Ende des letzten Jahrzehnts, es ist eine gefühlte Ewigkeit her, als die Generation des Autors sich noch durch MySpace und StudiVZ klickte, schwang die Yamaha YZF-R 125 unangefochten das Zepter als Königin des Schulhofs. 2008 vorgestellt, wurde der Bonsai-Racer schnell zur Nummer eins der jungen Wilden, hat mit elanvollem, unkaputtbarem Motor, straffem Chassis und nicht zuletzt der rasiermesserscharfen R6-Optik ihre Signatur auf der Festplatte vieler A1-Fahrer hinterlassen. Bis 2011: Ab dann rüttelte KTM mit der 125 Duke gewaltig am Thron der Yamsel: fetter Gitterrohrrahmen, Fachwerkschwinge, Superduke-Look, und, absolut essenziell nicht nur, wenn man 16 ist: ein breiter 150er-Schlappen. All das hat der Duke viel „Daumen hoch“ eingebracht. Auch sicherheitsbesorgte Erzeuger teilten bald die Begeisterung, denn KTM schob als Erster in der Klasse ein ABS hinterher. Direkt danach zogen die Blauen mit dem Blockierverhinderer nach, strippten im Rahmen dieser Modellpflege die R 125 zur MT-125 und gaben ihr so etwas mehr Alltagskomfort mit. Netter Kollateralschaden beim Zweikampf der Superleichtgewichte: Im gegenseitigen Wettrüsten haben Yamaha und KTM für kräftig Motorradnachwuchs gesorgt – MOTORRAD gefällt das.
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Aprilia Tuono 125, Yamaha MT-125 und KTM 125 Duke
125er-Naked-Bikes im Vergleichstest
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Jenen Nachwuchs umwirbt neuerdings auch Aprilia, die immerhin auch auf eine glorreich zweitaktende 125er-Tradition zurückblicken (analoge Semester riechen jetzt das Castrol), mit einer gestrippten Version der schon lange viertaktenden RS4. Und wow, wenn das mal kein anständiger Auftritt ist, den der kleine Donnerkeil da hinlegt! Front und Heckpartie, die Ausmaße, die Sitzposition, das alles scheint eins zu eins vom 1100er-Hyper-Naked übernommen – Respekt! Rein äußerlich hat die Tuono 125 jedenfalls das Zeug, der neue Superstar der Achtelliterklasse zu werden.
Doch auch die 125 Duke muss sich nach jüngst erfolgter Euro 4-Auffrischung so gar nicht verstecken, ganz im Gegenteil. Sie trägt nun ein Voll-LED-Gesicht mit viel eingebautem Überholprestige nebst LED-Heckansicht sowie ein ziemlich beeindruckendes Digitalcockpit. Das bietet nicht nur einen üppigen Funktionsumfang, sondern ließe sich auch per Bluetooth ans Smartphone koppeln, wenn man denn wollte. All diese Features jedenfalls wirken wie direkt von der drei Nummern größeren 1290 Superduke übernommen. Gitterrohrrahmen versteht sich eh von selbst bei KTM, neuerdings ist das Heck sogar geschraubt, was Stuntfahrer freut – und jene, die es werden wollen. Die enge Verwandtschaft zur 390 Duke, die ebenfalls in Indien vom Band rollt, zeigt sich an jeder Ecke. Von ihr erbt der kleinste Herzog viele feine Gleichteile. Obendrein hängt das KTM-Aggregat deutlich formatfüllender im Chassis als der je nach Blickwinkel etwas im Alu-brückenrahmen verloren wirkende Aprilia-Antrieb.
Angesichts dieser zwei gekonnt ausgewachsenen Auftritte wirkt Yamahas MT-125 zurückhaltender, kompakter und filigraner. Dieses Understatement allerdings sollte nicht täuschen, bildet die Yamaha doch, das hat der Vergleich zwischen den technisch identischen Kleinrennern RC 125 und YZF-R 125 gezeigt, bis auf Weiteres die Referenz der Klasse. Wie die R-Schwester tut dies auch die MT-125 in erster Linie mit einem Motor, der die erlaubte Maximalleistung von 15 PS vergleichsweise unangestrengt und mit einer gleichmäßig-kräftigen Leistungsentfaltung serviert. Langhubige Auslegung, relativ enger Drosselklappendurchmesser – das bringt Druck in der Mitte, und von dem hat die Yamaha spürbar mehr als die anderen. Das erlaubt in Verbindung mit dem deutlich wahrnehmbaren Gewichtsvorteil von rund zehn Kilogramm auch einmal, schon bei mittlerer Drehzahl zu schalten, statt den Motor ständig bis zum Anschlag auspressen zu müssen. Trotzdem dreht der Quirl freudig hoch, hängt dazu perfekt am Gas, vibriert kaum und erfreut mit günstigem Verbrauch von 2,4 Litern auf zügiger Runde. Dazu addieren sich eine extrem leichtgängige Kupplung und ein ordentliches Getriebe mit idealer Endübersetzung – Epic Win Yamaha-Antrieb.
An dieser Messlatte beißt sich die Aprilia Tuono 125 die Zähne aus. Zwar liefert der ebenfalls wassergekühlte Einspritz-Vierventiler in der Spitze einen ähnlichen Leistungsoutput, braucht dafür allerdings deutlich mehr Drehzahl und hinkt auf dem Weg dorthin im direkten Vergleich stets um 2,3 PS hinterher. Sehr kurzhubig ausgelegt und mit größerem Drosselklappendurchmesser versehen, wirkt der Motor, als wäre er für mehr Spitzenleistung konstruiert, die er aber nicht haben darf – gefühlte Durchzugsschwäche ist das Resultat. Bemühter drehorgelt sich die Aprilia bis über 11000 Touren, vibriert dabei feinnervig – Sportsfreunde finden das elektrisierend – und lässt sich dies mit einem erhöhten Verbrauch an der Zapfsäule entlohnen, im Schnitt drei Liter. Immerhin rotiert im Motorgehäuse der Italienerin eine gut dosierbare Kupplung, neben der das Yamaha-Pendant etwas labberig wirkt, und ihr Getriebe schaltet mit längeren Wegen, aber butterweich.
Muss sich die Tuono motorisch also der starken MT glasklar geschlagen geben, sieht es beim Chassis, schon immer die große Stärke der Aprilianer, wesentlich heiterer aus. „#bearacer“, ermuntern Aufkleber auf Felgen und Tank, und sich wie ein Racer fühlen, dass kann der Tuono-Treiber glatt. Zwar sprechen die Federelemente nicht übermäßig sensibel an, aber die typische Noale-Wundermischung aus Zielgenauigkeit und Balance, verbindlicher Stabilität und neutralem Lenkverhalten über den gesamten Schräglagenbereich, sie ist auch der Tuono in die Wiege gelegt. Das macht auch aus dem Achtelliter-Donnerchen ein echtes Zündholz. Vollgas, Drehzahl halten wie zu seligen Zweitakt-Zeiten, Schwung mitnehmen, saubere Linie. Allerdings sollten die Bedingungen dazu warm und trocken sein, denn die Erstbereifung, Mitas MC 25 „Bogart“ (100/80-17 und 130/70-17, wie Yamaha) punktet vermutlich eher mit astronomischen Laufleistungen als mit gutem Feucht- oder Kaltgrip. Zu hölzern rollt der Pneu ab, zu diffus meldet er zurück, lässt nur zögerlich Vertrauen aufkommen. Die noch einen Tick handlichere, aber in großer Schräglage nicht ganz so stabile Yamaha kann das mit ihrem Michelin Pilot Street besser.
Noch viel besser allerdings kann das die Österreicherin aus Indien: Auftritt KTM. Dank üppiger, hochwertiger Metzeler-Bereifung vom Typ Sportec M5 (110/70-17 und 150/60-17) fühlt sich die 125 Duke am erwachsensten, nach am meisten Motorrad an. Satt und gutmütig lenkt die KTM ein, macht es Einsteigern damit leicht, das saubere Fahren zu trainieren. Daneben wirkt die Yamaha beinahe überhandlich. Zudem hat der M5 nicht nur klare Grip-Vorteile, er teilt dem Fahrer dies auch verlässlicher mit. Eine gute Sache, besonders, wo unter tendenziell klammen Teenagern wohl die wenigsten eine schwache Erstbereifung gegen besseres Material tauschen werden, sich stattdessen zwei Jahre auf Holzreifen quälen müssen. Doch nicht nur die Erstbereifung hat sich an der 125 Duke im Rahmen der Modellpflege gebessert (früher trug sie MRF-Pneus), auch Fahrwerk und Bremse erhielten sinnvolle Updates. Die Entwickler gaben dem Kleinstherzog etwas härtere Federn und höherwertige Dämpfer. So wurde aus dem für schlechte Schwellenländer-Asphaltierung gemachten, einst viel zu soften Fahrwerk nun eines, das mit ordentlicher Dämpfung zwar komfortabel arbeitet, aber Fahrwerksbewegung kontrolliert wegdämpft. Mehr Follower für das KTM-Chassis.
Demgegenüber steht eine weniger komfortbetonte, sehr straffe, sportlich-direkte Abstimmung der MT-125. Besonders hinten federt die Yamaha so knackig, dass sie auch mit einer Sozia auf dem (allerdings extrem spartanischen) Sitzbrötchen völlig unbeeindruckt weiterfährt. Duke und Tuono bieten zwar mehr Platz, verlieren zu zweit aber etwas an Souveränität.
In der Bremsanlage der Duke, sie stammt vom indischen Brembo-Tochterunternehmen Bybre, stecken neuerdings Sintermetallbeläge, was die Bremswirkung im Vergleich zum Vorgängermodell erheblich verbessert. Fester Druckpunkt, fester Biss, ordentliche Dosierbarkeit bei geringer Handkraft – keinerlei Tadel. Wie beim Fahrwerk hat die Mattighofener Mannschaft auch hier Kritik erhört und konsequent verbessert. Die Aprilia-Stopper stammen vom spanischen Zulieferer J. Juan und erreichen nicht dieses Niveau. Zwar kneift ebenfalls eine radial montierte Vierkolbenzange in eine 300er-Einzelscheibe, das auch mit zumindest zufriedenstellender Wirkung, doch der Druckpunkt ist eher teigig, die erforderliche Handkraft zu hoch. Einen zwiespältigen Eindruck hinterließ das Einkanal-ABS der Aprilia. Der Blockierverhinderer arbeitet nur vorne, hinten darf munter geslidet werden. Das erfordert etwas Gewöhnung, besser und sicherer arbeiten die Zweikanal-Systeme von KTM (sogar abschaltbar, nicht weitersagen) und Yamaha.
Überhaupt ist die MT-125 auf der Bremse nicht zu knacken. Die radiale Bremszange presst die Beläge mit solcher Vehemenz an die 292-Millimeter-Scheibe, dass es auch manch größerer Maschine gut zu Gesicht stünde. Brillanter Biss, geringe Handkraft, feine Dosierbarkeit – selbst zu zweit lupft die MT bei der Bremsmessung noch das Hinterrad, was dank zuverlässigem ABS allerdings unkritisch bleibt. In diese Verlegenheit wird der Tuono-Pilot nur schwerlich kommen.
Motorisch reiht sich die 125 Duke nahe bei der Yamaha ein. Ihr leichter Rückstand beim Beschleunigen scheint eher dem geringfügigen Mehrgewicht geschuldet, das wiederum auf die kräftige, von der 390 Duke übernommene Bauweise zurückzuführen ist. Auch kurzhubig ausgelegt, bleibt die KTM mit etwas höherem Drehzahlniveau so eben an der Yamaha dran. Zwar lieferte unser Testmotorrad auf dem Prüfstand üppige 17 PS, die allerdings liegen in einem so schmalen Fenster an, dass sie in der Praxis nicht wirklich ins Gewicht fallen. Über Sieg oder Niederlage beim Ampelstart und auf der Autobahn entscheidet letzten Endes nicht die Maschine, sondern immer Badezimmerwaage und Kleidergröße der Besatzung.
Preislich schließlich schenken sich die drei 125er nicht das Geringste: Inklusive Nebenkosten sind jeweils knapp 5000 Euro fällig – dafür muss ein junger YouTuber leider verdammt viele Videos stricken.
MOTORRAD-Testergebnis
1. Yamaha MT-125
Mehr Motor, mehr Bremse, mehr ultradirektes Handling bietet kein anderes Achtelliter-Naked. Technisch bleibt die sauber gemachte Yamaha also nach wie vor die Messlatte der Klasse. Die MT-125 geht ab wie Katzenvideos.
2. KTM 125 Duke
Die KTM ist am meisten Motorrad in diesem Feld. Guter Motor, souveränes, gefälliges Fahrverhalten, unschlagbare Ausstattung, extrem erwachsene Erscheinung. Egal ob Schulhof oder Instagram, die Duke macht mächtig was her.
3. Aprilia Tuono 125
Der Spross des schärfsten aller Power-Nakeds transportiert viel vom Image der großen Schwester. Auch das Fahrverhalten an sich bringt dies rüber, aber für Motor, Chassis und besonders die Erstbereifung erhalten die anderen mehr Likes.
Preisvergleich der 125er Naked Bikes
Gebrauchte 125er Naked Bikes in Deutschland
Sowohl auf der Straße, als auch beim Preis, schenken sich die Aprilia Tuono 125, die KTM 125 Duke und die Yamaha MT-125 nichts. Außer man besucht die Gebraucht-Motorradbörse. Dort findet man diese 125er Naked Bikes in großer Stückzahl zu günstigen Preisen: Gebrauchte 125er Naked Bikes in Deutschland