Die VTR 1000 F ein Straßenräuber erster Güte. Von Beginn an begeisterte der schlanke Nippon-V2-Sportler mit vollem Liter Hubraum und Wespentaille in vielen Tests, glänzte mit stets ausreichender Motorisierung, einem handlichen, leicht beherrschbaren Fahrwerk und gefälligem Äußeren. Wahrhaftig ein guter Wurf, der auch im MOTORRAD-Langstreckentest nach 50000 Kilometern überzeugte. Nach nunmehr drei Verkaufsjahren hat sich Hondas Charaktersportler mit im Motorgehäuse gelagerter Schwinge und den typischen seitlichen Kühlern in aller Welt Fans erfahren. Ein Motorrad der Mitte, komfortabel, mit sanfter Gewalt schon aus niedriger Drehzahl, wie geschaffen für die Landstraße.
Enttäuscht blieb allerdings die Heizerfraktion, die sich eine konsequentere Umsetzung des Themas Sporttwin, eine erschwingliche Alternative zur Ducati 916 gewünscht hatte. Die Honda lässt sich zwar gern mal auf die Rennstrecke führen, für echte Raserei fehlt ihr aber das entscheidende Quäntchen Sportlichkeit: zu zahm die Spitzenleistung, zu stumpf die Bremsen, zu gering die Bodenfreiheit vor allem der Auspuffkrümmer streift lästig -, zu soft die Abstimmung der Federelemente, zu komfortabel das Fahrwerk beim Tanz um die Kerbs.
Eine Tatsache, die manchen Sportfahrer zu Konkurrenzprodukten greifen ließ, andere hingegen antrieb, die verborgene Sportlichkeit der VTR per Tuning zu trainieren. Und dafür bietet die Honda reichlich Spielraum, wie MOTORRAD an zwei Extrembeispielen feststellte: Einerseits an der VTR aus der Hand des bekannten Honda-Tuners und Gasgebers Christian Mende (Telefon 05153/963001), die reichlich frisiert und mit TÜV-Segen schon beachtliche Sporterfolge eingefahren hat. Andererseits am kompromisslosen BoT-Renner des Eifler Nordschleifenfuchses und Laminat-Künstlers Heinz Ruroth (Telefon 02655/960377, www.heru-carbontec.de), in der BoT-DM eine gefürchtete Größe.
Stufe eins: Mende-VTR 1000 F, aufgebaut, um die schnellstmögliche VTR mit dem Segen des TÜV zu sein. Ein Ziel, das erreicht sein dürfte siehe Fahreindrücke Seite XXX. Augenfällig, dass die Serienoptik mittels Vollverkleidung und Höckersitzbank in Richtung V2-NSR 500 getrimmt wurde. Der schwarze Lack unterstreicht den kriegerischen Auftritt ebenso wie die gelben Sechsspeichen-PVM-Räder und vor allem die weit hochgezogenen Karbonschalldämpfer. Auch ergonomisch blieb nix beim Alten, denn die Füße lagern weit, weit oben auf schön gefrästen Lucas-Fußrasten, die Hände auf vergleichsweise tief geklemmten Lenkerhälften.
Wo möglich, wurde der Leichtbauhebel angesetzt: so beim selbstgefertigten, leichten Rahmenheck aus Alu-Rechteckrohren, beim Minimal-Verkleidungshalter, einer kleinen Batterie mit geringer Kapazität oder beim Austausch der Serienauspuffanlage mit ihren schweren Edelstahlschalldämpfer gegen Termignoni-Karbonteile mitsamt Mende-eigenen Krümmern. Gerade noch 194 Kilogramm - 22 weniger als die Serie bringt die Mende-VTR auf die Waage, und das bei ausgewogener Gewichtsverteilung und mit wohl gerade so ausreichenden Scheinwerfern, Blinkern, Spiegeln und einer Hupe.
Klar, dass Tuner Mende sein Know-how beim Motor ansetzt. Ziel: möglichst viel möglichst standfeste Leistung möglichst günstig zu mobilisieren. Deshalb rotieren als einzige Sonderteile selbstgezeichnete Nockenwellen in den Zylinderköpfen dieser VTR, während ansonsten überarbeitete Serienteile die Motorleistung generieren. Klassisches Tuning Kurbeltrieb auswuchten, Kanäle und Ventilsitze optimieren, Kolben und Brennräume bearbeiten und Einbautoleranzen minimieren, dazu Feinabstimmung von Vergasern und Zündanlage zaubert eine überaus füllige, in außerordentlich beachtlichen 131 Messpferden gipfelnde Leistungskurve. Mit ABE, wie gesagt.
Leistungs- wie gewichtsmäßig noch weiter geht die bildschöne HERU-VTR, die als reinrassiges Renngerät zwar den Reglements-, aber nicht den ABE-Grenzen gehorchen muss. Entsprechend kompromisslos stellt sie sich dar. Klar, dass CFK-Künstler Ruroth reihenweise schicke Leichtbauteile laminiert hat angefangen von Verkleidung und Höcker nach NSR-500-Muster, einer Airbox, die jeden Freiraum zwischen Rahmen und Motor ausfüllt und geschickt das Frischgas zu den Zylindern führt, bis hin zu ihrem gierig durch die Verkleidungsscheibe lugenden Ansaugrüssel oder zum Luftleitkanal auf die beiden Kühler, zum Batteriehalter, zum Kotflügel, zum superleichten Kevlartank mit Spritpegel-Fenster und so weiter, und so weiter.
Kaum wieder zu erkennen, diese VTR, und wunderschön gemacht, wie ein Blick unter die Verkleidung deren Komplettdemontage dank pfiffiger Halter und Schnellverschlüsse kaum länger als eine Minute dauert offenbart. Nicht nur liebevoll geändert, sondern auch zielführend optimiert etwa der Wasserkreislauf, der mit elektrischer Wasserpumpe den Motor von den Antriebsverlusten des mechanischen Pendants entlastet. Ein Motor übrigens, der ohne Lichtmaschine und mit vollständiger Moriwaki-Kit-Aufrüstung auf dem MOTORRAD-Prüfstand etwas unwillig spotzend die offene Airbox verlangt nach klima-entsprechender Vergaserabstimmung fette 141 PS abdrückte.
Die Aufrüstung des übrigen Motorrades schließt sich nahtlos an: gefräste Gabelbrücken von Perfomance Parts, eine Renngabel von Showa, ein Technoflex-Federbein, mehrteilige, leichte Fischer-Räder, eine Akrapovic-Renn-Auspuffanlageund selbstgebaute Teile wie der Heckrahmen oder die Fussrastenanlage, die nebenher die Brücke zwischen Rahmen und Schwinge schlägt und so das Fahrwerk versteift, oder die gefräste Gabel zur oberen Federbeinaufnahme alles schön und mit viel Liebe und Know-how realisiert.
Bei richtiger Erziehung also eigentlich äußerst talentiert, die VTR 1000 F. Und diese Talente kann sie nun hochoffiziell im Ableger VTR 1000 SP-1 beweisen, dem Honda supersportliche Gene in die Wiege legte.
Festhalten, bitte!
Sie ist klein, sie ist schwarz, sie ist stark. Vor allem ersteres macht es größer gewachsenen Piloten nicht ganz einfach auf der Mende-VTR die Lucas-Fußrastenanlage verlangt eine gewisse Leidensfähigkeit, ebenso die eng angewinkelten Stummel. Nun, der Christian Mende mag das so.Von allgemeinerem Interesse sind die Manieren des überarbeiteten Motors. Der gibt sich fast allürenfrei, springt stets willig an, klingt etwas kerniger, aber kaum lauter als sein Serienbruder. Interessanterweise braucht er eine relativ hohe Wassertemperatur um die 80 Grad Celsius , darunter nimmt er manchmal nur zögerlich Gas an, ein Phänomen, das mit Rennauspuff gänzlich verschwunden sein soll. Ordentlich warmfahren ist also angesagt und wird mit einer Leistungsentfaltung für Genießer entlohnt: perfekte Gasannahme, satte, geschmeidige Leistungsentfaltung über das ganze Drehzahlband hinweg (dessen Ende ein kleiner Schaltblitz im Originaltacho bei 10800/min signalisiert) und in allen Lastzuständen.Die Kupplung begegnet der Drehmomentstärke durch starke Federn. Dank einer besonders pfiffigen, Betätigung bleiben die Hebelkräfte trotzdem klein, da eine Hebelmechanik die Handkräfte in Grenzen hält (Auch HERU, siehe Foto Seite XXX). Genial, wie gut sich die Kupplung damit dosieren lässt. Klar, dass so ein Motor der kurz übersetzten, schlanken Mende-VTR ganz schön Beine macht. Eine Brembo-Bremsanlage mit Radial-Handpumpe vernichtet den Speed sauber dosierbar, die Beläge brauchen aber ordentlich Betriebstemperatur für beste Bissigkeit.Und das Fahrwerk? CBR 900 RR-Gabel mit Mende-eigenen Federn vorn, Öhlins-Federbein hinten, dazu ein Lenkungsdämpfer und die angesprochenen PVM-Räder. Die leichte, hinten gehörig hochgelegte VTR lenkt enorm agil ein, was konzentriertes Fahren erfordert, um Fahrwerksunruhen zu vermeiden. Dies gilt besonders beim Einbremsen in die Kurve, da die relativ weich gefederte Gabel tief eintaucht und so den Nachlauf nochmals verkürzt, aber auch bei Highspeed, weil der Fahrtwind über den Fahrer Lenkbewegungen provoziert. Ziemlich gewöhnungsbedürftig, aber offenbar perfekt zu Besitzer Mende passend, dessen Rundenzeiten gute Noten ausstellen. Das straffe Öhlins-Federbein funktioniert tadellos, die Bodenfreiheit kennt keine Grenzen.
Mende-VTR 1000 F
MotorVTR 1000 F-Basismotor mit Mende-Tuning, Verdichtungsverhältnis 10,6 : 1Batterie 12 V/5 Ah.Kraftübertragungmechanisch betätigte Mehrscheiben-Ölbadkupplung, Sechsganggetriebe, O-Ring-KetteFahrwerkVTR 1000 F-Basisfahrwerk, CBR-900-Telegabel, Standrohrdurchmesser 45 mm, verstellbare Federbasis, Zug- und Druckstufendämpfung, Öhlins-Zentralfederbein, verstellbare Federbasis, Zug- und Druckstufendämpfung, Lenkungsdämpfer, Brembo-Doppelscheibenbremse vorn, Ø 310 mm, PVM-Räder, 3.50 x 17; 5.50 x 17, Reifen 120/70 ZR 17; 180/55 ZR 17Messwerte*L/B/H 2090/670/1110 mmSitzhöhe 870 mmWendekreis 10 720 mmGewicht vollgetankt 194 kgRadlastverteilung v/h 49/51 %Höchstgeschwindigkeit 259 km/hBeschleunigung0 100 km/h 3,2 Sek0 140 km/h 5,1 Sek0 200 km/h 9,3 SekDurchzug 60 100 km/h 3,9 Sek100 140 km/h 4,4 Sek140 180 km/h 4,1 SekKomplettumbau 21 600 MarkLeistungskit (Motortuning, Auspuffanlage, Airboxumbau) 8 248Mark*Messbedingungen: Messort Hockenheim, 16 Grad, kein Wind
Die Traum-Vau
Das ist nun wirklich kein alltägliches Motorrad, mit dem der Heinz da fleißig punktet. Kaum ein Teil entspricht noch der Serie, keine Lücke im Reglement bleibt ungenutzt. Beeindruckend windet sich der Ansaugschnorchel aus dem Tank die untere Nüster in der schlanken Verkleidungsnase lenkt dagegen Fahrtwind zu den beiden Kühlern.Um es vorweg zu nehmen: ein dussliger Batteriedefekt als Sprinter ohne Lichtmaschine bezieht die HERU ihren Betriebsstrom aus einer Batterie beschränkte den Fahrspass auf wenige, wenngleich eindrucksvolle Runden. Obwohl hinten ähnlich hoch wie die Mende-VTR angehoben, bleibt die HERU-Kreation frei von nervösem Fahrverhalten, lenkt leichtfüßig ein und vermittelt stets gute Rückmeldung und Linientreue. Auch die Lenkpräzision überzeugt wohl dank der wesentlich strafferen Gabel, der via Oberzug versteiften Schwinge, der frontlastigen Gewichtsverteilung sowie der steifen Karkasse der Bridgestone-Slicks. Außerdem dürften die Fußrastenplatten helfen, versteifen sie doch das Fahrwerk, indem sie eine Brücke zwischen Rahmen und Schwingenlagerung herstellen. Dies bringt laut Ruroth besonders beim Herausbeschleunigen spürbare Vorteile, wo die HERU in der Tat keinen unerwünschten Mux macht. Interessant, dass die Showa-Renngabel Betriebstemperatur braucht. Kalt dämpft sie nämlich am Rande des Steckens, um nach ein, zwei Runden tadellos anzusprechen und zu dämpfen Qualitäten, die das hintere Technoflex-Federbein stets offeriert.Angesichts der üppigen Motorleistung und des geringen Gewichts (vollgetankt nur 180 Kilogramm) empfiehlt sich ein steifes, präzises Fahrwerk. Mehrmals ließ die »995« die Tester verblüfft gen Himmel blicken und mit angepasster Bedüsung wären wohl noch ein paar Pferde mehr drin. Beim Beschleunigen dieser Brachial-VTR nicht einfach, wie die Zeit bis 100 km/h verrät - hilft dieselbe Kupplungsmechanik wie bei der Mende-VTR. Dafür bremst die HERU vorn mit Serien-Bremszangen, allerdings mit umgerüsteten Verbindungsschrauben an den Bremssätteln (von Achter auf Zehner-Gewinde). Zusammen mit Kevlar-ummantelten Bremsleitungen entsteht so ein knackiger Druckpunkt, Lucas-Rennbeläge liefern die passende Bremswirkung. Hätte nur die Batterie funktioniert, wir hätten nicht mehr aufgehört, damit zu fahren. Wirklich ein Spaß, allerdings kein ganz billiger.
HERU VTR 995 F
MotorVTR 1000 F-Basismotor mit Wellbrock-Moriwaki-Kompletttuning, Moriwaki-Gleichdruckvergaser, Ø 48 mm, Batterie 12 V/5 Ah.FahrwerkVTR 1000 F-Basisfahrwerk, Showa-Racing-Gabel, Standrohrdurchmesser 43 mm, verstellbare Federbasis, Zug- und Druckstufendämpfung, verstärkte Serienschwinge, Technoflex-Zentralfederbein, verstellbare Federbasis, Zug- und Druckstufendämpfung (High- und Lowspeed), Doppelscheibenbremse vorn, modifizierte Vierkolbensättel, Fischer-Verbundräder 3.50 x 17; 5.50 x 17, Bridgestone-Slicks, 120/70 ZR 17; 180/55 ZR 17Messwerte*L/B/H 2100/690/1100 mmSitzhöhe 870 mmWendekreis 8180 mmGewicht vollgetankt 180 kgRadlastverteilung v/h 51/49 %Beschleunigung0 100 km/h 3,6 Sek0 140 km/h 5,1 Sek0 200 km/h 9,1 SekDurchzug 60 100 km/h 4,0 Sek100 140 km/h 4,4 Sek140 180 km/h 3,2 SekKomplettfahrzeug etwa 85 000 Mark*Messbedingungen: Messort Hockenheim, 0 Grad, kein Wind, feucht