Fahrbericht Benelli Tornado Tre Limited Edition

Fahrbericht Benelli Tornado Tre Limited Edition Alles ganz anders

Weg vom Einheitsbrei, raus aus den Fesseln der Großserie: MOTORRAD fuhr weltexklusiv die 36000 Euro teure Benelli Tornado Tre Limited Edition.

Heiser faucht die Grünschwarze aus ihrer Titan-Schalldämpfern, beißender Geruch von verdampfenden Montagefettresten dringt in die Nase. Kein Zweifel, diese Maschine ist brandneu, eben erst zusammengebaut. Benelli-Importeur Ronald März ist stolz auf das neue Baby, lässt den ultrakurzhubigen Dreizylindermotor mit kurzen Gasstößen warmlaufen, die Scheiben der Trockenkupplung scheppern rennmäßig.

Lange, sehr lange hat es gedauert, bis die ersten Benelli montiert wurden. Eigentlich wollte Firmenbesitzer Andrea Merloni schon im Frühjahr 2001 mit der Produktion starten. Interne Schwierigkeiten und Umstrukturierungen sorgten für Verzögerungen. Ebenso lag technisch noch vieles im Argen. Erst seit der Motor eine konventionelle Zündfolge besitzt, ist er wirklich standfest. Das ursprünglich von Ingenieur Riccardo Rosa entworfene Triebwerk mit Big-Bang-Zündfolge – alle drei Zylinder werden während einer Kurbelwellenumdrehung gezündet – wurde wieder verworfen. Mit dem konventionell zündenden Triple klingt die Tornado nun wie eine Triumph Daytona, nur deutlich wilder, ungehobelter, bissiger. Und Signore Rosa hat zwischenzeitlich einen anderen Job, seinen bekam der ehemalige Chefkonstrukteur von Bimota und Schöpfer so schöner Maschinen wie die DB4 und SB8K, Pierluigi Marconi. Ein fähiger Mann.

Der Zug am Kupplungshebel macht dem Geschepper ein Ende, der erste Gang flutscht sanft in seine Rastung, die Benelli schiebt sonor tönend los. Obwohl an dieser Maschine vieles anders ist als bei anderen, fühlt man sich sofort wohl. Sitzposition, Hebel, Instrumente, alles passt. Sogar der völlig unorthodox geformte Tank stört keineswegs. Nur die bauchige Form der Kühlluftschächte unter dem Tank ist gewöhnungsbedürftig. Kühlluftschächte? Ja, richtig gelesen, hier geht die Benelli ganz andere Wege. Der Kühler sitzt über dem Hinterrad, die Lüfter, die im Stand die Warmluft absaugen sollen, befinden sich im Heck. Mächtige Karbonfaser-Schächte leiten die an der Front geschöpfte Kühlluft an den Kühler weiter. Der vor dem Motor gewonne Platz kann diesen nach vorne rücken lassen und so die Gewichtsverteilung optimieren. Auch soll die Maschine so schmaler bauen. Mal sehen, wie die ungewöhnliche Lösung funktioniert.

Die ersten Kilometer will man dem brandneuen Triebwerk freilich noch nicht so viel zumuten. Aber so bis 7000/min darf es drehen. Kehlig schlürft der Drilling aus der Airbox beim Öffnen der drei Drosselklappen, doch statt eines Wirbelsturm sorgt der 900er höchstens für eine steife Brise. Außerdem kann die Abstimmung der Einspritzung noch nicht überzeugen. Harte Lastwechsel und ein deutliches Beschleunigungsloch bei 5000/min zeigen, dass an der Feinabstimmung des Motors noch gearbeitet werden muss. Die wie bei Triumph von Sagem gelieferte Einspritzanlage bedarf einer peniblen Programmierung. Zudem macht die Trockenkupplung Mucken, ihr Druckpunkt wandert. Sie wird, so Benelli, noch einmal geändert.

Nahezu perfekt gebärdet sich dagegen das Fahrwerk. Wie von selbst gleitet die Benelli in Schräglage, lenkt sich unheimlich direkt und stabil selbst durch schwierige Kurvenpassagen. Das Vorderrad scheint wie auf einer unsichtbaren Schiene zu rollen, das fühlt sich sehr nach MV Agusta an. Dabei wurde der Rahmen höchst ungewöhnlich gestaltet. Vier Stahlrohre verbinden Lenkkopf und Schwingenlagerung aus Leichtmetallguss. Das Ganze wird verklebt und verschraubt. Auch Flugzeuge werden verklebt.

Die Öhlins-Gabel überzeugt mit bekannt guter Qualität, erledigt ihren Job sauber ansprechend und routiniert. Selbst beim harten Bremsen, was mit den bestens dosierbaren Brembos mit jeweils vier Einzelbelägen pro Zange ein Kinderspiel ist, gibt sich die Vorderradführung keine Blöße, sondern steckt einfach alles weg. Klasse. Das Federbein ebenfalls bestens, ist allenfalls etwas straff in der Dämpfung.

Sicher haben sich die Ringe der großen 88er-Kolben inzwischen eingelaufen, die Gleitlager eingepasst. Also Gas! Zeig, was du kannst! Wo ist der Sturm? Er kommt! So ab 8000/min geht was, ab 10000/min geht richtig was. Bis 11800 Umdrehungen dreht der Drilling mit Gebrüll. Dann kommt der Begrenzer sanft ins Spiel. Der nächste Gang, dieselbe Gasgriffstellung, herrlich, wie der 900er schiebt. Und wie er klingt! Aufregend rau und kernig.

Gut, die 150 Pferde, die in der Homologation angegeben sind, scheinen noch nicht ganz ausgewachsen. Noch fehlt es dem Benelli-Triebwerk etwas an Schmackes. Aufgrund ihres sonoren Klangs suggerieren Dreizylinder zwar weniger Power, als tatsächlich vorhanden ist. Doch so gut wie die neuesten 1000er geht die Tornado nicht. Gefühlsmäßig wirkt sie außerdem relativ lang übersetzt und trägt verhältnismäßig viel Schwungmasse auf der Kurbelwelle. Aber wozu mit den Tausendern mithalten wollen? Da geben es sich die vier großen Japaner seit Jahren. Und der italienische Hersteller hat ja schon einmal den Versuch unternommen – erfolglos. In den Siebzigern, als Benelli Honda-Motoren nachbautn. Für die Landstraße reicht die Power auch so allemal.

Ohne Fehl und Tadel funktioniert das Kühlsystem. Klar, wir haben es noch nicht bei 35 Grad im Schatten in der Stuttgarter Rushhour prüfen können. Bei angenehm milden Temperaturen im März geriet die Kühlung jedoch nie in kritische Bereiche. Auch konnte der Motor sich bei den Testfahrten noch nicht auf der Autobahn austoben. Benelli war aber gerade zwei Wochen lang auf der teststrecke in Nardo, wo dem Dreizylinder Standfestigkeit und eine noch zu niedrige Höchstgeschwindigkeit von 274 km/h bescheinigt wurde.

Wenn es auch an Spitzenleistung noch fehlen mag, Spitzen-Design bekommt man bei der Tornado auf alle Fälle. Bis auf die Hinterradschwinge, die ein wenig an Aprilia RSV mille erinnert, finden sich ausschließlich eigenständige Lösungen. Die übereinander angeordneten Scheinwerfer, Fußrasten mit fein gearbeitetem Benelli-Logo, das wunderschön ins Heck integrierte Rücklicht, überall Details, die selbst das verwöhnteste Motorradfahrerauge überraschen. Schade, dass die Lüfterräder im Heck nicht mehr Gelb lackiert sind. Der Lack hielt der beanspruchung nicht stand. Nun sind sie schwarz, und Ronald März philosophiert, ob man nicht mit zwei Lämpchen die verlorengegangene Originalität wieder herstellen könnte. Etliche technischen und optischen Lösungen sind jedenfalls ohne Beispiel im Großserienbau von Motorrädern. Die Benelli Tornado ist anders. Ganz anders.

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