Aprilia Tuono 660 im Dauertest: So sieht der Motor nach 50.000 km aus

Aprilia Tuono 660 im Dauertest
So sieht der Motor nach 50.000 km aus

Veröffentlicht am 13.03.2025

Es musste schnell gehen bei ihrem Einstand. Als sie Ende September mit gerade mal 303 Kilometern auf dem Tacho aus dem Transporter rollte, war Eile angesagt. Denn wenige Tage später sollte sie gleich mit auf die traditionelle MOTORRAD-Herbstausfahrt.

Am Ende so gut wie zu Beginn

So verpasste ihr der Autor bei ungemütlichen Wetterbedingungen im Eiltempo die nötigen Kilometer bis zur Erstinspektion, die mit 224 Euro erträglich ausfiel. Immerhin konnte sie schon da zeigen, dass sie auch nach Frostnächten klaglos anspringt. Und so war der Beginn charakteristisch für die folgenden 49.000 Kilometer. Flott und genügsam waren fortan die Attribute, die die kleine Italienerin über die Distanz begleiteten. Und zuverlässig. Denn als nach zügigen 18 Monaten bereits die Hälfte der Testdistanz abgespult war und die Zwischenbilanz anstand (Ausgabe 13/2023), gab es genau nichts zu vermelden.

Teure Inspektionen

Ein Kundendienst bei 10.000 (323 Euro) und ein zweiter bei 20.000 Kilometern, das war’s. Wobei Letzterer mit 752 Euro dann doch ein etwas empfindlicheres Loch in den Sparstrumpf riss. Zündkerzen. Luftfilter, Bremsbeläge und Ventilspiel-Einstellen schlugen hier zu Buche. Nach wackeren 27 000 Kilometern hatte dann auch der erste Kettensatz Dienstschluss.

Passendes Zubehör für die Tuono

Bis hierhin außer Spesen nichts gewesen. Außer viel Fahrspaß, egal ob auf sportlicher Spritztour oder gemütlicher Wochenendausfahrt. Dem Komfort halfen eine höhere Verkleidungsscheibe und das Gel-Komfort-Sitzpolster aus dem hauseigenen Zubehörkatalog auf die Sprünge. Wobei Letzteres nach kurzer Zeit mit unschönem Faltenwurf auf sich aufmerksam machte. Kritik gab es am etwas knochig agierenden Federbein, was durch Zubehörfederbeine gemildert, aber nicht ganz abgestellt werden konnte.

Noch herrscht Freude

Im Gegenzug kamen dank des stabilen und knackigen Fahrwerks und des leichtfüßigen Handlings Freunde sportlicher Gangart voll auf ihre Kosten. Aber nicht nur die. Ausreichend Leistung, quirliges Wesen, Umgänglichkeit, die Tuono 660 sammelte von Fahrernaturellen jeglicher Couleur Sympathiepunkte am laufenden Band.

Die ersten Probleme

Daran änderte sich auch noch nichts, als Werkstatt-Chef Gerry Wagner bei einem Routine-Check kurz vor der 30.000er-Inspektion Spiel in der Schwingenlagerung entdeckte. Im Zuge der kurz darauf anstehenden Inspektion wurden dann die Lager auf Garantie getauscht.

Von da an tat die kleine Tuono wieder brav das, was sie bis hierhin unentwegt getan hatte: Kilometer sammeln und selbst die feierabendliche Heimfahrt noch in ein kleines Highlight verwandeln.

Kompletter Ausfall bei Nacht

Etwas tiefer wurden die Sorgenfalten dann im schon nasskalten November 2023, als der Autor im Regen unvermittelt mit Totalausfall der Elektrik nachts auf der Autobahn liegen blieb. Diagnose: Anlasserrelais und Kabel oxidiert, Sicherung durchgebrannt. Die beiden bis dahin anstandslos absolvierten Winter hatten wohl doch erste Spuren hinterlassen, und ein dritter stand ihr ja noch bevor.

Noch teurere Werkstatt

Wer nun aber befürchtet hatte, das wäre der Beginn eines schleichenden Verfalls, den belehrte die Aprilia eines Besseren. Auch wenn kurz vor Zieleinlauf ein zweites Mal der Kettensatz fällig war und die Rechnung für die 40 000er-Inspektion mit 1053 Euro kurzfristig für Schnappatmung sorgte. Na ja, immerhin sind hierin Ventilspieleinstellung und Gabelservice enthalten.

Aber 114 Euro für einen Luftfilter und 67 für eine  Zündkerze – die eineinhalb Jahre zuvor noch bei der 20.000er-Wartung 53 kostete, mithin eine Steigerung von 26 Prozent – sind dennoch ein Wort. Die Inflation macht halt vor nichts und niemandem halt. Da geht der Ölfilter zu 33 Euro fast schon als Schnäppchen durch.

Immerhin wenig Verbrauch

Zum Trost absolvierte das kleine Brenneisen auch seinen dritten Winter zuverlässig und ohne mit der Wimper zu zucken, sprang nach wie vor tadellos an, nippte im Schnitt mit 4,5 Litern auf 100 Kilometer sparsam am Sprit. Auch Werte um 4,0 oder knapp darunter waren machbar. Allerdings, auch das soll nicht unerwähnt bleiben, zehrte die Distanz gegen Ende dann doch etwas an der Substanz der Tuono.

So hatte das Federbein an Dämpfung eingebüßt, fühlte sich das Sitzpolster recht durchgesessen an und hatte eine Taste des Bedienkreuzes an der linken Lenkerarmatur den Dienst eingestellt.

3 Winter in den Knochen

Schlechtes Omen für das anstehende Zerlegen des Motors? Nun, trotz einigen wenigen leichten Korrosionsspuren haben Chassis und Peripherie die Distanz und drei Winter ziemlich gut weggesteckt. Das Lenkkopflager läuft – keine Selbstverständlichkeit – sauber und ohne zu rasten, die Bremsscheiben sind noch weit entfernt von ihrer Verschleißgrenze.

50.000 Kilometer – Motor raus

Die bis zum Schluss tadellos funktionierende Kupplung hat die Distanz locker weggesteckt, das Lamellenpaket ist noch deutlich innerhalb der Betriebstoleranz, Kupplungskorb und -nabe weisen lediglich die typischen Druckstellen der Lamellen, aber keine nennenswerten Rattermarken auf. Und die Reibscheiben wirken noch taufrisch. Das dahinterliegende Getriebe steht dem in nichts nach. Die Zahnflanken und -kanten der einzelnen Zahnräder weisen keinerlei Verschleißspuren auf.

Die Schaltklauen haben gleichmäßige und scharfe Kanten ohne Abrundungen oder Einlaufspuren. Der häufige Einsatz des Schaltautomaten blieb also ohne sichtbare Spuren, was für eine gute Abstimmung der Schaltunterbrechungen spricht.

Laufleistung bringt Laufspuren

Die Hauptlager tragen immerhin sichtbare Nutzungsspuren, die für diese Laufleistung aber mehr als normal und unbedenklich sind, zumal das Lagerspiel völlig im grünen Bereich liegt. Ebenso wie das der Pleuellager, die aber deutlich stärker abgenutzt sind. An einer Stelle gar bis auf die Kupferschicht und die daher, trotz Maßhaltigkeit, vor dem Zusammenbau ersetzt werden sollten.

Doch noch Schäden gefunden

Etwas mehr gelitten hat auch ein Kolbenbolzen, bei dem – vermutlich aufgrund eines durchgewanderten Spans – die DLC-Schicht angegriffen ist. Das entsprechende Pleuelauge trägt sichtbare Laufspuren. Vermutlich entstand dieses Tragbild schon relativ zeitig im Test. Im Betrieb hat sich das allerdings nicht negativ bemerkbar gemacht.

Aprilia Tuono 660 Dauertestabschluß
fact

Ebenso wie das an der Verschleißgrenze und teils knapp darüberliegende Stoßspiel der Kolbenringe. Denn der Motor war auch am Ende noch bestens bei Kräften. Bei Beschleunigung und Durchzug hatte er gegenüber seiner Anfangsleistung sogar noch zugelegt. Daran konnten selbst zwei undichte Ventile nichts ändern, die wohl am leichten Druckverlust bei der Abschlussmessung ihren Anteil haben dürften. Frisches Einschleifen der beiden Ventile, deren Führungen samt und sonders in ausgezeichnetem Zustand waren, sollte genügen, um den Zylinderkopf wieder fit für weitere Zehntausende Kilometer zu machen.