Test BMW F 800 R

Test BMW F 800 R Neuer BMW-Roadster

Für ihren neuen Roadster, den dritten im Programm, haben die BMW-Entwickler richtig Aufwand betrieben. Heraus kam ein Motorrad von hohem Erlebniswert.

Neuer BMW-Roadster Künstle
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Der deutschen Sprache fehlt ein schönes Wort für das, wo es hinten rauskommt. Auspuff oder Schalldämpfer klingt technisch und staubtrocken, Krachrohr abfällig und diskriminierend, Tüte zu flapsig. Schallstrahler hätte eine gewisse Leuchtkraft, doch die nötigen poetischen und phonetischen Qualitäten besitzt wohl am ehesten der Begriff Klangrohr.

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Besagtes Klangrohr der neuen BMW F 800 R verbreitet harmonische und anregende Paralleltwin-Musik. In immer gleichen Zündabständen von 360 Grad bei niedrigen Drehzahlen gemütlich brummend, im Anlauf zum Drehmomentgipfel bei 6000/min hell und aufpeitschend, nahe der Höchstdrehzahl in ein beeindruckendes Röhren übergehend, profiliert sich der Zweizylinder als begabter Blechbläser. Im Nebenjob. Denn der bei Rotax gebaute Motor hat nicht nur Töne, sondern vor allem viel Druck. Es handelt sich um die Version mit geneigter Zylinderbank, die in der F 800 S und ST mit nominell 85 PS debütierte. In der R-Ausführung soll sie für zwei PS mehr gut sein, und zwar dank der neuen, wie Projektleiter Rudi Schneider sie nannte, Abgasanlage. Auf dem Prüfstand übertrifft die Testmaschine die angegebenen 87 gar um stramme 7,5 PS. Doch der Zweizylinder überbot schon in der Vergangenheit großzügig die Werksangabe, wie auch die Dauertest-F-800-S von MOTORRAD mit gemessenen 94 PS bestätigte.

Allemal bleibt der Eindruck eines quirligen Motors, der dank kürzerer Übersetzung der oberen drei Gänge selbst bei höherem Tempo viel Temperament entfaltet. Bestes Beispiel: Wer es partout wissen will, wie schnell die R läuft, braucht dafür auf der Autobahn nicht viel Anlauf. Ruck, zuck dreht der 798er in den roten Bereich und weiter an den Begrenzer, der bei Tacho 220 einsetzt. Die Vibrationsdämpfung durch ein im Kurbelgehäuse gegenläufig zu den Kolben schwingendes Ausgleichsgewicht arbeitet im ganz hohen und ganz tiefen Drehzahlbereich besser als in der Mitte. Insbesondere zwischen 5000 und 6500/min vibriert der Motor rustikal. Dafür gelingen die Lastwechsel geschmeidiger als früher, was nicht allein dem Kettenantrieb zuzuschreiben ist, sondern auch einer Überarbeitung der Drosselklappenkinematik. Nach wie vor begnügt sich der Reihenzweizylinder, der klingt wie ein Boxer, mit wenig Benzin. Nach MOTORRAD-Standard gemessen, benötigt er vier Liter auf 100 Kilometer. Leistungsfreudig auf der Landstraße gefahren, bleibt er noch immer deutlich unter sechs Litern.

Fahrwerk und Handling

Was das Fahrwerk betrifft, so nimmt sich die F 800 R das für sie am besten Geeignete aus dem umfangreichen F-Baukasten und erhält noch etliche speziell auf sie zugeschnittene Modifikationen. Der Alu-Brückenrahmen stammt von der S, doch statt Einarmschwinge und Riemenantrieb erhielt die R eine eigens für sie konstruierte Zweiarmschwinge, durch die sich der Radstand um 48 Millimeter verlängert. Zugleich kürzte man die Federwege vorn und hinten um jeweils 15 Millimeter, was dem gleichen Zweck dient wie die Verlängerung des Radstands, nämlich die Vehemenz der dynamischen Radlastverteilung beim Beschleunigen oder Bremsen zu mildern. Ein um 1,2 Grad steilerer Lenkkopf soll ebenso wie der um vier Millimeter kürzere Nachlauf die Handlichkeit verbessern.

Tatsächlich erweisen sich diese Änderungen als Volltreffer. Niemand würde die F 800 R wegen des längeren Radstands als träge bezeichnen, keiner sie wegen der dynamisierten Lenkgeometrie als kippelig empfinden. Stets erweist sie sich als wunderbar ausbalanciert. Ihr konifizierter Lenker ist nicht übermäßig breit, liegt aber gut zur Hand und bietet genügend Hebelarm für lässiges Kurvenswingen. Die F 800 R wedelt über Land wie ein ganzes Herz voll Motorrad gewordener Frühlingsgefühle. Wer sich ihnen vorbehaltlos überlässt, erfährt allerdings rasch, warum an der unteren Gabelbrücke ein Lenkungsdämpfer montiert ist. Wird der flinke Roadster zügig über bucklige Fahrbahnen beschleunigt, hindert der stramm abgestimmte Dämpfer die Lenkung am Auskeilen. Bei zügiger Fahrt auf welligen Straßen ist der weiche Anfangsbereich der Gabel schnell durchtaucht, danach wird sie dank eines kleinen Luftpolsters ziemlich straff und federt bei Entlastung schnalzend wieder aus. Härtere, weniger vorgespannte Federn und mehr Dämpfung würden unterm Strich vielleicht sogar mehr Komfort, auf jeden Fall aber mehr Reserven bringen.

Fahrern ab einer Größe von 1,70 Meter und sportlich motivierten Piloten allgemein sei die höchste von drei zur Wahl stehenden Sitzbänken ans Herz gelegt. Sie thront auf angegebenen (und nachgemessenen) 825 Millimeter Höhe und schafft einerseits eine fahraktive, stärker nach vorn orientierte Sitzposition und andererseits einen angenehmeren Kniewinkel als die 25 Millimeter tiefere Standardbank. Weitere 25 Millimeter tiefer liegt die niedrigste Variante, die MOTORRAD in der Kürze der Zeit nicht testen konnte. Womit es Zeit wäre für das Abschlusslob; es gebührt der Bremsanlage mitsamt dem 710 Euro teuren ABS. Ohne durch übertriebene Bissigkeit zu nerven, verzögern die Vierkolbensättel vehement, das ABS lässt sie gewähren, solange es eben geht, selbst auf welliger Fahrbahn.

Technische Daten - BMW F 800 R

Künstle

Motor
Wassergekühlter Zweizylinder-Viertakt-Reihenmotor, zwei oben liegende, kettengetriebene Nockenwellen, vier Ventile pro Zylinder, Tassenstößel, Trockensumpfschmierung, Einspritzung, Ø 46 mm, geregelter Katalysator, Lichtmaschine 400 W, Batterie 12 V/14 Ah, mechanisch betätigte Mehrscheiben-Ölbadkupplung, Sechsganggetriebe, O-Ring-Kette.

Bohrung x Hub 82,0 x 75,6 mm
Hubraum 798 cm³
Verdichtungsverhältnis 12,0:1
Nennleistung 64,0 kW (87 PS) bei 8000/min
Max. Drehmoment 86 Nm bei 6000/min

Fahrwerk
Brückenrahmen aus Aluminium, Telegabel, Ø 43 mm, Lenkungsdämpfer, Zweiarmschwinge aus Aluminium, Zentralfederbein, direkt angelenkt, verstellbare Federbasis und Zugstufendämpfung, Doppelscheibenbremse vorn, Ø 320 mm, Vierkolben-Festsättel, Scheibenbremse hinten, Ø 265 mm, Einkolben-Schwimmsattel.

Alu-Gussräder 3.50 x 17; 5.50 x 17
Reifen 120/70 ZR 17; 180/55 ZR 17
Bereifung im Test Metzeler Sportec M3

Maße+Gewichte
Radstand 1520 mm, Lenkkopfwinkel 65,0 Grad, Nachlauf 91 mm, Federweg v/h 125/125 mm, Sitzhöhe* 825 mm, Gewicht vollgetankt* 205 kg, Zuladung* 200 kg, Tankinhalt/Reserve 16,0/4,0 Liter.

Gewährleistung zwei Jahre
Service-Intervalle 10000 km
Farben Schwarz/Weiß, Orange, Silbermetallic
Leistungsvariante 25 kW (34 PS)

Preis 7850 Euro
Preis Testmotorrad** 9525 Euro
Nebenkosten zirka 264 Euro

Messwerte
Fahrleistungen
Höchstgeschwindigkeit(Herstellerangaben) 210 km/h

Beschleunigung
0–100 km/h 3,7 sek
0–140 km/h 6,4 sek
0–200 km/h 15,8 sek

Durchzug
60–100 km/h 4,0 sek
100–140 km/h 4,6 sek
140–180 km/h 5,1 sek

Tachometerabweichung
Effektiv (Anzeige 50/100) 50/98 km/h

Verbrauch
Landstraße 4,0 l/100 km/h
Kraftstoffart Super
Theor. Reichweite Landstraße 400 km

*MOTORRAD-Messungen; **inklusive ABS (710 Euro), Griffheizung (195 Euro); Reifenluftdruckkontrolle RDC (205 Euro), Bordcomputer (145 Euro), Windschild (100 Euro), LED-Blinker weiß (95 Euro), Steckdose (20 Euro)

Aufgefallen

Plus:
+ Leistung: mehr als versprochen
+ Bremsen: enorm stark, gut dosierbar
+ Verbrauch: sehr gering
+ Fahrwerk: handlich, ausgewogen

Minus:
- Bremsflüssigkeitsbehälter: lieblos montiert
- Kickback-Neigung: macht straffen Lenkungsdämpfer nötig

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