Fahrbericht Ducati Monster S2R
Due Passioni

Gleich zwei Leidenschaften, due passioni, soll Ducatis neues Mittelklasse-Monster S2R zum Leben erwecken: die Faszination für ein attraktives Äußeres gepaart mit genussfreudigem Fahrverhalten. Und das auch noch zu einem für Ducati-Verhältnisse günstigen Preis. Reichlich Verheißung für ein Rendez-vous voller Passion...

Due Passioni
Foto: Künstle

Mit der Monster nach Monte Carlo: Mitten im mondänen Monaco, zwischen Fünf-Sterne-Hotels, Luxuslimousinen und Nobelboutiquen, präsentierte Ducati die S2R. Geld spielt hier keine Rolle, man hat es einfach. Oder doch nicht? Für die S2R ist jedenfalls kein Vermögen nötig. Sie ersetzt zum gleichen Preis von 9045 Euro die bisherige Mittelklasse-Monster M 800. Von ihr stammen der Gitterrohrrahmen und der 77 PS starke 90-Grad-V2.
Selbst im Epizentrum der Reichen und Schönen fällt die S2R auf. Cremig, drahtig, sportiv. Dafür sorgen die Gene von der
erst ein Jahr alten Sport-Monster S4R. Etwa die Einarmschwinge aus kunstvoll geschweißten Alu-Profilen, 1100 Gramm leichter als die Zweiarmschwinge zuvor. Oder die beiden hoch gelegten, rechts übereinander gestapelten Schalldämpfer, für freien Blick aufs ebenfalls vererbte, fette Fünfeinhalb-Zoll-Fünfspeichenrad.
Elegant fügt sich der schlanke, luftgekühlte Zweiventilmotor in die längs gestreifte Linie ein. Viel besser als das ausladende Wassermantel-Triebwerk der 117 PS starken S4R. Die, ganz snobistisch, noch dazu bei Kauf und Inspektionskosten rund ein Viertel mehr an Kapitaleinsatz verlangt.
Nicht nur günstig, sondern flott genug sollte die S2R sein. Denn ihr 800er-Desmodue leistet so viel PS wie das 900er-Ur-Monster von 1992. Benannt nach damals in Italien populären Gummifiguren für Kinder, kostete die M 900 19250 Mark, 9842 Euro. Für 800 Euro weniger gibt es heute serienmäßig mehr: Drehzahlmesser, LCD-Cockpit mit Infos zu Uhrzeit und Öltemperatur,
Einspritzung, Kat, Einarmschwinge, Windschild sowie elektronische Wegfahrsperre mit codiertem Zündschlüssel.
Und einen elastischeren Motor. Spontan startet der V2, lässt sich per Choke am Lenker auf moderate Drehzahlen einregeln. Die Abgase durchströmen einen U-Kat im klobigen Edelstahl-Vorschalldämpfer, werden von den Endtöpfen gut gedämpft.
Diese sehen nicht nur chic aus, sondern bringen mehr Schräglagenfreiheit. Abgeraspelte Schalldämpfer, das war früher.
In Monaco, der aberwitzigsten aller Formel-1-Strecken, bewährt sich die Neue prima. Eine kurvengespickte Geister-, pardon: Achterbahn. Im Stop-and-go-Modus rund um den Yachthafen erfreut die neue Anti-Hopping-Kupplung mit Ruckdämpfer. Der Hebel lässt sich nun merklich leich-
ter ziehen. Und beim brutalen Herunterschalten verhindert die neue Kupplung ein stempelndes Hinterrad. Allerdings lässt sie sich nur mäßig dosieren, greift fast schon digital erst auf den letzten Millimetern Hebelweg.
Der breite Alu-Lenker von Magura entstammt der S4R. Er zieht den Fahrer weit nach vorn und bedingt so eine aktive
Sitzposition, die Enden sind konifiziert und nach unten gekröpft. So fühlt sich Vorderradkontakt an, scheinbar spannt die Lenkstange den 17-Zöller direkt ein. Dazu liegen die SR-Fußrasten schräglagenfreundlich höher und enger an als bei Standard-Monstern. Dadurch schieben sie für satten Knieschluss die Schenkel nach vorn. Das passt alles eher für kleine Biker(innen),
lange Leute finden’s mitunter zu kompakt.
Der Soziussitz samt zugehörigen Rasten verstößt gegen die Menschenwürde. Also lieber alleine raus in die Berge der Côte d’Azur. Das Monster will toben. Aber gern! Der erwiesenermaßen recht sparsame Desmo-Twin ändert oben heraus die Tonlage, setzt zum vollmundigen V2-Stakkato an. Untermalt von herrlich knurrigem Ansaugschnorcheln. Fortissimo!
Neue Pleuel hat der V2, und er zeigt sich prächtig abgestimmt; nimmt ab 2500 Touren ruckfrei, ab 3000/min quicklebendig Gas an. Ein wenig zu direkt erfolgt
der Einsatz aus dem Schiebebetrieb. An-
sonsten steigt die Leistung ganz homogen und linear mit der Drehzahl. Bis plötzlich bei 8800/min der Begrenzer zukneift. Wo doch der Drehzahlmesser, typisch Ducati, gar keinen roten Bereich kennt.
77 Pferde reichen im Kurvenkarussell voll und ganz aus. Alles darüber dient
nur dem Prestige. Dann lieber auf der sanft gerundeten Drehmomentwelle bei mittleren Drehzahlen surfen und freiwillig früh hochschalten. Trotz harten Schaltgefühls rasten die Gänge des modifizierten Getriebes exakt. Laut Ducati soll es leiser laufen. Die sehr lange Übersetzung speziell des ersten Gangs erfordert in engen Kehren etwas Zauberei mit der Kupplung.
Gut bewähren sich die Pneus, Pirelli Diablo. Rückmeldung wie Haftung stimmen. Unbeeindruckt vom breiten 180er gibt sich Signora Duc überraschend
handlich, fällt selbst in rasch aufeinander
folgenden Kurvenkombinationen leicht in Schräglage. Ein vollgetankt rund 190 Kilogramm leichtes Schmunzelmonster. Erst
in schnellen Passagen ist mehr Körpereinsatz gefragt. Macht aber Laune. Zumal
die S2R mit der Ducati-gemäßen Stabilität durch lang gezogene Radien eilt und sich ohne Aufstelltendenz weit in die Kurven hineinbremsen lässt. Rahmenbedingt ist der Lenkeinschlag wie bei allen Monstern zu klein, der Wendekreis ungebührlich groß. Da endet die Souveränität.
Erst recht beim Angasen auf zerfurchtem Asphalt. Die 43er-Upside-down-Gabel von Marzocchi spricht schlecht an. Bockig und überdämpft, neigt sie zum Stuckern. Dann bringt sie das ganze Motorrad vom angepeilten Kurs ab, verteilt Schläge in den Lenker. Mangels Einstellmöglichkeiten ist die Abstimmung nicht zu ändern. Kein Zweifel, die S2R trägt ihre Achillesferse vorn, das hat leider Tradition unter Monstern. Einen besseren Eindruck hinterlässt das unauffällige Sachs-Federbein hinten.
Statt der bewährten Brembo-Vierkolbensättel und 320er-Scheiben ankern vorn nun einfache Doppelkolben-Schwimmsättel. Sie verbeißen sich nur dann heftig in
die 300er-Scheiben, wenn man mächtig
am Hebel zieht. Handlingfördernd sollen
sie 400 Gramm ungefederte Masse im Vorderrad einsparen. Oder doch bloß Kosten senken? Wenigstens kommen nach wie
vor Stahlflexleitungen zum Einsatz.
Unterm Strich darf die S2R als Monster mit dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis gelten, nur 1100 Euro teurer ist sie als eine Standard-620er. Wie jene Baby-Duc fällt
die attraktive 800er in die versicherungsgünstige 78-PS-Klasse. Monster S2R, das heißt eben ordentlich razionalismo, reichlich emozione und viel passione.

Unsere Highlights

Technische Daten - Ducati Monster S2 R

Motor: luftgekühlter Zweizylinder-Viertakt-90-Grad-V-Motor, Kurbelwelle quer liegend, je eine oben liegende, zahnriemengetriebene Nockenwelle, zwei Ventile pro Zylinder, desmodromisch betätigt, Nasssumpfschmierung, Einspritzung, Ø 45 mm, ungeregelter Katalysator, Lichtmaschine 700 W, Batterie 12 V/10 Ah, hydraulisch
betätigte Mehrscheiben-Ölbadkupplung, Sechsganggetriebe, O-Ring-Kette.

Bohrung x Hub 88,0 x 66,0 mm
Hubraum 803 cm3
Verdichtungsverhältnis 10,4:1
Nennleistung
56,7 kW (77 PS) bei 8250/min
Max. Drehmoment
73 Nm bei 6500/min

Fahrwerk: Gitterrohrrahmen aus Stahl, Motor mittragend, Upside-down-Gabel, Ø 43 mm, Einarmschwinge aus Aluminium, Zentralfederbein mit Hebelsystem, verstellbare Federbasis und Zugstufendämpfung, Doppelscheibenbremse vorn, Ø 300 mm, Doppelkolben-Schwimmsättel, Scheibenbremse hinten, Ø 245 mm, Zweikolben-Festsattel.
Alu-Gussräder 3.50 x 17; 5.50 x 17
Reifen 120/70 ZR 17; 180/55 ZR 17

Maße und Gewichte: Radstand 1440 mm, Lenkkopfwinkel 66 Grad, Nachlauf
94 mm, Federweg v/h 130/148 mm, Sitzhöhe 800 mm, Trockengewicht 173 kg, zulässiges Gesamtgewicht 390 kg, Tankinhalt/
Reserve 14/3 Liter.

Garantie zwei Jahre
Farben Gelb, Orange, Rot, Schwarz
Preis 8795 Euro (S2R Dark*: 8295 Euro)
Nebenkosten 250 Euro

Die aktuelle Ausgabe
MOTORRAD 20 / 2023

Erscheinungsdatum 15.09.2023