"Sie hatte zwar den gleichen Hubraum wie meine damalige Suzuki GT 250, aber einen Zylinder mehr. Und genau das wollte ich damals wie heute: mehr Zylinder", erinnert sich Simon Whitelock. So kam seine erste Kawasaki KH 250 ins Haus – und mit ihr die Leidenschaft zum Schrauben.
Eine stattliche Anzahl dieser Zweitakt-Maschinen folgte, bis heute sind es 34 Stück.
Simon suchte defekte Dreizylinder-Kawas
Richtig begonnen hatte es, nachdem Simon in der Gazette "Motor Cycle News" ein Gesuch aufgegeben hatte und viele Biker hocherfreut waren, dass ihnen jemand ihre defekten Dreizylinder-Kawas abnahm. Dass die luftgekühlten Zweitakter gerne und oft festgingen, lag nicht selten an der langen Ölleitung zwischen Pumpe und linkem Zylinder.
Bohrung/Hub: 45 mm x 52,3 mm
Hubraum: 3 x 249 cm³
Leistung: ca. 75 PS
Gewicht: ca. 220 kg
Baujahr: 1975
Geschätzte Arbeitszeit: 1.000 Stunden
Als ölkontaminierter, aber glücklicher Besitzer zahlloser Zylinder, -köpfe, Gehäuse und Vergaserbatterien konstruierte der rauchfahnenerfahrene Immobilienmakler aus zurechtgesägten Dreizylinder-Motorblöcken zunächst einen Vierzylinder, den er vor zehn Jahren in ein Fahrwerk setzte. Die aus Einzelteilen gepresste Kurbelwelle, die sich dadurch bei kurzem Festgehen leicht verdrehen konnte, ließ sich mittels Abziehvorrichtung zerlegen und umbauen. So entstand Whitelocks erste vierzylindrige Zweitakt-Kawa.
Konkurrenz: Fünfzylinder-Maschine mit 415 cm³ Hubraum
Völlig unerwartet sollte Simon "Konkurrenz" bekommen: Allen Millyard aus Thatcham setzte noch einen drauf und fertigte aus zwei 250er S1 B-Motoren eine Fünfzylinder-Maschine mit 415 cm³ Hubraum. Der Bastler aus Islington war jetzt erst recht angespornt und begann mit einem Dragster-Projekt. Dem Getriebe einer Halbliter-H1 verpasste er drei hintereinandergeschaltete KH 250-Motoren, über geradverzahnte Stirnräder miteinander gekoppelt. Da die letzten drei 28-Millimeter-Mikuni-Vergaser dem Hinterrad ins Gehege kamen, wurden Kolben, Zylinder und -köpfe am dritten 250er-Motor kurzerhand umgedreht.
Bohrung/Hub: 46 mm x 52,3 mm
Hubraum: 606 cm³
Leistung: ca. 60 PS
Gewicht: ca. 205 kg
Baujahr: 1979
Geschätzte Arbeitszeit: 1.000 Stunden
Wildes, unfahrbares Untier?
Während Millyards Eigenbau als "factory special" hätte durchgehen können und auf Shows und Rallyes massenhaft Preise sammelte, glich Whitelocks Dreifach-Dreier eher einem wilden, unfahrbaren Untier. Doch hier widerspricht der Meister energisch: "Die Neunzylinder-Kawasaki ist vielleicht nicht ganz einfach zu bewegen, aber sie läuft, ehrlich, ohne größere Mucken. Erst kürzlich bin ich nach Aylesbury auf eine Rallye gefahren." Einen Schönheitspreis wird sie wohl nie erhalten, deshalb grübelte der Erbauer schließlich weiter.
"Sieben Zylinder erschienen mir ideal"
Ein Reihenmehrzylinder, der es in sich hat, würde weit weniger "shocking" aussehen, aber mehr Aufsehen erregen. "Sechs waren mir zu popelig, acht Zylinder zu viel, sieben erschienen mir dann ideal", erklärt Simon. Die schwierigste Arbeit an dem reichlich ungewöhnlichen Motorrad-Triebwerk, den Kurbelwellenbau und Schweißungen am Gehäuse, überließ er dem Spezialisten Chris Appelbee aus Southend. Damit Tank und Sitzbank gegen den Rest nicht völlig magersüchtig wirkten, wurden beide um rund zehn Zentimeter verbreitert. Die Ölpumpe wurde stillgelegt – Whitelock vertraute lieber auf gute alte Gemischschmierung. Mit verstärkten Federn bestückt, durfte die originale Telegabel vorn stecken bleiben. Die gelochte Doppelscheibenbremse samt Stahlflexleitungen war ein Tribut an das erhöhte Gewicht.
Bohrung/Hub: 60 mm x 58,5 mm
Hubraum: 498 cm³
Leistung: ca. 80 PS
Gewicht: ca. 170 kg
Baujahr: 1972
Geschätzte Arbeitszeit: 1.500 Stunden
Als die extrabreite Kawa komplett war und zur Vergaserabstimmung nach draußen sollte, hatte Simon Glück im Unglück: Sie passte haarscharf durch die Werkstatttür, aber nur mit abgeschraubten Motordeckeln. Ein etwas zu großzügig ausgedrehter Kupplungskorb zur Aufnahme der Lamellen und Federn einer 500er verzog sich bei der Probefahrt in null Komma nichts und holte den Bastler schier vom Bike. "Trotz einer Scheibe mehr schleift sie noch ab und zu durch", gibt Whitelock zu. Im Juni 1997, nach einem dreiviertel Jahr, war die ultrabreite Kawasaki fertig, getauft wurde sie gemäß ihrem Hubraum auf den Namen "606".
Kompressor eigentlich für ein 1,5-Liter-Aggregat
Damit ihm nicht langweilig wurde, arbeitete der Zweitakt-Fan nach Feierabend bereits an einem weiteren Untier: Nachdem er sich selbst ein TIG-Schweissgerät geschenkt hatte, sollte ein H 1-Motor auf Wasserkühlung umgebaut werden und mit einem Kompressor "vernünftig" Luft bekommen. 600 US-Dollar kostete ihn ein Fageol-Roots-Kompressor, eigentlich für ein 1,5-Liter-Aggregat eines US-Cruisers bestimmt. Ein Ölkühler wurde zum Wasserkühler, die oberen Rahmenrohre wurden gekappt und dienten fortan gleichzeitig als Flüssigkeitsreservoir.
"Die richtige Übersetzung für den Kompressor zu finden, war keine leichte Übung. Und auf meinem Prüfstand war bisher bei 39 PS Schluss, weil mittlerweile eine Kurbelwellendichtung den Geist aufgegeben hatte", bedauert Simon. Auch ein Thermostat wurde integriert, die Wasserpumpe ist zahnradgetrieben. Nach zahlreichen Versuchen mithilfe eines Elektronik-Spezialisten funktioniert inzwischen auch die vor den Kompressor geschaltete Einspritzung, die die Vergaserbatterie ersetzt.
Langeweile kommt im Hause Whitelock nie auf: Als nächstes rüstete Simon all seine Eigenbauten auf elektronische Zündungen um, denn "die Motoren fressen Zündkerzen im Dutzend".