Sie hat nichts, gar nichts von der Würde einer original Tiger. Schon wie sie dasteht den Kopf leicht gesenkt: aufmüpfig, nervös, zum Sprung bereit. Wie sie nur darauf wartet, ihre vollkommenen 95 PS an die Kupplung zu klatschen. Wie sie knurrt und bellt und an der Kette zerrt. Grimmig, gierig - ein Tier. Sie ist ein Tier! Schwarz. Durch und durch. Bis tief in ihre Seele. Und alles, alles reduziert sich auf einen gemeinsamen, glasklaren Nenner: Speed.
Triumph selbst distanziert sich von diesem Motorrad zumindest auf politischer Ebene: »Dieser Umbau wurde in Privatinitiative von unserem Mitarbeiter Guido Hinzmann (Kundendienst) durchgeführt. Bitte stellen Sie das in ihrem Testbericht entsprechend dar. Es handelt sich hierbei nicht um eine offizielle Maßnahme der Triumph Motorrad Deutschland GmbH.«
Wir haben verstanden. Und Guido Hinzmann sowieso. Der Mann wusste genau, was er tat, tunte konsequent am Namen der Riesen-Enduro entlang, verpasste ihr den animalischen Kick, der einer serienmäßigen Tiger fehlt. Mittels 17-Zoll-Vorderrad, härterer Gabelfedern, Sportbereifung, Superbike-Lenker und atmungsaktivem Triumph-Zubehör-Schalldämpfer. »Interessierte Leserinnen und Leser möchten sich zwecks Umbau und Eintragung an ihren Vertragshändler wenden. Ein Mustergutachten oder Ähnliches existiert nicht.«
Schon klar. Wirds mit dieser Auspuff-Endstufe, ohne Vorschalldämpfer und Katalysator, auch nie geben. »Not for road use«, steht drauf. Das ist nicht witzig. Denn dadurch erlischt die ABE. Und bumm ist das wilde Tier gestorben, weil ein Großteil seines brisanten Charakters genau aus dieser Tüte lebt. Wir reden hier nicht nur von zehn zusätzlichen Pferdestärken und einer Leistungskurve mit dem Profil einer Abschussrampe, sondern auch über die prächtigste Intonation der englischen Dreizylinder-Hymne. Leider viel zu laut. Jammerschade ist das.
Bleiben also die Fahrwerksmodifikationen, deren Unterhaltungswert ebenfalls nicht zu verachten ist. Der 17-Zöller vorn eröffnet zusammen mit den Technoflex-Gabelfedern eine völlig neue Tiger-Erlebniswelt: direkter, dynamischer, detaillierter. Definierbare Rückmeldungen anstelle ausufernder Gesten, schnelle Schräglagenwechsel statt großer Amplituden.
Der Zugewinn an Handlichkeit geht allerdings auf Kosten des nahezu narrensicheren Fahrverhaltens. Bleibt die Serien-Tiger mit 19-Zoll-Vorderrad sogar unterm Diktat blindester Blindschleichen auf der richtigen Spur, verlangt das Funbike beim Kurven kratzen einiges an Konzentration. Erstens wegen des nervösen Einlenkverhaltens, das zweitens durch den permanenten Druck an den Lenkerenden verstärkt wird, der drittens vom Gewicht des vorgebeugten Oberkörpers rührt, was viertens ein wenig nervt, weil man fünftens gar nicht mal so gut sitzt und sechstens spürt, dass ein kleiner Rucker genügen würde, um die Sache ins Lot zu bringen.
Nichtsdestoweniger ist die Triumph den meisten hausgemachten Funbikes dramatisch überlegen. Zugunsten von Finanzier- und Fahrbarkeit verzichtet sie auf jeglichen unsinnigen Putz. Ergo fallen auch die Bridgestone BT 56 SS keinen Millimeter breiter als nötig aus: 120/70 vorn, 160/60 hinten so geht die Rechnung mit der Schräglagenfreiheit trotz Tieferlegung plus minus null auf. Die Materialkosten für den Komplett-Umbau liegen bei rund 2300 Mark. Exklusive Power-Röhre. Denn mit solchen Sachen wird in deutschen Landen nicht einfach so herumgespaßt.
Technische Daten - Triumph Tiger Funbike
DatenMotor: Wassergekühlter Dreizylinder-Viertakt-Reihenmotor, eine Ausgleichswelle, zwei obenliegende, kettengetriebene Nockenwellen, vier Ventile pro Zylinder, Tassenstößel, Naßsumpfschmierung, elektronische Saugrohreinspritzung, digitales Motormanagement, keine Abgasreinigung, E-Starter, Drehstromlichtmaschine 300 W, Batterie 12 V/14 Ah.Bohrung x Hub 76 x 65 mmHubraum 885 cm³Verdichtungsverhältnis 11,3 : 1Nennleistung 70 kW (95 PS) bei 8300/minMax. Drehmoment 85 Nm (8,6 kpm) bei 6700/minKraftübertragung: Primärantrieb über Zahnräder, hydraulisch betätigte Mehrscheiben-Ölbadkupplung, Sechsganggetriebe, O-Ring-Kette, Sekundärübersetzung 46:16.Fahrwerk: Brückenrahmen aus Stahlrohr, Motor mittragend, Telegabel, Standrohrdurchmesser 43 mm, Zweiarmschwinge aus Alu-Profilen, Zentralfederbein, direkt angelenkt, verstellbare Federbasis und Zugstufendämpfung, Doppelscheibenbremse vorn, Doppelkolbensättel, Ø 310 mm, Scheibenbremse hinten, Doppelkolbensattel, Ø 285 mm.Speichenräder 3.50 x 17; 4.25 x 17Reifen 120/70 ZR 17; 160/60 ZR 17Preis Basis-Motorrad inkl. MwSt. und Nebenkosten 18 460 MarkUmbau-Kosten: Umspeichen des Vorderrads (neue Felge mit Original-Nabe und gekürzten Original-Speichen) 700 Mark, Tachometer der Triumph Sprint (wegen 17-Zoll-Vorderrad) 495 Mark, Reifen Bridgestone BT 56 SS vorn 274 Mark, hinten 353 Mark (durchschnittliche Händler-Verkaufspreise), Technoflex-Gabelfedern 179 Mark, LSL-Lenker 59 Mark, LSL-Lenkergewichte 34,90 Mark, LSL-Fußrasten 199 Mark, Triumph-Zubehör-Schalldämpfer (ohne ABE) 489 Mark.MOTORRAD-MessungenFahrleistungen1HöchstgeschwindigkeitSolo (mit Sozius) 200 (197) km/hBeschleunigung Solo (mit Sozius)0-100 km/h 3,8 (5,1) sek0-140 km/h 7,1 (9,2) sek0-180 km/h 13,4 (19,0) sekDurchzug Solo (mit Sozius)60-100 km/h 4,4 (6,0) sek100-140 km/h 5,1 (7,3) sek140-180 km/h 7,5 (10,0) sekVerbrauch im Testauf Landstraßen 5,7 l Super/100 kmTheor. Reichweite 421 kmMaße und GewichteSitzhöhe 830 mmGewicht vollgetankt 246 kg1 Messbedingungen: Temperatur 26 Grad, leicht böiger Wind ; Messort Hockenheim;2 Leistung an der Kupplung. Messung auf Bosch-Rollenprüfstand FLA 203, DIN-Messung, maximal mögliche Abweichung ± 5 %;* Herstellerangaben