Vergleichstest Honda Hornet, Suzuki GSF 600 S Bandit, Yamaha FZS 600 Fazer

Vergleichstest Honda Hornet, Suzuki GSF 600 S Bandit, Yamaha FZS 600 Fazer
Schluß mit Lustig

Veröffentlicht am 26.04.1998

Es sah fast so aus, als sei die Konkurrenz in Ehrfurcht erstarrt. Seit 1995 erklomm die 600er Bandit einen Zulassungsgipfel nach dem anderen. Ein so durchschlagendes Konzept, daß die Suzuki-Manager schnell noch eine dicke 1200er Variante nachlegten. Und keiner der sonst so findigen japanischen Wettbewerber schien Willens oder in der Lage zu sein, diesem Treiben mit einem ähnlich erfolgversprechenden Motorrad ein Ende zu setzen. Dabei ist das Bandit-Rezept ebenso einfach wie genial: Man nehme einen robusten, ausgereiften und dabei höchst ansehnlichen 600er Vierzylindermotor, stecke ihn in ein ausgewogenes Fahrwerk mit guten Bremsen, verpasse dem Motorrad ein gefälliges, zeitloses Äußeres und schone vor allem den Geldbeutel seiner Kundschaft. Dafür stehen die Bandits, sei es nun die große 1200er oder wie in diesem Vergleichstest die kleine GSF 600 mit dem Zusatz S, also die halbverschalte Variante.
Nun endlich präsentieren Honda und Yamaha Antworten auf Suzukis Bestseller, wollen die Hornet und die FZS 600 Fazer die Bandits dieser Welt ins Aus schießen oder – freundlich ausgedrückt – aufs wohlverdiente Altenteil schicken. Rein äußerlich zwei völlig unterschiedliche Motorräder. Die Honda Hornet kommt spartanisch-rustikal daher. Ein markantes Motorrad, schon allein wegen der hochgezogenen Auspuffanlage, der extrabreiten Bereifung in Fireblade-Dimensionen oder des wild zerklüfteten wassergekühlten Vierzylinders, der aus der 1995er CBR 600 F stammt. Zwecks besserem Durchzug verfügt das Hornet-Triebwerk über kleinere Vergaser und einen geänderten Luftfilterkasten. Auch die Yamaha-Techniker nahmen Anleihen an Bewährtem, jedenfalls, was den Motor der Fazer angeht. Dessen Basis liehen sie sich kurzerhand beim vollverschalten 600er Supersportler YZF – besser bekannt als Thundercat – aus, und modifizierten Zylinder und -kopf. Im Vergleich zum Hornet-Antrieb wirkt dieses Triebwerk kompakter, genau wie das gesamte Motorrad. Kaum zu glauben, daß die Honda satte 20 Kilogramm weniger auf die Waage bringt als die Fazer.
Solche Motorräder verlangen nach Kurven, möglichst enge, möglichst viele. Jeder in der Redaktion kennt natürlich eine noch bessere Teststrecke: Schwäbische Alb, Schwarzwald oder lieber doch in die Vogesen? Nix da, der Wettergott spielt nicht mit, der Winter kehrt Mitte März nach Stuttgart zurück. Schneetreiben, Temperaturen knapp über Null. Also schnell den Transporter packen und in Windeseile nach Frankreich brausen, genauer gesagt ins Tal der Ardeche. Welch glückliche Fügung. Wo sich im Sommer zigtausende Touristen am Busen von Mutter Natur laben, sich eine Karawane aus Moutain-Bikern, Mopedfahrern und Blechkarrossen durch das Kurvengeschlängel quält, herrscht zu dieser Jahreszeit fast gespenstische Ruhe.
Mit der ist es aber nach dem Entladen des Busses vorbei. Zumindest für zwei Tage. Raus mit den Bikes, die Kombis und Helme übergestreift und dann nichts wie hineingerauscht ins Kurvenlabyrinth, daß mit einem so griffigen Belag gesegnet ist, der mancher Rennstrecke gut zu Gesicht stehen würde. Drei eilige Daumen drücken die Anlasserknöpfe, problemloses Kaltstartverhalten bei allen drei, auch wenn der Choke bei der Bandit etwas länger gezogen bleiben muß. Motoren und Reifen warmfahren, schnell gewöhnt sich das Trio an die neue Umgebung und gibt kräftig Gas. Und schwubs, weg ist sie, die Fazer. Keine Chance für den Hornet-Treiber, den Anschluß zu halten. Weniger Gewicht, annähernd gleiche Leistung, trotzdem fährt die Yamaha scheinbar mühelos auf und davon. Und zu allem Überfluß zeigt auch noch die nominell schwächere Bandit keck ihr Vorderrad, folgt der Honda scheinbar mühelos. Da läuft etwas gewaltig schief. Den Hornet-Fahrer plagen Selbstzweifel. Endlose Kurven später steht die Fazer bereits auf einem Parkplatz. Höchste Zeit für einen Wechsel. Nichts wie rauf auf die Yamaha. Wäre doch gelacht, wenn es nicht besser klappt. Und siehe da, das Umsteigen lohnt sich. Der Vorsprung der Yamaha ist im wahrsten Sinne des Wortes erfahrbar. Einwandfreies messerscharfes Handling und eine entspannte Sitzposition, wenn auch der Knieschluß am schmalen Hornet-Tank besser gelingt. Trotzdem: Auf der Fazer paßt alles auf Anhieb. Schonungslos offenbart sie die Schwächen der Honda. Die Yamaha läßt sich schon nach wenigen Metern leicht und präzise um Kurven zirkeln. Die Bandit kann das auch ganz prima, aber mit der Hornet fällt es wesentlich schwerer. Beim Griff ins Honda-Teilelager scheint für die Techniker aufregendes Design vor praktischem Nutzen gestanden zu haben. Anders läßt sich die überbreite Reifenwahl nicht erklären. Als sei ein 180er Schlappen auf dem Hinterrad für eine 600er nicht schon etwas overgaged, dreht sich vorne auch noch eine 16-Zoll-Felge mit einem dicken 130er. Das erschwert einen sauberen Strich, vor allem mit der Erstbereifung Bridgestone BT 50. Mit der Alternativbereifung Michelin TX 11/23 klappte das bei der ersten Präsentation der Hornet besser. Trotzdem, die breiten Pneus machen das Potential dieses Motorrads zu nichte. Zudem nervt das ausgeprägte Aufstellmoment beim Bremsen in Schräglage ebenso wie der dezent wegrubbelnde Hinterreifen in Kurven mit schlechtem Belag. Was am etwas überdämpften Federbein liegen muß. Mit zwei Personen besetzt fährt die Hornet jedenfalls lammfromm. Warum einfach, wenn’s auch kompliziert geht, lautete offenbar das Motto der Honda-Entwickler. Sie hätten ja nur die Felgen nebst Reifen der CBR 600 F übernehmen müssen. Die rollt seit Jahr und Tag wunderbar und erfolgreich auf den Dimensionen 120/60-17 vorn und 160/60-17 auf dem Hinterrad durch die Lande. MOTORRAD wird schnellsmöglich schmalere Reifenpaarungen auf der Hornet ausprobieren, denn die hintere fünf Zoll breite Felge verträgt ohne Probleme einen 160er-Pneu.
Wie’s besser klappt, zeigen die Fazer-Macher. Bei der Yamaha genügen sogar ein 110er Vorder- und ein 160er Hinterreifen auf gängigen 17-Zoll-Felgen. Und auch die Bandit behält ihrer klare Linie dank eines schmalen 150er Hinterreifens. Daß die Suzuki der Hornet nicht komplett ihre Grenzen aufzeigt, liegt zum einen am schwächeren Motor, aber in der Hauptsache an ihrem Fahrwerk. Obwohl bei diversen Tests kritisiert, sieht Suzuki keinen Handlungsbedarf. Im Gegenteil, die Telegabel des Testexemplars zeigt sich diesmal extrem schlapp. Schon beim Abbocken vom Hauptständer versinken die Bandit-Tauchrohre fast auf Nimmerwiedersehen. Beim scharfen Anbremsen vor Kurven geht die Gabel logischerweise viel zu schnell auf Block. Das lasche hintere Federbein plagt sich im Zweipersonenbetrieb beim Durchfahren von welligen Passagen mit ähnlichen Problemen herum. Bei zügiger Fahrt liegt die soft abgestimmt Bandit am zappeligsten auf der Bahn. Zudem leidet die Schräglagenfreiheit der Suzuki gewaltig: Vor den Fußrasten setzen in schöner Regelmäßigkeit der Haupt- und Seitenständer und der Auspuffkrümmer auf. Schlechte Angewohnheit.
Ganz im Gegensatz zur Honda Hornet. Da kratzen nur die Fußrasten. Vorbildlich. Bei der sportlich-straff und rundum gelungen abgestimmten Fazer wanderten nach kurzer Zeit die extralangen Angstnippel von den Rasten in das große Staufach unter der leicht abnehmbaren Sitzbank. Diese Dinger schrabbeln nicht nur viel zu früh über den Asphalt, sondern versetzen auch noch kräftig das Hinterrad. Hat da jemand den Grip der Erstbereifung Dunlop D 207 unterschätzt?
Die von Yamaha vorgesehene Alternativ-Erstbereifung Bridgestone BT 57 konnte dagegen nicht überzeugen. Da wirkt die Fazer plötzlich zappelig. Doch die Dunlops passen bestens zu einem sportlichen Landstraßenfeger. Ebenso, wie der 98 PS starke, äußerst spontan ansprechende und druckvolle Motor. Will man auf der Bandit zügig vorankommen, dann bedarf es fünfstelliger Drehzahlen, der Yamaha-Vierzylinder dagegen zieht bereits aus dem Keller sauber durch – und gibt sich dabei auch noch sehr genügsam. Zusammen mit dem perfekt abgestuften, mitunter jedoch etwas hakeligen Thundercat-Getriebe ein echter Überflieger. Die Hornet dagegen leidet ein wenig unter ihrer zu langen Übersetzung: im sechsten Gang auf theoretische 277 km/h. Ihr Motor säuft dazu auch noch über Gebühr. Und der Bandit fehlen eben mindestens zehn PS, um mit den beiden Herausforderinnen mithalten zu können.
Durchaus noch konkurrenzfähig zeigt sich die Suzuki, wenn’s ans Bremsen geht. Die vordere Doppelscheiben-Anlage arbeitet zwar mit etwas schwammigem Druckpunkt, aber ansonsten tadellos. Was in Sachen Verzögerungsmittel derzeit machbar ist, zeigt die Fazer: Die vordere Doppelscheibenanlage spricht perfekt an und verzögert vehement.
Dagegen enttäuschen die Bremsen der Hornet. Zwar setzt Honda auf die gleiche Doppelkolbenanlage von Nissin, zigtausendfach bewährt in der CBR 600 F. Um so erstaunlicher, daß die Hornet-Bremse schlechter reagiert und sich nur schwer dosieren läßt. Das zahme Ansprechverhalten ist laut Honda-Pressesprecher Klaus Wilkniß genauso gewollt und soll mit den geänderten Bremsbelägen zu tun haben. Honda VTR-Fahrer wissen ein Lied davon zu singen. Honda bremst sich mit dieser Verzögerungs-Philosophie selber aus. Vor allem im Zweipersonenbetrieb bedarf es nämlich einer sehr ausdauernden und kräftigen rechten Hand, um auf der Hornet akzeptable Verzögerungswerte zu erzielen. Mit von MOTORRAD kurzfristig getesteten CBR 600 F-Bremsbeläge spricht die Bremse jedenfalls viel besser an.
Vielleicht denkt man in Offenbach dann gleich noch über eine andere Modellpflegemaßnahme nach: Bei der Hornet wird schmerzlich ein Hauptständer vermißt, Standard bei Fazer und Bandit. Daß die Hornet ohne schützende Verkleidung daherkommt, geht dagegen in Ordnung. Auch wenn die Halbschalenverkleidungen der Konkurrentinnen ihre Piloten ab 140 km/h spürbar vom Fahrtwind entlasten. Nein, der fehlende Windfang spart Gewicht und paßt irgendwie zum puristischen Design der Honda, der moralischen Verliererin dieses Tests, denn der Abstand zur Bandit ist überraschend gering. Die Fazer dagegen fährt einen deutlichen Triumph ein. Größte Manko der Testsiegerin: Sie ist nicht gut zu Beifahrern. Den Notsitz sollte man allerhöchsten seiner Schwiegermutter anbieten – und das auch nur, wenn man die nicht mag.

1. Platz - Yamaha Fazer

Sie kam, sah, siegte – und das mit einem beeindruckenden Vorsprung. Yamaha tritt mit der Fazer erfolgreich den Beweis an, daß günstig nicht gleichbedeutend mit billig sein muß. Ihre Verarbeitung hinterläßt einen guten Eindruck. Und auch bei den Anbauteilen hat Yamaha nicht gespart: Super Bremsen, eine sportliche Erstbereifung. Dazu ein sparsamer Vierzylindermotor, der bereits bei niedrigen Drehzahlen kraftvoll zupackt und ein tadelloses, unkompliziertes Fahrverhalten. Superbike-Schreckwert der Fazer? Sehr hoch.

3. Platz - Suzuki Bandit

Sie gerät ins Hintertreffen, die kleine Bandit, vor allem, weil man ihren Motor kräftig hochdrehen muß, um den beiden anderen zu folgen. Trotzdem ist sie ein gutes und vor allem preisgünstiges Motorrad. Leider nervt wieder einmal die viel zu schlappe Fahrwerkabstimmung. Fast scheint es, Suzuki hätte noch nie etwas von progressiven Gabelfedern gehört. Und auch das Federbein gehört ins Museum. Überzeugend: ihr neutrales Fahrverhalten und die entspannte Sitzposition. Auf Suzukis Antwort auf die Fazer darf man gespannt sein.

2. Platz - Honda Hornet

Eigentlich ein gutes Motorrad mit einem gewagten, eigenständigen Design, diese Hornet. Dazu die leichteste Maschine im Test. Sie hat großes Potential. Doch irgendwie wirkt sie nicht ganz zu Ende gedacht. Warum hat man die Hornisse ausgerechnet auf diese ultrabreiten Reifen gestellt? Der 180er-Hinterreifen macht vielleicht vor der Eisdiele was her, führt aber auf welligen Pisten zu einem störrisch und kippelig Fahrverhalten. Und die stumpfen Bremsen begeistern auch nicht gerade. Stoff genug für die nächste Modellpflege.