Husqvarna Vitpilen 401 und Svartpilen 401 im Vergleichstest
Duell der Retro-Bikes

Zwei Motorräder, eine Botschaft. Heute ein neuer Zugang zum Motorradfahren, morgen Botschafter für die urbane Zweirad-Zukunft. Ihre Mission vermitteln die Husqvarna Svartpilen 401 und die Husqvarna Vitpilen 401 primär über das Design. Können die 401er diesem Anspruch auch auf der Straße gerecht werden?

Duell der Retro-Bikes
Foto: Foto: www.r-photography.info

Vielleicht sollte ich doch noch meinen Mopedführerschein machen„, murmelt unser Fotograf Rocky, als er das schwarz-weiße Duo erblickt. Für Mona und mich als Tester überraschend, denn er bekommt jeden Monat Dutzende Traumbikes vor die Linse. Meist deutlich stärkere, selbstverständlich. “Das ist so geil gemacht„, schwärmt er immer wieder, während er Nahaufnahmen auf die SD-Karte der Kamera stanzt. “Echt schön.„ Finden wir auch. Schön ist auch, dass so viele Details der Konzept-Bikes in die Serie übernommen wurden. Die Studie sorgte bereits 2014 auf der Mailänder Messe für Aufsehen. Ein echter Blickfang, der auch Nicht-Motorradfahrer anmacht. Mission erfüllt? Zumindest teilweise. Viele Passanten bleiben beim Anblick der Motorräder stehen, umrunden die klassisch und gleichzeitig sehr modern anmutenden Vehikel. Weiterentwickelte Retro-Optik. Ein Widerspruch in sich? Vielleicht. Aber optisch scheinen die beiden Pfeile schon mal voll ins Schwarze zu treffen. Womit auch sämtliche beliebten Wortspiele (svart = schwarz, vit = weiß, pilen = Pfeil) abgehandelt sein sollen. Wir versuchen es zumindest.

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Technische Basis ist die KTM 390 Duke

Selbstbewusste Ansage beim Drehen des Zündschlüssels: “Pioneering since 1903„ steht da in Flüssigkristall-Lettern. Na ja, zumindest technisch hat Husqvarna das Rad nicht neu erfunden. Die Basis ist orange und heißt KTM 390 Duke. Am deutlichsten wird das an Motor, Schwinge und Rahmen. Aber egal, das raffinierte minimalistische Design hebt die konzeptionelle Eigenständigkeit der 401er hervor. Form follows function? Diesen Grundsatz drehen die Bikes stellenweise auch gerne mal auf den Kopf. Das knackig-kurze Heck sieht super aus, aber potenzielle Passagiere sitzen quasi auf dem Rücklicht.

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Optisch wissen beide Husqvarnas durchaus zu gefallen.

Der Gepäckträger auf dem Tank ist ebenfalls eine nette Idee. Er bietet aber kaum mehr Stauraum als konventionelle Tankrucksäcke. Aber Hand aufs Herz, waren Motorräder jemals vernünftig? Grau ist alle Theorie, schwarz ist der Startknopf. Auf geht’s. Beide Einzylinder bollern vom Start weg kernig. Besonders spaßig beim Runterschalten mit Zwischengas. Da brabbeln die Motoren frech aus ihren kleinen Endtöpfen, die folgerichtig schwarz oder silbrig-weiß glänzen. Auch beim Fahren erinnert der Single stark an das 390er-Aggregat der Konzernmutter KTM. Auch hier spornt gelegentliches Konstantfahrruckeln zum Gasgeben an. Ab Drehzahl 7.000 legen beide Motorräder noch mal eine Schippe drauf, zeigen ungeahnte Drehfreude bis in den fünfstelligen Bereich. Ab 9.000 Touren kribbelt’s jedoch zunehmend unangenehm, je nach eingestellter Drehzahl mahnt ein rotes Lämpchen zum Schalten. Ein leichtes Spiel für die linke Hand. Wird der Ride-by-Wire-gesteuerte Gasgriff aufgezogen, geht es unerwartet schnell vorwärts.

Große Unterschiede bei der Sitzposition

Leistung vermissen weder Mona noch ich. Rund 42 PS schießen die Leichtgewichte locker aus jeder Kurve. Oder, um im von Husqvarna angedachten Habitat zu bleiben, von jeder Ampel-Pole-Position. Echtes Understatement: Beide Motoren streuen etwas nach oben. Trotz identischer Peripherie und Abstimmung prescht die Vitpilen noch etwas energischer voran. Entspannt bummeln können die beiden aber auch, hacken nur bei sehr niedrigen Drehzahlen auf der Kette.

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Auf der Svartpilen sitzt es sich deutlich bequemer.

Keine böse Überraschung an der Zapfsäule: Rund dreieinhalb Liter Benzin werden auf 100 Kilometern im 373 Kubikzentimeter fassenden Brennraum in Arbeit umgesetzt. Bei gemütlicher Fahrweise sogar noch weniger. Auf die angezeigte Restreichweite ist allerdings wenig Verlass. Sie schwankt gerne mal zwischen 120 und 400 Kilometern. Bei identischem Füllstand. Etwas wechselhafte Performance zeigen auch die Bremsen. Die Bybre-Stopper (By Brembo) lassen sich sehr gut dosieren, leisten trotz Einscheibenbremse viel Verzögerungsarbeit. Bei starker Beanspruchung verschiebt sich der Druckpunkt aber zunehmend Richtung Lenker. Das ABS arbeitet hingegen unauffällig. Es regelt fein und unterbindet effektiv Rutscher und Stoppies. Obendrein lässt es sich über eine Tastenkombination deaktivieren. Ebenfalls anpassbar: Brems- und Kupplungshebel. So weit, so ähnlich. Denn nicht unerheblichen Einfluss auf das Fahr-Erleben haben die unterschiedlichen Sitzpositionen. Mona hängt auf der Vitpilen mit dem Kopf fast auf Höhe des Scheinwerfers. Eine neue Definition von vorderradorientierter Sitzposition. Sie kuriert binnen Minuten vermutlich jede smartphone-induzierte Fehlhaltung. Die tief angebrachten Lenkerhälften fordern etwas Eingewöhnung, Kurvenräubern fällt damit trotz perfekt haftender Metzeler-Erstbereifung anfangs schwer. Viel Gewicht lastet auf den Lenkern und Vorderrad.

Dein Fazit, Mona?

“Niedriger Lenker, langer Tank. Da muss ich mich echt strecken. Mit 850 Millimetern fällt die Sitzhöhe außerdem recht hoch aus.„ Auf der Svartpilen sitze ich deutlich bequemer. Der breite Lenker mit Mittelstrebe geht leicht zur Hand, sorgt für eine gefühlt gesündere Sitzposition und deutlich entspannteres Kurvenwedeln. Dank Gummilagerung werden außerdem weniger Vibrationen weitergegeben. Die moderaten Pirelli-Stollen der Svartpilen sind allerdings eher optisches Beiwerk und stoßen bei sportlicher Fahrweise konzeptbedingt schneller an ihre Haftgrenzen. Im gemütlichen Tourenmodus gibt es aber nichts zu meckern. Echte Offroad-Ambitionen maßt sich die Svartpilen nicht an. Das können andere Husqvarna-Modelle viel besser.

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Beide Husqvarnas vertrauen auf das gleiche Fahrwerk.

Aber die Straße ist das Revier der 401, egal ob svart oder vit. Dafür vertrauen beide Motorräder auf das gleiche Fahrwerk und identische Raddimensionen. Die WP-Gabel ist sportlich-komfortabel abgestimmt, sie arbeitet gut im Alltag. Das Ansprechverhalten könnte jedoch besser sein. Leichte Bodenunebenheiten kommen in den Lenkerenden deutlich an. Das hintere, direkt angelenkte Federbein überzeugt ebenfalls mit einem guten Grund-Setup. Es filtert viele Unebenheiten heraus, was vor allem für diese Klasse nicht selbstverständlich ist. Und sollte sich doch jemand auf den Notsitz verirrt haben, bietet das Fahrwerk genügend Reserven.

Beide Husqvarnas werden in Mattighofen gefertigt

Abgesehen von Farbe, Lenker und dem damit verbundenen Handling sind es viele hübsche Details, die Weiß und Schwarz voneinander trennen. Kunststoff-Motorschutz und Gepäckträger hier, freie Sicht auf den toll geformten Tank dort. “Sehr edel„, fasst Mona zusammen. Sogar die Sitzbank unterscheidet sich optisch und haptisch. Letztlich ist es die Summe dieser kleinen Unterschiede, die beiden Modellen eine gewisse Eigenständigkeit beschert.

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Der wassergekühlte Einzylinder-Viertakt-Motor leistet 42 PS.

Voneinander und ganz besonders von der Halbschwester 390 Duke. Denn anders als die in Indien gebaute KTM werden die Exil-Schwedinnen in Mattighofen gefertigt. Trotzdem fällt auch hier das stellenweise grobe Oberflächenfinish ins Auge. Was bei der Duke noch zweckmäßig aussieht, verträgt sich mit der design­lastigen Optik und dem selbstbewussten Preis von über 6.000 Euro nur bedingt. Trotzdem: Svartpilen und Vitpilen sind spaßige Kurvenflitzer, die weder mehr Ausstattung noch mehr Spitzenleistung nötig haben. Sie faszinieren mit einer gelungenen Mischung aus technischer wie optischer Reduktion aufs Wesentliche. Ob die Motorräder damit wirklich neue Zielgruppen auf ihre Sitzbänke locken, bleibt abzuwarten. Das Zeug dazu haben sie aber auf jeden Fall! Schwarz wie Weiß.

Welche holt den Sieg im Vergleichstest?

Obwohl wir von beiden Motorrädern sehr angetan waren, bleibt die Svartpilen unser eindeutiger Favorit. Die sport­liche Sitzposition der Vitpilen ist eben nicht jedermanns ­Sache, aber das ist auch gut so. Dank ihres Stylings würden beide Motorräder sicher auch gut in ein Ikea-Musterwohnzimmer passen. Aber die schicken 401er taugen nicht nur als Deko, sie sind echte Fahrmaschinen. Und ein Genuss für Einzylinder-Fans, die lieber 150 Kilo als 150 PS steuern möchten. Das beweisen Vitpilen und Svartpilen eindrucksvoll in jeder Kurve aus Neue. Ob der deftige Aufpreis von 900 Euro zur Halbschwester 390 Duke gerechtfertigt ist, wagen wir mangels Vergleichsmöglichkeit nicht zu beantworten. Lieber selbst herausfinden. Und Farbe bekennen.

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MOTORRAD 12 / 2023

Erscheinungsdatum 26.05.2023