Zehn Jahre ist es bereits her, als die Moto Guzzi-Fangemeinde dachte, nicht mehr nur träumen zu müssen. Denn im Jahr 2002 stand sie auf der Intermot in München, die MGS/01. Die zur Realität gewordene Verkörperung des so sehnlich erwarteten Sportbikes aus Mandello del Lario. Doch es sollte wieder nicht sein. Bevor die Serienproduktion gestartet werden konnte, trudelte der Hersteller einmal mehr ins finanzielle Abseits, wurde im Jahr 2004 von der Piaggio-Gruppe übernommen - und das Projekt aufgegeben.
Giuseppe Ghezzi war damals schon dabei, gilt seit jenem Prototyp als Visionär im Lager der Guzzisti. Und jene Idee eines Guzzi-Sportbikes hat ihn nicht mehr losgelassen. Genauso wie Stefano Perego, ein engagierter Guzzi-Händler aus der Nähe von Mailand. Zusammen gründeten sie die Manufaktur Millepercento (www.millepercento-.it), übersetzt: 1000 Prozent. Das jüngste Ergebnis der Verbindung: die Millepercento Alba. Alba steht für Albacete, die Rennstrecke, auf der ein MGS/01-Prototyp den Klassensieg beim spanischen Langstrecken-WM-Lauf 2004 holte.
Die Basis bildet das 1151-cm³-Triebwerk des Naked Bikes Griso. Doch schon der Druck aufs Knöpfchen verrät, dass dem V2 etwas mehr Freiheiten beschieden sind. Mächtig bollernd, aber dennoch mit allen Euro-3-Homologationswürden ausgestattet, grollt der Achtventiler aus der Edelstahl-Auspufftüte. 6 PS mehr als das 106 PS starke Griso-Triebwerk soll der Treibsatz der Alba abdrücken. Kein Quantensprung angesichts besagt liberaler Auspuffanlage, eines weniger restriktiven Luftfilters, von 10,4 auf 11,5 erhöhter Verdichtung, einer modifizierten Motorsteuerung von Athena und vor allem des voluminösen 64-mm-Drosselklappengehäuses (Serie: 50 mm).
Dennoch vermisst man hier auf den verschnörkelten Sträßchen südlich des Comer Sees kein einziges Pferdchen. Denn mit um zwei Kilogramm verringerter Schwungmasse zwirbelt der Vauzwo unerwartet spritzig durchs Drehzahlband, zeigt sich lebendig, ohne an Charakter und typischer Laufkultur verloren zu haben. Selten zuvor zwiebelte man einen Guzzi-Antrieb so oft in den bei 8300/min einsetzenden Drehzahlbegrenzer wie den der Alba.
Was das Triebwerk andeutet, führt das Fahrwerk fort. Der von Millepercento gezeichnete Doppelschleifenrahmen platziert im Vergleich zur Griso den Motorblock 40 Millimeter höher und stolze 75 Millimeter weiter vorn im Rahmen, reduziert den Radstand (minus 8,4 Zentimeter), den Nachlauf (minus 10 Millimeter) und stellt den Lenkkopf 2,5 Grad steiler an. Die Rosskur zeigt entsprechende Wirkung. Mit der deutlich nach vorn verlagerten Gewichtsverteilung steckt die Alba die Front gierig in die Kurven, biegt fast spielerisch ein und hält problemlos die engste Linie. Selten - vielleicht noch nie - ist man auf einer Guzzi agiler unterwegs gewesen.

Entsprechend sportlich fiel auch die Fahrwerksabstimmung aus. Die Öhlins-Teile sind sowohl vorn als auch hinten recht straff abgestimmt und geben Fahrbahnrunzeln wenig gefiltert an den Piloten weiter, kennen das Wort Aufschaukeln aber noch nicht einmal vom Hörensagen. Apropos Öhlins. Für den Basispreis von 19 752 Euro (plus landesübliche Mehrwertsteuer) gibt es die Alba lediglich mit Showa-Gabel und Sachs-Federbein. Mit einer langen Liste von auch am Testbike angebautem Edelzubehör wie Kohlefaserverkleidung, Monobloc-Bremszangen, Radial-Handpumpen für Bremse und Kupplung et cetera lässt sich die Alba bis zur finanziellen Schmerzgrenze aufrüsten.
Doch erst vor Kurzem verpasste die Konzernmutter Piaggio der Entwicklungsabteilung ihrer kleinen Tochter Moto Guzzi eine kräftige Finanzspritze. Und wer weiß, vielleicht bringt die Alba die Modellstrategen auf eine Idee.