Diese sieben Café Racer donnern mitten ins Herz. Sie alle eint sportiver Spirit mit Höckersitzbank und Stummellenker. Bewegend.Von Serienmaschine bis zu absolutem Einzelstück – Gentlemen, please start your engines!
Diese sieben Café Racer donnern mitten ins Herz. Sie alle eint sportiver Spirit mit Höckersitzbank und Stummellenker. Bewegend.Von Serienmaschine bis zu absolutem Einzelstück – Gentlemen, please start your engines!
Es röhrt, röchelt und bebt an allen Ecken. Glemseck 101, das heißt: jedes Jahr im September ein einziges Festival des Motorrads vor den Toren Stuttgarts. Beim größten Custom-Bike-Treffen Deutschlands triffst du die vermutlich verrücktesten und heißesten Bikes der Welt. Es ist eine vibrierende und pulsierende Inspirationsquelle, so viele kreative Um- und Eigenbauten siehst du sonst in einem Jahr nicht wie hier an einem Wochenende, siehe auch MOTORRAD 20/2016. Gleichzeitig gilt Glemseck 101 schon lange als Europas bester Treffpunkt für Freunde der Café Racer-Kultur. Also beginnt unsere Ausfahrt mit Café Racern genau hier. Am Glemseck haben wir diese sieben Maschinen abgegriffen und sind dann ab durch die Mitte!
Denn sie sind alle hier: Triumph mit der tollen Thruxton R, BMW-Veredler Wunderlich mit einer speziellen R nineT. Aber auch die Royal Enfield-Liebhaber von Tech Team’s Monkey Garage aus Duisburg und Andreas Bergerforth von der weltbekannten Harley-Tuningschmiede Thunderbike aus Hamminkeln. Moto Guzzi-Enthusiast Axel Budde hat aus Hamburg (s)eine Kaffee-Maschine mitgebracht. Nicht zu vergessen: Kawasaki W 650-Racer Ralf Meiler und Suzuki Deutschland mit der fantastischen Fat Mile – diese beiden Bikes mussten sich noch bei den Sprintrennen über die Achtelmeile bewähren.
Ganz egal ob modern interpretiert oder klassisch mit poliertem Alu-Tank – das Rezept ist traditionell: mit Einmann-Höcker, Stummellenker, zurückverlegten Fußrasten und hoch gelegtem Auspuff. Wobei, so viel vorab, die Harley hier US-typisch ihren eigenen Weg geht. Es sind Maschinen, die aussehen wie private Sport- und Rennmaschinen Ende der 50er-, Anfang der 60er-Jahre. Als in England genau solche, in Eigenregie getunten Motorräder Stil- und Ausdrucksmittel von Ausbruch und gesellschaftlicher Rebellion wurden. Mehr dazu gibt’s auf Seite 35 zu lesen. Wohlvertraute Formen fluten das Blut mit Endorphinen.
Bereit, die Straßen zu erobern? Auf den Flaniermeilen im urbanen Dschungel kennt das rollende Septett kaum Gegner. Sportiv, schick und stilvoll. Viel mehr Aufmerksamkeit mit zwei Rädern geht kaum. Hälse recken sich, Köpfe drehen sich, Daumen gehen hoch. Sekretärinnen lassen ihre Schriftstücke sausen, kommen aus den Büros, um diese sieben Samurai auf Rädern anzuschauen. Autofahrer vergessen, an der Ampel loszufahren – der Sprint aus der Pole Position ist eine der wichtigsten Domänen dieser Feierabendsportler. Kraft und Charakter treffen Charisma und Klang. Passanten halten sich die Ohren zu, so laut und krawallig posaunen manche Auspuffe.
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Dabei taugen die glorreichen Sieben durchaus zu Streifzügen über gewundene Landstraßen, sind im Gegensatz zu vielen reinen Custombikes keine bloßen Schauobjekte. Sie wedeln locker durch die Kurven, lösen sportlichen Anspruch auch ein. Mit Leistung, die man gut auf die Straße bekommt: bis maximal 110 PS.
Auf zu großen Erlebnissen, dafür sind die Café Racer des 21. Jahrhunderts gemacht. Wir hatten wirklich viel Spaß mit jedem einzelnen Motorrad. Daher gilt unser ganzer Dank jedem Hersteller, Tuner und Besitzer für ihre Oden an den Ottomotor! Let’s ride with the Rockers: Kaffeemaschine-Guzzi Machine 7, Meiler-Kawasaki W 650 Blechkistn, Royal Enfield Continental GT 535, Suzuki Fat Mile, Triumph Thruxton R, Thunderbike-Harley-Davidson Forty-Eight Café Racer und Wunderlich-BMW R nineT Café Racer.
Bislang 19 „Kaffee-Maschinen“ auf Moto Guzzi-Basis hat Axel Budde aus Hamburg mittlerweile gebaut, siehe MOTORRAD 20/2014. Sie alle sind formvollendet, schlicht, schön. Dies hier ist die Nummer sieben, eine von zweien, die er selbst besitzt. Lang, schmal, schlank. Basis war eine Le Mans III. Kolben und Zylinder einer V 11 Sport pumpen den Hubraum von einst 844 auf nun 1064 Kubik auf. Große Ventile (47 und 43 Millimeter) und offene Dell’Ortos lassen den 90- Grad-V2 frei ein- und ausatmen. Und wie! Doppelzündung entfacht hier in Brennräumen und emotional ein Feuerwerk.
Es ist, als hielte die Welt für einen kurzen Moment den Atem an, wenn der V2 satt bellend erwacht, herrlich tief aus den offenen Trichtern gurgelt. Das ganze Motorrad schnorchelt und stampft, bollert und bebt. Was für eine Klangkulisse! „Eine Benzin-Zerknallmaschine“ befindet Gabriel, unser Fotofahrer und badisches Original. Gasstöße halten den V-Twin am Leben. Glück und Gas, wie leicht geht das. Sound, Erlebnis und Feeling in nahezu perfekter Synthese. Ein Motorrad kann nicht zweizylindrig genug sein? Bitte sehr, hier ist der leibhaftige Beweis. Das Motto: mehr Impression pro Kilometer. Es geht um die Essenz, das Wesentliche eines Motorrads. Und dies sind eben Motor, zwei Räder, Rahmen, Tank und Lenker. Fertig.
Modifizieren, umbauen, aus der Reihe tanzen – so war das früher in London, so ist das heute bei Axel Budde in Hamburg. Grazil und lang wirkt die individualisierte Guzzi. Leicht ist sie! Und das reduzierteste Motorrad des Septetts dazu. Hier trifft Klarheit in der Linie auf Eleganz und Pragmatismus. Eine drahtige, rollende Skulptur, die täglich bewegt wird. Allein schon das offene Dreieck des Tonti-Rahmens: ein Traum.
Es geht darum, das Essenzielle freizulegen. Alle Details sind authentische Teile der 60er- und 70er-Jahre: klassische Brembo-P08-Zweikolbenzangen, Akront-Hochschulterfelgen, CEV- und Domino-Armaturen, Ochsenaugen-Blinker. Wahre Kunstwerke sind Tank und Höcker vom Aluminium-Papst Lammers (www.alu-tanks.de) nach Schnittmustern von Axel Budde. Perfektion erwächst aus vielen Kleinigkeiten.
Der V2 ist eine ideale Basis, man kann ihn so herrlich freiräumen. Schlichter ist ein Motor, ein „Motor-Rad“ kaum denkbar. By the way: Getriebe und Endantrieb sind überholt. Schwungrad erleichtert, Kurbelwelle gewuchtet – der V2 hängt satt, ja begierig am Gas. Wirft beim Spiel am Gasgriff im Leerlauf die ganze Fuhre von rechts nach links und wieder zurück. Und schiebt, wenn die Ampel auf Grün springt und der V2 von der Kupplung gelassen wird, heftig an. Feurig und temperamentvoll. Das Energiebündel wiegt gerade mal 205 Kilogramm. Drehzahl irgendwo zwischen 3000 und 5000, und der Tag ist dein Freund. Eine Maschine, die nicht einfach nur fährt. Sondern antreibt, dich bewegt.
Anstrengend zu fahren, diese Guzzi. Die Sitzposition ist extrem gestreckt. Bei Schleichfahrt ruht viel Last auf den Handgelenken. Der Winddruck muss stimmen, um dich zu tragen. Bequem ist anders. Und Rumgezuckel ist nicht ihr Ding. Aber wenn dich diese Signora zum Kurventanz bittet, verzeihst du ihr alles. Sie martert dich – du begehrst sie. Sie ist störrisch – du bist ihr hoffnungslos verfallen. Sie sagt dir, was sie braucht, sie spricht mit dir – du verschmilzt mit ihr. Vor der Kurve runterschalten und dann mit gleichmäßig Zug am Kardan ums Eck. Dann hält das Energiebündel stur die Linie. Schalten, bremsen? Muss alles vorher erledigt sein. Lastwechsel in der Kurve bringen dagegen Unruhe. Schräglagenfreiheit? Ist auf den schmalen Reifen unendlich.
Motor-Tuning, Lack und Leder erledigen für Axel Budde Spezialisten. Alles andere macht er selbst, bis hin zur optimierten Elektrik. Viel Wert legt der gelernte Fotograf auf Farbkonzepte. Kunden ordern weltweit. Sie wissen weshalb.
Daten: Zweizylinder-90-Grad-V-Motor, 1064 cm³, 66 kW (90 PS) bei 7000/min, Drehmoment k. A., Telegabel, Zweiarmschwinge, Doppelscheibenbremse vorn, Ø 300 mm, Scheibenbremse hinten, Ø 242 mm, Speichenräder, Reifen 100/90 V 16; 120/90 V 18, Bereifung Metzeler Sportec Klassik, Gewicht vollgetankt 205 kg (Serie 225 kg), Preis individuell auf Anfrage.
Tuner: Wer auf www.kaffee-maschine.net stöbert, findet viele betörend-schöne Moto Guzzis. Es ist klar zu sehen, dass Ausführung im Detail, Finish und Formensprache bei Axel Budde mit jeder weiteren Maschine noch besser geworden sind. Der Preis für eine neu aufzubauende Komplettmaschine (Basis-Motorrad inklusive) bei Kaffeemaschine Custom Motorcycles beginnt bei rund 30.000 Euro. Es gibt aber auch Einzelteile für den Einbau daheim.
Wenn Ralf Meiler am Glemseck 101 mit seiner Zielflaggen-Hose auftaucht, ist ihm und seiner spektakulären Kawasaki W 650 Aufmerksamkeit sicher. Damit gewann der stets gut gelaunte Franke 2016 beim Glemseck 101 den Sprint für Café Racer. Noch Fragen? An diesem Motorrad muss also etwas dran sein. Absolut!
Etwa die einzige, knapp geschnittene Halbschalen-Verkleidung im gesamten Feld. Solcher Stil war auch in den 60er-Jahren schwer angesagt. Wenn man es sich leisten konnte. Auf diesen Zug springen ja auch Triumph und BMW aktuell auf, siehe Seite 36 und MOTORRAD 20/2016. Die Blechkistn ist eben bis ins Letzte authentisch gebaut. Sie soll gewinnen, ist nicht bloß Show. „Wie man das halt so macht, Stufe für Stufe im Hinterhof“, sagt der 55-jährige Erbauer Ralf Meiler.
Hier trifft Königswelle auf Kühlrippen und Kickstarter. Eigentlich. Denn Letzterer fiel der zurückverlegten Tarozzi-Fußrastenanlage zum Opfer. Also Platz nehmen auf der selbst gebauten Sitzbank, klassisch mit Nieten am knappen Alu-Höcker befestigt. Und sich dann nach den balliggewölbten Griffen strecken: ganz schön lang, der WBO-Alutank. Er fasst satte 24 Liter, war für eine Moto Guzzi Le Mans bestimmt, wurde von einem Karosseriemeister umgeschweißt. Mittlerweile ist er leicht inkontinent, es duftet nach Benzin.
Kawumm! Auf Knopfdruck erwacht der einzig echte Parallel-Twin dieser Ausfahrt. Kernig, ja krawallig-laut tönen die beidseitigen Roadster-Tüten von Shark. Den bildschönen Motor beatmen zwei 36er-Mikuni-CR-Flachschieber-Vergaser mit Beschleunigerpumpe und drehmomentfördernd langen Alu-Ansaugtrichtern – offen, versteht sich. Ein cooler Bock, diese Kawa. Volle Kraft voraus und die Vergangenheit vor Augen. Tuning-Papst Ulf Penner aus Bremen brachte den Twin durch eine auf 81 Millimeter vergrößerte Bohrung auf 855 Kubikzentimeter Hubraum. Bei unverändert 83 Millimetern Hub ist er immer noch leicht langhubig ausgelegt. Gleichmäßig rund läuft er im Leerlauf und im Drehzahlkeller.
Ungewohnt gut geht und dreht der Twin. Er hängt fein am Gas, vibriert nicht zu stark. Ulf Penner verbaute größere Ventile einer Kawasaki Z1R, bearbeitete ihre Sitze, polierte die Kanäle und erhöhte die Kompression. Er krönte alles mit einer leistungs- wie drehmomentfördernden Nockenwelle „Stage 5“. Micron Systems in Fürth übernahm die Feinabstimmung an die offenherzigen Auspuffe. Klassisches Tuning, das den Twin tuckernd und stark von Kurve zu Kurve reißt. 83 PS und 86 Newtonmeter an der Kurbelwelle – eine prima Ausbeute für einen luftgekühlten Langhuber! Das reißt ab 3500 Touren richtig an. Klein, aber gemein. Die Kupplung trägt verstärkte Federn, das Seriengetriebe ein umgedrehtes Schaltschema, das große Kettenblatt kürzt die Übersetzung.
Flüssig und homogen rollt das 208-Kilogramm-Leichtgewicht durch die Kurven, lenkt leichtfüßig ein. Ein 120er-Hinterreifen ist heutzutage ganz schön schmal. Diese Breite tragen BMW, Suzuki und Triumph vorn. Bridgestone BT 45 sind an sich immer eine gute Wahl. Doch der zwölf Jahre alte Hinterreifen bietet wenig Grip, rollt extrem hölzern ab. Eine Zephyr 550 stiftete Telegabel (nun mit LSL-Gabelbrücken und Gabel-Stabilisator) sowie die Exzenter-Alu-Kastenschwinge. Dies sorgt für mehr Stabilität und bedingt die bissfestere, wenngleich nicht ideal dosierbare Doppelscheiben-Bremsanlage.
Hart, aber herzlich federn und dämpfen die langen Wilbers-Federbeine. Ein Alu-Schutzblech vorn und die 18-Zoll-Hochschulterfelge von Akront vervollständigen das Bild des Klassik-Racers. Hinten erinnert die Scheibenrad-Abdeckung an klassische Brooklands Board Tracker, also Bahnrenner. Stimmig gerieten Linienführung und Details. Ralfs Maschine ist eben ’ne ehrliche Haut, nicht etepetete.
Daten: Zweizylinder-Reihenmotor, 855 cm³, 61 kW (83 PS) bei 7600/min*, 86 Nm bei 5600/min*, Telegabel, Zweiarmschwinge, Doppelscheibenbremse vorn, Ø 300 mm, Trommelbremse hinten, Ø 160 mm, Speichenrad vorne, Scheibenrad hinten, Reifen 110/80-18; 120/ 90-18, Bereifung Bridgestone BT 45, Gewicht vollgetankt 208 kg (Serie 215 kg), Preis auf Anfrage (Motor-Tuning zirka 4000 Euro).
*MOTORRAD-Messung
Tuner: Sein privates Motorrad hat Ralf Meiler über Jahre immer weiter verfeinert. Die W 650 ist Baujahr 2002, Ralf hat noch eine andere für den Alltag und ein W 650-Gespann. Das Power-Tuning übernahm Motoren-Spezialist Ulf Penner aus Bremen (www.tuning-fibel.de). Feinabstimmung auf dem Prüfstand leistete Micron Systems in Fürth (www.micronsystems.de).
Die kleine Rote aus Indien überzeugt schon im Stand durch ihre sympathische, ehrliche Erscheinung. Zwei Räder, fetter Einzylinder, ein schöner Stahltank, Stummellenker und Einmannhöcker: authentisch ab Werk, gebaut ganz nach dem Rezept von damals. Mit untenliegender Nockenwelle, Stoßstangen, Kickstarter zusätzlich zum E-Knopf. Passanten lieben sie, verzeihen ihr sogar den bollernden Nachrüst-Auspuff (180 Euro), der beim Runterschalten frech sprotzelt. An der Ampel geht der Single in herrlich stapfenden Leerlauf über.
Teils liebevoll, teils rustikal wirkt die Machart. Grobe Verarbeitung, quietschende Hebel, der sichtbare Drosselklappenöffner – all das unterstreicht den traditionellen Charme des Oldies. Aus Sicht des Piloten erinnern einzig die vordere Scheibenbremse und der digitale Kilometerzähler daran, dass schon 2016 im Kalender steht. Für die Kaffeefahrt mit Anhang gibt es eine Zweipersonen-Sitzbank samt Soziusrasten für 250 Euro extra. Geteilte Freude ...
Die handliche, 187 Kilogramm leichte Inderin macht nicht auf oldschool, sie ist genau so: Nie den Schwung verlieren! Denn viel ist aus dem Zweiventiler nicht zu holen. Der nutzbare Bereich liegt zwischen 2.000 und 3.500 Touren, darüber verliert der 535er merklich die Lust, bei 5.000 knipst Shiva den Begrenzer an. Spaß macht es trotzdem, gerade weil sich der Motor so herrlich schnaubend, rau, lebendig ins Zeug legt. Analoger Langhub-Charme at its best. Die Continental GT erinnert eindrücklich daran, warum 100 Meilen pro Stunde in den 60ern die magische Grenze bildeten: Bei 140 ist Schluss, basta. Kilometer, nicht Meilen pro Stunde.
Zwar ist die Continental GT aktuell die leistungs- und hubraumstärkste Maschine des seit 1901 produzierenden Traditionsherstellers. Trotzdem werden bereits VW Polo zu ernsthaften Gegnern. Sportsgeister müssen auf die bald kommenden Parallel-Twins warten. Wer aber ein einfaches, ursprüngliches Motorrad sucht, das nicht nur beim Bremsen entschleunigt, ist mit der königlichen Roten gut beraten.
Daten: Einzylindermotor, 535 cm³, 21,4 kW (29 PS) bei 5.100/min, 44 Nm bei 4.000/min, Telegabel, Zweiarmschwinge, Scheibenbremse vorn, Ø 300 mm, Scheibenbremse hinten, Ø 240 mm, Speichenräder, Reifen 100/90-18; 130/70-18, Bereifung Pirelli Sport Demon, Gewicht vollgetankt 187 kg, Preis 6.490 Euro.
Geiles Teil!“ Bewundernd umkreist der Fahrer einer Honda CB 1000 R die parkende Fat Mile. Wow, was aus einer braven Suzuki Bandit 1250 S noch so werden kann. Mutti war beim Schönheits-Chirurgen. Und trägt nun Minirock statt Kittelschürze. Die Wirkung ist enorm, endlich mal wieder eine charaktervolle Suzuki: sexy statt bieder, puristisch statt barock. Die Fat Mile bedeutet Top-Customizing, vollständige Verwandlung, Metamorphose auf Rädern.
Verblüffend, was Star-Designer Hans A. Muth (BMW R 90 S, R 100 RS, Suzuki Katana) und Jung-Designer Daniel Händler hier in einer Art Meister-Schüler-Konstellation bereits 2014 auf Initiative von Suzuki Deutschland gestaltet haben. Respekt. Das Duo Muth und Händler ging in die Vollen, ließ nur den mächtigen Vierzylinder in der Hardware unangetastet. Vielmehr kürzten sie das Rahmenheck radikal, stellten dessen Streben keck steil statt einst langweilig lang. Ferner flexten sie die Soziusrasten weg und verschliffen alles schön sauber.
Über allem thront ein verführerisch kurzes GFK-Heck mit kleinen Kellermann- Blink-/Rückleuchten. Vorn sorgt die tief gesetzte Lampe für eine verwegen tief geduckte Silhouette: Flat Mile! Den unveränderten Serientank krönen neue Graphics und der längs über seinen Buckel verlaufende Lederriemen. Stimmig und schön.
Raffiniert wirkt die weiß-blau-braune Farbgebung, harmonisch die Formensprache. Für sportliches Flair sorgen tief angeklemmte LSL-Lenkerstummel, schnittiger Bugspoiler und Frontfender sowie feine Rizoma-Rasten. Es macht an, die fein gefrästen Rizoma-Griffe mit den edlen ISR-Hebeleien zu umklammern, den Hintern auf den einzelnen Lederwülsten zu fläzen. Sinnlich, nicht langstreckentauglich. Gelungen, eigenständig und handwerklich sauber gemacht – aus der Bandit-Basis wurde hier das Maximum herausgeholt.
Auf den ersten Knopfdruck ist der Motor voll bei der Sache, tönt klangvoll, aber nicht zu laut aus vier Orgelpfeifen „Cobra Urban Killer“ (die heißen wirklich so) auf den Serienkrümmern. Der Doppeldrosselklappen-Schlegel hängt seidig am Gas, gibt sich handzahm. Dieses kurz übersetzte Kraftpaket muss sich nichts beweisen, macht ausgeglichen, ruhig und gelassen.
Dieser Motor hat immer Dampf, reißt auch im Sechsten kraftvoll an der Kette. Er sprintet von allen sieben Motoren am heftigsten nach vorn, nicht nur wenn Nina Prinz ihn erfolgreich beim Glemseck 101 über die Achtelmeile scheucht. Offenbar lassen der andere Auspuff und Modifikationen am Einlasstrakt den spärlich verrippten Motor viel freier atmen. Vier Takte, vier Zylinder für ein Halleluja. Im ersten Gang unvorsichtig Gas gegeben? Dann hebt der Nippon-Pfeil unvermittelt das Vorderrad gen Himmel. Wieder gelandet, erledigt die voll einstellbare Gabel der aktuellen GSX-R einen guten Job, folgt feinfühlig dem Asphalt-Relief. Ihre radial montierten Brembo-Vierkolbensättel beißen brachial zu.
Obacht: kein ABS. Da pfeift der Reifen nicht bloß wegen der geringen Hinterradlast: Bloß 107 der 231 Kilogramm vollgetankt ruhen hinten. Insgesamt ist die Fat Mile 24 Kilogramm leichter als eine Serien-Bandit. Okay, alles ohne Verkleidung und Soziussitz, Seitenständer oder Kennzeichenträger. Die Freundin mitnehmen? Vergiss es. Metzeler-Sport-Reifen M 7 RR auf leichten PVM-Supersport-Felgen haften wie der Teufel. Trotz der fetten 200er-Heckwalze fährt diese rattenscharfe Susi sehr ausgewogen, bleibt neutral auf Kurs. Sie liegt sogar unerschütterlich bei Topspeed auf der Bahn. Ein Hammer-Motorrad mit einem bärigen Bums-Motor.
„Elegant und sportlich“, befindet Matteo, unser italienischer Videomann. Leider konnte sich Suzuki nie zu einer Kleinserie oder aufwendigen Umbau-Kits durchringen. Vom Mut(h) verlassen. Schade. So bleibt’s wohl bei diesem exklusiven Einzelstück, das uns wirklich beseelt hat.
Daten: Vierzylinder-Reihenmotor, 1.255 cm³, 72 kW (98 PS) bei 7500/min, 108 Nm bei 3.700/min, Upside-down-Gabel, Zweiarmschwinge, Doppelscheibenbremse vorn, Ø 310 mm, Scheibenbremse hinten, Ø 220 mm, Alu-Schmiederäder, Reifen 120/70 ZR 17; 200/55 ZR 17, Bereifung Metzeler Sportec M7 RR, Gewicht vollgetankt 231 kg (Serie 255 kg).
Tuner: Dieser Streetfighter mit der edlen Machart und der sanftmütigen Seele gehört Suzuki Deutschland. Er ist unverkäuflich. Die Fat Mile entstand nach ersten Skizzen im Endeffekt in dreitägiger Klausur aus der Kooperation der beiden Designer Daniel Händler und Hans A. Muth. Gebaut wurde sie in Großschirma/Sachsen bei der Firma Schubert 101, Kontakt unter info@schubert-101.com und www.schubert-101.com
Wie schafft es die Triumph Thruxton R bloß, in einem so exklusiven Umfeld von größtenteils feinst veredelter Kaffee-Ware auch nicht den Hauch von Großserien-Biederkeit aufkommen zu lassen? Wüsste man nicht, dass dieses Motorrad exakt so für jedermann käuflich beim Triumph-Händler des Vertrauens steht – ohne Schrauberei und Ölfinger, stattdessen mit vier Jahren Garantie –, man könnte sie auch für ein feines Einzelstück halten. Sind es die zahllosen liebevoll gestalteten Details wie etwa die polierte Gabelbrücke, der gebürstete Old-Fashion-Tankdeckel oder das schick schimmernde Motorgehäuse?
Ist es das sexy Öhlins-Gold, leckere Speichenräder, wichtige Lenkerenden-Spiegel, der tolle Sitzbankbezug? Oder sind es die lehrbuchmäßigen, unendlich zeitlos wirkenden Proportionen, mit denen die Rote dem Café-Connaisseur das Herz aufgehen lässt?
Wäre die Triumph Thruxton R eine Frau, sie wäre Unterwäschemodel. Nirgends zu viel und nirgends zu wenig – nichts, gar nichts stört das Auge. Wasserkühlung hat sie natürlich, aber Kühlrippen haben sie dem Blubbertwin mit 270 Grad Hubzapfenversatz trotzdem gegeben, einfach so, weil’s gut aussieht. Eine Einmann-Höckersitzbank gäbe es selbstverständlich auch. Kein anderes Motorrad vereint klassische Linie mit moderner Funktion so unangestrengt und stilsicher, so selbstverständlich und cool. Formale Perfektion, und das in Serie.
Und wie sie erst fährt! Bislang waren die Klassik-Triumph eher was für gemütliche Typen, echte Racer im Geiste griffen besser zu Speed- und Street Triple. Das muss nicht mehr sein, denn die Thruxton R rollt genauso proper, wie sie aussieht. Auf modernen, nicht zu breiten Reifen in modernen Dimensionen und mit einer modernen Geometrie gesegnet, fährt sie, nun ja – modern. Wo manch anderer Café Racer hart arbeiten lässt, für jeden Funken Kurvenspeed alles abverlangt, in tief gebückter Haltung nach Lenkerstummeln ganz unten fischen lässt, kommt die Triumph Thruxton R mit moderat hohen Lenkerhälften sehr viel umgänglicher daher. Sie funktioniert einfach. Für alle, die nur fahren wollen, ausgezeichnet sogar, aber im todsicheren Stil der Roaring Sixties.
Wem die Schöne aus England noch nicht individuell genug ist, wer noch einen Schuss im Kaffee mag, dem sei das Track Racer-Paket ans Herz gelegt. Für 2300 Euro plus Montage hieven eine hocherotische Halbschale, Heckaufräumung, Edelstahlauspuffe und etwas Kleinkram die Triumph Thruxton R endgültig in den Retro-Olymp.
Daten: Zweizylinder-Reihenmotor, 1197 cm³, 71,5 kW (97 PS) bei 6750/min, 112 Nm bei 4.950/min, Upside-down-Gabel, Zweiarmschwinge, Doppelscheibenbremse vorn, Ø 310 mm, Scheibenbremse hinten, Ø 255 mm, Speichenräder, Reifen 120/70 ZR 17; 160/60 ZR 17, Bereifung Metzeler Roadtec 01, Gewicht vollgetankt 225 kg, Preis 14.500 Euro.
Die können auch anders bei Thunderbike. Verglichen mit dem, was der Hamminkelner Harley-Veredler sonst so auf die Räder stellt, ist die 2016er-Forty-Eight-Café-Racer eher eine Fingerübung. Üblicherweise geht der Customizer und Harley-Händler Andreas Bergerforth mit 85 Beschäftigten(!) ans Eingemachte: Komplettumbauten mit eigenen Rahmen, Schwingen, Tanks, CNC-Bearbeitung, aus dem Vollen gefräste Felgen – die Liste der Möglichkeiten ist lang. Aber die ultraexklusiven Thunder-Custombikes sind halt keine Café Racer, und um die geht es hier nun mal.
Streng genommen nimmt diese Achtundvierzig natürlich eher stilistische Anleihen am Café-Thema, als es konsequent umzusetzen. Wie auch? Ultratief sitzt man und weit, weit hinten, hoch ist die Front – aus einer Sportster wird kein waschechter Café Racer. Von wegen, in der Thunderbike Forty-Eight steckt ganz viel böser, schwarzer Rocker-Spirit. Die Lampenverkleidung zu 499 Euro steht ihr hervorragend, genau wie der luftige Heckumbau (ab 499 Euro), der an alle Sportster ab 2004 passt. Martialische Fußrasten und Griffe aus hauseigener Alu-Fräserei zu 149 bzw. 179 Euro, kleine Rizoma-Blinker (148 Euro), coole Spiegel für je dumpingmäßige 19 Euro und seitlich verlegtes Nummernschild (159 Euro) runden den verwegenen Auftritt ab.
Die an sich schon eher minimalistische Formensprache der Harley-Davidson Forty-Eight wird so wunderbar verdichtet und auf die Spitze getrieben. Was dieses düstere Milwaukee-Eisen aber zum echten Gesetzlosen macht, es damit im Herzen irgendwie und auf ganz eigene Weise doch zum Café Racer adelt, sind der Motor und das abenteuerliche Fahrverhalten. Hier darf für Geschwindigkeit noch richtig malocht werden, ganz wie seinerzeit – und das wiederum kann verdammt viel Spaß machen.
In Serie eher phlegmatisch, ziehen die Thunderbiker mit offenem Luftfilter und noch offenerem Vance & Hines-Rohr für 1.199 Euro dem 1200er-Sportster-Vau den Korken. Wenn er so offen ein- und ausatmen darf, entwickelt der in Serie eher verhalten dahinpröttelnde Stoßstangen-Twin ungeahnten Elan und echten Sportsgeist – mal ganz davon abgesehen, dass ein Platz-da-hier-komm-ich-Auspuff natürlich an keiner echten Harley fehlen darf. Ja, so ist das manchmal mit der Lautstärke und der Political Correctness. Albern, wenn die anderen so prollig unterwegs sind, aber lustig, wenn der eigene Ofen röhrt, dass es Oma die Dritten zerbröselt. Doch nicht nur das Donnergewitter macht den 45-Grad-Twin zum Charakterdarsteller. Wie er im Stand im Rahmen zappelt, so voller Ungeduld ob des nächsten Ampelsprints, das hat schon etwas. Man spürt in den Schockwellen jeder einzelnen Zündung, dass Harley-Davidson jede Menge Know-how in die korrekte Ausschüttung der viel zitierten „good Vibrations“ steckt.
Kernig und roh, so gibt sich auch das Fahrverhalten des Kaffee-Achtundvierzigers. Nein, so richtig funktionieren soll, oder besser darf es ja gar nicht, siehe den merkwürdigen Ballonreifen am Vorderrad. Nein, sie lenkt nicht wirklich willig ein, bremst kaum, hoppelt eher trocken über den Asphalt – und ja, gerade das ist das Beste an der Maschine vom Niederrhein. Denn man muss ringen mit einer Harley im harten Clinch um jede Kurve, muss sich den Strich verdienen. Man muss fest zupacken, hart reinlangen, kräftig umlegen. Dann fühlt es sich an, wie es sich ganz früher angefühlt haben muss, egal ob vorm Ace Cafe, am Brighton Beach oder in San Francisco zu Zeiten von Sonny Barger. Weil sie, wohl ganz bewusst, ziemlich rudimentär fährt, verschafft schon eine normale Forty-Eight hohen Erlebniswert. Bei diesem schicken Umbau gesellt sich das gute Gefühl dazu, dass der Hobel so wunderbar nach „Sons of Anarchy“ aussieht. Vielleicht kein echter Café Racer, aber böse, schwarz, anstrengend und großes Kino.
Daten: Zweizylinder-45-Grad-V-Motor, 1.202 cm³, 49 kW (67 PS) bei 6.000/min, 96 Nm bei 3.500/min, Telegabel, Zweiarmschwinge, Scheibenbremse vorn, Ø 300 mm, Scheibenbremse hinten, Ø 260 mm, Alu-Gussräder, Reifen 130/90 B 16; 150/80 R 16, Bereifung vorn Michelin Scorcher 31, hinten Dunlop D 401, Gewicht vollgetankt 242 kg, Preis als komplette Neumaschine 20.990 Euro (Serie: 252 kg); alle Teile sind auch einzeln erhältlich.
Tuner: 1985 begann Andreas Bergerforth, Japaner zu optimieren und zu tunen. Seit 2003 modifiziert die Firma Harleys, 2006 folgte die Dealer-Lizenz. Thunderbike kennzeichnen extreme Custom-Bikes, hohe Fertigungstiefe („alles außer Elektronik und Antriebstechnik“) und das eigene American Diner „Roadhouse“ als beliebter Biker-Treff. www.thunderbike.de
Café Racer auf BMW-Basis gibt es jedes Jahr mehr beim Glemseck 101. Aber fast immer mit historischen Zweiventil-Boxern. Erst nach und nach rückt auch die ohnehin schon deutlich leistungsstärkere R nineT nach. Auch in dieser Runde darf ein Flat-Twin nicht fehlen. Denn ja, Freunde, es ist schon lange so weit: BMW fahren kann ein emotional-sinnliches Erlebnis sein.
So wie hier bei der Wunderlich R nineT Café Racer. Macht an, den Hintern auf ihrer wertigen, 900 Euro teuren Echtleder-Sitzbank zu platzieren und die Knie am edel mattweiß lackierten Alu-Tank zu parken. Weiß ist das neue Silber. Bereit, die weit überstreckte Schorsch-Meier-Gedächtnishaltung einzunehmen?
Mit Tempo 50 in einer Blechkolonne mitschwimmen zu müssen, ist der pure Albtraum. Nein, der Winddruck muss mittragen. Was bei der überraschend effektiv schützenden Scheibe gar nicht so einfach ist. Steil steht sie im Wind. Flacher angestellt wäre sie nicht besser. Aber viel sexyer.
Präzise rollt die Wunderlich durch schnelle Kurven, wie hingelasert. Bei Bummeltempo auf Landstraßen sind die Supersportreifen Metzeler Racetec K3 RR fast unterfordert. Ein Gedicht ist die voll einstellbare Wilbers-Gabel, siehe dazu auch MOTORRAD 23/2015. Sie spricht fein an, bietet viele Reserven, unterbindet zu viel Bewegung in der Front – im Serientrimm ein Thema. Doch die Highspeed-Dämpfung arbeitet fast schon überdämpft. In engen Kurven wirkt die Front kippelig. Fotofahrer Karsten Schwers muss immer ein wenig korrigierend gegendrücken. Straff abgestimmt, ist das Wilbers-Federbein nichts für Fahrer mit Blasenschwäche.
Von kernigem Naturell ist auch der serienmäßige Blubber-Boxer. Er vibriert herzhaft in der Drehzahlmitte, tönt klangvoll aus den Akrapovic-Rohren. Satt und direkt hängt er am Gas, löst sportiven Anspruch ein. Teilt mächtig aus. Linker Haken, rechter Haken, dann die Gerade. 110 PS sind auf Landstraßen eine echte Macht.
Auch für Haptiker ist das dynamische Motorrad eine Erfüllung. Verarbeitung vom Feinsten, handwerklich top. Alles lassen die Wunderlich-Mannen sauber fräsen. Allein schon die längen- wie weitenverstellbaren Handhebel – eine Augenweide. Echt edel: die gefräste Zugstrebe mit Exzenter zur leichten Höhenverstellung des Hecks. Rassig wirken der filigrane, an der Schwinge angebrachte Kennzeichenträger und die in den Lenkerenden versteckten Kellermänner. Dennoch wirkt diese R nineT ein wenig überkandidelt, overdressed. Braucht ein Café Racer wirklich eine Schalthebelvergrößerung? Mehr Auflagefläche für den Seitenständer? Hey, das ist doch keine GS. So genau weiß der stolze Schwan gar nicht, was er sein soll. So sieht es auch das Fahrerlager: Klar, dass BMW-Veredler Wunderlich mit seinem rollenden Prospekt zeigt, was so alles geht. Aber weniger wäre in diesem Fall mehr.
Daten: Zweizylinder-Boxermotor, 1.170 cm³, 81 kW (110 PS) bei 7.750/min, 119 Nm bei 6.000/min, Upside-down-Gabel, Einarmschwinge, Doppelscheibenbremse vorn, Ø 320 mm, Scheibenbremse hinten, Ø 265 mm, Speichenräder, Reifen 120/70 ZR 17; 180/55 ZR 17, Bereifung Metzeler Racetec K3, Gewicht vollgetankt 223 kg (Serie 222 kg). Umbaukosten inkl. Arbeitszeit ca. 16.500 Euro (Basismaschine: 14.900 Euro). Alle Parts sind auch einzeln erhältlich.
Tuner: Erich Wunderlich bietet seit über 25 Jahren Komplettumbauten und Zubehörteile für BMW an. Wunderlichs Karriere begann 1985 in der heimischen Garage mit Yamaha-Singles. Heute sitzt die Firma in Sinzig. www.wunderlich.de
„Kaffeeh-“, „Koffih-“ oder „Ka-fäi“- Racer? Egal für welche Aussprache man sich entscheidet, die Geschichte der puristischen Sportler ist eindeutig mehr mit englischen Cafés, mit Pubs und Pints verknüpft als mit Omas Filterkaffee. The spirit counts, der richtige Geist zählt!
Dies- und jenseits des Ärmelkanals galt das Motorrad in der Nachkriegszeit vor allem als günstige Alternative zum Auto. Und wurde daher bei steigendem Wohlstand mehr und mehr durch den Pkw ersetzt. Für die Jugend der späten 50er wurde es dagegen Ausdruck der Freiheit und der eigenen Identität. Rebellion auf Rädern. In englischen Hinterhöfen und Werkstätten entstanden so aus Norton, Triumph und BSA- Maschinen stylishe Café Racer. Stummellenker, zurückverlegte Fußrasten und Höckersitzbank machten nicht nur optisch schnittiger. Die privaten Bikes sollten möglichst cool – wie die damaligen Rennmaschinen – aussehen.
Wer es sich leisten konnte, schraubte auch an der Leistung. Schließlich hielten die Motorräder auch für mehr oder weniger legale Rennen von Café zu Café her. Die Treffpunkte lagen dabei oft in den Straßencafés und Truckstops des Londoner Umlands, die nur mit Motorrad gut zu erreichen waren – etwa das legendäre Ace Cafe. Besonders beliebt war „Record Racing“: Der Münzeinwurf in die Jukebox war das Startsignal, nach dem unter Gejohle der Umstehenden die North Circular Road rauf- und runtergebrettert wurde, möglichst bevor die Schallplatte (engl. record) zu Ende war. Rockmusik war fester Bestandteil der Szene, doch bis auf Gitarrenmusik und Lederjacken gab es wenige Gemeinsamkeiten zu US-Rockern.
Ihren Höhepunkt hatten die „Ton up Boys“ in den bewegten 60er-Jahren. „Doing a Ton“ bedeutete, die Grenze von 100 Meilen pro Stunde, 160 Stundenkilometer, zu knacken. Durch Konflikte mit den „Mods“ (die Lambrettas, Vespas, Jazz und Soul bevorzugten) rückte die Szene bald in den Fokus der Massenmedien, bald waren Rocker als motorisierte Cowboys und Rowdys verschrien. Die Polizei reagierte mit strengeren Tempolimits und Kontrollen.
Die Szene verflüchtigte sich, und als das berühmte Ace Cafe 1969 schließen musste, gingen auch die meisten Rocker neue Wege. In ein gemäßigteres Leben, in die Hippiekultur oder zu den Hells Angels. Seit den 80ern gab es diverse Revival-Events, bis das Ace Cafe 2001 auf Initiative von Mark Wilsmore endlich wieder öffnete. Es ist nun ein beliebter Treffpunkt für Motorradfahrer aus der ganzen Welt. Auch die Café Racer sind nie ganz verschwunden.
Seit Triumph 2004 die Thruxton auf den Markt brachte, erleben diese aufs Wesentliche reduzierten Motorräder ihr Comeback. Obwohl sie technisch auf recht aktuellem Stand sind, vermitteln sie optisch das Gegenteil, zelebrieren das Mechanische und Analoge und stechen heute umso mehr aus der Masse heraus.
Motorleistung, das zeigen auch unsere glorreichen Sieben hier, ist dabei zweitrangig: Für schnelle Rundenzeiten gibt es aktuell viel bessere Maschinen. Dafür bieten die modernen Café Racer das, was viele Motorräder schon verloren haben: ursprünglichen Genuss, ungefilterten Fahrspaß.