Test Triumph 900 Adventurer

Test Triumph 900 Adventurer

Alles schon mal dagewesen: Das Ace Café hat wieder geöffnet, die Beatles verkaufen wieder Schallplatten - und Triumph baut wieder ein Motorrad mit Hirschgeweihlenker.

In England ist er ein Nationalfeiertag, wie Weihnachten oder der Geburtstag von Queen Elisabeth: »Labor Day«, der Tag der Arbeit. Familien fahren am ersten Mai zum Picknick in die Countryside, der Fliegenfischer läßt sich von Forellen ärgern - und seit Jahrzehnten strömt am ersten Mai eine Invasion von Gestalten in schwarzem Leder und speckigem Wax-Cotton auf Motorrädern nach Brighton an die See und läßt sich zwischen Ace Café und Palace Pier von der Frühlingssonne wärmen.

Anfang der siebziger Jahre mischten sich zwischen die Rundrücken der Café-Racer-Fahrer zunehmend lässig zurückgelehnte Gestalten. Triumph bot damals den 750er Zweizylinder »Bonneville« neben der klassischen Variante erstmals in einer speziellen Version an: mit einem hohen Lenker und kremefarbener Zweiton-Lackierung. »Chopper« nannte diesen Typ Motorrad noch niemand. »U.S.-Spec.«, die amerikanische Spezifikation der Bonneville, taufte die Triumph-Werbeabteilung damals ihr jüngstes Kind.

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Ein Vierteljahrhundert später heißt die Queen immer noch Elisabeth, Labour Day fällt immer noch auf den ersten Mai, Motorradfahrer strömen immer noch nach Brighton und Triumph baut immer noch ein Motorrad mit einem hohen Lenker und kremefarbener Zweiton-Lackierung. Sicher, ein paar Kleinigkeiten sind anders. Das Grundmodell, von dem die neue »U.S.-Spec.« abstammt, heißt nicht mehr Bonneville, sondern Thunderbird, hat nicht mehr zwei, sondern drei Zylinder und 900 statt 750 Kubikzentimeter Hubraum. Sie wird auch nicht mehr in Meriden, sondern in Hinkley produziert. Und sie heißt nicht »U.S.-Spec.« - sondern Adventurer.

Die Adventurer unterscheidet sich von der Thunderbird (Test in MOTORRAD, Heft 5/1995) durch nur wenige Bauteile. Das lange, angeschraubte Rahmenheck der Thunderbird wich einer deutlich kürzeren Variante. Dafür übernimmt nun der stählerne Heckbürzel tragende Funktion. Serienmäßig ist die Adventurer mit einem dick gepolsterten Einzelsitz ausgerüstet. Triumph bietet allerdings eine ganze Reihe anderer Sitzpolster als Option an. Zum Beispiel das kleine Sozius- Brötchen, das auf das Schutzblech geschraubt wird, für 244,55 Mark. Aber auch Zweipersonen-Sitzbänke sind im Angebot. Für 440,37 Mark nimmt ein Paar auf einer dick oder auch dünn gepolsterten durchgehenden Bank mit glattem Bezug Platz. Und für 48,96 Mark mehr ist der Bezug sogar plüschig geknöpft. Die Sozius-Fußrasten sind im Preis der Sitzbänke enthalten.

Ob sich die Anschaffung einer Doppel-Sitzbank tatsächlich lohnt, ist allerdings eine Frage der Waage. Wenn auch die Zuladung der Adventurer den Betrieb mit zwei Personen locker gestattet, so erlegt das Federbein der Besatzung eine strenge Diät auf - oder Nehmerqualitäten, die eines Fakirs würdig sind. Das Problem: Die Feder ist viel zu weich. Selbst wenn die Nutmuttern der Federbasis-Verstellung bis zum letzten Gewindegang hochgedreht sind - Adieu, geliebte hydraulische Federbeinverstellung -, sackt das Motorrad schon unbelastet ein Drittel des Federwegs ein. Mit Fahrer ist dann an der Dämpferstange gerade noch ein Zentimeter des Federwegs übrig - entsprechend drei Zentimeter Radfederweg. Mit Sozius schließlich bleibt vom Federweg des Hinterrads gar nichts mehr - die Adventurer wird zum Starrahmen-Motorrad.

Wenn der Asphalt, auf dem die Triumph unterwegs ist, nicht wirklich topfeben ist, ist das Federbein auch solo gleich auf Anschlag, und das Hinterrad springt oft weit aus der Spur. Gut, daß die 900er ansonsten ein lammfrommes Motorrad ist. Das liegt auch an der passenden Ergonomie. Der Lenker ist eine gelungene Spezialität. Buckhorn? Riser? Von wegen. »Hirschgeweih« hieß solch ein Lenker in den Siebzigern. Doch dieser Hirsch hier läßt sich angenehm an den Stangen packen.

Die Griffe liegen ausgezeichnet zur Hand. Und zusammen mit dem niedrigen Sitzpolster und den - ebenfalls von der Thunderbird übernommenen - Fußrasten haben Fahrer oder Fahrerin die Adventurer prima im Griff. Doch wer partout einen niedrigeren Lenker fahren möchte - bitte schön: Der freundliche Triumph-Händler hat für die Adventurer einen flacheren Lenker als Anbaukit mit Stahlflexleitungen, Gaszügen und ABE für 158,91 Mark im Programm - und zwar, man ahnt es kaum, den serienmäßigen Lenker der Thunderbird. Motor, Fahrwerk und Anbauteile der Adventurer sind auch sonst mit denen der Thunderbird absolut identisch. Der Dreizylinder-Motor springt sicher an und läuft schnell rund, zieht schön durch und klingt phantastisch. Daß er auf Gas-Kommandos immer mit etwas Verzögerung reagiert und stets wie gegen Gummi läuft, dafür kann die Thunderbird aber nun nichts.

Tatsächlich hat die Adventurer ungeregelte Katalysatoren in den Auspuffkrümmern, die laut Triumph die Vorstufe des geregelten Katalysators darstellen. Wie diese Katalysatoren wirken, muß ein Abgas-Prüfstand erweisen. Hier läßt sich feststellen, daß die Kats weder einen negativen Effekt auf die Maximalleistung haben noch den Verbrauch in die Höhe treiben. Fünf Liter Super auf 100 Kilometer auf der Landstraße und acht Liter bei 140 km/h auf der Autobahn liegen auf der Höhe anderer »U.S.-Spec.«-Maschinen ohne Kat. Daß die Thunderbird-Bremsen an dem Cruiser einen positiven Eindruck hinterlassen, ist ebenso sicher wie die Tatsache, daß die Kontrolleuchten der Adventurer so schlecht sind wie die der Thunderbird. Daß aber die Verkaufszahlen der Adventurer trotzdem genauso hoch sein werden, wie die der Thunderbird weltweit seit Mai letzten Jahres sind - das kann einen bei den Übereinstimmungen zwischen beiden Maschinen eigentlich nicht mehr verwundern, oder?

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