Fahrbericht WITEC-BMW RC 1100 SC

Fahrbericht WITEC-BMW RC 1100 SC Bodenfräse

Mit Urgewalt zieht ein entfesselter Boxer Furchen ins Erdreich. Die WITEC-BMW – immer auf der Suche nach Gaston Rahiers Erbe.

Schon lange vor der weißblauen Rückbesinnung kreierte die kleine Tuning-Schmiede WITEC einen Off Road-Boxer, der die legendären Paris-Dakar-Erfolge des Zweizylinders aufgreift und zum Pistensturm ermutigt. 1996 debütierte dieser hoch aufragende, martialische Radikal-Umbau und elektrisiert seither Rallye-Piloten wie Extrem-Touristen gleichermaßen.

Freilich müssen die Interessenten hinsichtlich der reinen Münchner Lehre einige Abstriche machen: Nichts da mit Telelever und G-Kat, hinweg mit der sparsamen Rahmenkonstruktion des Originals. Auf der Suche nach anspruchsloser, auch im Wüstensand reparabler Technik rüsteten Thomas Eckardt und Rudi Willner, die WITEC-Macher, zurück auf klassische 40-Millimeter-Bing-Gleichdruckvergaser. Und wegen der enormen Kräfte, die der Telelever nach brutalen Sprüngen oder in Geröllpassagen ins Motorgehäuse einleitet, vertrauen sie einer 50 Millimeter starken Magnum-Gabel von Marzocchi, die obendrein auch für die nötigen Federwege bürgt: 295 statt 190 Millimeter.

Die Gabel setzt einen anderen Rahmen voraus, deshalb wölbt sich eine Gitterrohr-Konstruktion mit massiven Verstärkungen im Lenkkopfbereich über den Motor. Unterhalb des angeschraubten Rahmenhecks wirkt eine voluminöse und steife Einarmschwinge, auf welche die WITEC-Jungs so richtig stolz sind. An die aus Leichtmetall gefräste Aufnahme der Schwingenlagerung schließt sich ein mächtiger geschweißter Kardantunnel an, in dem – jetzt kommt’s – eine selbstkonstruierte Kardanwelle die Kraft ans BMW-Hinterachsgetriebe weiterleitet. Im harten Rallye-Einsatz nämlich erzeugten die von der Serien-Welle eingeleiteten Kräfte Bruch im Getriebe. Trotz der Vorteile ihrer Eigenkreation verstärken Willner und Eckardt die Wellen und Lager in der Fünfgang-Box. Insgesamt gewann die Schwinge gegenüber der Serie fünf Zentimeter Länge, das Hinterrad mißt 18 Zoll, die Sekundärübersetzung beträgt 11 : 37.

Den Motor des Testexemplars stellt die R 1100 RS, nicht wie beim BMW-Projekt die noch etwas potentere S-Variante. »Aber«, so Rudi Willner, »wir werden durch diese Konkurrenz wohl reagieren müssen.« Vor allem das Sechsganggetriebe reizt enorm, mehr Motorleistung braucht eigentlich niemand. »87 PS hat der TÜV mit einem GS-Motor gemessen, der von der RS dürft’ noch zwei, drei mehr haben.« Die Bing-Vergaser sorgen für mehr Kraft aus dem Keller und minimieren das Konstantfahrruckeln. Knapp umhüllter Luftfilter und möglichst freie Abgaswege können sowieso nie schaden.

Kein Wunder also, wenn nach dem E-Start wieder echte, alte Boxerlust aufkommt: So kampflustig hat der neue Flattwin – 1993 mit der R 1100 RS eingeführt – in einer Enduro wohl noch nie geklungen. Und er hält, was sein Sound verspricht, geht mit spontanem Eifer zur Sache, fordert stets volle Konzentration. Erfreulicherweise hält sein Leistungswille bis in den oberen Drehzahlbereich munter an. Selbst enge Kehren lassen sich im zweiten Gang nehmen, ein Zupfer am sportlich-direkten, aber etwas schwergängigen Gasgriff, schon hechtet das 198-Kilogramm-Schlachtroß ohne Verzögerung voran und pflügt den Boden auf.

Die Federelemente sprechen vorn wie hinten sehr gut an, bieten genug Reserven fürs ganz Grobe und verdauen auch Sprünge – im Gegensatz zur weißblauen Vorlage – klaglos. Allerdings sollte sich der Fahrer unmittelbar nach dem Absprung möglichst rasch heckwärts orientieren, sonst könnte sein Gefährt auf dem Vorderrad landen. Drifts dagegen gehen geübten Piloten leicht und locker von der Gashand, weil sich das leichte Heck dank exakt berechenbarer Leistung prima kontrollieren läßt. Allenfalls auf sandigem Boden neigt das 21-Zoll-Vorderrad zum Wegrutschen, hier macht sich die relativ hohe Vorderradlast denn doch bemerkbar. Die ausladenden Zylinder sind systembedingt – Vorsicht also mit dem Balancier-Bein, sonst bleibt’s hängen.

Unterm Strich bleibt nach ausgelassenen Gelände-Bolzereien die Gewißheit, daß da ein angesichts seiner Größe ausgesprochen handlicher Donnerbolzen entstanden ist, der selbst in extremen Situationen nicht die Ruhe verliert und obendrein für langsame Passagen gut ausbalanciert wurde. Griffige Sitzbank, günstig geformter Lenker sowie Tank unterstützen zudem jedwede Kletterambitionen. Das Cockpit mit seiner hoch aufragenden Scheibe entspricht den Ansprüchen von Rallye-Profis, und das wundert in diesem Zusammenhang überhaupt nicht: Erstens hat Thomas Eckardt als Mechaniker schon vor Jahren Gaston Rahier betreut, und zweitens ging das Testexemplar direkt von MOTORRAD zur Tunesien-Rallye, um dort auf Rang 33 einzulaufen. Genau einen Platz vor dem – allerdings vom Pech verfolgten – Werks-Boxer.

Wer den ganzen Wettbewerbs-Charme dieses Renners genießen möchte, zahlt 55000 Mark. Wer »nur« ein ultimatives Fernreise-Gerät braucht und beispielsweise die Serien-Schwinge verwendet, kommt mit deutlich weniger hin. Und dann gibt’s bei WITEC noch Rallye-Umbauten auf Husqvarna-Basis. Aber das ist eine andere Baustelle.

Technische Daten WITEC-BMW RC 1100 SC

MotorLuft-/ölgekühlter Zweizylinder-Viertakt-Boxermotor, Kurbelwelle längsliegend, je eine hochgelegte, über Zahnräder und Kette getriebene Nockenwelle, vier Ventile pro Zylinder, Tassenstößel, Stoßstangen, Kipphebel, Naßsumpschmierung, Bing Gleichdruckvergaser, 0 40 mm, WITEC-Transistor-Kennfeldzündung, keine Abgasregelung, E-Starter, Drehstromlichtmaschine 700 Watt, Batterie 12 V/8 Ah.Bohrung x Hub 99 x 70,5 mmHubraum 1085 cm³Verdichtungsverhältnis 10,7Nennleistung zirka 66 kW (90 PS) bei 7300/minMax. Drehmoment zirka 95 Nm (9,7 kpm bei 5500/min)KraftübertragungPrimärantrieb über Zahnräder, mechanisch betätigte Einscheiben-Sintermetall-Trockenkupplung, Fünfganggetriebe, Kardan, Sekundärantrieb 11 : 37.FahrwerkGitterrrohr-Brückenrahmen aus Stahl, angeschraubter Heckrahmen aus Stahlrohren, Telegabel, Standrohrdurchmesser 50 mm, verstellbare Druck- und Zugstufe, Öhlins-Lenkungsdämpfer, WITEC-Zweigelenk-Einarmschwinge aus Leichtmetall, Öhlins-Zentralfederbein, direkt angelenkt, Federbasis, Zug- und Druckstufe einstellbar, Scheibenbremse vorn, Vierkolbensattel, 0 305 mm, Scheibenbremse hinten, Zweikolbensattel, 0 276 mm.Speichenräder mit Alu-Felgen 1,85 x 21; 2,50 x 18Reifen 90/90 – 21; 140/90 – 18FahrwerksdatenRadstand 1610 mmLenkkopfwinkel und Nachlauf über Momentabstützung des Paralever variabelFederweg v/h 295/305 mmMaße und GewichteL/B/H 2380/850/1620 mmGewicht vollgetankt 198 kgZul. Gesamtgewicht 430 kgTankinhalt (Haupttank) 25 lPreis inkl. Mwst. und Nebenkosten 55000 MarkZubehörGroßer Haupttank (50 l), Zusatztank (30 l)Hersteller : WITEC, Egerlandstraße 785368 Moosberg bei Freising

Zur Startseite
BMW R 1100 RS
Artikel 0 Tests 0 Markt 0
Alles über BMW R 1100 RS
Mehr zum Thema Tuning
Fahrbericht Yamaha R7 GYTR
Supersportler
Yamaha R1 2023 GYTR
Supersportler
Suzuki Hayabusa Super Busa von TTS Performance und Kar Lee
Supersportler
Galfer Bremsen Präsentation
Zubehör
Mehr anzeigen