Kawasaki ER-6n und KTM 690 Duke im Vergleichstest

Mittelklasse-Motorräder von Kawasaki und KTM Vergleichstest: Kawasaki ER-6n und KTM 690 Duke

Inhalt von

Mittelklasse-Motorräder werden gerne belächelt und als spaßfreie Normalos abgestempelt. Zu Unrecht, wie Kawasaki ER-6n und KTM 690 Duke beweisen.

Vergleichstest: Kawasaki ER-6n und KTM 690 Duke jkuenstle.de
14 Bilder

Die Arena für diese total normalen Mittelklasse-Motorräder ist definiert. Der Rundkurs trägt keinen klangvollen Namen wie „Circuit de Ledenon“ oder „Autodromo Campo di Fuego“. Nein, die Strecke geht von Vallon-Pont-d’Arc auf der gewundenen D 290 entlang der Gorges de l’Ardèche bis zum Abzweig nach Bidon - und ins Dörfchen hinein. Von dort auf der D 201 weiter bis zur Kreuzung auf die flotte, mit schnellen Bögen aufwartende D 4, die uns in Windeseile zurück nach Vallon-Pont-d’Arc führt. Diese Strecke steht für genau eines: Brennen wie Gott in Frankreich. Und das in eine der schönsten -Gegenden der Welt. Testerherz, was willst du mehr?

Auf diesen gewundenen, teils sehr -engen Sträßchen braucht keiner mehr als die gebotenen 70 PS der Kawasaki ER-6n und der KTM 690 Duke. Spielerisches Handling, zielgenaue Fahrwerke und -üppige Bodenfreiheit sind hier deutlich angesagter als Pferdestärken im dreistelligen Bereich und Traktionskontrolle. Schließlich soll das Ballern auf den -französischen Asphaltbändern ja ungetrübten Spaß machen und nicht den Angstschweiß zum Strömen bringen.

So überrascht es kaum, dass wir im dritten Turn auf unserer Teststrecke zwei französische Lokalmatadore vernaschen und diese uns später am Café sichtlich beeindruckt zunicken. Tja Buben, in den hundsordinären Brot- und Butter-Öfen Namens ER-6n und 690 Duke steckt eben doch richtig viel Spaßpotenzial.

Doch stopp! Die KTM 690 Duke ein Brot- und Butter-Motorrad? Naja, in gewisser Weise schon, denn KTM setzte mit der Überarbeitung des Herzogs andere Schwerpunkte. Holte die Duke raus aus der Ecke des kompromisslosen, durchgestylten Sonderlings und schmiss ihn mit geschliffenen Manieren, einem attraktiven Preis und ansprechender Optik mitten in das Feld der bezahlbaren Naked Bikes. Und da gehört er trotz oder gerade wegen seines Einzylindermotors auch hin. Seit der Überarbeitung des nun mit echten 690 Kubik arbeitenden und von einem hochmodernen Ride-by-Wire-System befeuerten Eintopfs herrscht im Duke-Chassis eitler Sonnenschein. Klar kann der Single nicht ganz so laufruhig agieren wie ein perfekt ausbalancierter V-Zwei, doch für einen Einkolbenmotor dieser Größe ist er dank Ausgleichswelle ein Gedicht. Knapp unter 3000/min beginnt sein Wohlfühlbereich, schiebt der Single berechenbar und kräftig an. Bei 5500/min geht er dann richtig spaßig zur Sache, zieht bis 7500 Touren wie ein Bulle. Sogar in den großen Gängen brennt er sein Feuerwerk überzeugend ab. Seine sehr leicht zu bedienende und gut zu dosierende Kupplung gestaltet das Anfahren einfach, doch leider flutschte es im sonst gut zu schaltenden Getriebe nicht immer perfekt. Gerade bei Gangwechseln vom Dritten in den Vierten arretierten die Gangräder beim Test-Herzog öfters nicht sauber.

Trotz dieses kleinen Makels tut sich die Kawasaki ER-6n schwer, der auf und davon stürmenden KTM zu folgen. Ihr Parallel-Twin stellt zwar die gleiche Spitzenleistung zur Verfügung, allerdings auf deutlich unspektakulärere Weise - und muss zudem 45 Kilogramm (Kawa 208 kg, KTM 163 kg fahrbereit!) mehr beschleunigen. Nach dem Einkuppeln schiebt der Twin stoisch aber nie überraschend vorwärts - lediglich die sich ändernde Akustik zeugt vom aktuellen Drehzahlniveau. Was einem Einsteiger sehr entgegenkommt - er wird nie vom Motor überrascht, langweilt den erfahrenen Piloten. Da der Twin nirgendwo besonders an Leistung zulegt, scheint es fast egal zu sein, in welchem Drehzahlbereich agiert wird. Was schade ist, denn subjektiv gehen so Dynamik und natürlich Fahrspaß verloren. Dafür muss das mit erhöhter Kraft zu bedienende Getriebe weniger betätigt werden.

Zieht der Duke-Treiber auf den verwinkelten Straßen unseres Testreviers heftig am Quirl, fällt es der Kawa schwer zu folgen. Aus engen Ecken heraus ist die KTM einfach eine Macht, zieht die Arme lang, lupft das Vorderrad und scheint voll in ihrem Element. Die Kawa dagegen dreht emsig wie eine Nähmaschine hoch, reißt nie an und verlangt so einen anderen Fahrstil. Erst wenn sehr früh in tiefer Schräglage das Gas aufgeklappt wird - das weiche Ansprechen des Twins erlaubt dies auch, kann der Rückstand auf die KTM in Grenzen gehalten werden. Doch je enger die Straße wird und je mehr Kurven sich aneinander reihen, desto weiter zieht die KTM davon. Am späteren Tankstopp überrascht es wenig, dass die Kawasaki die Durstigere der beiden ist: Schließlich muss der brave Twin fast einen Zentner mehr durch den Parcours feuern als die Österreicherin.

Die beiden Motorcharakter spiegeln die unterschiedlichen Herangehensweisen der Hersteller an ihr jeweiliges Motorrad wieder. KTM domestizierte ein Sportgerät, und Kawasaki verpasste einem bieder anmutenden Motorrad eine dynamischere Optik und eine knackigere Fahrwerksabstimmung. Das bestätigt sich auch im Fahrverhalten. Während die Duke auch langsam kann, aber schnell will, ist es bei der Kawa eher anders herum. Die ER-6n strömt so etwas wie eine solide Souveränität aus. Nimmt man auf ihr Platz, fällt zunächst das recht straff abgestimmte Fahrwerk auf. Dann der immer noch seltsam gekröpfte Lenker, an den man sich allerdings schnell gewöhnt. Beim Anbremsen von Kurven lässt sich die Bremse gut dosieren, ihr Biss ist nicht sportlich aggressiv, sondern unauffällig effizient. Im Zweifel hilft das ABS, zum Beispiel dann, wenn die Gabel bei einer ganz heftigen Bremsattacke auf einer -Bodenwelle einmal auf Block geht. Auf Lenkerdruck legt sich die Kawasaki zügig, aber nicht spritzig in Schräglage und hält in dieser treu ihre Linie. Unspektakulär und unaufgeregt trägt sie ihren Chauffeur zum Kurvenausgang, spuckt ihn auf die nächste Gerade. Schnelle Richtungswechsel kosten allerdings Kraft und müssen mit knackigen Lenkimpulsen eingeleitet werden.

jkuenstle.de
Kawasaki ER-6n.

Das geht auf der federleichten KTM natürlich ganz anders. Ihr breiter Lenker, die agile Michelin-Bereifung und ihre geringeren rotierenden Massen lassen sie durch die Kurven wieseln wie eine Eins. Spielerisch feuert sie von links nach rechts und wieder zurück. Stundenlang kann man sich mit der Duke in den Kurvenrausch fahren, erst aufkommender Schwindel bremst einen wieder ein. Ein kleines Manko trübt die gepflegte Brennerei auf der Duke. Die Einscheibenbremse am Vorderrad verwindet beim harten Ankern die Gabel etwas. Das macht es etwas diffiziler, den Herzog vor oder im Regelbereich des Bosch-ABS auf Kurs zu halten. Doch mal halblang. Denn wer so sportlich fährt, dass er öfters in diesen Bereich kommt, der gewöhnt sich auch schnell an diese Eigenart.

Woran sich aber jeder Pilot gewöhnen und worüber er sich freuen kann, ist die Schräglagenfreiheit der beiden Mittelklässler. Früher haben Motorräder dieser Kategorie quasi schon beim Abbiegen in der 30er-Zone aufgesetzt, heutzutage schleift man sich eher die Zehen blutig, als das eine Fußraste aufsetzt.

Apropos Sitzen: Auch in Sachen Sitzkomfort hat sich auf der Duke einiges getan. Verkaufte KTM dem Kunden früher Sitzbretter als „sportlichen“ Arbeitsplatz, kann man die 690 Duke getrost als Sofa bezeichnen. Die Sitzposition hinter dem breiten Lenker passt zum Bummeln und Brennen, das Polster ist bequem und auch auf langen Strecken erträglich. Einzig, dass der Pilot wie festgenagelt auf dem ausgeformten Kissen hockt, ist schade. Da hat er auf der Kawasaki mehr Platz zum Spielen, kann etwas nach vorn und hinten rutschen. Allerdings fällt der Kniewinkel hier recht eng aus. Was sich zunächst sportlich anfühlt, wird, je nach Beinlänge, auf Dauer unbequem.

Die Brennerei an der Gorges de l’Ardèche geht zu Ende. Was bleibt, ist ein breites Grinsen und die Erkenntnis, dass „Normalo“-Motorräder wie die Kawasaki ER-6n und die KTM 690 Duke echte Einstiegsdrogen in die Welt des Kurvenrausches sind.

PS-Bewertung / Urteil

jkuenstle.de
KTM 690 Duke.

 max. Punkte

 Kawasaki

 KTM
Antrieb  100  61  65
Fahrwerk  100  81  80
Alltag und Fahrspaß  50  27  31
Gesamtsumme  250  169  176
Platzierung    2.  1.

PS-Urteil

1.KTM 690 Duke
Die Österreicherin gewinnt diesen Test, weil sie fasziniert und richtig Spaß macht. Sie kann etwas Schmusekatze sein, liebt aber eher den Sport. So handlich und kräftig ist sie ein vorzügliches Bügeleisen für kleine Straßen.

2.Kawasaki ER-6n
Sie ist klar das bessere Einsteiger-Motorrad, weil sie nie überfordert. Allerdings wird ihr sehr
zahmer -Charakter aber auch schnell langweilig. Sportliches Feilen ist mit ihr -anstrengender.

Technische Daten

jkuenstle.de
Am Ende gewinnt die KTM 690 Duke den Vergleichstest - sie fasziniert und macht richtig Spaß.

Kawasaki ER-6n

Antrieb 

Zweizylinder-Reihenmotor, 4 Ventile/Zylinder, 53 kW (72 PS) bei 8500/min*, 64 Nm bei 7000/min*, 649 cm³, Bohrung/Hub: 83,0/60,0 mm, Verdichtungsverhältnis: 10,8:1, Zünd-/Einspritzanlage, 38-mm-Drosselklappen, mechanisch betätigte Mehrscheiben-Ölbadkupplung, Sechsganggetriebe, G-Kat, Kette

Fahrwerk 
Stahlrohr-Brückenrahmen, Lenkkopfwinkel: 65,0 Grad, Nachlauf: 110 mm, Radstand: 1410 mm, Telegabel, Ø Gabelinnenrohr: 41 mm, nicht einstellbar. Seitliches Monofederbein ohne Umlenkung, einstellbar in Federbasis. Federweg vorn/hinten: 125/130 mm

Räder und Bremsen 
Leichtmetall-Gussräder, 3.50 x 17/4.50 x 17, Reifen vorn: 120/70 ZR 17, hinten: 160/60 ZR 17, Erstbereifung: Dunlop Roadsmart II „J“, 300-mm-Doppelscheibenbremse mit Zweikolben-Schwimmsätteln vorn, 220-mm-Einzelscheibe mit Einkolben-Schwimmsattel hinten, ABS

Maße und Gewicht 
Länge/Breite/Höhe: 2140/850/1280 mm *, Sitz-/Lenkerhöhe: 790/1030 mm, Lenkerbreite: 655 mm, 208 kg vollgetankt, v./h.: 49,1/50,9 %

Hinterradleistung im letzten Gang 
49 kW (67 PS) bei 176 km/h

Verbrauch 
Kraftstoffart: Super bleifrei. Durchschnittstestverbrauch: 6,2 Liter/100 km, Tankinhalt 16,0 Liter, Reichweite: 258 km

Grundpreis 
6995 Euro (zzgl. Nebenkosten)

KTM 690 Duke

Antrieb 

Einzylinder-Viertakt-Motor, 4 Ventile/Zylinder, 51,5 kW (70 PS) bei 7500/min*, 70 Nm bei 5500/min*, 690 cm³, Bohrung/Hub: 102,0/84,5 mm, Verdichtungsverhältnis: 12,6:1, Zünd-/Einspritzanlage, 46-mm-Drosselklappen, mechanisch betätigte Mehrscheiben-Ölbadkupplung, Sechsganggetriebe, G-Kat, Kette

Fahrwerk 
Stahl-Gitterrohrrahmen, Lenkkopfwinkel: 63,5 Grad, Nachlauf: 115 mm, Radstand: 1466 mm, Upside-down-Gabel, Ø Gabelinnenrohr: 43 mm, nicht einstellbar. Zentralfederbein mit Umlenkung, einstellbar in Federbasis. Federweg vorn/hinten: 135/135 mm

Räder und Bremsen 
Leichtmetall-Gussräder, 3.50 x 17/5.00 x 17, Reifen vorn: 120/70 ZR 17, hinten: 160/60 ZR 17, Erstbereifung: Michelin Pilot Power, 320-mm Einzelscheibenbremse mit Vierkolben-Festsätteln vorn, 240-mm-Einzelscheibe mit Einkolben-Schwimmsattel hinten, ABS

Maße und Gewicht 
Länge/Breite/Höhe: 2130/900/1340 mm *, Sitz-/Lenkerhöhe: 830/1100 mm, Lenkerbreite:  775 mm, 163 kg vollgetankt, v./h.: 49,5/50,5 %

Hinterradleistung im letzten Gang 
48,5 kW (66 PS) bei 173 km/h

Verbrauch 
Kraftstoffart: Super bleifrei. Durchschnitts-testverbrauch: 5,4 Liter/100 km, Tankinhalt 14,0 Liter, Reichweite: 259 km

Grundpreis 
7495 Euro (zzgl. Nebenkosten)

Zur Startseite
Kawasaki ER-6
Artikel 0 Tests 0 Videos 0 Markt 0
Alles über Kawasaki ER-6
Mehr zum Thema Einsteiger
Voge 300 AC Test
Naked Bike
Supersportler
Sitzprobe Brixton Crossfire 500 und Crossfire 500 XC
Fahrpraxis & Fahrtipps
Motorrad-Leggings Test
Kombis, Jacken & Hosen
Mehr anzeigen