Café Racer-Eigenbau auf Suzuki TS 400-Basis

Café Racer-Eigenbau auf Suzuki TS 400-Basis Transformation

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Henri Mahé hat einer völlig verrotteten Suzuki TS 400 von 1977 wieder Leben eingehaucht. Der Umbau-Aufwand zum Café Racer war enorm, dafür hat der Roman-Autor nun eine neue Hauptfigur.

Transformation Schmieder
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Es ist ein perfekter pro­vencalischer Frühlingstag, der mich an diesem Ostersonntag in Le Castellet bezaubert. Sonne satt, dazu ein warmer Wind, der mir das Konzert aus Hunderten Auspuffen direkt in die Flimmerhärchen föhnt. Rund 500 Klassiker, Renn- und Sportmaschinen, drehen auf dem Circuit Paul Ricard bei Rennen und Demo-Fahrten in verschiedenen Klassen ihre Runden. Darunter 14 Ex-Champions, die nicht nur Autogramme geben, sondern ihre Fahr­künste zeigen. Das alles erinnert mich an die Bikers' Classics in Spa-Francorchamps. Nur geht es hier ein wenig frecher, frivoler, eben französischer zu.

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Das sieht man auch an den zum Teil völlig verrückt umgebauten Motorrädern der Besucher, der Parkplatz ist eine riesige Showmeile. Eine Menschentraube lockt mich zu einem spannenden Motorrad: Es ist ein spektakulärer Eigenbau mit Ein­zylinder-Zweitaktmotor. Wow, hier waren echte Metallkünstler am Werk. Der Be­sitzer, ein Typ mit wallendem grauen Haar und dunkler Sonnenbrille, gibt bereit­willig Auskunft. Sein Motorrad leuchtet in traditionellem British Racing Green (die klassische Jaguar-Farbe), ein goldgelb lackierter Rahmen und der schwarze Motor bilden einen reizvollen Kontrast. „Hallo, ich bin Henri, Henri Mahé“, begrüßt mich der Franzose auf Englisch.

Suzuki TS 400 von 1977 als Basis

„Dies ist meine ganz spezielle Straßenmaschine“, sagt Monsieur Mahé, „sie ist erst vor zwei Tagen fertig geworden.“ Man möge daher bitte entschuldigen, dass der Ledersitz noch beim Sattler sei. Was die Basis dieses Café Racers war? „Eine Suzuki TS 400 von 1977.“ Eine TS? Das war doch die von 1971 bis 1979 gebaute En­duro, 34 PS stark, mit Stollenreifen (vorn 19, hinten 18 Zoll), Kickstarter und charakteristischem Knick im hochgelegten Schalldämpfer. „Ja, stell dir vor, so stand der ­Single zehn Jahre lang vergessen in der Elendsecke eines Gartens auf dem Land herum.“ Henri zeigt mir ein Foto der 400er kurz vorm endgültigen Verfall.

Eine Annonce brachte den 58-Jährigen auf die Spur der dottergelben Suzuki. „Sie weckte spontan mein Mitleid.“ Die betagte Enduro stand völlig ungeschützt draußen. „Da wuchsen schon Pflanzen mittendurch“, erinnert sich Henri, „Hühner nutzten die Suzuki als Aussichtspunkt. Da musste ich was machen.“ Damals ahnte Henri noch nicht, dass auf ihn und seine Helfer zwei Jahre Arbeit warteten – jeden Freitag­abend trafen sie sich nach dem Job und schraubten die ganze Nacht hindurch. Henri Mahé arbeitete bis 2005 für das französische ­Außenministerium. Anschließend verdingte er sich als Autor, sein vierter ­Roman mit dem Titel „Le Certificat“ ist eben erschienen.

"Ich bin nicht gerade ein begnadeter Handwerker"

Doch wie kam es zum Komplettumbau der 400er? „Ich wollte das Motorrad nicht wieder aufbauen wie es war, sondern etwas Neues daraus machen, etwas Einzigartiges unter Verwendung von Rahmen und Motor der Suzuki TS 400.“ Das einzige Problem dabei: „Ich bin nicht gerade ein begnadeter Handwerker.“ Also musste ein Partner, ein Mentor her. Den fand Henri nach Lektüre von Zeitschriftenartikeln in Emmanuel Olivier, dem Kopf der Firma MG Moteurs aus La Farlède. „Emmanuel ist ein Supermechaniker, ein Handwerker par excellence, spezialisiert auf die Beschaffung und Anfertigung von Teilen, aber auch auf Komplett-Restaurierungen.“

So drehte und fräste Emmanuel Olivier die Radnaben aus je vier Kilogramm schweren Alublöcken. Insgesamt brauchte er sogar über zehn Kilo Aluminium: „Wir mussten etliche Spezialteile anfertigen, etwa eigene Gabelbrücken.“ Darin stecken die Gabelholme einer Honda NSR 125. Der Rahmen wurde gekürzt, das Heck angepasst. Zudem fertigte Emmanuel einen dünnen Schalldämpfer samt Halter an. Den Rest des Zweitakt-Auspuffs, nämlich Krümmer und Birne, steuerte ein Spezialist aus Zentralfrankreich bei, der hierfür Bleche ausstanzte, rollte und anschließend sauber verschweißte. Rund 30 Arbeitsstunden verschlang der kunstvoll zusammengesetzte Auspuff.

120 Kilo Trockengewicht

Des Schweißers Meisterstück ist jedoch der trapezförmige, auf Hochglanz polierte Luftfilterkasten mit dem kreisrundem Ausschnitt in der Mitte, der das lederne Werkzeugtäschchen beherbergt. Oder  ist es das Schminktäschchen für die Frau? „Nein!“ Henri entschied sich für einen Einsitzer, den er „Apache 400“ taufte, als Reminiszenz an die einstige Modell­bezeichnung der Suzuki-Enduro in den USA. „Außerdem mag ich die nordamerikanischen Ureinwohner.“ 

Henri Mahé hat viel gelernt von Emmanuel Olivier. Dieser übernahm auch die dringend notwendige Revision des Einzylinders. Der Motor musste komplett überholt und neu gelagert, die Oberflächen zudem gestrahlt werden. Nach rund zehn Jahren draußen bei Wind und Wetter war sogar der Kolben im Zylinder festgerostet. Blöd, weil es keine originalen Suzuki-Kolben mehr gab. Doch Henri hatte Glück: „Ein Kolben aus einem 700er-Twin von ­Polaris, der sonst Jet-Skis antreibt, passte perfekt.“ Für den 400er-Single peilte das Erbauerduo rund 45 PS an: „Wir haben ­einen neuen Vergaser richtig gut angepasst.“ 120 Kilo Trockengewicht lassen die zierliche Edel-Suzuki beim Rangieren extrem leicht wirken, fast wie ein Fahrrad.

Aluminium-Armaturen einer 250er-Suzuki

Titanschrauben und eine federleichte Lithium-Ionen-Batterie unter dem langen 12-Liter-Tank aus Polyester, der ein Gemisch im Verhältnis 1:20 schluckt, erleichterten das Abspecken. Handgefertigt ist überdies der Instrumententräger, ebenso der Kippschalter für die Zündung. Am schmalen M-Lenker sind Aluminium-Armaturen einer 250er-Suzuki von 1969 verschraubt. Die Fußrasten sind eine Spezial­anfertigung, den glänzenden Träger der gekrümmten Verkleidungsscheibe hat Henri jedoch selbst von Hand gedengelt. So viele feine Details, so viel Arbeit ...

Alleine die Teile und Rohlinge kosteten rund 8000 Euro. Günstiger war die gelbe Streuscheibe im Chrom-Scheinwerfer zu haben, sie stammt aus einem französischen Auto der 70er-Jahre. MG Moteurs fräste neben den Fußrasten auch den Verteiler für die Stahlflexleitungen zur vorderen Doppel-Scheibenbremse mit Zwei­kolben-Schwimmsätteln von Grimeca. Auf den spanischen Akront-Hochschulterfelgen (2.50 x 18 und 3.00 x 18) sind haftfreudige Bridgestone BT 45 in den Dimensionen 110/80-18 und 140/70-18 montiert.

Sunday Ride Classic im Frühjahr 2016

Sehr edel geriet die Lackierung: Den breiten schwarzen Längsstreifen über Höcker und Tank flankieren links und rechts handgezogene goldene Zierlinien. Ein Traum in Grün-Gold-Schwarz, abgesetzt mit etwas Chrom- und Aluglanz. Kunstvoll wirkt das Logo auf dem Tank: „Road Runner“ ist da zu lesen, und „H.B. Original Motorcycle Ltd.“ – die Initialen der zwei Vornamen des Monsieur Mahé: Henri Bernard. Er berichtet von dem großen Moment, als der Motor nach zwei Jahren Arbeit erstmals wieder lief: „Das war sehr bewegend, dieser bellende Klang!“ Später, am Telefon, erzählt mir Henri begeistert von Ausfahrten auf seiner 400er, bei denen er eine 750er-Kawasaki H2 gut auf Abstand halten konnte! „Das fühlt sich wirklich nach gut 45 PS an.“

Im diplomatischen Dienst blieb Henri einst keine Zeit zum Motorradfahren, nicht einmal in Japan, wo er von 2001 bis 2005 in Osaka arbeitete. „Das war eine sehr interessante Zeit, ich lernte die japanische Kultur kennen und schätzen.“ Aufs Motorrad schaffte er es erst wieder 2010, mit einer Benelli 254. In seiner Jugend fuhr Henri 125er von CZ und Honda, eine 450er-Honda und später 750er-Suzukis, Wasserbüffel und Viertakt-GS. Heute hält er sich die Nachmittage frei zum Motorrad fahren, schreibt frühmorgens am Roman.

Was bleibt, ist eine einfache Erkenntnis: Franzosen haben einen guten Motorradgeschmack. Davon kann man sich beim nächsten Sunday Ride Classic im Frühjahr 2016 (16. + 17. April) überzeugen. Auch Henri Mahé will wieder dabei sein. Gute Fahrt, bonne route, mit deiner Apache 400!

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