Die Scrambler-Baureihe wird um die Ducati Scrambler Desert Sled erweitert, also den Wüstenschlitten. Eine stilvolle Maschine mit durchaus ernst gemeinten Offroad-Ambitionen.
Ducati hat alle Register gezogen und präsentiert die Ducati Scrambler Desert Sled - den „Wüstenschlitten“ - in der einzigen Wüste Europas. Sie liegt bei Tabernas im südöstlichen Zipfel Spaniens, diente schon als Kulisse für viele Spielfilme: „Lawrence von Arabien“, „Indiana Jones und der letzte Kreuzzug“ oder „Für eine Handvoll Dollar“. Eine klasse Kulisse: In der ausrangierten Westernstadt „Fort Bravo“ hat das Basislager Quartier bezogen. Zwischen Saloon, Post Office und „Grand Central Bank“ stehen 30, 40 bildschöne Motorräder, quasi moderne XT 500 mit knackigem, kraftvoll wirkendem Design – doch leider in strömendem Regen und bei bitterer Kälte.
Kann da echte Fahrfreude aufkommen? Oh ja! Denn dieses neue, so ästhetische Motorrad trifft nicht nur optisch einen Nerv. Die Ducati Scrambler Desert Sled zieht sich auf lehmig-schlammigem Untergrund und im durchweichten Sand beachtlich aus der Affäre. Doch vorher wollen 860 Millimeter Sitzhöhe auch von Leuten unter 1,75 Meter erklommen werden. Immerhin ist die bequeme Bank vorne schön schmal geschnitten. Optional gibt es auch eine zwei Zentimeter niedrigere Sitzgelegenheit. Herrlich sind die Aluminium-Abdeckungen seitlich am Tank.
Ducati Scrambler Desert Sled mit 19-Zöller vorn
Prima liegt der breite Endurolenker mit schicker Querstrebe zur Hand, vielleicht ein wenig weit vorn. Die Sitzposition ist relaxed, vermittelt mit schmalem Knieschluss und gezackten Endurofußrasten guten Kontakt zur Maschine. Rund 210 Kilogramm vollgetankt soll die Ducati Scrambler Desert Sled wiegen. Sie ist kein Blender, auch wenn die Bedingungen tricky sind. In tiefen Spurrinnen laufen Vorder- und Hinterrad schnell mal in getrennten Bahnen. Logische Folge: Die Fuhre stellt sich quer. Macht gar nichts, denn ein beherzter Gasstoß reicht, und wie von Zauberhand reiht sich das Hinterrad wieder brav in Linie ein. Hilfreich wirken gute Führungsqualitäten des von der Multistrada Enduro übernommenen 19-Zöllers vorn; ferner der durch die 25 Millimeter längere Schwinge auf 1505 Millimeter verlängerte Radstand.
Dieser Scrambler erzählt dir viel, beim Betrachten und beim Fahren. Ducati spendierte vorn und hinten komplett neue Federelemente mit satten 20 Zentimeter Federweg. Sie geben sich schluckfreudig, sprechen fein genug an. Kleinere Sprünge steckt das verstärkte Federbein mit Ausgleichsbehälter locker weg. Erstmals in der Scrambler-Baureihe ist die Upside-down-Gabel von Kayaba voll einstellbar, dazu stabile 46 statt schmaler 41 Millimeter stark. Obere und untere Gabelbrücke liegen bei der Ducati Scrambler Desert Sled 30 statt bei den anderen Scramblern 22 Zentimeter auseinander.
Viel Traktion auch auf Asphalt
Satte 238 Millimeter Bodenfreiheit nehmen die Angst vor kindskopfgroßen Steinen im Geröll. Doch Obacht: Der kurze Motorschutz aus Aluminium ist zwar markant, lässt aber den vorderen Zylinderkopf samt Krümmer ungeschützt. Mit dem breiten, aber kurzen Enduroschutzblech saut sich die adrette Ducati Scrambler Desert Sled ziemlich ein. Der stählerne Gitterrohrrahmen spannt den V2 nicht mehr tragend ein. Und präsentiert sich verstärkt durch eine zusätzliche Längsstrebe links vom stehenden Zylinder. Nun, die Desert Sled knüpft als Krönung der Scrambler-Baureihe an Ducatis Geländetradition an: Im Jahr 1969 gewann ein Einzylinder-Scrambler aus Bologna die berühmte Baja California.
Etwas umständlich über Bordmenü lässt sich das ABS abschalten, jedoch nur komplett vorn/hinten. Nun lässt sich die Ducati Scrambler Desert Sled auf Schotter anstellen und dabei gut kontrollieren. Die im Gelände wichtige Hinterradbremse ist trotz plump gestanzten Pedals feinfühlig dosierbar, der vordere Vierkolbensattel wirkt dagegen etwas matschig am Hebel. Kompliment für die speziell auf die Desert Sled abgestimmten Pirelli Reifen Scorpion Rally STR: Ihr schönes Stollenprofil bietet tatsächlich viel Traktion. Nach schlammigen Passagen reinigt sich das Negativprofil auf trockenem Untergrund rasch wieder von allein. Und diese Grobstöller haften selbst auf klatschnassem kaltem Asphalt klasse.
Traktionskontrolle durchaus entbehrlich
Neutral und handlich umrundet die Ducati Scrambler Desert Sled Wechselkurven, bleibt exakt auf Kurs, klappt nicht weiter ab als gewünscht. Auch das Herzstück weiß zu gefallen: Gefühlt läuft der mechanisch unveränderte 90-Grad-V2-Motor noch weicher als bisher. Er pulsiert ganz sanft. Zugegeben, wirklich höhere Drehzahlen entern wir heute fast nie. Aber störende Vibrationen sind komplett Fehlanzeige. Gute Laufkultur trifft gleichmäßige Leistungsabgabe. Speziell die fürs Gelände wichtigen Gänge zwei und drei bieten jederzeit genügend Kraft von weit unten. Sanft und fein lässt sich der V2 über den nun progressiv, nicht mehr linear übersetzten Ride-by-Wire-Gasgriff kontrollieren, rein „übers Gas fahren“: Zunächst werden die Öffnungswinkel am Drehgriff in weniger Grad Drosselklappe übersetzt, zum Ende hin dagegen überproportional.
Den neuen Gasgriff haben nun alle 800er-Scrambler, er lässt sich an bisherigen Maschinen nachrüsten. Auf Asphalt beträgt das Mindesttempo im sechsten Gang so etwa 80 – darunter ruckelt der V2. Das sind dann rund 3.500 Touren im leider sehr mäßig ablesbaren digitalen Drehzahlmesser. Kein Vertun: Mit 75 PS Spitzenleistung und gut nutzbarer Power ist das ein feiner, vollkommen ausreichender Landstraßenmotor. Die Ducati Scrambler Desert Sled reißt zwar nicht besonders bärig an, aber einem auch nicht gleich die Arme ab, liefert stets genügend Drehmoment. Der luftgekühlte Zweiventiler lebt! Es gibt nur ein einziges Motor-Mapping. Kein Problem, es funktioniert ja. Auch eine Traktionskontrolle ist Fehlanzeige, aber durchaus entbehrlich.
Fast jede dritte Ducati ist eine Scrambler
Wenn man auf der Ducati Scrambler Desert Sled nicht aufmerksam schaltet, speziell mit klobigen Endurostiefeln, bleibt man im etwas wackeligen Sechsganggetriebe mitunter zwischen zwei Gängen hängen. Am Vorserien-Motorrad war der Schalthebel etwas hoch montiert. Schön leichtgängig lässt sich die Seilzugkupplung ziehen. Schade: Anders als der Bremshebel ist der Kupplungshebel nicht einstellbar. Der Auspuff klingt dank großen Sammlers angenehm dezent aus den beiden kurzen Orgelpfeifen. Keine Angst: Akustisch verleugnet er mit
feinem Stakkato nie, ein V2 zu sein, prustet sogar mal herzhaft im Schiebebetrieb. Bleibt dabei aber mit seinem wohligen V2-Schlag stets freundlich zu den Anwohnern. Prima. Das markante Hämmern aus der Airbox dringt nur zu des Fahrers Ohr.
Was genau die Ducati Scrambler Desert Sled ist? Softenduro, Funduro, Lifestyle-Offroader? Die Botschaft ist klar: Lässig unterwegs sein zwischen Sand und Großstadt-Gewühl. Was wirklich zählt, ist leichte Fahrbarkeit. „Born Free“ ist in die edel gemachte Abdeckung überm Tankverschluss eingeprägt. Ja, dieses Motorrad ist ein Freigeist.
Die Desert Sled ist ein wichtiges Motorrad für Ducati und ein witziges für ihren Besitzer. Schön und stilvoll, vermittelt dieses Motorrad selbst Piloten mit wenig Offroad-Ambitionen viel Vertrauen. Mit reichlich Zubehör bis hin zu hübschen Packtaschen lässt sich die Ducati Scrambler Desert Sled weiter aufbrezeln. Nun, über 11.000 Euro Basispreis für das Topmodell von Ducatis gelber Untermarke sind eine Menge Holz. Nebenbei kickt die Desert Sled die „Urban Enduro“ aus dem Programm. Insgesamt 32.000 Scrambler purzelten in den vergangenen zwei Jahren in Bologna von den Bändern – fast jede dritte Ducati. Diese Quote dürfte jetzt noch steigen.
Die Unterschiede zur Scrambler Classic
- wie bei allen Scrambler-Modellen Motor nach Euro 4 homologiert: längerer Kat, progressiver Gasgriff, Filter gegen Verdunstungsemissionen
- neue Federelemente vorn und hinten mit je 200 Millimeter Federweg
- verstärkter Stahl-Gitterrohrrahmen, 25 Millimeter längere Alu-Schwinge, längerer Radstand, größere Bodenfreiheit
- Speichenräder, vorn/hinten 19/17 Zoll mit neuen Reifen Pirelli Scorpion Rally STR
- geänderter Edelstahlauspuff mit Aluminium-Endstücken
- Enduroschutzblech vorn, modifizierter Spritzschutz hinten
- Aluminium-Motorschutz
- Lampe mit homologiertem Steinschlagschutz
- anders konturierter Sitz
- breiter Lenker mit Cross-Strebe
- Fußrasten, Bremspedal und Kennzeichenträger geändert
Hässlich geht gar nicht
Die Macher der Desert Sled (von links): Designer Jérémy Faraud, Marketing-Manager Angelo Marino, Produkt-Manager Rocco Canosa, Fahrzeugentwickler Antonio Zandi und Design-Chef Andrea Ferraresi
Die Erfolgsgeschichte von Ducatis Scrambler-Reihe setzt sich fort: Die neue Ducati Scrambler Desert Sled sorgt für Aufsehen – auch, weil sie der Yamaha XT stark ähnelt. Bei Ducati mag man das nicht gern hören; MOTORRAD fragte dennoch im Werk nach, warum das so ist.
Üblicherweise reden sie bei Ducati nur zu gern über die Optik der hauseigenen Motorräder. Diesmal ist die jedoch in mancher Hinsicht ein wunder Punkt, denn die neue Ducati Scrambler Desert Sled sieht zwar aufregend gut aus, erinnert aber jeden Motorradfahrer eines gewissen Alters unweigerlich an die Yamaha XT. „Nein, wir haben uns bei der Entwicklung nicht an der XT orientiert“, wiederholt Design-Chef Andrea Ferraresi im MOTORRAD-Gespräch mantragleich. „Basis war vielmehr unsere eigene Urban Enduro, die wir zur leichten Geländetauglichkeit erzogen haben, und das halt mit klassischer Optik.“ Schließlich platzt es aber doch aus ihm heraus: „Es ist schlicht so: Die XT war eine Stilikone der 80er-Jahre. Und eine Enduro im Look dieser Jahre, die ihr nicht ähnlich sieht, riskiert es, hässlich zu sein.“ Hässlich geht bei Ducati natürlich gar nicht. Daher also die golden eloxierten Felgen, das hohe vordere Schutzblech, der konifizierte Alu-Lenker mit Querstrebe und die zum Tank hin schmal zulaufende Sitzbank – Komponenten, die allesamt die Ähnlichkeit mit der XT bestärken. Dass die Ducati Scrambler Desert Sled ein prominentes X auf dem Tank trägt und Ducati sie auch im schlichten Weiß anbietet, so wie einst die XT daherkam, lässt allerdings doch ein gewisses Kalkül vermuten.
Neben Geländefans und Nostalgikern wollen die Italiener mit ihr solche Motorradfahrer auf die Scrambler holen, „denen die bisherigen Modelle zu klein und zu zierlich waren“, wie Marketing-Manager Angelo Marino erklärt. Mit dem verstärkten Rahmen, der längeren Schwinge, der dickeren Gabel (46 statt 41 mm) und der 70 mm höheren Sitzbank wirkt die neue tatsächlich viel erwachsener als die anderen Scrambler. Gerade auf dem deutschen Markt erhofft sich Ducati daher Zuwächse; die Ähnlichkeit mit der glorreichen XT dürfte der Ducati Scrambler Desert Sled keineswegs schaden – im Gegenteil.
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