Kreisverkehr, kaum Schräglage, 35 km/h, sechster Gang. Der graue Balken des Digital-Drehzahlmessers flimmert nur ein paar Millimeter über der 1.000-Umdrehungen-Marke. Blinker setzen und raus auf die lange Gerade. Vollgas. Was passiert? Nichts. Nein, nicht das Nichts, was Sie erwarten. Nichts bedeutet bei der Honda CB 650 F: kein Ruckeln, kein gequältes, untertouriges Vibrieren, sondern gepflegte Beschleunigung. Zunächst moderat, dann kraftvoll und zum Schluss ausgesprochen sportlich. Zwänge der nächste Kreisverkehr nicht schon viel früher zum Abbremsen, es stünden knapp 12.000 Touren im Display, bis der Drehzahlbegrenzer eingreifen würde. Von fast 11.000 Umdrehungen nutzbarem Drehzahlband zu sprechen, wäre bei diesem Experiment sicher zu verwegen. Falsch wäre es aber nicht. Und es würde diesen unvergleichlichen Charakter der perfektionierten japanischen Vierzylinder-Technik auf den Punkt bringen: schnörkellos, geradlinig, effizient, kultiviert. Und vielleicht gerade deshalb langweilig? Mag sein. Kawasaki und Suzuki haben sich aus der 600er-Liga mit der Z 800 respektive GSX-S 750 hubraummäßig nach oben verabschiedet, Yamaha hält nur noch mit dem Supersportler YZF-R6 die Stellung. Und selbst für den weltgrößten Motorradhersteller hisst der Treibsatz der CBF 650 F nun ganz allein die Flagge der Reihenvierer in der 600er-Klasse. Die legendäre CBR 600-Modelllinie, die kultige Hornet, ja selbst die supersportliche CBR 600 RR – allesamt nur noch Geschichte.
Treibsatz um vier PS kräftiger
Umso schöner ist es, den kurzhubigen Vierling zu spüren. Dass er gute Anlagen besitzt, beweist, wie lässig er offensichtlich die Euro 4-Hürde übersprungen hat. Angepasstes Mapping und eine – man höre und staune – offenere Auspuffanlage mit weniger Gegendruck, das reichte, um den kleinen Vierer zukunftssicher zu machen. Offensichtlich hatten die Honda-Ingenieure wohl noch etwas Reserven in ihrem Entwicklungszeit-Budget und nivellierten obendrein die bislang ungleich langen Ansaugtrichter der Drosselklappenkörper. Kleine Ursachen, ansehnliche Wirkung. Mit 91 PS soll der Treibsatz um vier PS kräftiger als das Vorgängermodell sein. Allerdings: Bei MOTORRAD-Tests mussten in jüngster Vergangenheit schon manche auf Euro 4 angepasste Motoren – trotz kaum veränderter oder sogar gestiegener Spitzenleistung – im mittleren Drehzahlbereich Federn lassen. Ob das nach diesem eher drehzahl- statt durchzugs-fördernden Eingriff auch auf die Honda CB 650 F zutrifft, wird der MOTORRAD-Leistungsprüfstand beim ersten Test zeigen.
Video zur Honda CB 650 F
Lenkerposition nun sportlicher ausgerichtet
Enttäuschung droht dennoch nicht. Mit um zehn Prozent kürzerer Übersetzung bauten die Honda-Techniker bei den landstraßenrelevanten Gängen zwei bis fünf schon mal vor. Dass die Schaltsprünge nun etwas enger ausfallen, bemerkt man – Hand aufs Herz – ohne den Vergleich zum Vorgängermodell nicht. Wohl auch, weil der geschmeidige Treibsatz sich zumindest bei moderatem Tempo ohnehin kaum um den eingeklickten Gang schert. Der Vierling schnurrt so seidenweich wie bei seiner Präsentation im Jahr 2014 vor sich hin, kribbelt nur im Bereich um die 5.000 Touren schüchtern in den Lenkerenden. Dass er sich etwas hakelig schaltet, fällt erst beim zackigen Runtersteppen vor besagten Kreisverkehren oder an flott angepirschten Kreuzungen auf. Apropos flott. Im Cruising-Modus hält’s trotz aller guten Manieren des Treibsatzes sowieso niemand lange aus. Schon allein, weil die nun 13 Millimeter niedrigeren Lenkerböcke zusätzlich animieren. Ein Wert, der sich marginal anhören mag, die Lenkerposition der Honda CB 650 F aber – dem aktuellen Trend bei Naked Bikes folgend – noch sportlicher ausrichtet. Also Oberkörper ein wenig weiter nach vorn geneigt, mehr Gewicht auf die Front gebracht, und da ist sie, die Attack-Position.
Vierzylinder kann auch beißen
Und plötzlich scheinen auch Drehzahlen unter 7.000/min nicht mehr von Belang zu sein. Denn ab dieser Marke fasst der Motor noch mal nach, zeigt, dass Vierzylinder eben nicht nur schnurren, sondern auch beißen können. Ganz intuitiv steppt man die Gänge vor der Kurve herunter, um am Scheitelpunkt den lückenlosen Übergang zu finden. Dass die Honda CB 650 F serienmäßig nun auf Dunlop Sportmax D 222 anstatt den famosen Metzeler Roadtec Z 8 rollt, damit muss und kann man leben. Wohl auch, weil die nun straffer gedämpfte Vorderradgabel mehr Rückmeldung von der Vorderpartie liefert als bislang.
In Thailand hergestellt
Überhaupt: Je flotter der Strich wird, desto vorderradbetonter gibt sich die Honda CB 650 F. Auch weil sich die konventionelle Gabel beim harten Bremsen immer noch tief in ihre Federwege stauchen, dadurch aber auch flink um den Radius biegen lässt. Und das auch auf Dauer. Denn nicht nur die Sitzbank bietet schnuckligen Komfort, auch die Grundabstimmung der Federung bleibt mit der neuen Gabel immer noch auf der komfortablen, aber nicht zu weichen Seite. Während es an der Front nichts einzustellen gibt, sollten schwerere Piloten die einzige Justiermöglichkeit am Fahrwerk nutzen und die Federbasis des Monoshocks um zwei oder drei Stufen anheben. Das bringt noch einen Tick mehr Lenkpräzision und macht die CB beim heißen Eckenwetz noch etwas agiler. In Arbeit artet der Asphaltslalom dennoch nie aus. Mit deklarierten 208 Kilogramm – MOTORRAD wog beim jüngsten Vergleichstest die CB mit 212 Kilo – lässt sich die in Thailand hergestellte Honda beschwingt durch die Kurven wedeln.
Ordentliche Verarbeitung und vernünftige Details
Für den Blick nach unten bleibt in diesen Momenten sicher keine Zeit. Eigentlich schade. Denn schließlich überzeugt die 650er auch mit ordentlicher Verarbeitung und vernünftigen Details. Der große 17,3-Liter-Tank, die gekröpften Radventile, die optisch knackigen Wave-Bremsscheiben, der teilweise aus schmalen Ovalrohren geschweißte Brückenrahmen oder die Alu-Gussschwinge – all diese Dinge werden von dem optischen Wahrzeichen der CB 650 F überlagert: den vier Edelstahlkrümmern. Und soll das so elegant geschwungene Rohrwerk an die CB 400 Four aus dem Jahr 1974 erinnern, ist es nebenbei in eine andere, vielleicht wichtigere Rolle geschlüpft: das Bekenntnis zur Vierzylinder-Technik in der 600er-Klasse. Die aufgehübschte Honda CB 650 F wird ihre Jünger weiterhin um sich scharen. Mit schnörkelloser, unkaputtbarer Technik – und, wenn es sein muss, einem nutzbaren Drehzahlbereich von 11.000 Umdrehungen.
Angebote für die Honda CB 650 F

Als eine der letzten ihrer Art, ein Reihen-Vierzylinder in der 600er-Hubraumklasse, ist die Honda CB 650 F durchaus ein sehr interessantes Bike. Wer dem zustimmt, sollte einen Blick in die Gebraucht-Motorradbörse werfen. Dort gibt es die zuverlässige Honda CB 650 F in top Zustand und zu niedrigen Preisen: Gebrauchte Honda CB 650 F in Deutschland