Vergleichstest: Harley-Davidson Sportster Forty-Eight, Honda CB 1100, Kawasaki W 800, Moto Guzzi V7 Racer, Triumph Scrambler
The Slow must go on

Keine Lust mehr auf Schnellfahren? Kein Problem. Mittlerweile gibt es eine Menge Motorräder, mit denen genüssliches Dahingleiten besonders großen Spaß machen soll. Ob’s stimmt? MOTORRAD hat fünf Exemplare dieser Spezies unter die Lupe genommen.

The Slow must go on
Foto: Rossen Gargolov

Der Aufschrei vieler Fans wurde erhört. Seit diesem Jahr gibt es die klassisch anmutende Honda CB 1100 endlich auch in Europa. Als die luftgekühlte Maschine 2007 auf der Tokyo Motor Show als Studie auftauchte, wurde sie vor Ort mit Begeisterungsstürmen empfangen. Und kurze Zeit darauf auch gebaut. Für einen Hersteller wie Honda, der seinen Fokus auf innovative Konzepte und technische Features legt, war diese Realisation ein großer Schritt. Ein richtiger vor allem. Denn die CB 1100 avancierte in Japan zum Bestseller und glänzte im Land der aufgehenden Sonne 2010 sogar als meistverkauftes Motorrad oberhalb von 400 Kubik. Ob der CB Ähnliches auch in Europa gelingt, darf angesichts der vielfältigen Konkurrenz bezweifelt werden. MOTORRAD hat vier Vertreter dieses Genres für den ersten Vergleich hinzugezogen: die Harley Sportster Forty-Eight, ein puristischer Bobber mit winzigen Federwegen und spartanischem Tank, der zudem in Deutschland recht erfolgreich ist. Eine Kawasaki W 800 mit Königswellen-Twin, der Inbegriff des japanischen Retro-Bikes schlechthin. Sowie die Moto Guzzi V7 Racer, eine Maschine, die aufgrund wunderschön gemachter Details jedes Schaufenster adelt. Und eine Triumph Scrambler, die ihren Ursprung der Steve McQueen-Ära verdankt und ebenfalls mit Lifestyle-Bonus punktet.

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Vergleichstest: Harley-Davidson Sportster Forty-Eight, Honda CB 1100, Kawasaki W 800, Moto Guzzi V7 Racer, Triumph Scrambler
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Genug geglotzt. Jetzt wird gefahren. Ankicken muss man keine der fünf. Schade eigentlich, denn vor der Eisdiele könnte man in der heutigen Facebook-Zeit mit solch einer Banalität garantiert für Furore sorgen. Es wird allgemein elektrisch gestartet. Was für die Triumph und Kawasaki beinahe etwas peinlich ausfällt, denn nachdem der Anlasser die Kurbelwelle in ihre Umlaufbahn geschickt hat, fragt man sich, ob die Motoren tatsächlich laufen: Sound? Minimal. Vibrationen? Gering. Der Reihenvierzylinder der Honda, der seine Lebensäußerungen durch eine Vier-in-eins-Anlage entlässt, schnurrt dagegen etwas munterer. Aber lassen wir das. Alles nichts gegen die beiden V2-Darsteller aus Italien und Amerika. Da rumst, bollert, schüttelt und grummelt es bemerkbar aus beiden Tüten und dem Motor. Frei nach dem Motto „Ich lebe, also hört mich“ geht dieser Punkt klar an das V2-Duo.

Sitzen
Was wollen wir erwarten? Es ist eine Honda dabei. Das Konzernmotto lautet schon seit Dekaden: „Erst der Mensch, dann die Maschine.“ Und? Sie haben es wieder mal geschafft. Sitzhöhe nur 785 Millimeter, perfekt gepolsterter Sattel, der Lenker breit und optimal gekröpft, die Rasten da, wo man sie vermutlich selbst angeschraubt hätte. Ein Chefsessel. Zumindest, wenn man Befehle geben möchte. Klarer Favorit in diesem Feld. Der Rest ist mehr so na ja. Nehmen wir die Triumph: harter Sattel, langer Tank, hoher Lenker. Überhaupt wirkt die Britin im Reigen dieser fünf recht gewaltig. Was natürlich nicht nur an ihren 820 Millimeter Sitzhöhe liegt, sondern auch daran, dass sie insgesamt wuchtiger als die Konkurrenz daherkommt. Und kleinere Menschen unter 1,65 Meter bestimmt ein wenig verunsichert. Oder die Kawasaki: Schmale Sitzbank, vergleichsweise schmaler Lenker - es kommt einem so vor, als hätte sie ein mies gelaunter Drill-Sergeant zusammengebrüllt. Dieses Gefühl überträgt die Sitzposition auch auf den Fahrer. Selbstbewusst ist anders. Etwa so wie auf der Guzzi. Nicht richtig sportlich, nicht richtig touristisch und irgendwie etwas gefaltet. Denn die Rasten der Italienerin sind vergleichsweise hoch angebracht, die Lenkerstummel schmal und die Sitzbank stilecht gerade wie in den 70ern. Was fehlt noch? Ach ja, die Harley. Faktisch betrachtet ist deren Sitz etwas zu kantig, endet in nur 705 Millimeter Höhe, und der Lenker liegt gut in der Hand. Auf der Forty-Eight sitzt es sich von allen fünf am bescheidensten - Klapphaltung: Füße und Hände nach vorn, Rücken leicht gekrümmt. Leider nicht messbar: der Coolness-Faktor. Bei der Harley ist er riesig.

Gargolov
Seit 2011 auf dem Markt: die Racer-Variante der V7: Moto Guzzi V7 Racer.

Motoren
Gang rein, und los! So einfach könnte es sein. Ist es auch. Trotzdem gibt es die zwei Enden der Fahnenstange: links die Honda, deren Getriebe sich perfekt schalten lässt. Die Gänge rasten sauber und sicher, und die Schaltwege sind kurz. Rechts die Guzzi, deren Getriebe genau das Gegenteil vermittelt. Bei der Italienerin springt hier und da mal wieder ein Gang raus. Oder er geht gar nicht erst rein. Kann man sich dran gewöhnen. Unauffällig und nach Plan schaltet es dagegen bei Triumph Scrambler, Kawasaki W 800 und Harley Forty-Eight. Aber schalten ist nicht alles. Kommen wir zur Kraft und beginnen einfach mal mit dem stärksten Antrieb im Feld, dem 90 PS starken Vierzylinder der Honda CB 1100.

Überraschung geglückt. Beim Cruisen durch die südfranzösische Hügelwelt fällt sofort auf, wie schaltfaul sich der Antrieb fahren lässt. Knapp über Standgas ist anscheinend sofort mächtig Drehmoment vorhanden, selbst beim zügigen Landstraßenfahren verlangt der Motor selten mehr als 4000/min. Im Leistungsdiagramm findet sich auch eine Erklärung hierfür, denn der luftgekühlte Vierzylinder ist konsequent auf Drehmoment und nicht auf Höchstleistung getrimmt. Seidenweiches Laufverhalten ist ihm allerdings fremd, Vibrationen sind über den gesamten Drehzahlbereich spürbar, am stärksten zwischen 2500 bis 5000 Touren. Aber es sind keine bad, sondern good Vibrations, die nicht nerven, sondern aus der Schublade „Fröhliche Lebensbekundung“ stammen und dem Antrieb einen unverwechselbaren Charme mit auf den Weg geben. Man kann ihm wirklich nicht viel vorwerfen, diesem japanischen Antrieb.

Als Zweistärkster in im Bunde trumpft der Harley-V2 mit nominal 67 PS auf. Das Testexemplar stand mit 73 PS besonders gut im Futter. Trotz patentierter Schubstangenhalterung, die den 1202 Kubik starken Antrieb quasi gummigelagert im Rahmen hält, bekommt der Fahrer die Lebensäußerungen des Vaus mit. Auf der Landstraße wirken die nie störend, bei gleichbleibendem Tempo auf der Autobahn kribbelt es erst oberhalb von 140 km/h unangenehm. Dem Sportster-Antrieb gelingt in diesem Vergleich ein beachtenswerter Spagat: Er wirkt in diesem Feld nie untermotorisiert oder träge und verschenkt dazu unnachahmliche positive Lebendigkeit.

Die 58 PS des Scramblers sind in diesem Feld schon die dritthöchste Leistung. Der Twin mit seinen 270 Grad Zündversatz kommt allerdings verhalten daher und wirkt recht emotionslos. Der Sound: schüchtern. Die Leistungsabgabe: ohne rechten Kick. Ein Gummiband-Motor. Schade. Nervig ist vor allem das starke Lastwechselverhalten im Teillastbereich, das sich besonders beim Langsamfahren in der Stadt negativ bemerkbar macht. Dass Leistung nicht alles ist, zeigt der 744 Kubik starke Guzzi-V2. Sie ist mit nominal 51 PS nicht gerade übermotorisiert. Dennoch bietet die Italienerin neben der Harley motorisch die stärkste Unterhaltung im Feld. Der Vau strampelt erwartungsfroh im Leerlauf, dreht mitteilungsbedürftig durch den gesamten Drehzahlbereich und verschenkt dabei eine herzerwärmende Geräuschkulisse: sanftes Bollern aus den Schalldämpfern, sattes Schnorcheln im Luftfilter und mächtiges Stampfen aus dem Maschinenraum. Erlebnis Motor(rad)fahren. Großes Kino. Danke nach Italien.

Nicht nur leistungstechnisch, sondern emotional ein wenig abgeschlagen: der Kawa-Gleichläufer. Für sich genommen vielleicht eine runde Sache, doch im direkten Vergleich mit der Konkurrenz wirkt der Twin nicht nur schlapp, er dreht auch unglaublich zäh und vibriert arg über den gesamten Drehzahlbereich. Sicherlich ist es wie immer: Nach einer Stunde im selben Sattel nimmt man die negativen Eigenheiten aller Motoren kaum noch wahr. Erst beim Umstieg auf das nächste Bike fallen sie richtig auf. Wer beispielsweise von der Kawasaki auf die Harley umsteigt, glaubt einen Sportmotor unter sich zu haben, denn der Ami-V2 wirkt gegenüber dem japanischen Twin geradezu agil, potent und drehfreudig. Klingt verrückt. Ist aber so.

Fahrwerke
Der beste Motor nützt nichts, wenn er in einem miesen Fahrwerk wohnt. Hier setzt sich die Honda mit ihren sehr effektiven, gut dosierbaren und ABS-unterstützten Bremsen plus ihrem stabilen Fahrwerk mit satt abgestimmten Federelementen meilenweit vom Rest des Felds ab. Schnell und sicher fahren? Kein Problem. Schlechtwegstrecke? Hahaha. Zwar könnten die hinteren Federbeine eine Spur sensibler ansprechen, doch im direkten Vergleich zum Rest der Mannschaft ist das beinahe schon perfekt. Denn objektiv gesehen kränkeln die anderen leicht. Um die extrem gedrungene Bobber-Optik zu realisieren, hat man der Harley beispielsweise nicht nur einen 7,9 Liter fassenden Tank aufgeschraubt, sondern auch die Federwege gestaucht: 92 Millimeter vorn und 54 Millimeter hinten sollen reichen, um so etwas wie Fahrkomfort zu gewährleisten. Kurz gesagt: Ab Landstraßen zweiter Ordnung muss der Körper mehr einstecken als die Federelemente. Weiterer Ausreißer: die Bremsen der Kawasaki. Stumpf, als hätte jemand Öl daraufgekippt und beinah genauso effektiv. Noch ein Kritikpunkt: Die montierten Dunlop Roadmaster lenken träge und sind sehr längsrillenempfindlich. Gewöhnungsbedürftig lenkt sich auch die Triumph, die auf etwas grobstolligen Trialwing 101 rollt. Beim Umsteigen auf die Scrambler vermisst man sofort Feedback vom Vorderrad, das richtige Gefühl dafür stellt sich erst spät ein. Als britischer Fauxpas müssen auf jeden Fall die Stoßdämpfer gewertet werden. Sie sind mehr Stoß als Dämpfer und reagieren absolut unsensibel. Bleibt letztlich noch die Guzzi, die sich in diesem Feld recht wacker schlägt. Denn ihr Fahrwerk ist stabil, die Bremsleistung völlig ausreichend, und auch der Federungskomfort ist völlig okay - die Gabel- und Dämpferabstimmung geriet nicht zu weich, nicht zu straff, vielleicht nicht hypersensibel, aber erträglich.

Der Fahrgenuss
Jenseits aller technischen und fahrdynamischen Eigenschaften erzählt dir das Motorrad seinen eigenen Roman. Und es kommt ganz darauf an, ob du seinen Schreibstil magst oder nicht. Nehmen wir mal die neue CB 1100. Ein Motorrad, das dich immer zufriedenlässt, Fahrfehler verzeiht und für praktisch alles zu haben ist. Obwohl als Reminiszenz an die glorreiche CB 750 entwickelt, ist die 1100er in diesem Feld nicht nur technisch, sondern auch optisch die modernste. Die Kehrseite ihrer Perfektion ist leider ein Minus im Unterhaltungswert. Denn man muss nicht gegen ständig aufsetzende Fußrasten (Harley), stelziges Lenkverhalten (Triumph), maue Bremsen (Kawasaki) oder harsche Kardanreaktionen (Guzzi) ankämpfen. So gesehen ist CB 1100 fahren geradezu langweilig. Aber: Es gibt ja auch Menschen, die BWL studieren, und das richtig toll finden.

Die anderen vier lassen sich in zwei Gruppen teilen: die unscheinbare Twin-Truppe und die lebenslustige V2-Gang. Sowohl der Scrambler als auch die W 800 sind verhaltene Charakterdarsteller, bei denen die Optik im Vordergrund steht. Leider wirken sie blutarm. Ein wenig mehr Sound würde hier schon wahre Wunder bewirken. Die Konkurrenz aus dem V2-Lager macht es vor. Aber nicht nur der Sound ist ausschlaggebend, warum sowohl die Harley als auch die Guzzi in puncto Coolness, Lifestyle und Genussfahren hoch in der Gunst von Zuschauern und Piloten stehen. Es ist vielmehr ihre kompromisslose Authentizität. Beides sind Maschinen, die ihren Fahrern viele Kompromisse abverlangen und den Unterhaltungswert dadurch sehr stärken.

Anders ausgedrückt: Wenn ich schon keine Zeit mehr habe und nur noch kurze Touren mache oder Trips zum Bäcker, Treffpunkt oder Badesee, dann ist das Erlebnis auf beiden V2 am stärksten und auf der Honda am schwächsten. Fährst du hingegen sechs Wochen in den Urlaub, beginnst du, die Honda irgendwann zu streicheln. Und es könnte durchaus sein, dass du die Forty-Eight oder die Scrambler nach der dreitausendsten Bodenwelle verfluchst. So gesehen hat Genussfahren auch bedingt mit der Streckenlänge zu tun.

Technische Daten

Archiv
Hier das Leistungsmenü der fünf Retro-Bikes.

Harley-Davidson Sportster Forty-Eight Honda CB 1100 Kawasaki W 800
Motor 
Bauart Zweizylinder-Viertakt-45-Grad-V-Motor Vierzylinder-Viertakt-Reihenmotor Zweizylinder-Viertakt-Reihenmotor
Einspritzung Ø 45 mm Ø 32 mm Ø 34 mm
Kupplung Mehrscheiben-Ölbadkupplung  Mehrscheiben-Ölbadkupplung  Mehrscheiben-Ölbadkupplung 
Bohrung x Hub 88,9 x 96,8 mm 73,5 x 67,2 mm 77,0 x 83,0 mm
Hubraum 1202 cm3 1141 cm3 773 cm3
Verdichtung 10,0:1 9,5:1 8,4:1
Leistung 49,0 kW (67 PS) bei 5700/min 66,0 kW (90 PS) bei 7500/min 35,0 kW (48 PS) bei 6500/min
Drehmoment 98 Nm bei 3200/min 93 Nm bei 5000/min 60 Nm bei 2500/min
Fahrwerk
Rahmen Doppelschleifenrahmen aus Stahl Doppelschleifenrahmen aus Stahl Doppelschleifenrahmen aus Stahl
Gabel Telegabel, Ø 39 mm Telegabel, Ø 41 mm Telegabel, Ø 39 mm
Bremsen vorne/hinten Ø 292/292 mm Ø 296/256 mm Ø 300/160 mm
Räder 3.00 x 16; 3.00 x 16 2.50 x 18; 4.00 x 18 2.15 x 19; 2.75 x 18
Reifen 130/90 B16; 150/80 B16 110/80 18; 140/70 18 100/90 19; 130/80 18
Bereifung Michelin Scorcer 31 Bridgestone BT 54 Dunlop Roadmaster
Maße + Gewichte
Radstand 1520 mm  1490 mm  1465 mm 
Lenkkopfwinkel 60,0 Grad 63,0 Grad 63,0 Grad
Nachlauf 119 mm 114 mm 108 mm
Federweg vorne/hinten 92/54 mm 120/89 mm 130/106 mm
Sitzhöhe1 705 mm 785 mm 800 mm
Gewicht vollgetankt1 256 kg 248 kg 217 kg
Zuladung1 198 kg 173 kg 183 kg
Tankinhalt/Reserve 7,9 Liter 14,6/3,5 Liter 14,0 Liter
Service-Intervalle 8000 km 6000 km 6000 km
Preis 11 275 Euro 10 990 Euro 8290 Euro
Nebenkosten 350 Euro 265 Euro 170 Euro
MOTORRAD-Messwerte
Höchstgeschwindigkeit* 190 km/h 180 km/h 170 km/h
Beschleunigung
0–100 km/h 5,2 sek 3,9 sek 6,1 sek
0–140 km/h 10,2 sek 7,7 sek 13,3 sek
Durchzug
60–100 km/h 5,8 sek 4,8 sek 6,6 sek
100–140 km/h 6,9 sek 5,3 sek 9,8 sek
140–180 km/h 11,1 sek 9,9 sek
Verbrauch Landstraße 4,5 Liter/Super 4,5 Liter/Super 4,0 Liter/Normal
Reichweite Landstraße 175 km 324 km 350 km

Moto Guzzi V7 Racer Triumph Scrambler
Motor 
Bauart Zweizylinder-Viertakt-90-Grad-V-Motor Zweizylinder-Viertakt-Reihenmotor
Einspritzung Ø 38 mm Ø 36 mm
Kupplung Einscheiben-Trockenkupplung  Mehrscheiben-Ölbadkupplung 
Bohrung x Hub 80,0 x 74,0 mm 90,0 x 68,0 mm
Hubraum 744 cm³ 865 cm3
Verdichtung 10,5:1 9,2:1
Leistung 37,5 kW (51 PS) bei 6200/min 43,0 kW (58 PS) bei 6800/min
Drehmoment 58 Nm bei 5000/min 69 Nm bei 4750/min
Fahrwerk
Rahmen Doppelschleifenrahmen aus Stahl Doppelschleifenrahmen aus Stahl
Gabel Telegabel, Ø 40 mm Telegabel, Ø 41 mm
Bremsen vorne/hinten Ø 320/260 mm Ø 310/255 mm
Räder 2.5 x 18; 3.5 x 17 2.5 x 19; 3.5 x 17
Reifen 110/90 18; 130/80 17 100/90 19; 130/80 17
Bereifung Pirelli Sport Demon Bridgestone TW101/42
Maße + Gewichte
Radstand 1449 mm  1500 mm 
Lenkkopfwinkel 62,5 Grad 62,2 Grad
Nachlauf 109 mm 105 mm
Federweg vorne/hinten 130/118 mm 120/106 mm
Sitzhöhe1 810 mm 820 mm
Gewicht vollgetankt1 248 kg 232 kg
Zuladung1 198 kg 198 kg
Tankinhalt/Reserve 21,0/2,5 Liter 16,0 Liter
Service-Intervalle 7500 km 10 000 km
Preis 9435 Euro 8990 Euro
Nebenkosten 255 Euro 395 Euro
MOTORRAD-Messwerte
Höchstgeschwindigkeit* 155 km/h 168 km/h
Beschleunigung
0–100 km/h 6,1 sek 5,3 sek
0–140 km/h 14,5 sek 11,3 sek
Durchzug
60–100 km/h 5,6 sek 5,9 sek
100–140 km/h 10,1 sek 9,0 sek
140–180 km/h
Verbrauch Landstraße 4,5 Liter/Normal 5,3 Liter/Normal
Reichweite Landstraße 466 km 302 km

*Herstellerangabe;

Kommentar

jkuenstle.de
Redakteur Rolf Henniges zur neuen Lust am Genussfahren.

Der Trend ist unübersehbar: Immer weniger Supersportler werden verkauft, die Zulassungszahlen von Cruisern, Naked und Retro-Bikes dagegen steigen. Grund dafür ist die neue Lust am Genussfahren. Man kann diese Trendwende mit dem Essen vergleichen. Fast Food adieu! Willkommen in Restaurants, in denen man sich Zeit lässt - kleine Brocken, intensives Kauen, lang anhaltender Genuss! Denn es geht um Genuss. Nicht um schnell oder langsam.

Genauso wie der Genießer möglichst viele Zutaten in der Speise herausschmecken möchte, geht es dem Retro- oder Cruiser-Fahrer ums sinnliche Erleben von Fahrtwind, good Vibrations, Motor, Sound und Optik. Und ebenso wie das schnelle Verschlingen von Speisen dem Körper auf Dauer nicht bekommt, so kann auch zu schnelles Fahren problematisch werden. Mit einem Ausrutscher im Graben, einem Klinikbesuch oder dem Aufstocken des Flensburger Punktekontos enden. Wissen wir alle. Doch ich will hier nicht mahnend den Finger heben, denn auch ich bin gern mal zügig unterwegs. Aber ich möchte an dieser Stelle auf den Erlebniswert der Bikes verweisen. Natürlich brauchen wir gute Bremsen, stabile Fahrwerke und einen halbwegs potenten Motor. Ich will die Zeit nicht zurückdrehen in die 70er und maximal 70 PS oder Simplex-Bremsen und Gummifahrwerke einfordern. Ich mag die Moderne. Ich mag auch Leistung.

Aber mir und vielen anderen, die meine Meinung bei der Wahl des Fahrzeugs teilen, reichen 70 PS. Genussfahren ist nicht PS-abhängig. Den Rausch der Sinne können dir sowohl 2 als auch 102 PS bereiten. Es geht ums pure Erleben. Das beginnt mit dem Herzklopfen, wenn sich das Garagentor öffnet, und endet damit, wenn dir das Motorrad beim Fahren seinen Roman erzählt. Sicher, beides kann dir eine 200-PS-Rakete auch bieten. Was sie nicht bieten kann: das Underdog-Feeling. Niemand erwartet was von dir. Mit einem untermotorisierten Fahrzeug habe ich ungleich mehr Fahrspaß im Rahmen dessen, was der Gesetzgeber auf öffentlichen Straßen zulässt. Unverzichtbar fürs Genussfahren: ein Motor, der mich absolut in Ruhe lässt. Der mich nicht anstachelt, weil er ständiges Hochdrehen einfordert. Aber auch nicht mit Konstantfahrruckeln nervt oder im niedertourigen Bereich hackt. Irgendjemand hat mal gesagt: Wer ständig mit Vollgas auf der linken Spur unterwegs ist, überholt sogar sein Leben. In diesem Sinne: Brüder und Schwestern, lasst uns nicht schleichen. Aber bei maximal 100 km/h auf der Landstraße möglichst viel erleben. Dafür sind diese Bikes geschaffen.

Fazit

Gargolov
Genussfahren bedeutet nicht unbedingt langsam fahren. Wichtiger als Speed ist die richtige Linie.

Harley-Davidson Sportster Forty-Eight
Ein Hingucker, der dynamischer kann, als das Styling suggeriert. Die 1200er bietet neben puristischem Fahr-Feeling einen charakterstarken Motor. Nicht nur wegen ihres kleinen Tanks und der mickrigen Reichweite sind urbane Lebensräume ihr bevorzugtes Revier.

Honda CB 1100
Toll gemacht. Moderne Technologie unter einem nostalgisch angehauchten Kleid. Der drehmomentstarke Motor trifft den Zeitgeist. Nie bummelte es sich mit einem luftgekühlten Honda-Vierzylinder entspannter. Was fehlt? Drahtspeichenräder hätten das Salz in der Suppe sein können.

Kawasaki W 800
Optisch sehr lecker, fahrdynamisch leider nur im Mittelfeld. Der vergleichsweise zäh agierende Twin und die stumpfen Bremsen werden auch bei Bummelfahrten nicht zum Highlight. Mit anderen Bremsbelägen und gefälligerem Auspuff ist die W jedoch durchaus zu empfehlen.

Moto Guzzi V7 Racer
Der Kracher, wenn es ums Auffallen geht. Allein wenn sich Sonne oder Zuschauer im verchromten 21-Liter-Tank spiegeln, ist das schon großes Kino. Die vielen leckeren Details, die auffällige Lackierung und der charakterstarke V2 krönen die Guzzi zur Königin im urbanen Umfeld.

Triumph Scrambler
Man muss schon eine Beziehung zur Legende Steve McQueen haben und große Motorräder mögen, um sich in den Scrambler zu verlieben. Was ihm fehlt, sind Sound und zwei besser arbeitende Federbeine. Dann allerdings taugt er nicht nur fürs Genussfahren, sondern auch für die Tour.

Die aktuelle Ausgabe
MOTORRAD 12 / 2023

Erscheinungsdatum 26.05.2023