Moto3-KTM RC 250 GP und RC 250 RBR im Fahrbericht
Unterschied zwischen Production Racer und Werks-Maschine

Mit einem filigranen Gitterrohrrahmen antreten, wo sonst voluminöse Alu-Brückenchassis das Bild prägen, damit zwei Weltmeistertitel gewinnen und nebenbei aus dem Erfolgsrezept eine gelungene Einstiegsdroge destillieren – KTM kann’s. Luca Grünwald ist für uns die Moto3-KTM RC 250 GP und 250 RBR gefahren.

Unterschied zwischen Production Racer und Werks-Maschine
Foto: KTM

Nein, wir sprechen jetzt nicht darüber, dass Luca Grünwald, der ehemalige deutsche 125er-Meister (2011) und erste deutsche Moto3-Champion (2012) ein eher trostloses Jahr 2013 in der Internationalen Deutschen Supersport-Meisterschaft verbrachte. Wir reden auch nicht davon, dass die österreichischen Offroad-Spezialisten von KTM nicht wirklich zufrieden mit ihren ersten Gehversuchen in der Motorrad-Straßenweltmeisterschaft waren. Weder mit ihrem Engagement 2003 in der 125er-Klasse noch bei den 250ern.

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Und gar nicht reden wollen wir von dem Debakel von 2005, als man als Motorenlieferant die Königsklasse des Motorrad-Straßensports aufmischen wollte. Zum Glück zog Firmenchef Stefan Pierer beherzt und gerade noch recht­zeitig die Reißleine. Über die Strategie jedoch, mit der KTM 2012 in die Weltmeisterschaft zurückkehrte, müssen wir reden. Ebenso darüber, wie Luca Grünwalds Kar­riere im vergangenen Jahr doch noch eine überraschende Wendung nahm, die ihn jetzt im MOTORRAD-Auftrag zum Test des Beinahe-Weltmeister-Motorrads ins spa­nische Almeria führte.

RC 250 RBR wurde von der RC 250 GP abgeleitet

Zuerst zu KTM: Die Einführung der Moto3-Klasse mit 250-cm³-Viertakt-Ein­zylin­dermotoren als Ersatz für die bis dahin in der kleinsten WM-Hubraumklasse verwendeten 125er-Zweitakter begriffen die Österreicher als Chance. Anders als zuvor konstruierten und bauten sie komplett mit eigenen Mitteln eine Rennmaschine und dokumentierten ihre Eigenständigkeit auch durch die Verwendung eines Stahl-Gitterrohrrahmens, wo die Konkurrenz fast ausnahmslos auf Alu-Brückenrahmen setzt. KTM kam und gewann mit dem Deutschen Sandro Cortese auf Anhieb den Weltmeistertitel.

Für 2013 wurde von der Werksmaschine RC 250 GP der Production Racer RC 250 R abgeleitet sowie die RC 250 RBR, mit der seitdem die Youngsters des Red Bull Rookies-Cups erste Gehver­suche in der Grand Prix-Szene machen. Auch 2013 ging der Moto3-WM-Titel an ­einen KTM-Piloten – dass es nicht Luis ­Salom vom offiziellen Werksteam war, sondern Maverick Viñales vom Calvo-Kun­denteam, störte KTM-Motorsportchef Pit ­Beirer dabei kaum: „Einen besseren Beweis dafür, dass wir unsere Kunden nicht mit Fahrzeugen zweiter Wahl, sondern demselben siegfähigen Material beliefern wie unser eigenes Team, kann es gar nicht geben.“ Wie gut dieses Material wirklich ist, wollten die Österreicher der internationalen Fachpresse in Almeria demonstrieren, wo die Werks-KTM RC 250 GP sowie der Cup-Racer RC 250 RBR zur Probefahrt bereitstanden.

Onboard: Moto3-KTM RC 250 RBR

Jetzt zu Luca Grünwald. Statt einen 1,80 Meter großen und 75 Kilogramm schweren Testfahrer aus den eigenen Reihen zu entsenden, der weder Technik noch Statur mitbringt, um diese zierlichen Raketen angemessen zu bewegen, entschloss sich die MOTORRAD-Redaktion, einen Fachmann zu beauftragen. Grünwald hatte einen knappen Monat zuvor als Ersatzmann für den verletzten Florian Alt die Kalex-KTM des Kiefer-Teams bei den Grand Prix in ­Ma­laysia und Australien pilotiert und sich dabei so kompetent angestellt, dass ihm die Kiefer-Brüder einen Vertrag für die GP-Saison 2014 anboten. Wenige Tage vor dem Testtermin war Grünwald auf der KTM RC 250 R des Freudenberg-Teams bei zwei Ren­nen zur spanischen Moto3-Meisterschaft in Valencia gestartet und zweimal in die Punkteränge gefahren. Jetzt noch die Werksmaschine und den Cup-Renner ausprobieren, damit dürfte Luca einer der wenigen Menschen sein, die innerhalb so ­kurzer Zeit alle aktuellen Moto3-Rennmaschinen mit KTM-Triebwerk gefahren haben.

"Der Unterschied zum Production Racer ist sofort zu spüren"

Ortstermin auf dem Circuito de Almeria, 19. November, 9.05 Uhr, 10,5 Grad Celsius. Der Himmel ist blau, nur ein paar flache Wolkenfetzen sind zu sehen. Luke, der britische KTM-PR-Mann, und Lisa aus der KTM-Zentrale in Mattighofen haben zum Briefing gerufen. Auch Aki Ajo, Chef der KTM-Werksmannschaft ist da, seine Leute und einige KTM-Kundenteams testen Teile für 2014. „Sie wissen, dass Journalisten unterwegs sein werden“, sagt Luke und bittet darum, die Profis nicht bei der Arbeit zu stören. „Es gibt keinen Grund, Heldentaten zu versuchen. Aki hat für 2014 so viele Fahrer unter Vertrag – er ist nicht als Talentscout hier.“

Luca Grünwald darf als Erster die Werksmaschine fahren, den Mechanikern scheint es ganz recht zu sein, dass sie einen versierten Rennfahrer mit der Salom-KTM auf die noch kalte Strecke schicken können. Zwei Runden nutzt der, um sich an Fahrzeug und Piste zu gewöhnen, dann versucht Luca, möglichst optimal zu fahren. „Der Unterschied zum Production Racer, den ich in Valencia gefahren bin, ist sofort zu spüren. Das liegt vor allem an der Doppelscheibenbremse der Werks-KTM, die ist mit der ­Einzelscheibe der RC 250 R nicht zu vergleichen“, sagt Luca. „Ich habe immer volle Kontrolle über die Bremskraft und kann deshalb viel weiter in die Kurven reinbremsen und dann im richtigen Moment die Bremskraft dosiert zurücknehmen.“ Überhaupt sei das Weltmeistermotorrad „sehr leicht zu fahren. Direkt, aber problemlos gerade auch über Bodenwellen. Ein kleiner Lenkimpuls oder eine minimale Gewichtsverlagerung genügen, schon fährt das ­Motorrad dahin, wohin man will.“

Die Kalex-KTM mit dem bei Augsburg gefertigten Aluminium-Brückenrahmen empfindet Luca dagegen als „etwas schwerfälliger, doch der Unterschied ist klein“. Das erstaunt nicht, denn immerhin konnte Lucas bayerischer Landsmann Jonas Folger damit 2013 viermal aufs Grand Prix-Siegerpodest fahren. Doch hier, in Almeria, soll es darum gehen, wie weit der Production Racer vom Vorbild RC 250 GP entfernt ist. Die Testrunden auf der praktisch baugleichen Cup-Maschine werden das klären.

Rund 40.000 Euro kostet der Production Racer

KTM
Luca Grünwald über die Werks-KTM RC 250 GP von Luis Salom: „Unglaublich, wie gut die am Gas hängt. Tolle Vorderradbremse“.

„Das Werks-Motorrad liegt einfach viel ruhiger und lässt sich viel leichter in die Kurven fahren, auch die Wechsel von der einen in die andere Schräglage sind deutlich einfacher als beim Cup-Motorrad“, berichtet Luca. „Da ist alles etwas härter und ruppiger. Doch für einen jungen Piloten ist es vielleicht genau richtig, um das Fahren auf einem Motorrad zu lernen, das wie eine richtige Rennmaschine funktioniert. Das Fahrwerk der Honda, mit der ich 2012 deutscher Meister wurde, war spürbar weicher, hat mehr Fehler verziehen, wenn man beispielsweise den Scheitelpunkt einer Kurve nicht so richtig getroffen hat.“

Rund 40.000 Euro kostet der Production Racer, der mit Investitionen in Spezialteile motorseitig auf den technischen Stand des Werks-Renners gebracht werden kann. Im Originalzustand wird das Production-Triebwerk 38 kW (51 PS) bei 14.000/min leisten und die gleiche Höchstdrehzahl wie die RC 250 GP erreichen, die aber noch rund 5 PS mehr mobilisieren soll. Beim Fahrwerk allerdings wird ein Unterschied bleiben. Zwar sehen die Gitterrohrchassis beider Motorräder identisch aus, doch werden die Fahrwerke für den Production Racer in Serie gefertigt, während die der Werks-Bikes in der KTM-Rennabteilung in Handarbeit entstehen. „Da wird mit größter Sorgfalt geschweißt, daher können einzelne Verbindungsrohre etwas anders angebracht und dimensioniert sein als beim Production Racer“, erklärt KTM-Techniker Konrad Hefele, während Luca noch einige Runden auf der Rookies-KTM dreht (Video auf www.motorradonline.de/luca-almeria). „Das hat geholfen, seit Anfang 2012 von 87 Kilogramm Fahrzeuggewicht auf unter 80 Kilo zu kommen. Jetzt müssen einige Fahrer bereits Ballast anbringen, um das vorgeschriebene Mindestgewicht zu erreichen.“

Hoffnung auf erneuten Kontakt mit der Werks-KTM

Mittagspause, 16 Grad, bestes Motorradwetter. Luca und der Ex-Red-Bull-Rookies-Pilot Lukas Trautmann, der den 18-Jährigen aus Waldkraiburg nach Almeria begleitet, beobachten von der Terrasse des Restaurants die Anbremszone am Ende der langen Geraden. Und amüsieren sich ein wenig, weil einige der internationalen Pressekollegen mit den ungewohnten Moto3-Rennern ihre liebe Mühe haben. Auf den Smartphones laufen die Stoppuhren, doch die Rundenzeiten bleiben geheim. Luca ist 1.44er-Zeiten gefahren. Das liegt rund zwei Sekunden über den Zeiten von GP-Pilot Danny Kent. „Nach den paar Runden ist das ganz okay“, findet Luca. Und hofft insgeheim, dass er bald wieder möglichst innigen Kontakt zur Werks-KTM halten kann. Beim ersten WM-Lauf der neuen Saison, im Sattel seiner Kalex-KTM.

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Erscheinungsdatum 15.09.2023