programm. Ironie der Geschichte: Superbike-Weltmeister wurde der US-Amerikaner Scott Russell auf Kawasaki erst 1993 – dem ersten Jahr, in dem die Straßenversion der ZXR 750 ohne Staubsaugerschläuche antrat. Viele Überlebende der H1- und H2-Modelle gibt’s heute nicht mehr. Das Motto lautet daher: Rettet die Schläuche!
Infos zur Kawasaki ZXR 750

Daten: wassergekühlter Vierzylinder-Viertakt-Reihenmotor, 748 cm³, 74 kW (100 PS) bei 10.000/min, 72 Nm bei 9500/min, Sechsganggetriebe, Doppelschleifenrahmen aus Leichtmetall, Gewicht vollgetankt 234 kg, Reifen vorn 120/70 VR 17, hinten 170/60 VR 17, Tankinhalt 18 Liter, Höchstgeschwindigkeit 236 km/h, 0–100 km/h in 3,6 sek.
Literatur: Die Bucheli-Reparaturanleitung, Band 5105, erschien bereits 1991, ist aber immer noch für 29,90 Euro neu zu bekommen. Zum in etwa gleichen Preis gibt’s (z. B. über Amazon) auch das noch ausführlichere, allerdings englische „Haynes Service & Repair Manual“. Eine ausführliche Gebrauchtkaufberatung ist in MOTORRAD 20/2004 zu finden.
Spezialisten: Prinzipiell kann jede altgediente Kawasaki-Werkstatt die Kawasaki ZXR 750 anständig beschrauben. So zum Beispiel Heller & Soltau im norddeutschen St. Michaelisdonn, seit 1987 Kawa-Vertragshändler mit großem Herz für gut abgehangene Sportler und seit über 20 Jahren verlässlicher MOTORRAD-Ansprechpartner, wenn’s um die Grünen geht.
Marktsituation: Die Kawasaki ZXR 750 harrt noch ihrer Entdeckung durch die Youngtimer-Szene. Momentan sind noch mehr Verbraucht- als Gebrauchtmaschinen auf dem Markt. Ein 100-prozentiger Originalzustand ist die ganz große Ausnahme. Deutlich unter 1000 Euro geht’s los, solide Ware mit gültiger HU ist ab 1300 Euro zu bekommen, und selbst (sehr seltene) Sahneschnitten kosten kaum mehr als 2000 Euro.
CLUB/IG/INTERNET: www.zxr750.de