Kawasaki Z 900 RS (2018) im Test
Echte Fahrmaschine im Retrolook

Die Kawasaki Z 900 RS schlägt eine Welle wie schon lange kein Motorrad mehr. Die Technik stammt prinzipiell von der Z 900, der Stil ist eine Verbeugung vor der epochalen Z1. Doch was reißt die Kawasaki Z 900 RS im Test?

Echte Fahrmaschine im Retrolook
Foto: Jacek Bilski

Zunächst eine höchst erbauliche Nachricht: In Metall sieht die neue Kawasaki Z 900 RS noch besser aus als auf den Fotos. Diese ikonische Silhouette – wie sich der Tank niedrig und eng über das Gitterrohr schmiegt, der Rundscheinwerfer und die herrlichen Analoguhren, die wertige, leicht gestufte Sitzbank, das keck hochschwingende Heckbürzel – ganz großes Kino. Aufmerksamkeit auch im Detail: die fein funkelnden Edelstahlkrümmer, ein im Vergleich zu ihrer Technikspenderin, der giftig durchgestylten Z 900, sorgsam von Schnörkeln gesäuberter Motorblock, der cheffig hoch gekröpfte Lenker, die Rückspiegel, die edle Aluhalterung des vorderen Kotflügels, die Alugussräder mit ihrem gediegenen Speichendesign und dem polierten Felgenrand, ein Klecks Chrom hier und da – alles liebevoll, organisch ineinanderfließend, klassisch und modern zur selben Zeit.

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Sonderlack ist die 300 Euro Aufpreis wert

Dann der enorme Tiefgang der Metallic-Lackierung: Das „Candytone Brown“ schimmert, je nach Sonneneinstrahlung von beinahe schwarz über ein warmes Braun zum Violett und um die Wette mit den orange funkelnden Akzenten. Fraglos ist der Sonderlack die 300 Euro Aufpreis wert. Ja, die Kawasaki Z 900 RS unterhält ihren Betrachter schon im Stand, schafft mit ihrer sorgsam ausgewogenen Proportion einen Wahnsinnsspagat zwischen alter Eleganz und neuer Bulligkeit. Wenn Sie es anschaulicher mögen: Die ist drall wie Pamela Anderson zur „Baywatch“-Phase. Eine mehr als gelungene Hommage jedenfalls an die Z1.

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Die abschaltbare Traktionskontrolle lässt auch saftige Beschleunigungs-Wheelies zu.

Freilich – Verfechter der reinen Lehre werfen ein, dass ihr Vier-in-vier-Auspuffanlage und Stereofederbeine zum perfekten Klassiklook fehlen. An dieser Stelle allerdings geben Kawasakis Ingenieure ganz bewusst Funktion den Vortritt vor Form. Stereofederbeine sind fahrdynamisch von vorgestern, und eine Vier-in-vier-Auspuffanlage nicht nur sackteuer, sondern auch schwer. Das ist also das Leitmotto der Kawasaki Z 900 RS: Sie soll nicht nur gut aussehen wie die alte Z1, sondern die Tugenden der neuen Z 900 erhalten. Sie soll eine Fahrmaschine sein.

13 PS weniger als beim Schwestermodell

Angesichts dessen wird die Ankündigung, man habe dem 948-Kubik-Reihenvierzylinder der Kawasaki Z 900 RS zugunsten eines kräftigeren Drehmomentverlaufs in der Spitze 13 PS gekappt (Nennleistung 112 statt 125 PS), sicher manch einen verwundert haben. Denn der starken Z 900 mangelt es wirklich nicht an Durchzug. Und meistens fügen derlei drehmomentoptimierende Maßnahmen im unteren Drehzahlbereich nicht das hinzu, was sie oben nehmen.

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Kawasaki Z 900 RS: Technik aus der Z 900, Stil nach der epochalen Z1.

So auch, das Leistungsdiagramm dokumentiert dies, im Falle der Kawasaki Z 900 RS. Trotzdem bleibt der 948er auch nach der ­Drehmomentkur beziehungsweise Leistungs­diät ein Sahne-Aggregat. Die Veränderungen sind dabei die üblichen: Nockenwellen mit zahmeren Steuerzeiten, niedrigere Verdichtung (10,8 statt 11,8 zu 1), mehr Schwungmasse. Gang eins ist kürzer, Gang sechs länger übersetzt, die Sekundärübersetzung fällt hinten zwei Zähne länger aus, was durch die um rund 1000 Touren gesunkene Maximaldrehzahl egalisiert wird. So hat die Z 900 RS in Sachen Fahrleistungen zwar etwas das Nachsehen gegenüber ihrer Schwester, die zu diesem Top-Test als Referenz mitfährt. Über einen weiten Bereich in der Mitte drücken beide in etwa gleich stark, ganz unten schiebt die RS bäriger, oben aber die Z 900 deutlich feuriger. Für sich genommen aber puncht die RS derbe durch das gesamte Drehzahlband.

Motor der Kawasaki Z 900 RS läuft noch seidiger

Vor allem das Mehr an Schwungmasse tut dem Motor gut, verändert den Charakter des Inline-Four vom luftigen Dreher hin zum erdigen Drücker. Obendrein beruhigt das insgesamt leicht gesunkene Drehzahlniveau das Gemüt der Kawasaki Z 900 RS. Der Motor läuft noch seidiger, hängt genauso spontan, aber nicht nervös am Gas – Fahrmodi vermisst man nie. Besonderen Charme hat das, was dazu an Schalldruck aus dem Schalldämpfer entweicht. Im Falle der Z 900 RS habe Kawasaki erstmals Sound-Design betrieben, wie der Pressetext mit einigem Stolz vermeldet. Zu Recht: im Stand tieffrequent röhrend, immer mit hubraumsatt-rauchigem Bass, oben zornig – nicht leise, aber nie laut oder gar prollig.

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So sieht übrigens die Kawasaki 900 Z1 aus den 70er-Jahren aus.

Die RS ist ein veritabler Gehörgang-Schmeichler, so auffallend schön klang schon lange kein Serienmotorrad mehr. Kupplung und Getriebe der Z 900 bedurften, abgesehen von der sinnvollen Anpassung der Übersetzung, keiner weiteren Verbesserung. Kurz, sehr exakt sortieren sich die Gänge, flutschen buttrig-weich. Die servounterstützte Kupplung lässt sich sehr leicht ziehen und besitzt eine sinnvolle Anti-Hopping-Funktion, so auch bei der Kawasaki Z 900 RS. Die Kupplung unserer Testmaschine allerdings rupfte im kalten Zustand sehr ausgeprägt – Punktabzug.

Z 900 noch kurvengieriger

Folgende Änderungen nahmen die Techniker an der Rahmengeometrie vor: Vorne steht die Kawasaki Z 900 RS höher, hinten tiefer, neue obere Gabelbrücken verkürzen den Nachlauf um sechs auf 98 Millimeter, der Radstand wächst um 20 auf 1470 Millimeter. All das macht sich, in Verbindung mit einer höherwertigen, nun auch in der Druckstufe justierbaren Kayaba-Gabel, in Form von unerhört satter Straßenlage bemerkbar. Schon die Z 900 liegt für ein Mittelklassemotorrad herrlich stabil, gibt sich im Vergleich mit der RS aber eher kurvengierig. Dazu trägt auch die geänderte Sitzposition bei. Auf der RS logiert man am hohen, breiten, weiter nach hinten reichenden Lenker weniger vorderradorientiert, dafür wesentlich lässiger, bequemer. Was nicht bedeutet, dass die Z 900 RS träge daherkäme – eher folgsam im besten Sinne. Mit 65 Grad bleibt der Lenkkopfwinkel unverändert, und so sticht die RS zwar eine Ecke weniger direkt ein, winkelt aber mit sehr geringem Kraftaufwand in einer erhabenen Neutralität ab. Noch besser als die ohnehin schon gute Z 900.

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Schön und gut: Die Rundinstrumente sind sogar bei Sonnenlicht perfekt ablesbar!

Ein Verdienst auch der Erstbereifung, Dunlops GPR 300 („J“-Spezifikation). Der ist schon länger verfügbar, allerdings trägt die Kawasaki Z 900 RS als erstes Motorrad diesen Pneu ab Werk. Eine gute Wahl und vielleicht DIE Überraschung dieses Top-Tests. Denn während etwa der Sportmax Qualifier aus dem gleichen Haus als OEM-Pneu schon so manche gute Maschine einbremste, punktet der GPR 300 durch die Bank: kurzes Aufwärmen, gute Haftung nass wie trocken, klare Rückmeldung, kaum Aufstellmoment, vor allem aber Eins-a-Handling – Chapeau, Dunlop!

Komfortabel und fahrstabil

So schön haftet der Gummi, dass er bald eine etwas eingeschränkte Schräglagenfreiheit der Kawasaki Z 900 RS offenlegt. Werksseitig hinten null vorgespannt (viel Negativfederweg), zerspant die Retrokawa schon bei etwas mehr als moderaten Kurventempi ihre kurzen Angstnippel. Linksherum ist dann nicht mehr viel Platz bis zum Ausleger des Seitenständers, wie sich am Aufmacherbild gut ablesen lässt. Engagierten Fahrern sei also unbedingt eine Erhöhung der Federvorspannung ans Herz gelegt, schon drei bis fünf sichtbare Gewindegänge bewirken ein erhebliches Mehr an Schräglagenfreiheit, ohne dass sich dadurch die wunderbare Balance der RS nennenswert verschlechtern würde. Leider ist die Federbasis am tief im Rahmen liegenden Stoßdämpfer kaum zugänglich und im Bordwerkzeug kein Hakenschlüssel beigelegt. Der einzige nennenswerte Fauxpas, den die Z 900 RS sich leistet.

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Lange, hervorragend gepolsterte Sitzbank bietet auch dem Sozius einen bequemen Platz.

Abgesehen von der hinteren Vorspannung waren keine weiteren Modifikationen am Fahrwerk nötig. Gabel und Federbein arbeiteten in Werkseinstellungen (Zugstufe vorne fast vollständig geöffnet!) im zum Testzeitpunkt vorherrschenden einstelligen Temperaturbereich höchst zufriedenstellend. Eine tadellose Funktionalität des mit Umlenkhebelei versehenen hinteren Federbeins kennt man schon von der Z 900. Die neue Gabel der Kawasaki Z 900 RS allerdings läuft dermaßen smooth, spricht so sensibel an, wie man es sonst nur bei deutlich hochpreisigerem Material erleben darf. Das schafft einen tollen Kompromiss zwischen Komfort und Fahrstabilität und ist ein klarer Beleg dafür, dass der erhebliche Mehrpreis von mindestens 2.600 Euro zur Z 900 nicht nur in Optik investiert ist.

Hoher Standard auch beim ABS

Als weiteres Beispiel hierfür darf die Bremse gelten: Am Gabelfuß finden sich nun radial angeschlagene Vierkolben-Sättel statt Schwimmsätteln, am Lenker eine radial betätigte Pumpe statt einer axialen. Damit bremst die Kawasaki Z 900 RS zwar nicht noch heftiger als die auch hier starke Z 900, die Dosierung aber gelingt noch akkurater, sämiger. Vor allem aber liegt die RS auf der Bremse stabiler, besonders mit Sozius, was der veränderten Gewichtsverteilung geschuldet ist. Hoher Standard auch beim ABS: Hier wie da regelt das System mit feinen Intervallen und fahraktiv-sicher – Spitzenwerte im Naked-Sektor.

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Tief im Rahmen liegen die Verstellmuttern des Federbeins, lassen sich selbst mit passendem Werkzeug kaum erreichen und nur mühsam drehen.

Darüber hinaus arbeitet in der RS nun eine zweistufige abschaltbare Traktionskontrolle – und das eher sportlich als narrensicher. Schon auf der konservativeren Stufe zwei kommt sie Heizern kaum in die Quere (gut!), lässt auf Stufe eins sogar saftige Beschleunigungs-Wheelies zu – kleine Rutscher am Gas aber auch. Stumpfes Vollgas in großer Schräglage à la „TC an, Hirn aus“ verbietet sich daher. Bemerkenswert ist dabei das lüsterne Zündunterbrecher-Bratzeln, das die RS beim Regeleingriff produziert. Es spornt an.

Abschließend sei bezüglich des Alltagsnutzens der Z 900 RS festgehalten: Die Bauweise nach alter Väter Sitte erhöht den Praxisnutzen erheblich. So ist die lange Sitzbank nicht nur hervorragend gepolstert, sondern bietet auch dem Sozius einen ausgesprochen bequemen Platz mit angenehm offenem Kniewinkel. Die großen runden Spiegel bieten beste Spielübersicht nach hinten, und sogar an ansehnliche Gepäckhaken wurde gedacht.

Die technische Basis: Kawasaki Z 900

Beim Modellwechsel von der Z 800 zur Z 900 stellte Kawasaki vom Brückenrahmen aus Stahl auf Gitterrohrrahmen aus dem gleichen Material um – und machte damit die Kawasaki Z 900 RS in dieser Form überhaupt erst möglich. Neben einer erheblichen Gewichtsersparnis bietet dieser nämlich nicht nur den klassischeren Look, ­sondern lässt sich auch mit weniger Aufwand modifizieren. So zog man die Rohrsegmente über den Zylinderkopf bis zum Lenkkopf enger in die Fahrzeugmitte – das erlaubt die klassische Tankform, mit der sich andere Vertreter des Retro-Looks bisweilen schwertun.

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Ungleiche Schwestern? Optisch sicherlich. Ähnlich sind sich beide im hervorragenden Fahrverhalten.

Die Front der Kawasaki Z 900 RS baut höher, wie sich in der Gegenüberstellung gut erkennen lässt. Aufgrund geänderter Gabelbrücken schrumpft zudem der Nachlauf um sieben von 105 auf 98 Millimeter. Gut erkennbar ist auch: Der Heckrahmen steht nun deutlich flacher, folgt damit der klassischen Linie. Weitere Modifikationen im Vergleich zur Z 900: Radialbremszangen und Pumpe, Verzicht auf modische ­Wave-Bremsscheiben, neues Raddesign, eine höherwertige Gabel (bei unveränderten 120 Millimeter Federweg), weniger Spitzenleistung zugunsten einer drehmomentoptimierten Auslegung. Und natürlich ändern sich praktisch alle Anbauteile. Gleich geblieben sind das Motor-Layout an sich, das hintere Federbein sowie die Schwinge.

Fazit zur neuen Kawasaki Z 900 RS

Das Schönste an der Kawasaki Z 900 RS ist nicht ihr umwerfendes Äußeres. Das Schönste ist, wie sie fährt: Sie liegt noch satter, dämpft noch sämiger, lenkt noch neutraler – und büßt dabei nur einen Hauch der unbedingten Handlichkeit der Z 900 ein. Zwar lässt sie bei den Fahrleistungen Federn, doch charakterlich ergeben die Modifikationen am Motor Sinn. So ist der happige Aufpreis am Ende jeden Euro wert.

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Erscheinungsdatum 26.05.2023