Top-Test Suzuki SV 650

Top-Test Suzuki SV 650 And the beat goes on…

Suzuki renovierte sein Erfolgsmodell SV 650 von Grund auf. Die wichtigste Änderung: Der quirlige Twin erhielt eine Saugrohreinspritzung. Ob die Japaner auch sonst ein glückliches Händchen hatten, klärt der MOTORRAD Top-Test.

Geschafft, aber glücklich. Jeder Motorradfahrer kennt dieses Gefühl. Mehrere hundert Kilometer Landstraße hat man unter die Räder genommen, dann – endlich – sich und dem Motorrad die verdiente Pause gegönnt. Und lässt am Abend in der Stammkneipe beim erklärten Lieblingsgetränk den langen Tag Revue passieren. Alles lief wie am Schnürchen. Keine noch so vertrackte Kurvenkombination, die nicht gelingen wollte, keine heiklen Situationen, derer man nicht Herr geworden wäre. Schöner geht’s kaum. Ein seltener Moment der Zufriedenheit.
Dabei war’s diese Saison die erste Ausfahrt in heimatlichen Gefilden. Morgens zeigte das Thermometer noch erfrischend niedrige Temperaturen, der Asphalt der Hausstrecke glänzte an vielen Stellen noch verdächtig feucht, an anderen kündete ein weißgrauer Schleier vom letzten Salzstreuen der Straßenmeisterei. Motorradfahren lernt man jedes Frühjahr aufs Neue – diesen ebenso alten wie wahren Spruch seines Fahrlehrers hat der Autor noch genau im Ohr. Der alte Herr muss es wissen. Zählt inzwischen weit über 70 Lenze – und ist noch immer zügig und sicher unterwegs – mit einer stattlichen schweren Touren-900er.
Wie viel leichter und schneller könnte er sich fit machen mit einem Motorrad vom Schlage einer Suzuki SV 650. Eine für alles, eine die einem nichts krumm nimmt, es einem leicht macht. Die nach wenigen Metern die Sinne schärft und gewaltig Vertrauen ins eigene Fahrkönnen einflößt. Und einem die Zeit lässt, sich wieder vertraut zu machen mit der schönsten Nebensache der Welt.
Eigenschaften, die schon den Charakter der 1999 vorgestellten Vorgängerin kennzeichneten. Nun hat Suzuki nachlegt, seinen Mittleklasse-Bestseller grundlegend überarbeitet. Etwas Gutes noch besser machen – bei diesem Versuch erlitt schon manch erfolgsverwöhnter Hersteller Schiffbruch. Suchte Kompromisse, wo keine nötig waren, ließ bekannte Schwachstellen dafür außer Acht.
Suzuki dagegen umschiffte derartige Klippen gekonnt. Die Japaner nahmen sich zunächst der Gemischaufbereitung des 90-Grad-V2 an. Elektronische Saugrohreinspritzung statt Gleichdruckvergaser. Heute ein Muss. Nicht nur, weil es zum guten Ton gehört. Allein die strengeren Abgasnormen machen diese Investition nötig. Die SV 650 verfügt deshalb neben einem Sekundärluftsystem über einen ungeregelten Katalysator und erfüllt mit Leichtigkeit die Euro-2-Norm.
Doch die Einspritzanlage verhilft dem Twin zu weit mehr, nämlich spürbar mehr Temperament und Spritzigkeit. Gleich zwei Drosselklappen je Saugrohr kontrollieren die Gasströme, das Triebwerk präsentiert sich als wundervoller Kompromiss aus Kontrollierbarkeit und Aggressivität. Die Gleichdruckvergaser der Vorgängerin sorgten dagegen immer wieder für Kritik, weil sie beim Gasanlegen nach dem Scheitelpunkt der Kurve erst mit gewisser Verzögerung ansprachen. Keine Spur mehr von dieser Unart beim 2003er-Modell. Knackig reagiert der Twin auf die kleinsten Bewegungen der Gashand, Lastwechselreaktionen sind dabei spürbar, halten sich jedoch in tolerierbaren Grenzen.
Auf dem Leistungsprüfstand bestätigt sich der subjektive Eindruck. An der Kupplung verfügt die SV über quietschfidele 75 PS, sie übertrifft damit die offizielle Leistungsangabe um drei Pferdestärken. Dieses Mal wohlgemerkt mit dem korrekten, für Deutschland homologierten Steuergerät. Beim Fahrbericht (MOTORRAD 6/2003) steckte versehentlich das falsche in der Testmaschine. Damit leistete der kleine Twin zwar stramme 77 PS, genehmigte sich aber auch außergewöhnlich viel Sprit.
Bei dieser SV dagegen ist die Welt wieder in Ordnung: 5,0 Liter schluckte sie auf der Landstraße, ihrer ureigensten Domäne, das ist absolut okay. Ihre halbverschalte Schwester S, aerodynamisch im Vorteil, benötigt zwar etwas weniger, verlangt vom Piloten wegen ihrer betont sportlichen Sitzposition jedoch mehr Nehmerqualitäten. Die gänderte Ergonomie hat weitreichende Folgen. Nahezu gleiches Fahrwerk, gleicher Antrieb, dennoch zwei ganz unterschiedliche Charaktere. Die S wirkt erwachsener, ernsthafter, die nackte Version dafür quirliger und – wenn man so will – herrlich unvernünftig.
Halt, das verlangt jetzt nach einem kleinen Einschub. Einsteigermotorrad und Unvernunft, das scheint im ersten Moment nicht wirklich zu korrespondieren. Tut es aber. Weil Suzuki es bei seinem einzigartigen Mittelklassekonzept von Anfang auf raffinierte Weise geschafft hat, die SV 650 gekonnt aus der »Brot und Butter«-Ecke herauszuhalten. Das gilt für die Verarbeitungsqualität anbetrifft. Aber auch das Drumherum passt glänzend. Schon eine Klasse für sich, wie Suzuki die Sitzposition hinbekommen hat. Selbst große und schwere Menschen fühlen sich auf der kompakten und 195 Kilogramm leichten Suzuki auf Anhieb wohl.
Und dann der bereits erwähnte Motor. Eine echte Sahneschnitte. Im Verbund mit dem guten Fahrwerk mutiert die SV damit zu einem wirklichen Landstraßenfeger, dessen Supersportschreckwert erstaunlich hoch ist. Richtig gelesen. Es braucht dazu nicht zwingend einen radikalen Einzylinder österreichischer Herkunft. Nein, nein. Der mag über ein radikales, glashartes Fahrwerk verfügen. Gleichzeitig fehlt es besagten Singles aber schlicht und ergreifend an Dampf.
Wovon der Suzuki-Twin immer und überall reichlich parat hält. Nie beschleicht einen das Gefühl vermeintlicher Untermotorisierung. Nur mal zum Vergleich: Die gekonnt kurz übersetzte SV 650 verliert beim Durchzug von 60 auf 100 km/h auf ihre 1000er-Schwester nur wenige Zehntelsekunden. Das spricht Bände. Der Twin lässt quasi jede Gangart zu: Betont schaltfaul durch die Gegend schwingen und die Landschaft genießen oder bei Bedarf lustvoll das knorrig, jedoch präzise arbeitende Getriebe durchsteppen und dabei die fulminante zweite Luft über 6500/min genießen – akustisch entsprechend zornig und entschlossen vom für Zweizylinder so typischen Stakkato untermalt.
Vor der nächste Ecke lässt sich die Suzuki bei betont forscher Fahrweise ebenso lässig und zielgenau wieder einfangen. Die bekannte und bewährte Tokico-Bremsanlage am Vorderrad verlangt zwar nach erhöhter Handkraft, überzeugt aber mit einem klaren, harten Druckpunkt und formidablen Verzögerungswerten. Beim Einlenken mit noch gebremsten Vorderrad macht sich dann ein spürbares Aufstellmoment bemerkbar, das die Linienwahl allerdings kaum beeinträchtig. Immer wieder frappierend, wie eng und präzise die SV um trickreiche Kurven fährt, wie hoch die Haftungsreserven der neuen Erstbereifung Dunlop D 220 L dabei ausfallen. Einziger Kritikpunkt: Suzuki setzt weiterhin auf einen vorderen Reifen mit 60er-Querschnitt. Vor Jahren galt das als handlingfördernd. Dieses Doping braucht die wieselflinke SV aber gar nicht. Noch dazu verfügt dieser Reifen über eine sehr geringe Eigendämpfung.
Das wiegt doppelt schwer, weil die Gabel ihrerseits nach wie vor unterdämpft ist. Sie geht bei schneller Fahrweise und dementsprechend harten Bremsmanövern zu schnell auf Block. Gabelfedern mit einer etwas höheren Federrate – wie wäre es mit denen der SV 650 S ? – und ein anderes Gabelöl würden im Verbund mit einem Reifen in der gängigen Dimension 120/70-ZR 17 sicherlich Abhilfe schaffen. Aber vielleicht hat sich Suzuki diese Modellpflegemaßnahme ja bewusst in petto behalten. Damit es beim nächsten Mal an der SV 650 überhaupt noch etwas zu verbessern gibt.

So testet MOTORRAD - Preis-Leistungs-Verhältnis

MOTORRAD erklärt die einzelnen Kriterien der 1000-Punkte-Wertung (Teil 14)

Geld spielt keine Rolle, dieses Motto trifft wohl nur auf die wenigsten von uns Motorradfahrern zu. Die meisten müssen mit dem sauer Verdienten haushalten und erwarten daher zurecht beim Kauf ener neue Maschine auch einen entsprechenden Gegenwert. Wieviel PS, welchen Hubraum, welche Ausstattung oder Verarbeitung der Kunde bekommt, wird in den entsprechenden Kriterien bereits beurteilt, genau dafür gibt es schließlich die ausführliche Wertung mit insgesamt 42 Kriterien. Das Preis-Leistungs-Verhältnis soll ganz am Schluß der Wertungstabelle den finanziellen Aspekt ins Spiel bringen, quasi auf einen Blick widerspiegeln, welche Leistung insgesamt fürs Geld geliefert wird.Daher wird die bis dahin erreichte Gesamtpunktzahl durch den Preis dividiert. Dieser Faktor wird nach einer Tabelle in Punkte umgerechnet. Zum besseren Verständnis Zahlenbeispiele: Volle Punktzahl, also 40, gibt es für eine Maschine, die 5000 Euro kostet und auf eine gute Punktzahl von 610 (ohne Preis-Leistungs-Verhältnis) kommt. Die 6460 Euro teure SV 650 schafft 652 Punkte, was beim Preis-Leistungsverhältnis mit 21 Punkten belohnt wird. Damit liegt sie in diesem Kriterium ganz weit vorn.

Fazit - Suzuki SV 650

Da gibt’s nicht viel zu bekritteln: Die Erfolgsstory der Suzuki SV 650 geht in die nächste Runde. Ihr Twin ist schlicht und erreifend eine Klasse für sich. Dank Einspritung, U-Kat und SLS erfüllt sie locker die Euro-2-Norm. Noch dazu gibt es sehr viel Fahrspaß fürs Geld, das gebotene Preis-Leistungsverhältnis der SV 650 ist einzigartig.

Was sonst noch auffiel

Neue Erstbereifung Dunlop D 220 L: Sie bietet schon bei niedrigen Temperaturen ein gutes Haftungsniveau, fährt aber nicht ganz so neutral wie der Metzeler ME Z4, die bisherige Erstbereifung der SV 650. Dafür verbessern die Dunlop das Handling und die Zielgenauigkeit.Neue Einspritzung mit zwei Drosselklappen je Saugrohr. Die zweite wird per elektronischem Stellmotor gesteuert, sie erfüllt noch einen weiteren Zweck: Beim harten Zurückschalten aus hohen Drehzahlen erhöht die Elektronik mittels dieser Drosselklappe kurzfristig das Standgas, um ein Stempeln der Hinterrads zu minimierenTadelloses KaltstartverhaltenWegen einen geänderten Lenkanschlags vergrößert sich der Wendekreis der SV 650. Was vor allem im Stadtverkehr mitunter strörend auffällt.Die wichtigsten Unterschiede zur Suzuki SV 650 S: Geänderte Fahrwerksgeometrie mit längerem Nachlauf durch anderen Gabelbrückenversatz (26,5 statt 28 Millimeter), Gabelfedern mit einer geringeren Federrate, kürzere Sekundärübersetzung

Technische Daten - SUZUKI SV 650

Motor: Wassergekühlter Zweizylinder-Viertakt-90-Grad-V-Motor, Kurbelwelle querliegend, je zwei obenliegende, kettengetriebene Nockenwellen, vier Ventile pro Zylinder, Tassenstößel, Nasssumpfschmierung, elektronische Saugrohreinspritzung, Ø 39 mm, Motormanagement, ungeregelter Katalysator mit Sekundärluftsystem, E-Starter, Drehstromlichtmaschine 375 W, Batterie 12 V/10 Ah.Bohrung x Hub 81,0 x 62,6 mmHubraum 645 cm³Verdichtungsverhältnis 11,5 : 1.Nennleistung 53 kW (72 PS) bei 9000/minMax. Drehmoment 64 Nm (6,5 kpm) bei 7200/minSchadstoffwerte (Homologation)CO 2,01 g/km, HC 0,44 g/km, NOx 0,11 g/kmKraftübertragung: Primärantrieb über Zahnräder, mechanisch betätigte Mehrscheiben-Ölbadkupplung, Sechsganggetriebe, O-Ring-Kette, Sekundärübersetzung 45:15.Fahrwerk: Brückenrahmen aus Aluguss, Motor mittragend, geschraubtes Rahmenheck aus Alu-Profilen, Telegabel, Standrohrdurchmesser 41 mm, verstellbare Federbasis, Zweiarmschwinge aus Aluprofilen, Zentralfederbein mit Hebelsystem, verstellbare Federbasis, Doppelscheibenbremse vorn, schwimmend gelagerte Bremsscheiben, Ø 290 mm, Doppelkolbensättel, Scheibenbremse hinten, Ø 240 mm, Zweikolbensattel.Alugussräder 3.50 x 17; 4.50 x 17Reifen 120/60 ZR 17; 160/60 ZR 17Bereifung im Test Dunlop D220 LFahrwerksdaten: Radstand 1440 mm, Lenkkopfwinkel 65 Grad, Nachlauf 100 mm, Federweg v/h 130/137 mm.Service-DatenService-Intervalle alle 6000 kmÖlwechsel alle 6000 km /2,3 lmit Filter alle 18 000 km /2,4 lMotoröl SAE 10 W 40Telegabelöl SAE 5W20Zündkerzen NGK CR8E, ND U24 ESR-NKette 5/8 x 5/16, 108 RollenLeerlaufdrehzahl 1300±100/minVentilspiel Ein-/Auslass 0,10-0,20/0,20-0,30 mmReifenluftdruck Solo (mit Sozius)vorn/hinten 2,3/2,5 (2,3/2,5) barGarantie zwei Jahre ohne KilometerbegrenzungFarben Silber, Blau, SchwarzLeistungsvarianten 25 KW (34 PS)Preis 6330 EuroNebenkosten 130 Euro

MOTORRAD-Messungen

Fahrleistungen1Höchstgeschwindigkeit* 200 km/hBeschleunigung 0-100 km/h 3,6 sek0-140 km/h 6,8 sekDurchzug 60-100 km/h 4,8 sek100-140 km/h 6,1 sek140-180 km/h 6,8 sekTachometerabweichung Anzeige/effektiv 50/48, 100/97 km/hKraftstoffart NormalVerbrauch im Testbei 100 km/h 5,0 l/100 kmbei 130 km/h 6,0 l/100 kmLandstraße 5,1 l/100 kmTheoretische Reichweite 333 kmMaße und GewichteL/B/H 2150/ 800/1250 mmSitzhöhe 810 mmWendekreis 5950 mmGewicht vollgetankt 195 kgZulässiges Gesamtgewicht* 400 kgZuladung 205 kgRadlastverteilung v/h 47/53 %Tankinhalt* 17 LiterMOTORRAD Messwerte²Bremsen und FahrdynamikBremsmessungBremsweg aus 100 km/h 39,4 Meter Mittlere Verzögerung 9,8 m/s² Bemerkungen: Harter Druckpunkt bei dennoch guter Dosierbarkeit. Geringfügig schlechtere Verzögerungswerte als mit der Vorjahresbereifung ME Z4. Gabel geht auf Block.Handling-Parcours I (schneller Slalom)Beste Rundenzeit 20,6 sek vmax am Messpunkt 102,5 km/h Bemerkungen: Das spielerische Handling ermöglicht der SV 650 ein schnelles Umlegen bei geringen Lenkkräften. Positiv das straffere Heck, negativ ist immer noch die unterdämpfte Gabel. Handling-Parcours II (langsamer Slalom)Beste Rundenzeit 27,9 sek vmax am Messpunkt 55,6 km/h Bemerkungen: Der Tourensportreifen Dunlop D 220 L baut sehr schnell Haftung auf, schon nach den ersten Bögen kann in maximaler Schräglage um die Pylonen gefahren werden. Sehr enger Bogen am Umkehrpunkt möglich. Kreisbahn ( 46 MeterBeste Rundenzeit 10,8 sek vmax am Messpunkt 51,9 km/h Bemerkungen: Deutlich spürbares Aufstellmoment beim Bremsen. Beim Überfahren der Bodenwelle liefert der 60er-Vorderreifen in maximaler Schräglage zu wenig Eigendämpfung, weshalb das Vorderrad abheben kann. * Herstellerangaben; 1 Messbedingungen: Temperatur 10 Grad, leichter Wind, Messort Neuhausen o. E.;² MOTORRAD-Testparcours, Werte von Handlingkurs und Bremsentest aus den drei besten Fahrversuchen gemittelt

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