Wie sich die neue Triumph Speed Triple 1200 RR aus Fahrerperspektive anfühlt? Dieses Motorrad fasst sich gut an. Es hat schon was, seine Lenkerstummel zu greifen. Ja, genau, keinen Rohrlenker, keine Doppelscheinwerfer trägt die RR. Und bricht so mit einer über 25-jährigen Tradition. Steht eher in einer Linie mit der ersten Speed Triple, der T 300 von 1994, wobei die noch nackt war. Nun also gibt es Halbschale, Einzel-LED-Leuchte und Stummel. Sie sind unter der oberen Gabelbrücke angeklemmt, liegen knapp 15 Zentimeter tiefer als bei der Speed Triple 1200 RS. Und rund fünf Zentimeter weiter vorn. Streck dich!
Zusammen mit den leicht nach oben und hinten versetzten Fußrasten ergibt das eine versammelte, sportliche Sitzposition. Ergonomisch gut sind die Flanken des nur oben breiten Tanks weit eingezogen. Dies ergibt einen kompakten Knieschluss. Guter Körperkontakt ist essenziell bei einem Sport-Motorrad. Das bucklige Spritfass gibt sich beim Abducken anlehnungsbedürftig. Rasch verschmilzt du mit der Triumph Speed Triple 1200 RR. Im Einklang erlebst du die Lust an der Bewegung, den Tanz der Schräglage, den Kick beim Beschleunigen. Und wie! 180 PS, das war vor wenigen Jahren noch das Niveau reinrassiger 1.000er-Supersportler.
In die zugehörigen Drehzahlbereiche jenseits der 10.000/min kommst du auf Landstraßen zwar so gut wie nie hin. Doch die bullige Kraft des 1.160-cm³-Motors ist ein steter Quell der Freude, immer und überall. Der Triple aus der dritten Dimension ist ein bewegender Antrieb! Völlig linear legt der Ultrakurzhuber (90er-Bohrung bei nur 60,8 mm Hub) an Leistung zu. Seine Gasannahme ist geschmeidig-sanft, nur aus dem Schiebebetrieb heraus einen Tick härter. Dies gilt am wenigsten im Mapping "Rain", etwas mehr im Modus "Road" und ausgeprägter im Sport-Modus.
Power, Drehfreude und Klang
Motor und Leichtmetall-Rahmen mit angeschraubtem Alu-Heck stiftete die 200 Kilogramm leichte Speed Triple 1200 RS eins zu eins an die Triumph Speed Triple 1200 RR. Inklusive 98 Dezibel Standgeräusch. Klingt nach mehr, als es ist. Im Leerlauf grummelt der Dreizylinder subjektiv noch dezent. Dumpf grollend ruht er in sich selbst. Unter 3.000 sortiert er noch seine Stärke. Aber dann! Der Drilling drückt ab 3.300 Touren stets mindestens 100 Newtonmeter. Noch Fragen? Diese Melange aus Elastizität (guter Rundlauf selbst im tiefsten Drehzahlkeller), Power, Drehfreude und Klang macht an. Oder süchtig.
Obenheraus brennt der Baum, so geht das ab. 0 auf 200 km/h in knapp acht Sekunden. Viel wichtiger: von Tempo 60 auf 140 im sechsten Gang unter sechs Sekunden. Eine winzige Kehrseite hat diese Rasanz: Trotz wirkungsvoller Wheelieunterdrückung als elektronischem Fangnetz wird das Vorderrad der Triumph Speed Triple 1200 RR beim vollen Beschleunigen über Buckelpisten leicht, zuckt es mitunter zart in den Lenkerhälften.
Jedes Gasgeben untermalt tiefer Dreizylinder-Sound: "Wroouup, wroouup, wroouup." Beim Ausdrehen röhrt der Triple wie ein Hirsch im Herbst. Manchmal glaubt man, einen Porsche 911 rauszuhören. Zudem glänzt der bärenstarke England-Triple mit seidiger Laufkultur. Du spürst, dass da ein mächtiges Aggregat unter dir arbeitet, aber leidest nie unter störenden Vibrationen. Selbst nach stundenlanger Autobahnfahrt mit der Triumph Speed Triple 1200 RR kribbeln die Hände nicht, schläft keine Extremität ein.
Äußerst geschmeidige Gangwechsel
Äußerst geschmeidig laufen die Gangwechsel ab. Die per Seilzug betätigte Anti-Hopping-Kupplung der Triumph Speed Triple 1200 RR arbeitet prima dosierbar, allenfalls minimal schwergängig. Sie hat oft Pause: Der serienmäßige Blipper gestaltet kupplungsloses Hoch- wie Runterschalten sehr sanft. Da steckt viel Programmierarbeit drin, für die Unterbrechung von Zündung und Einspritzung im exakt passenden Moment. Nach seinen Erfahrungen als Motorenlieferant in der Moto2-WM bezieht Triumph sogar die Anstellwinkel der elektronisch betätigten 48er-Drosselklappen in die Steuerung mit ein. Den Aufwand spürst du.
Beim Schieben wirkte die Triumph Speed Triple 1200 RR minimal schwerer, als sie ist. Und fühlt sich selbst in Fahrt nicht nach zarten 202 Kilogramm an. Das allerletzte Quäntchen Leichtfüßigkeit fehlt der RR, sie ist kein Handling-Wunder. Kompensiert da der recht lange Nachlauf von 105 Millimetern die 66 Grad steil stehende Gabel? Immerhin fährt diese halbnackte Speedy herrlich präzise, exakt auf den Punkt. Und vermittelt so viel Vertrauen.
"Das Motorrad fährt absolut sauber", lobt Top-Tester Karsten Schwers dieses absolut neutrale und homogene Kurvenverhalten mit sattem Gefühl fürs Vorderrad. Sport ist hier keine Attitüde. Sondern Programm. Selbst bei Topspeed auf deutschen Autobahnen läuft die Triumph Speed Triple 1200 RR sicher wie auf Schienen. Apropos: Der Digital-Tacho geht ordentlich vor; vermeldet bei sanft eingeregelter Vmax 245 km/h bereits 258 Sachen. Da ginge mehr, schon eine Sprint ST 1050 mit 125 PS rannte echte 260 km/h. Doch Triumph hat es eben gut sein lassen.
Mindestens 5,7 l/100 km Verbrauch
So bärig, wie der Triple anreißt, könnte er fast einen drehzahlsenkenden Overdrive vertragen. Denn ein Spar-Wunder ist die Triumph Speed Triple 1200 RR bei 5,7 Liter Minimalverbrauch nicht gerade. Die alte Geschichte von Kraft und Kraftstoff. Der Tempomat regelt "bloß" bis Tempo 161. Krude? Nein, britisch – bis 100 Meilen pro Stunde.
Wenn der Winddruck mitträgt, halten die Handgelenke es gut aus auf der Triumph Speed Triple 1200 RR. Wirkungsvoll ist die niedrige Halbschalen-Verkleidung. Das bisschen Kunststoff bewirkt einen Riesenunterschied zum Naked Bike RS. Es entlastet den Rumpf spürbar und wirksam. Selbst bei Topspeed kann man sich hinter der kleinen Kanzel noch gut verstecken. "Bück dich halt!" Nicht einmal im Winter bei 6,5 °C frierst du. Außer an den Händen. Heizgriffe dürften ruhig serienmäßig sein. Der für ein Sport-Motorrad eher üppig gepolsterte, 83 Zentimeter hohe Sitz martert nicht den Hintern, gibt sich eher bequem.
Kommod federt und dämpft die Triumph Speed Triple 1200 RR auch. Gleiten oder Sport-Performance? Beides! Öhlins Smart EC 2.0 sind die modernsten frei käuflichen Federelemente der Topmarke, elektronisch geregeltes Schwedengold. Supersämig arbeitet die Titannitrid-beschichtete Gabel, spricht fantastisch an. Auch das Federbein mit Ausgleichsbehälter arbeitet klasse. Die semiaktiven "Radaufhängungen" (so heißt das im Bord-Menü) regulieren Zug- wie Druckstufendämpfung elektronisch je nach Straßenbeschaffenheit und Fahrzustand. Die High-End-Federelemente folgen dem Asphaltrelief sensibel wie ein Seismograf. Sie informieren das Popometer absolut gefühlsecht und fischen doch viel raus, bügeln fast alles glatt.
Triumph Speed Triple 1200 RR stabil, agil, neutral
Satt liegt sie, die Triumph Speed Triple 1200 RR, klasse fährt sie. Stabil, agil, neutral. Speziell in der Dämpfungseinstellung "Komfort" gibt es auch selbigen – viel besser als auf der sportlich-harten Speed Triple 1200 RS. Bei der RR macht der Komfort nicht schwammig. Spürbar straffer arbeitet die Fahrwerkseinstellung "Normal", "Dynamic" arbeitet schon unkomfortabel straff. Dieses Grund-Setting deckt bereits einen großen Einstellbereich ab. Dabei lässt sich jede der drei Dämpfungseinstellungen noch in je fünf Stufen weicher oder härter, also weniger oder stärker gedämpft, feinjustieren. Die Balance stimmt bereits ab Werk. Wo bitte geht’s zur nächsten Rennstrecke?
Wer die Federbasis vorn oder hinten anheben oder absenken will, muss ganz konventionell Werkzeug bemühen. Statt semiaktiv kann man die Dämpfung auch fix einstellen. Dies entspräche bei einem konventionellen Fahrwerk einer bestimmten Zahl von Klicks. Aber das gefiel Karsten und mir auf der Landstraße weniger gut. Dann haut es nämlich bei aller Feinjustierung auf Schlaglochpisten heftig ins Kreuz. Ist wohl eher für topfebenen Rennasphalt bestimmt. Dort gehört auch die Feinjustage des Motorschleppmoments im Schiebebetrieb hin. Übrigens gehen die zwei Mehr-Kilos der Triumph Speed Triple 1200 RR gegenüber der RS aufs Konto von Hardware/Sensorik fürs semiaktive Fahrwerk, nicht auf die Halbschale.
Die Pirelli-Pneus Supercorsa SP V3 aus deutscher Produktion brauchen etwas, um auf Temperatur zu kommen. Ihr geringes Negativ-Profil verkörpert "Hypersport". Immerhin haften sie bei aktuell 20 °C prima. Einen weiten Spagat von Landstraße bis Rennstrecke meistern auch die 1-a-Bremsen der Triumph Speed Triple 1200 RR. Supertransparent wie Fensterglas und dabei unerbittlich wie ein Schraubstock beißen Brembos beste Monobloc-Zangen zu, die edlen "Stylemas". Sicher überwacht von der Regelelektronik des Kurven-ABS. Dessen IMU füttert auch die schräglagenabhängige, feinfühlig eingrätschende, vierfach justierbare und bei Bedarf sogar abschaltbare Traktionskontrolle.
Nach jedem Anhalten ist die Triumph Speed Triple 1200 RR eine Maschine für gehobenen Besitzerstolz. Ihr Styling prägen klare, fließende Linien. Sie bewirken eine harmonische, in sich stimmige Formensprache. Britische Noblesse, englische Eleganz. Eine Speedy im klassischen Abendkleid statt im gebügelten Hoodie.
Vom Feinsten und top verarbeitet
Nun, es gibt keine 100-prozentig passenden Gegner. Am ehesten wäre dies noch die BMW R nineT Racer. Aber die ist Geschichte. Verzeihen wir der geschliffenen, sportlichsten Speedy aller Zeiten also ihren versnobt abgehobenen Preis von über 20.000 Euro. Dafür gäbe es fast drei nagelneue Tridents. Immerhin hat Triumph an Details und Einzelkomponenten nur vom Feinsten aufgefahren. Und selbstverständlich ist alles top verarbeitet an der Triumph Speed Triple 1200 RR. Beispiele gefällig? Den Zweifarblack garnieren handgezogene Zierlinien. Der Kennzeichenträger ist aus Aluminium. Und die Kunststoffparts, selbst der Verkleidungshalter, sind mit Karbon-Inlays veredelt. Einarmschwinge? Ehrensache. Beleuchtete Armaturen? Klar. Konnektivität für Telefonie, Musikwiedergabe und Pfeilnavigation? Aber sicher. X-Ring-Kette und Edelstahlauspuff? Logisch. Bei Nacht strahlt das Abblendlicht etwas fleckig, das Fernlicht dagegen hoch und weit.
Und so bleibt uns die teure Triumph Speed Triple 1200 RR als ein besonderes, begeisternd fahrendes Motorrad in Erinnerung: ein wertig-gediegener Gentleman-Racer. Mächtig, aber nicht wuchtig, rasant und doch human dabei. Einfach zu fahren, doch nichts für Anfänger. Kein Café Racer, kein Retro-Sportler. Sondern ein Superbike mit Halbschale. Fahrdynamik trifft auf Ästhetik, Supersport auf Stil. Rasanz auf Komfort. Tagsüber heizt die RR beim Renntraining ein, abends brilliert sie am Motorrad-Treff. Well done, Triumph.