Iris grinst über beide Wangen, als sie von der Yamaha MT-03 absteigt. Aufmerksam lässt die 26-jährige Assistentin von MOTORRAD-Cheffe Pfeiffer noch mal den Blick über das blau-weiße Naked Bike, die Kawasaki, und die KTM streifen und steckt sich genussvoll eine Zigarette an. Klar, wird so mancher nun denken: jung, klein, leicht, weiblich – für solche Bonsai-Nakeds die typische Klientel. In der aktuellen Biker-Demografie allerdings nicht viel mehr als eine Randgruppe. Doch erstens treibt Iris im wirklichen Leben eine Kawasaki ZX-6R durch die Lande, und zweitens wäre sie mittlerweile auch auf einer 300er an jedem Motorrad-Treff in artgenössischer Gesellschaft.
Das liegt vor allem an der KTM 390 Duke. Seit 2013 ist sie im Programm und avancierte im vergangenen Jahr zur bestverkauften KTM. Es liegt auch an der Kawasaki Z 300. Im Grunde hatte sie diesen nennen wir sie mal Drittel-Liter-Bikes den Weg geebnet. Im Jahr 2008 als verkleidete Ninja 250, dann als 300er und seit vergangenem Jahr als entblätterter Nacktfrosch Z 300. Verständlich, dass sich Yamaha nun sputet, der erst im vergangenen Jahr vorgestellten YZF-R3 schnell die Hülle vom Leib riss und jetzt mit ihr als Yamaha MT-03 die Biker lockt. Jawohl, Biker. Eben nicht nur Junge, Kleine, Leichte oder Frauen. Denn wenn pro Jahr mittlerweile etwa 2500 Motorradfahrer eine 300er in ihre Garage schieben, muss mehr dran sein an diesen Bikes als ihre A2-Führerscheintauglichkeit.
Nicht zuletzt ein kleines Preisschild. 5000 Euro reichen. Manches leichtgewichtige Mountainbike kostet mehr. Und selbst das entsteht meist in einem Niedriglohn-Land. Wie das Test-Trio. Die Kawasaki Z 300 wird in Thailand hergestellt, die KTM 390 Duke in Indien und die Yamaha MT-03 in Indonesien. Stichwort Kosten. Synergie zählt. Von ihren verkleideten Schwestern unterscheiden sich die Nackten technisch nur marginal. Nur höhere Lenker und neu gestylte Lampen trennen die Gebückten von den Aufrechten. Rahmen, Federung und Räder teilen sich die äußerlich zunächst ungleichen Schwestern einträchtig. Die Motoren sowieso.
Und erstmals auch die 1000-Punkte-Wertung von MOTORRAD. Denn während die 300er-Liga sich in der Vergangenheit ausschließlich prosaisch charakterisieren lassen musste, schlägt nun die Stunde der Wahrheit. Deshalb: Butter bei die Backfische, äh, Punktewertung für Kawasaki Z 300, KTM 390 Duke und Yamaha MT-03.
Entspanntes Sitzen auf 300er-Naked Bikes?
Vielleicht sitzt die pflichtbewusste Iris aus diesem Grund schon wieder im Sattel. Diesmal in dem der KTM 390 Duke. Mühelos lässt es sich in das nur 79 Zentimeter hohe Sitzmöbel (Kawasaki und Yamaha: 78 cm) gleiten. Doch die moderate Sitzhöhe macht nur den Anfang der Charme-Offensive dieser Bikes. Alles fällt einen Tick schmaler, schlanker, kürzer und niedriger aus als bei herkömmlichen Mittelklasse-Maschinen. Beim ersten Kontakt wirkt das Trio wie zu heiß gewaschen. Was durchaus positiv gemeint ist. Denn die 300er-Naked Bikes kommen dadurch umgänglich und sympathisch rüber. Und keine Angst: Auch mittelgroße Piloten müssen sich nicht unbequem zusammenfalten. Im Gegenteil. Völlig entspannt sitzt es sich auf der Yamaha MT-03 und auf der Kawasaki Z 300 mit dem Oberkörper einen Tick weiter nach vorn gebeugt. Beides passt. Im Vergleich eher auf als im Motorrad residiert man auf der KTM 390 Duke, pflegt durch das straffe Sitzpolster den gefühlsechtesten Kontakt zum Untersatz. Nur die weit hinten montierten Fußrasten wollen nicht so recht zur sportlichen Ergonomie der Duke passen und machen es nicht leicht, Körperspannung für den flotten Eckenwetz aufzubauen.
Yamaha MT-03 - das Beste aus zwei Welten
Iris rollt bereits vom Parkplatz. Frech und etwas blechern tuckert der kleine Single aus seinem Underfloor-Schalldämpfer. Ach ja, Einzylinder. Motorseitig zieht sich eine Demarkationslinie zwischen der KTM 390 Duke und dem restlichen Duo. Mit 373 cm³ packen die österreichischen Konstrukteure mehr Hubraum in einen Topf als ihre Kollegen von Kawasaki (296 cm³) und Yamaha (320 cm³) in ihre zwei Pötte. Das hat Folgen. Wie seine dicken großen 690er-Schwestern rappelt der kurzhubige Single unterhalb von 3000/min unwirsch vor sich hin, holt erst danach Luft. Wenn der Kurzhuber antritt, haben die beiden Zweizylinder nur noch das Nachsehen. Mit 44 PS drückt er nicht nur entschlossener als die Kawasaki Z 300 (39 PS) und die Yamaha MT-03 (41 PS) auf die Prüfstandsrolle, sondern zwingt vor allem mit einem zur Drehzahlmitte um bis zu 50 Prozent höheren Drehmoment die kleinvolumigere Konkurrenz in die Knie. Aber: Der nutzbare Bereich zwischen dem unaufgeräumten Drehzahlkeller bei 3000/min, der in der Praxis gut spürbaren Drehmomentdelle bei 5000/min (siehe abermals Diagramm) und dem Limit bei 10.000/min bleibt schmal, fordert einen wachsamen Piloten. Wer beim Überholen nicht rechtzeitig in den nächsthöheren Gang schnippt, dem unterbricht der Drehzahlbegrenzer schnell den flotten Vorbeimarsch. Trotzdem: Wer den Single zu nehmen weiß, wundert sich immer wieder über den imposanten Druck aus dem kleinen Schnellkochtopf.
Gewissermaßen auf das gegenüberliegende Ende der Drehzahlleiter ist der Antrieb der Kawasaki Z 300 geklettert. Drehzahlen? Je mehr, desto besser. Völlig mühelos und spritzig dreht der Twin hoch, vibriert kaum, sonnt sich in der Rolle des Hochtöners. Erst recht, weil die fluffige Schaltung und die leicht zu ziehende Kupplung (Anti-Hopping- und Servo-Funktion!) es noch leichter machen, den 300er jubeln zu lassen. Wohl auch deshalb vermisst man keinen einzigen Moment die paar fehlenden Pferdchen, zapft stattdessen bei jedem Antritt oder Überholvorgang die bis 12.600/min reichende Drehzahlreserve an.
Und das für geringere innere Reibung mit sieben Millimeter Zylinder-Offset ausgestattete Aggregat der Yamaha MT-03? Reiht sich ziemlich genau zwischen die KTM 390 Duke und die Kawasaki Z 300 ein. MT – das Kürzel für Maximum Torque – bleibt im kleinvolumigen Umfeld logischerweise relativ. Tendenziell konzentriert sich der Antrieb aber tatsächlich auf seine Drehzahlmitte. So drückt der 320er-Twin früher und kräftiger als die Kawa und kultivierter als die KTM an, um anschließend kaum weniger engagiert durchs Drehzahlband zu schnarren als die Z 300. Man mag fast sagen: Er kombiniert das Beste aus zwei Welten. Zumal sich der Yamaha-Treibsatz auch ansonsten auf der Höhe zeigt, den in dieser Hubraumklasse nötigen Trippeltanz durch die Gänge mit exakt zu schaltendem Getriebe und gut dosierbarer Kupplung unterstützt.
300er-Klasse definiert Handling neu
Iris weiß, wo die Stärken des Trios liegen und biegt an einer unscheinbaren Kreuzung ab. Schmale Straßen, enge Kurven, holpriger Asphalt – und kein Verkehr. Legoland für die Playmobil-Riege. Je enger sich der Asphalt um Bachbiegungen oder Wiesenhänge windet, umso selbstbewusster werfen sich die drei Jockeyfiguren in ihre zierliche Brust. Handling, dieser Begriff wird von Kawasaki Z 300, KTM 390 Duke und Yamaha MT-03 gewissermaßen neu definiert. Wer ist zuerst da – die Kurve oder die dazu passende Schräglage? Diese Frage stellt sich nur auf solchen Westentaschen-Racern. Vor allem auf der KTM 390 Duke. Mit dem geringsten Gewicht (152 kg), dem kürzesten Radstand, der schlanksten Taille und den besten Reifen (Metzeler Sportec M5) der Truppe verfällt die Duke regelrecht in einen Kurvenrausch. Linie anvisieren, abwinkeln – alles gelingt mit einer selten erlebten Leichtigkeit. Den Schwung mitnehmen – nebenbei bemerkt in dieser Klasse der wichtigste aller fahrerischen Tipps – gelingt mit kaum einem Motorrad besser. Toll. Und auch die Yamaha MT-03 feiert in dieser Beziehung einen gelungenen Einstand. Das verwundert zunächst. Immerhin wiegt die MT-03 – welche nebenbei bemerkt, diese Modellbezeichnung seltsamerweise unverändert von dem im Jahr 2013 ausgelaufenen 660er-Einzylinder übernimmt – mit 169 Kilogramm stolze 17 Kilo mehr als die KTM.
Doch die Kombination aus dem für einen hubraumschwachen Zweizylinder typischen leichten Motorlauf und offenbar gut gelungener Massenverteilung lässt sie subjektiv kaum schwerer anfühlen als die KTM, letztlich auf den Michelin Pilot Street-Pneus genauso schnittig um die Ecken flutschen wie die KTM 390 Duke.
Andere Präferenzen legt die Kawasaki Z 300. Der längste Radstand (1405 mm) und der flachste Lenkwinkel (64 Grad) geben der 172 Kilo schweren Z 300 ein völlig anderes, unaufgeregtes, aber auch etwas behäbigeres Fahrgefühl. Und nicht nur das mäßigt den Schwung beim Eckenwetz: Mit den IRC Road Winner-Reifen infiziert sich die Z 300 mit mangelhafter Rückmeldung und steifem Handling. Letztlich kosten diese Pneus die Kawasaki viele Sympathien. Eigentlich schade, denn sowohl bei den Bremsen (siehe Kasten Heft: Seite 58) als auch bei der Federung lässt die Z wenig anbrennen. Sensibel und mit den im Vergleich größten Reserven schnupfen die Federelemente Bodenwellen auf.
Vor allem KTM 390 Duke wirkt wertig
Die Yamaha MT-03 bietet beim Provinz-Rodeo, auch wegen der komfortablen Sitzbank, noch einen Tick mehr Flauschigkeit. Die Reserven der Kawa-Federung können die tendenziell leicht gedämpften Federelemente der MT-03 aber nicht bieten. Erst recht nicht die der KTM. Die stuckerig ansprechende Gabel und das ebenfalls bockig arbeitende Federbein von WP Suspension trüben trotz der längsten Federwege (150 mm vorn und hinten) den Spaß auf der flinken Duke ausgerechnet in ihrer Paradedisziplin. Zu ändern ist das mit Bordmitteln nicht. Denn an allen drei Maschinen lässt sich nur die Federbasis am Monoshock justieren. Zeugen des Kostendrucks. Genauso wie die rostanfälligen Blech-Schalldämpfer oder die nicht einstellbaren Kupplungshebel. Doch davon abgesehen wird man lange nach den Folgen von Pfennigfuchserei suchen müssen. Ob die durchweg aufwendigen Lackierungen, die vollwertigen Instrumente oder die ordentlichen Schweißnähte – das Trio wirkt wertig und ordentlich verarbeitet. Vor allem die KTM 390 Duke. Mit radial montiertem Bremssattel, auffällig gezeichneter Aluschwinge, Upside-down-Gabel, beleuchteten Schaltern und dem an die große Duke angelehnten Design setzt sich die Exil-Österreicherin in Szene. Sicher ein entscheidender Grund für ihren Verkaufserfolg.
Gespart wird stattdessen an der Tankstelle. Lediglich 3,3 Liter genehmigt sich die KTM 390 Duke auf 100 Kilometern, nur wenig mehr (3,7 l) die Kawasaki Z 300 und die Yamaha MT-03. Beim stattlichen Tankvolumen der Z 300 von 17 Litern reicht das für mindestens 400 Kilometer, beim restlichen Duo immerhin für 300 Kilometer. Und die können auch auf den Baby-Flitzern schnell vergehen. Nicht nur weil die drei so beschwingt über die Landstraßen twisten, sondern auch auf der Autobahn einen unerwartet flotten Eindruck abgeben. Dauertempo 150 schüttelt jede locker aus ihrem Motörchen. Trotzdem: Die Bahn war noch nie ein Revier für Naked Bikes. Für die 300er schon gar nicht. Zurück auf die Landstraße, noch mal die Nadel des Drehzahlmessers im oberen Drittel der Skala halten, noch mal in jede Ecke den Schwung mitnehmen. Noch mal diesen Fahrspaß genießen, der sich nicht aus der Macht am Gasgriff generiert, sondern aus der Lust am herrlich beschwingten Handling und an der einfachen Beherrschbarkeit. Aus dem Gefühl heraus, immer Herr der Lage zu sein, die Grenzen ausloten zu können – bei Führerschein-konservierendem Tempo und überschaubaren Kosten. Letztlich einer gesunden Mischung aus Emotion und Vernunft.
Gesunde Mischung gewinnt
Weshalb – wir erinnern uns an die Premiere der 1000-Punkte-Wertung bei diesen Bikes – sich letztlich auch die gelungenste Mixtur in diesem Testfeld durchsetzt. Denn während die emotionsstarke KTM 390 Duke bei Bremse sowie Federung schwächelt und die vernünftige Kawasaki Z 300 an ihrer Bereifung leidet, leistet sich die neue Yamaha MT-03 keinen Patzer und überzeugt mit einem schnörkellosen und homogenen Einstand. Übrigens: Wer’s wissen will, Iris’ Lieblingsfarbe ist Blau – möglicherweise Yamaha Race Blu.
MOTORRAD-Testergebnis
1. Yamaha MT-03: Die neue Yamaha setzt sich letztlich mit einem ausgesprochen homogenen Auftritt durch. Der Motor gefällt mit leichtem Lauf und Spritzigkeit, das Fahrwerk mit komfortabler Federung und bestem Handling.
2. Kawasaki Z 300: Knapper am Sieg vorbei geht nicht. Die Kawa gefällt mit der besten Federung und dem drehfreudigsten Motor, liegt stabil und wirkt am erwachsensten. Mit besseren Reifen wäre der Fall geritzt.
3. KTM 390 Duke: Der Bestseller als Schlusslicht? Mit dem niedrigsten Gewicht, dem stärksten Motor und dem agilsten Handling hat die KTM die Trümpfe in der Hand. Doch Federung und unsichere Bremsen vermasseln den Auftritt.
Technische Daten Kawasaki Z 300
Technische Daten KTM 390 Duke
Technische Daten Yamaha MT-03
Gebrauchte 300ccm Naked Bikes im Preisvergleich

Dank ihrer geringen Unterhaltskosten erfreuen sich gebrauchte Motorräder der 300ccm Klasse einer großen Beliebtheit. Auch die Anschaffungskosten der Motorräder ist meist sehr vernünftig, was das Konto eines jeden Fahranfängers freut. Hier geht es zum Preisvergleich: gebrauchte Motorräder der 300ccm Klasse.