So unsinnig die sogenannte Tirol-Regel auch sein mag, die Motorrädern mit einem – im Übrigen vom Gesetzgeber nicht limitierten – Standgeräusch von mehr als 95 dB(A) die Durchfahrt verbietet, sie ist nun einmal da. Und sie wird sich in Zukunft wohl eher verbreiten als abgeschafft werden. Was für Honda, Kawasaki und Suzuki (97, 97 und 96 dB(A)) keine guten Nachrichten wären. BMW (89) und Indian (92) haben freie Fahrt, wobei sie bei der im öffentlichen Straßenverkehr gebotenen Fahrweise keinesfalls leiser agieren bzw. die drei Vierzylinder keinesfalls lauter erscheinen.
Indian FTR S
Die Indian FTR S ist mit nur 105 verkauften Einheiten (Stand August 2022) eine echte Exotin – und ein Beispiel für gelungene Modellpflege. Während die 2019er-Version mit Kaltstartproblemen zu kämpfen hatte, läuft die Euro-5-Variante problemlos. Der 60-Grad-Twin startet zuverlässig, die Kupplung greift sauber, nur das Getriebe wirkt etwas unpräzise. Die Bedienung des TFT-Displays erfordert zunächst Eingewöhnung, bietet aber mehrere Steuerungsmöglichkeiten. Die drei Fahrmodi unterscheiden sich deutlich: "Rain" reduziert Leistung und Drehmoment, "Standard" sorgt für ein direktes Ansprechverhalten, und "Sport" macht die FTR besonders agil. Die lange Übersetzung sorgt für ein sanftes, aber nachdrückliches Beschleunigungsgefühl.
Indian FTR S: kleiner Tank, hoher Verbrauch
In Kurven verlangt die Indian FTR S leichtes Nachdrücken am Lenker, bei schnellen Richtungswechseln wirkt sie etwas steif. Das Aufstellmoment beim Bremsen in Schräglage ist spürbar, die Bremsleistung solide, aber nicht überragend. Ein größeres Ärgernis ist jedoch die Kombination aus kleinem Tank und hohem Verbrauch, die häufige Tankstopps erfordert. Dennoch bleibt die FTR S eine Wahl für Individualisten, die mehr Wert auf Charakter und Auftritt als auf Perfektion legen.
BMW R 1250 R
Wie sie der zweite Twin im Feld, die BMW R 1250 R , bietet. Gemäß den Gepflogenheiten der Bayern war auch dieses Testbike mit Extras von rund 4.300 Euro, entsprechend 30 Prozent des Grundpreises, bestückt. Womit auch schon die größte Hürde der BMW genannt ist, der heftige Kaufpreis. Dennoch wurde sie bis September 859-mal übersprungen. Eines der Extras ist das ungeachtet seiner klobigen Optik als Sportsitzbank bezeichnete Polster, das den Piloten deutlich höher positioniert als das Serienteil. Dennoch ist die Ergonomie aufgrund der recht weit vorn liegenden Fußrasten relativ passiv. Alles andere als passiv ist der nach Dekaden der Reifung und Weiterentwicklung hart an der Grenze zur Perfektion werkelnde Boxer. Ab 1.500/min legt er sich auch im Sechsten mächtig ins Zeug. Bis etwa 8.500/min liegen Leistung und Drehmoment teilweise dramatisch über den Vierzylindern, erst danach können zumindest Honda und Suzuki davonziehen. Wobei das Hubraum-Plus von rund 25 Prozent dabei natürlich sehr hilfreich ist. Aber auch die nur ein Schnapsglas weniger behubraumte Indian lässt die BMW klar hinter sich.
BMW R 1250 R: elektronisch einstellbares Fahrwerk
In der Beschleunigung muss der Boxer nur die Suzuki ziehen lassen, aber beim Durchzug, ebenso wie beim Verbrauch, zeigt er allen, wo der Frosch die Locken hat. Die Performance wird von einer Quickshifter/Blipper-Kombi, die ihren Job zwar gut, aber nicht so präzise und fluffig wie bei der Honda oder gar der Suzuki verrichtet, unterstützt bzw. erleichtert. Beim elektronisch einstellbaren Fahrwerk sind die beiden Modi Road und Dynamik zwar an die Motormappings (Eco, Rain, Road, Dynamik, Dynamik Pro) gekoppelt, lassen sich aber individuell anpassen. Ob komfortabel beschwingt über den Rübenacker gleiten oder sportlich straff die Hausstrecke unter die Räder nehmen: Knopfdruck genügt. Dortselbst gibt sie sich zwar grundsätzlich handlich, ihr Mehrgewicht von 28 Kilogramm gegenüber der Leichtesten, der Kawa, lässt sich aber nicht wegdiskutieren. Womit wir zu den Japan-Vierern überleiten können. Zuvor sei aber der BMW R 1250 R attestiert, dass sie aus der Sicht der Tester zwar ein verdammt gutes Motorrad ist, aber irgendwie stets ein bisschen wie der Klassenstreber daherkommt.
Kawasaki Z 900
Das kann man der Kawasaki Z 900 , mit 10.045 Euro das mit Abstand günstigste Bike im Feld, wirklich nicht vorwerfen. Sie ist, nach der GS, das am zweitbesten verkaufte Motorrad überhaupt. Wenn auch mit weniger als der Hälfte an Einheiten, bis September nämlich deren 3.336. Für die Kawa spricht neben dem sehr attraktiven Einstandspreis der lebendige und drehfreudige, wenngleich recht rau laufende Antrieb, ihre trotz der als Einzigen im Feld konventionell angeschlagenen Sätteln schön bissigen Bremsen mit ebenso transparentem wie knackigem Druckpunkt. Und natürlich das sehr agile und neutrale Fahrverhalten mit nur leichtem Aufstellmoment beim Bremsen in Schräglage sowie die dynamisch aktive Unterbringung des Fahrers. Über die Gefühle des Mitfahrers breiten wir an dieser Stelle den Mantel des Schweigens. Ihr Tank baut zwar etwas breiter als zum Beispiel der der Honda, hat dafür aber keine für Langbeinige störenden Kanten. Das ABS regelt grundsätzlich fein, jedoch neigt die Kawa bei kalter Bremse oder bei stärkerem Gefälle zum Handstand.
Kawasaki Z 900: Softe Grundabstimmung, leichtgängige Kupplung
Dass man bei Kawasaki auch nicht zaubern kann, zeigt sich an der Ausstattung. Neben den bereits erwähnten konventionellen Bremssätteln trägt sie als Einzige einen schlichten Stahlrohrlenker. Ihr Rahmenheck ist verschweißt statt verschraubt, die Aufkleber nicht überlackiert. Auch muss sie ohne elektronische Schaltunterstützung auskommen, was aber dank der sehr leichtgängigen Kupplung locker zu verschmerzen ist. Ihr TFT-Cockpit ist für heutige Verhältnisse recht schlicht, bietet aber grundsätzlich die wichtigsten Infos und lässt sich auch mit dem Smarten verbinden. Wie heute üblich, hat auch die Kawasaki Z 900 mehrere, in diesem Fall drei deutlich voneinander abgegrenzte Mappings, wobei ihr mittleres, Road, in etwa so agil ist wie Sport bei der Honda. Zum Wechseln der Mappings muss man aber den entsprechenden Schalter sehr lange drücken, was erstens lästig ist und zweitens beim Fahren ablenkt.
In der unteren Hälfte seines Drehzahlbands gibt sich der Vierzylinder willig, gutmütig und nach der BMW am genügsamsten. Sein wahres Wesen aber zeigt er, wenn die imaginäre Drehzahlmessernadel die Sechs überstreicht. Dann wird er zornig, spart dann aber besonders im Teillastbereich und Schiebebetrieb nicht mit Vibrationen. Zudem lastwechselt er etwas ausgeprägter als Honda und Suzuki. Demgegenüber steht eine verhältnismäßig softe Grundabstimmung des Fahrwerks. Bei ruhiger Fahrt überzeugen Ansprechverhalten und Komfort, im Very-fast-forward-Modus wünscht man sich aber mehr Dämpfung. Letztendlich bietet die Kawa verdammt viel Motorrad fürs Geld und ist völlig zu Recht so erfolgreich. Und ihre Optik recht eigenständig dazu.
Honda CB 1000 R
Das gilt auch für die für Honda-Verhältnisse recht extrovertiert designte Honda CB 1000 R , die bis September 2022 immerhin 548 Kunden für sich gewinnen konnte. In der hier gezeigten Triple-Black-Edition trägt sie jede Menge edle Teile wie überfräste Speichen, Motordeckel und andere Parts sowiebollwerk eine mächtige Einarmschwinge und eine edle, tief glänzende Lackierung. Demgegenüber wirkt die schlichte, komplett aus Stahl gefertigte Auspuffanlage besonders billig. Das Sitzmöbel der Honda ist recht schmal, dennoch komfortabel, der flach gekröpfte Lenker gut erreichbar. Langbeiner wie der Autor stören sich aber an den Ausbuchtungen im 16-Liter-Tank. Insgesamt ist man vorn ganz gut untergebracht, hinten dagegen gibt es wenig zu lachen, nur die Kawa ist noch schlimmer. Das Polster ist kurz, schmal und hoch, zudem hört das Motorrad direkt hinter der Bank auf. Das ist weder gut für die Psyche des Mitfahrers noch für den Wetterschutz im Allgemeinen. Der aus der Fireblade SC 57 abgeleitete Four dreht nach dem Kaltstart erstaunlich lange erstaunlich hoch, wie man es von alten Kawas kennt.
Während der Warmlaufphase ist Zeit, sich mit dem TFT-Cockpit zu beschäftigen. Die drei fixen Fahrmodi (Rain, Standard, Sport) werden über einen Druckschalter angewählt, zusätzlich gibt es noch einen frei zu konfigurierenden Modus. Das Display selbst wird via Kreuzschalter bedient. Wie bei den anderen Bikes sind auch bei der Honda CB 1000 R die Schalter nicht hinterleuchtet. Im Display lassen sich auf vier Ebenen jede Menge Infos bis hin zum aktuellen Drosselklappenwinkel ablesen, die Außentemperatur aber nicht. Auf dem Weg zur Teststrecke zeigt sich, dass der Honda-Vierer, wie die beiden anderen auch, zwar ohne Zicken mit 2.000/min im sechsten Gang durch den Ort rollt, beim Aufziehen danach aber nicht viel passiert. Ausgerechnet beim auf der Landstraße viel genutzten Bereich zwischen 4.500 und 7.000/min hat der Ex-Sportler einen ausgeprägten Durchhänger. Um den Anschluss nicht zu verlieren, heißt es fleißig schalten, was dank toller Quickshifter/Blibber-Kombi eine freudige Angelegenheit ist. Und mit der Leistung kommen dann auch die Vibrationen.
Honda CB 1000: nervös in Schräglagen
Im Kurvenparadies angekommen, lenkt die Honda CB 1000 R zwar willig ein, liegt aber in Schräglage etwas nervös und stellt sich zudem beim Bremsen in Schräglage merklich auf. Und während die 43er-Upside-down-Gabel durchaus überzeugen kann, muss sich das direkt angelenkte Federbein Kritik gefallen lassen. Denn einerseits spricht es nicht besonders feinfühlig an, andererseits baut es bei flotterem Tempo nicht genügend Dämpfung auf, sodass das Heck ständig in Bewegung ist. Also lieber etwas Tempo herausnehmen, wobei im Ernstfall das ABS mit schneller Regelung und ohne spürbares Pulsieren des Bremshebels eingreift. Bei gutem Grip wird dabei das Heck zwar nervös, das Hinterrad bleibt aber unten. Die Honda ist beileibe kein Blender, etwas Feinschliff an Motor- und Fahrwerksabstimmung täte ihr aber gut.
Suzuki GSX-S 1000 für 13.100 Euro
Bereits seit 2015 gibt es die auf der GSX-R 1000 basierende GSX-S. Fürs aktuelle Modelljahr wurde sie neben der Anpassung an Euro-5 erstmals optisch überarbeitet. Durchaus erfolgreich, denn mit 13.100 Euro hat die Blaue den Schnäppchenbereich verlassen und konnte dennoch bis September 1.173 neue Fans finden, ist somit zweitbestes Pferd im Suzuki-Stall. Im Grunde ist die Suzuki GSX-S 1000 ein der Verkleidung beraubter und nur mild domestizierter Supersportler. Und das merkt man auch. Der ebenfalls stets leicht vibrierende Inline-Four kann zwar auch Unten und Mitte, so richtig befreit spielt er aber erst ab etwa 8.000/min auf. Die Drehfreude hält bis kurz vor 12.000/min an. Schon schade, dass man diesen Bereich auf der Landstraße besser nicht nutzen sollte, liegen dann selbst im Zweiten schon rund 160 km/h an. Mit diesem Problem schlagen sich übrigens alle Probandinnen herum.
Saubere Rückmeldung, unerschüttliche Stabilität
Schon bei regelkonformen Tempi lassen sich die Qualitäten des Fahrwerks genießen. Das recht straffe Grundsetup der Suzuki GSX-S 1000 muss zwar im Kapitel Komfort Federn lassen, punktet dafür aber mit sauberer Rückmeldung und unerschütterlicher Stabilität. Dass sie beim Handling leichte Abstriche machen muss, liegt auf der Hand und ist auch nur im direkten Vergleich wirklich zu spüren. Selbst bei tiefsten Schräglagen bleibt die Suzuki neutral und ohne Aufstellmoment. Schräglagenfreiheit ist bei ihr wie auch bei den andern kein Thema.
Suzuki GSX-S 1000: stumpf agierende Bremse
Was nicht so ganz ins sportliche Bild passt, ist die recht stumpf agierende und somit entsprechende Handkraft benötigende Bremse der Suzuki GSX-S 1000. Mit steigender Temperatur kommt dann zwar der Biss, die Transparenz leidet jedoch unter dieser Auslegung. Auch die etwas länger und gröber als beim übrigen Testfeld ausfallenden Regelintervalle des ABS belegen, dass die Grundkonstruktion schon sieben Jahre alt ist. Das bei Sonneneinstrahlung kaum ablesbare LC-Display gehört im Übrigen nicht dazu, es wurde mit dem jüngsten Update eingeführt.
Ebenso wie die extrem zackig gezeichnete Front, deren Lichtausbeute übrigens genau so (scharf-)kantig ist wie das Design der Scheinwerfer. Die anderen verteilen ihren Lichtkegel etwas gleichmäßiger, jedoch stets mit harter Hell/Dunkel-Kante, was bei Kurvenfahrt nicht hilfreich ist. Für Überraschung sorgt die BMW, die trotz konventioneller H4-Lampe in Sachen Ausbeute und Reichweite mithalten kann. Nur die Lichtfarbe ist konzeptbedingt eher gelblich. Doch zurück zur Suzuki. Bis auf die etwas müde Bremse und das veraltete Cockpit leistet sie sich keine Schnitzer und steht völlig zu Recht neben der 5.600 Euro teureren BMW auf dem Stockerl. Noch Fragen?
BMW R 1250 R (2022) | Honda CB 1000 R Black Edition (2024) | Kawasaki Z 900 SE (2024) | Indian FTR S (2022) | Suzuki GSX-S 1000 (2025) | |
Motor | 2, Boxermotor | 4, Reihenmotor | 4, Reihenmotor | 2, V-Motor | 4, Reihenmotor |
Leistung | 100,0 kW / 136,0 PS bei 7.750 U/min | 107,0 kW / 145,0 PS bei 10.500 U/min | 92,0 kW / 125,0 PS bei 9.500 U/min | 92,0 kW / 125,0 PS bei 8.250 U/min | 112,0 kW / 152,0 PS bei 11.000 U/min |
Hubraum | 1254 cm³ | 998 cm³ | 948 cm³ | 1203 cm³ | 999 cm³ |
Leergewicht vollgetankt | 239 kg | 233 kg | |||
Sitzhöhe | 820 mm | 830 mm | 820 mm | 810 mm | |
Sitzhöhe von/bis | 760 mm / 840 mm | ||||
Grundpreis | 14.400 € | 15.000 € | 11.795 € | 16.890 € | 13.400 € |