Vergleichstest Naked Bikes

Vergleichstest Naked Bikes Musik, 2, 3, 4, ...

Rap statt Harmonien, Hardrock statt Easy listening. Wenn vier Zwei-, zwei Drei- und zwei Vierzylinder-Naked-Bikes ihren Auftritt inszenieren, wird der Rhythmus infernalisch. Alles klar? Die Power-Big-Band steht bereit.

Musik, 2, 3, 4, ... fact

Am Anfang schien alles ganz einfach. »Jungs, die neue Yamaha FZ1 ist da, wir müssen unbedingt einen Vergleichstest machen«, wirft Testchef Gert Thöle bei der morgendlichen
Besprechung in die Runde. »Am besten mit der BMW K 1200 R, die hat auch reichlich Power.« Klar, ein Doppeltest, warum nicht? In dem Moment platzt Norbert zur Tür herein. »Die Monster S4Rs
ist doch auch nagelneu, nehmt die doch gleich mit.« Hm, okay. »Na wenn schon Zweizylinder, dann die KTM Superduke.
Die ist ja wohl das Fun-Gerät schlechthin.« Karsten mischt sich lautstark ins Geschehen ein. »Ja, aber die Aprilia Tuono hat doch das viel geilere Fahrwerk«, gibt Norbert zu bedenken. »Wenn’s
um Spaß geht, dann muss die Morini Corsaro mit.« Mini Kochs Augen glänzen.
Die Stimmen überschlagen sich. Gert kommt ins Grübeln. »Also die Benelli TnT, die darf nicht fehlen, die kickt so richtig.« Seine letzten Worte gehen im Protestgebrüll der versammelten Testmannschaft unter, die nun auch die Beteiligung der Triumph Speed Triple einfordert. Gert spricht ein Machtwort: Es gibt schließlich Grenzen. Diese acht Maschinen sollten es sein. Zwei-, Drei- und Vierzylinder. Basta.
Und wo bleibt die Kawa Z 1000, die Buell Lightning, die MV Brutale, die MZ 1000 Fs? Zu Hause, vorerst. Und doch zeigt diese Fülle: Naked Bikes sind hochgradig angesagt.
Blende. Der Speed-Achter läuft in einem kleinen Hotel in Südfrankreich ein. Gleich am nächsten Tag soll die Truppe in drei Gruppen – sauber getrennt nach der Zylinderzahl – die Passstraßen hinaufstürmen. Am nächsten Morgen hält es die Meute kaum am Frühstückstisch. Kurz am Café au lait genippt, das Croissant muss warten. Denn die Berge rufen. Bis später, Jungs. Treffpunkt High Speed Club Le Castellet, 17 Uhr.

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Vergleichstest Naked Bikes Musik, 2, 3, 4, ...
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Doppel–Bass

Was, schon um 17 Uhr im High Speed Club? Jungs, da
holen wir uns auf der Terrasse ’nen Sonnenbrand und... Zu spät, die Drei- und Vierzylinderfraktion hat bereits die Biege gemacht. Na gut, dann eben keine Minute verlieren. Wir rollen auf dem Klangteppich der wummernden V2-Motoren aus dem Innenhof des Hotels. Nur Joachim mit der Moto Morini orgelt noch.
Erst zu Hause werden wir erfahren, dass bei den Händlern ein neu programmiertes Steuergerät auf die aktuelle Corsaro wartet.
Doch an zu Hause denkt kein Mensch. Schon gar nicht
auf diesen Naked Bikes, die alles dafür geben, um sich ekstatisch von Kehre zu Kehre zu schwingen. Und die ihr Vau-Zwo-Konzept
erstaunlich individuell ausleben. Die Aprilia Tuono, 60 Grad
Zylinderwinkel und für 2006 frisch renoviert mit polierter Bananenschwinge, aggressiver Lenkerverkleidung, flacherem Tank, überarbeitetem Zylinderkopf und zwei Schalldämpfern. Oder die brandneue Ducati. Das kleine s hinter dem Modellkürzel S4R:
pures Understatement. Denn im versteiften Gitterrohrrahmen der Monster sitzt der Testastretta-Motor aus der 999. Auch sonst alles Upperclass. Federleichte Schmiederäder, nobles Öhlins-Fahrwerk, schnieke Einarmschwinge, Karbon an allen Ecken und Enden.
Zylinderwinkel? Bei Ducati ein Glaubensbekenntnis: 90 Grad.
Auf 75 Grad Bankwinkel setzt der KTM-Motor. Die Superduke darf ruhig unverändert bleiben, hat schließlich erst in der vergangenen Saison mit ihrer Radikalität die Szene schockiert. Was die frisch auf die Gussräder gestellte Moto Morini erst noch vorhat. Mit 1200 cm3 Hubraum das Big Bike unter den Einliter-Eckenwetzern, sitzt der massige Kurzhuber im filigranen Gitterrohrrahmen mit Alu-Gussschwinge und streckt die beiden oberschenkeldicken Schalldämpfer selbstbewusst aus dem steil aufragenden Heck. Ach so, Zylinderwinkel: 87 Grad.
Col de l’Espigoulier, sieht so der Eingang zum Paradies aus? Ein Blick nach oben gibt die Antwort: Ja! Kurven, Kehren, Serpentinen, so hoch das Auge reicht. Ein Terrain, auf dem mehr als nackt schon overdressed ist.
Sven auf der Aprilia hat sich nach vorn geschoben. Klar, schließlich pocht der Pulsschlag des Superbikes RSV 1000 R
in der Tuono. Woran die hoch angebrachten Fußrasten und die
in Verbindung mit dem breiten Lenker etwas zu weit nach hinten gerückte Sitzposition erinnern. Unweigerlich neigt sich der Oberkörper in den Kurven nach vorn, um Druck auf die Front auszu-üben. Davon abgesehen die pure Lust. Wie auf Schienen kracht die Tuono um die Ecken, liegt satt auf dem Asphalt, flößt Vertrauen ein. Erst wenn das Geläuf maroder, die Kehren enger werden, erzwingt der 190er-Hinterradreifen – die anderen Zweizylinder
rollen auf 180er-Pneus – einen weiteren Radius. Macht nichts, denn der Zweizylinder mag’s ohnehin schwungvoll, fühlt sich erst ab 6000/min wohl und will ungeniert gedreht werden. Die straff abgestimmte Federung bietet genügend Reserven, der serienmäßige Lenkungsdämpfer schont das Nervenkostüm auf der Wellenbahn. Attacke! Die radial verschraubten Brembo-Bremssättel mit je vier Einzelbelägen beißen vor der nächsten Kehre gewaltig zu.
Was? Stefan auf der Superduke ist noch dran? Verständlich, schließlich positioniert keine ihren Dompteur so aggressiv wie die KTM. Ellbogen hoch, Sitzmulde weit vorn. Gut so. Denn das kantige Bike lässt sich regelrecht in die Kurven fallen, vermittelt in jeder Sekunde: Du bist der Herr der Lage. Die Leichtigkeit des Seins, die KTM projiziert sie in Vollendung auf den Asphalt. Die aktuelle Ausgabe der WP-Gabel spricht sensibel an, das direkt angelenkte und sportlich straff gedämpfte Federbein sorgt für glasklare Rückmeldung. Fordert geradezu heraus, auch auf zerrüttetem Terrain dem quicklebendigen Motor Leine zu geben.
Und er bedankt sich artig, kaschiert gekonnt, dass ihm zur stärksten Zweizylinder-Konkurrenz, der Corsaro, immerhin gemessene 18 PS fehlen. Drückt selbst aus niedrigen Drehzahlen kultiviert voran und läuft zwischen 5000 und 9500 Touren zur Hochform auf. Aber für die Superduke zählen auch andere Werte. Verschärftes Bremsen zum Beispiel. Ohne modische Radial-Bremssättel, dafür mit Radial-Bremspumpe verzögert die KTM brachial.
Aber damit ist vorerst Schluss. Stefan rollt aus. Die Super-duke muckst nicht mehr. Batteriekabel abvibriert. Notreparatur, anschieben, sie rennt wieder. Allerdings wird die Erinnerung an so manche Macke der Dauertest-Adventure (MOTORRAD 16/2005) wieder wach, wirft den Schatten der Ernüchterung auf dieses so emotionsgeladene Konzept.
Die Moto Morini von Joachim zeigt sich solidarisch und schnappt überfettet bei Standgasdrehzahl ebenfalls ab. Nun, das Steuergerät. Joe schwärmt trotzdem. Dieser Motor: ein Traktor
auf zwei Rädern. Drückt die Italienerin mit sonorem Schlag ab Standgasdrehzahl vehement nach vorn, lässt das gut schaltbare Getriebe fast vergessen. Drehzahlniveau? Egal, bei diesem Berg an Drehmoment und satten 137 PS Spitzenleistung genügt ein
Zucken am Gasgriff, und die Corsaro hebt die Front. Oder beim Anbremsen: Prima, dass ihr eine einwandfrei funktionierende Anti-Hopping-Kupplung mit auf den winkligen Weg gegeben wurde. Apropos winklig. Auch die Corsaro mag’s kurvig. Das hohe Heck verkürzt den Lenkwinkel und lässt die Freibeuterin wieselflink um die Ecke biegen. Obwohl das erhabene Hinterteil wohl eher eine Notlösung ist, um trotz der zu weichen Feder noch genügend
Federweg in petto zu haben. Ansonsten: Sitzposition à la KTM, die Bremsen einen Tick weniger aggressiv, die Marzocchi-Gabel fein ansprechend, und auf den Geraden bleibt die Corsaro sogar ein gutes Stück ruhiger als die Konkurrenz.
Schon 16 Uhr. Au weia. Frohnatur Robert auf der Ducati schaut zerknautscht aus. Die Sitzposition passt ihm nicht. Die Monster zwingt ihn, sich gebückt zu den nach unten gekröpften Lenkerenden zu hangeln, lässt lässiges Naked-Bike-Feeling erst gar nicht aufkommen und nimmt ihm gerade in den engen Kehren viel Übersicht. Dennoch bleibt Robert an den anderen dran. Der Testastretta-Motor schiebt zwischen 4000 und 9000 Umdrehungen ordentlich an, vibriert kaum, verlangt beim Schalten aber nach
einem kräftigen Händedruck am Kupplungshebel.
Eine Serie von Wechselkurven. Unaufgeregt lässt sich die
Duc hin- und herschwingen, verlangt für den Tanz etwas mehr Schenkeldruck als die agile Konkurrenz, saugt mit den sensiblen und sehr weich gedämpften Öhlins-Federelementen dafür jedes Schlagloch rückstandslos auf. Bis die nächste Kurve der Kombo ihre Grenzen aufzeigt. Beim harten Anbremsen geht die Gabel
fast auf Block, bietet auf der Rüttelpiste nur noch wenig Reserven. Und allzu weit bremst Rob mit der übrigens sehr wirkungsvollen Brembo-Radialbremse erst gar nicht in die Kurven hinein. Weil
die Monster mit der Bridgestone-BT 014-Paarung wenig harmoniert und sich in Schräglage spürbar aufstellt. Warum wohl bei der Präsentation der S4Rs auf der Rennstrecke Michelin Pilot Power montiert waren?
Noch immer grübelt Rob darüber nach, weshalb die Konkurrenz so viel agiler erscheint, so viel edle Zutaten kein gelungenes und homogenes Ganzes ergeben oder ob das Grundkonzept der Monster seit 1993 nicht doch etwas in die Jahre gekommen ist.
Le Castellet. Rooob, nicht grübeln. Zu spät, wir biegen ab. Und auch Rob wird irgendwann in den Rückspiegel schauen.

Medium-Terzett

Knopfdruck, kurzes Knurren, und ungeduldig brabbeln die
Triumph und die Benelli an diesem Morgen vor sich hin.
Die Vierzylinder-Truppe ist längst über alle Berge. »Macht nix,
die holen wir schon wieder ein«, grinst Sven auf der Triumph. Na dann, Gang rein und ab. Geschmeidig witscht die Speed Triple durch die verstopften Straßen des südfranzösischen Örtchens. Relaxte Sitzposition, Gas und Kupplung flutschen leichtgängig, und der Drilling schnurrt sanft wie ein Kätzchen.
Mehr Ecken und Kanten offenbart die Benelli. Nicht nur
im Kniebereich an den Tankflanken. Die Kupplung verlangt nach einer kräftigen Hand, der Gasgriff ebenso, und die Leerlaufsuche im knorpeligen Getriebe erfordert etwas Konzentration. Nebensächlich, sobald das Ortsende hinter einem liegt. Wuchtig tritt
der Drilling an. Knurrend, fauchend, raspelnd zerrt die TnT an der Kette. Bei 4000/min scheint ein wohliger Schauer durch das
ganze Bike zu laufen. Die Benelli ändert ihre Tonlage, das Auspuff-geräusch – neuerdings verhindert übrigens ein kurzer Schnorchel erfolgreich die Verwirbelung des Abgasgestanks hinter dem
Fahrerrücken – schwillt zu einem heiseren, zornigen Brüllen an. Begleitet von fantastischem Schub.
Auf gut planierten, lang gezogenen Bögen zieht die Benelli
wie am Schnürchen ihre Bahn. Die äußerst straff gedämpften, voll einstellbaren Federelemente lassen keinerlei Unruhe aufkommen. Bis das Sträßchen nach und nach schmaler wird und sich in kunstvoll verschlungenen Bögen mit leicht ausgefressenem Belag den Berg hinaufwindet. Zwar spricht die Gabel fein an. Rechter Komfort will trotzdem nicht aufkommen. Zu straff die Dämpfung der Federelemente, trotz voll geöffneter Druckstufe hinten.
Dennoch bolzt die TnT geradezu stoisch, völlig unbeeindruckt von irgendwelchen Verwerfungen über den ausgefransten Asphalt. Da kann es schon mal passieren, dass eine Kehre schneller als geplant angeflogen kommt. Was allerdings weder die durchschlagresistente Gabel noch die hervorragend zupackenden Brembos vor ernsthafte Probleme stellt. Millimetergenau trifft die TnT die Kurve. Und an deren Ende wartet wieder dieses herrlich mächtige Trumm von Dreizylinder auf seinen röhrenden Auftritt. Hahn spannen und – hallelujah.
Einziger Wermutstropfen: Die Speed Triple klebt hartnäckig am Hinterrad. Selbst wenn sie im Drehzahlkeller nicht ganz mit
dem wuchtigen Antritt der Benelli gesegnet ist, der britische
Dreizylinder geht ebenfalls wie’s Messer. Lässt sich knapp über Leerlaufdrehzahl samtig ans Gas nehmen, brilliert mit bärigem Durchzug, tadelloser Laufruhe und prickelnder Drehfreude.
Auf diesem Terrain spielen die Dreizylinder ihren konzeptionellen Vorteil gegenüber den Twins und Fours voll aus: saubere Gasannahme und geschmeidiger Durchzug ab Standgas, temperamentvoll verabreicht. Dazu glänzt vor allem die Triumph mit einem zwar nicht ganz so knackig-straff abgestimmten, aber nahezu perfekt ausbalancierten Fahrwerk. Sie lässt sich spielerisch bis
in tiefste Schräglagen abwinkeln, trotzt noch souveräner Bodenwellen und fährt am Kurvenausgang wesentlich engere Linien als die hinten mit einem 190er-Reifen bestückte Benelli.
Kinderleichtes Handling und die traumhafte Neutralität in Schräglage ergeben eine Mischung, der die TnT nicht viel entgegenzusetzen hat. Auch nicht in der Bremszone. Denn dort
ist die Triumph ebenfalls eine Macht. Ihre überarbeiteten Nissins
packen äußerst deftig zu, fadingfrei und perfekt dosierbar.
Wie gemacht, um in Schräglage weit bis in den Kurvenscheitel hinein zu verzögern. Was Sven wenig später voll auskostet und auf der Bremse innen vorbeiwitscht – wahrscheinlich mit einem diebischen Grinsen im Gesicht.

Quattro–Phonie

Die eine wird von einem modifizierten 150-PS-Superbike-Triebwerk befeuert, die andere kokettiert ganz ungeniert
mit ihrer Power von 163 PS aus 1,2 Liter Hubraum als stärkstes Naked Bike. Geht es um pure Leistung, sind die Vierzylinder
der Yamaha FZ1 und der BMW K 1200 R ganz dick im Geschäft. Obwohl, ganz so heftig, wie die Papierform und das martialische Auftreten erwarten lassen, kommt es dann doch nicht. Die BMW bescheidet sich mit gemessenen 148 PS, die Yamaha mit deren 144. Etwa nicht genug?
Von wegen. Denn ordentlich gezwiebelt, geht hier ganz schön was. Insbesondere auf der BMW. Der Bayern-Express prescht
bei hohen Drehzahlen gewaltig voran, zieht in schnellen, langen Bögen stabil wie ein ICE seine Bahn. Langer Radstand, tiefer Schwerpunkt und die gelungene Fahrwerksabstimmung geben dem ungemein komfortabel untergebrachten Fahrer das Gefühl unbedingter Stabilität. Dazu muss nur einfach im vom Lenker
aus bedienbaren, elektronisch einstellbaren ESA-Fahrwerk der »Sport«-Modus gewählt werden, und ab geht die Post.
Die Yamaha aber immer im Schlepptau. Ihr Vierzylinder kann seine Abstammung von einem Sportmotor nicht leugnen, ist heiß auf Drehzahlen. Bekommt er die Sporen, gibt er kräftig Zunder. Das stabile Alu-Chassis, eine ellenlange Schwinge sowie die straff abgestimmten Federelemente haben mit der gebotenen Power wenig Mühe. Wenngleich der Pilot durch den kurzen, jedoch
breiten Tank und die nicht optimal platzierten Rasten nicht
den Komfort des BMW-Treibers genießt, so lässt es sich trefflich über gut ausgebaute Trassen glühen.
Wenig später freilich geht es im gestreckten Galopp eine verwinkelte Bergrennstrecke die Anhöhe hinauf. Der Belag so lala, die Kurven der helle Wahnsinn. Unbeirrbar pflügt die BMW dank Telelever und Lenkungsdämpfer selbst über pockennarbige
Abschnitte. Angesichts ihres Gewichts und Radstands arbeitet sich die K 1200 R angemessen flott durch die trickreichen Kurvenkombinationen und Kehren. Nicht mit quirliger Wendigkeit, aber in berechenbaren, wenn auch etwas weiteren Radien.
Die Yamaha wirkt beim Einlenken deutlich leichtfüßiger. Größere Schräglagen dagegen gelingen nur mit einem kräftigen Zug am Lenker. Und mehr noch als bei der BMW vereitelt der 190er-Hinterreifen in welligen Kurven Bestwerte in Sachen Neutralität. Weil Bodenwellen für ein spürbares Aufstellmoment sorgen. Der drehfreudige Vierzylinder entpuppt sich auf diesem Terrain ebenfalls als Spielverderber. Sein harter, teils verzögerter Leistungseinsatz zerhackt in engen Kehren schnell die Ideallinie. Enttäuschend außerdem sein Antritt am Kurvenausgang aus niedrigen Dreh-
zahlen. Echtes Temperament entwickelt er erst ab 6000/min.
Das Thema Lastwechsel ist zwar auch nicht die Stärke des BMW-Vierers. Doch wenn es gilt, Ross und Reiter aus dem Drehzahlkeller heraus die nächste Gerade entlangzukatapultieren, ist er da wie der Pfennig. Und wer im Eifer des Gefechts den Bremspunkt etwas optimistisch gewählt hat, kann sich auf das fulminant zupackende, allerdings etwas grob regelnde Teilintegral-ABS verlassen. Wobei die Freude darüber wird durch die unbefriedigende Feindosierung getrübt. Damit hadert vor allem derjenige, der im sportlichen Tatendrang etwas später, aber dafür in Schräglage weit in die Kurven hinein Bremsen will. Erst kommt gar nichts, dann packen die Stopper umso kerniger zu.
Freunde erstklassiger Verzögerung kommen bei der Yamaha voll auf ihre Kosten. Die Wirkung der aus der R1 entlehnten
Vierkolbenzangen ist eine Wucht, ihre messerscharfe Dosier-
barkeit fantastisch. Allzu heftig sollte man es trotz der straffen, fein ansprechenden Gabel in Kurven trotzdem nicht treiben. Denn sie neigt, hält der Asphalt kurze, harte Stöße parat, bisweilen zum Stempeln. So hilft alles Angasen auf den kurzen Geraden nichts: Die Vierzylinderpiloten treffen erst nach der ausgelassen über
die Passstraße tobenden Zwei- und Dreizylindermeute am High Speed Club ein.

Was wirklich zählt

Sagen wir’s mal so: Warme Hände, guter Wiederkaufswert und ordentlich Zuladung sind nett. Und Autofahrer freuen sich sogar noch über ganz
andere Dinge. Doch Spaß auf dem Motorrad geht anders.

Le Castellet, 17 Uhr, High Speed Club, das Café am Eingang zur Rennstrecke. Die Twins und Triples knistern noch, als
wir die Vierzylinder vor der Terrasse einparken. Die Truppe beachtet den Garçon mit den Grands Noirs auf dem Tablett kaum, echauffiert sich schon wieder, diskutiert so intensiv wie vor ein paar Tagen
in Gerts Büro. Okay, die 1000-Punkte-
Wertung steht. Aber welche macht abseits von Kosten und Alltagskriterien am meisten Spaß, bringt Motorrad fahren auf den Punkt? Denn wir alle wissen: Wer sich auf ein Naked Bike setzt, hat sich entschie-
den. Für Motorrad pur. Mit allen Risiken und Nebenwirkungen. Es geht eben um die
Essenz des Motorradfahrens. Ums Bremsen, Abwinkeln und Beschleunigen. Um nichts anderes. Und das ist gut so.
Wenigstens sind wir uns jetzt alle einig. Die Speed Triple hat diese Konzentration auf das Wesentliche geschafft, hat diesen Nerv perfekt getroffen. Wobei die Engländerin dafür so gar nicht auf wilde Hilde macht. Wenn der geschmeidige Motor fast vibrationsfrei nach jeder Ecke mit seinem typischen Sound vehement voranschiebt, die Gänge nur so durchflutschen, sich mit minimalen Aufstellmoment entspannt in jede Kehre hineinbremsen lässt, traumhaft sicher jede Linie gelingt und das Thema Bremsen, Handling oder Federung erst gar keins ist, dann ist klar: Die Triple hat’s auf ihre ganz eigene Art geschafft. Hat gezeigt, dass selbst im Lager der wilden Reiter eine gute Kinderstube weiterhilft.
Wobei, Schmusekurs auf Passsträßchen? Die KTM ist da anderer Meinung, versteht die Verbindung zwischen Gefühlswelt und Rationalität anders. Wer sich
auf die Superduke schwingt, mutiert blitzartig zum Racer. Ellbogen hoch, Kopf nach vorn, im Visier nur noch die Kampflinie, bremst auf der engsten aller Innenspuren
im Drift an. Genau so hat man sich ein
Power-Naked-Bike vorgestellt – bevor es die Benelli TnT gab.
Denn die potenziert das Erlebnis
Motorrad. Der Dreizylinder ist schlicht und einfach eine Wucht. Keiner drückt brachialer, keiner klingt infernalischer. Nicht nur Fans sind zutiefst beeindruckt – auch wenn sich die TnT mit schwergängiger Kupplung, knochiger Schaltung und etwas zu straffer Federung von der KTM noch
distanzieren lässt. Und was für die Superduke schon zutraf, gilt für die Benelli erst recht: Das Auge fährt mit. Auffälliger naked zu biken geht kaum.
Macht Motorrad fahren mit den restlichen fünf wirklich weniger Spaß? Wie sagt man: Es kommt darauf an. Weil
das Führungstrio eben nur in der geschützten Reinkultur der Gebirgsstraßen als Vorreiter der gehobenen Spaßgesellschaft durchgeht. Wenn die Passsträßchen oder winkligen Landstraßen nicht direkt vor der Haustür liegen oder die Vernunft sich durch die Hintertür sozialer und finanzieller Aspekte heimlich hereinschleicht, definiert sich das Thema Fun plötzlich ganz neu. Insofern: Manchmal können auch warme Hände, guter Wiederverkaufswert und ordentlich Zuladung Spaß machen – selbst bei Naked Bikes.

Technische Daten: Aprilia Tuono 1000 R

Wassergekühlter Zweizylinder-Viertakt-
60-Grad-V-Motor, Bohrung x Hub 97,0 x 67,5 mm, Hubraum 998 cm3, 98,0 kW
(133 PS) bei 9500/min, 102 Nm bei 8750/
min, Brückenrahmen aus Aluminium,
Upside-down-Gabel, Ø 43 mm, Zweiarmschwinge aus Aluminium, Zentralfederbein mit Hebelsystem, Radstand 1410 mm,
Federweg v/h 120/133 mm, Sitzhöhe
820 mm, Gewicht vollgetankt 212 kg,
Tankinhalt 18,0 Liter, Preis 11290 Euro.
Top-Test: MOTORRAD 25/2005

Technische Daten: Ducati Monster S4Rs

Wassergekühlter Zweizylinder-Viertakt-90-Grad-V-Motor, Bohrung x Hub 100,0 x 63,5 mm, Hubraum 998 cm³, 95,7 kW (130 PS) bei 9500/min, 104 Nm bei 7500/min, Gitterrohrrahmen aus Stahl, Upside-down-Gabel, Ø 43 mm, Einarmschwinge aus Aluminium, Zentralfederbein mit Hebelsystem, Radstand 1440 mm, Federweg v/h 130/148 mm, Sitzhöhe 805 mm, Trockengewicht 177 kg, Tankinhalt 13,5 Liter, Preis 14.745 Euro.

Fahrbericht: MOTORRAD 5/2006

Technische Daten: KTM 990 Superduke

Wassergekühlter Zweizylinder-Viertakt-75-Grad-V-
Motor, Bohrung x Hub 101,0 x 62,4 mm, Hubraum
999 cm3, 88,0 kW (120 PS) bei 9000/min, 100 Nm bei 7000/min, Gitterrohrrahmen aus Stahl, Upside-down-Gabel, Ø 48 mm, Zweiarmschwinge aus Aluminium, Zentralfederbein, direkt angelenkt, Radstand 1438 mm, Federweg v/h 135/160 mm, Gewicht vollgetankt
199 kg, Tankinhalt 15,0 Liter, Preis 11998 Euro.
Fahrbericht: MOTORRAD 25/2005

Technische Daten: Moto Morini Corsaro 1200

Wassergekühlter Zweizylinder-Viertakt-87-Grad-V-Motor, Bohrung x Hub 107,0 x
66,0 mm, Hubraum 1187 cm3, 103,0 kW (140 PS) bei 8500/min, 123 Nm bei 6500/min, Gitterrohrrahmen aus Stahl, Upside-down-Gabel, Ø 50 mm, Zweiarmschwinge aus
Aluminium, Zentralfederbein mit Hebelsystem, Radstand 1440 mm, Federweg v/h 120/130 mm, Sitzhöhe 830 mm, Gewicht vollgetankt 220 kg, Tankinhalt 17,0 Liter,
Preis 12300 Euro. Top-Test: MOTORRAD 26/2005

Technische Daten: Benelli TnT 1130 Sport

Wassergekühlter Dreizylinder-Viertakt-Reihenmotor, Bohrung x Hub 88,0 x 62,0 mm, Hubraum 1131 cm3, 101,0 kW (137 PS) bei 9250/min, 118 Nm bei 6750/min, Brückenrahmen aus Stahl und Aluminium, Upside-down-Gabel, Ø 50 mm, Gitterrohrschwinge aus Stahl, Zentralfederbein mit Hebelsystem, Radstand 1419 mm, Federweg v/h 120/115 mm, Sitzhöhe 810 mm, Gewicht vollgetankt 220 kg, Tankinhalt 16,0 Liter, Preis 13990 Euro. Top-Test: MOTORRAD 12/2004

Technische Daten: Triumph Speed Triple

Wassergekühlter Dreizylinder-Viertakt-
Reihenmotor, Bohrung x Hub 79,0 x 71,4 mm, Hubraum 1050 cm3, 96,0 kW (131 PS) bei 4750/min, 150 Nm bei 3750/min, Brückenrahmen aus Aluminium, Upside-Down-Gabel, Ø 43 mm, Einarmschwinge aus Aluminium, Zentralfederbein mit
Hebelsystem, Radstand 1525 mm, Federweg v/h 120/117 mm, Sitzhöhe 840 mm, Gewicht vollgetankt 221 kg, Tankinhalt 18,0 Liter, Preis 10990 Euro.
Fahrbericht: MOTORRAD 6/2005

Technische Daten: BMW K 1200 R

Wassergekühlter Vierzylinder-Viertakt-
Reihenmotor, Bohrung x Hub 79,0 x 59,0 mm, Hubraum 1157 cm3, 120,0 kW (163 PS) bei 10250/min, 127 Nm bei 8250/min, Brückenrahmen aus Aluminium, Doppellängslenker aus Aluminium, Zweigelenk-Einarmschwinge aus Aluminium, Zentral-
federbein mit Hebelsystem, Radstand
1580 mm, Federweg v/h 115/135 mm, Sitzhöhe 810 mm, Gewicht vollgetankt
247 kg, Tankinhalt 19,0 Liter, Preis 13300 Euro, Preis Testmotorrad* 15858 Euro.
Top-Test: MOTORRAD 13/2005

Technische Daten: Yamaha FZ1

Wassergekühlter Vierzylinder-Viertakt-Reihenmotor, Bohrung x Hub 77,0 x
53,6 mm, Hubraum 998 cm3, 110,3 kW (150 PS) bei 11000/min, 106 Nm bei 8000/min, Brückenrahmen aus Aluminium, Upside-down-Gabel, Ø 43 mm, Zweiarmschwinge aus Aluminium, Zentralfederbein mit Hebelsystem, Radstand 1460 mm, Federweg v/h 130/130 mm, Sitzhöhe 800 mm, Gewicht vollgetankt 215 kg, Tankinhalt 18,0 Liter, Preis 9820 Euro. Top-Test: MOTORRAD 8/2006

1. Platz - BMW K 1200 R

BMW K 1200 R Vernunft macht das
Rennen. Mal wieder. Sogar bei den unvernünftigen Naked Bikes. Es sei ihr gegönnt. Schließlich gehört Power satt genauso zu den Stärken der BMW wie ABS. Und mit warmen Händen sieht man doch gern über ein steifes Handling hinweg, oder?

2. Platz - Triumph Speed Triple

Triumph Speed Triple Triumph hat’s geschafft. Mit der Speed Triple gelang den
Briten ein großer Wurf. Verdammt nah dran an der driftenden Wollmilchsau. Ein Funbike, das den
Namen verdient und trotzdem auch in der Pflicht eine blendende Figur abgibt. We are enthusiastic.

3. Platz - Aprilia Tuono 1000 R

Aprilia Tuono 1000 R Allein
das schicke Design überzeugt. Doch die Tuono setzt nicht nur auf bella figura, sondern überstrahlt die
etwas zu weit nach hinten gerückte Sitzposition und zu lange Übersetzung mit Tipptopp-Verarbeitung, drehfreudigem Motor und gelungenem Fahrwerk.

4. Platz - Yamaha FZ1

Yamaha FZ1 Ist »guter Durchschnitt«
für eine Neukonstruktion überhaupt ein Lob? Die FZ1 vergibt die Chance der späten Geburt durch
einen antrittsschwachen Motor und ein eigenwilliges Lenkverhalten. Da retten auch die bullige Optik und der attraktive Preis nur noch wenig.

5. Platz - KTM 990 Superduke

KTM 990 Superduke Platz fünf, na und? Die KTM begeistert all jene, die wissen, worauf
es ankommt. Auf Anbremsen, Abwinkeln und Beschleunigen nämlich. Und genau das tut sie. Exzellent und mit durchaus kultivierten Manieren. Die Best-
note fürs Bravsein überlässt sie anderen – neidlos.

6. Platz - Moto Morini Corsaro 1200

Moto Morini Corsaro 1200 Na, wer sagt’s denn? Der dicke Hammer fügt sich auf Anhieb nahtlos in die Reihe der Extremisten ein. Begeistert vor allem durch seinen fulminanten Motor, der aus tiefsten Drehzahlen anschiebt – und mit anderem Steuergerät hoffentlich künftig besser anspringt.

7. Platz - Benelli TnT 1130 Sport

Benelli TnT 1130 Sport Wenn’s um das Thema Spaß geht, kennt die TnT kaum
Konkurrenz. Der bärenstarke Dreizylinder mit dem
grandiosen Sound verkörpert die Sinnlichkeit der Technik. Entscheidente Punkte verliert die Benelli allerdings im Kapitel Kosten/Umwelt.

8. Platz - Ducati Monster S4Rs

Ducati Monster S4Rs Was der Duc trotz edler Anbauteile fehlt, ist Homogenität.
Die Sitzposition ist sehr passiv, die Öhlins-Federung
für forschen Speed zu weich abgestimmt, die Reifen
sind keine gute Wahl. Schade, denn der Testastretta-V2 hätte im passenden Umfeld das Zeug zu mehr.

Punktewertung: Motor

Viel mehr als Spitzenleistung zählt
auf der Landstraße satter Durchzug in allen Lagen. Den bieten vor allem die Dreizylinder und die BMW. Die KTM begeistert mit ihrem spritzig hochdrehenden, energisch anreißenden Twin. Enttäuschend sind dagegen die kräftigen Lastwechselreaktionen von Yamaha und BMW, ebenso das nicht mehr akzeptable, schlechte Startverhalten von TnT und Corsaro. Von Letzterer lässt man nach dem Druck auf den Anlasser
am besten für 20 Sekunden die Finger.

Punktewertung: Fahrwerk

Keine tänzelt so quicklebendig durch die Kurvenkombinationen wie die Triumph Speed Triple, während die BMW ihren langen Radstand und das hohe
Gewicht nicht leugnen kann. Wirklich
gelungen dafür die Abstimmung des –
aufpreispflichtigen – ESA-Fahrwerks.

Punktewertung: Sicherheit

Ein erfreuliches Kapitel durchweg ist das Thema Bremsen. Auch wenn die Morini-Stopper nicht ganz so kräftig zupacken und die Dosierbarkeit
des BMW-ABS besser sein dürfte, ist das Niveau hoch. Mit leichten Vorteilen für
die Yamaha und die toll dosierbaren KTM-Bremsen. Beide markieren allerdings auch den Schluss in Sachen Lenkerschlagen. Lediglich Aprilia und BMW haben einen Lenkungsdämpfer. Die Öhlins-Gabel der Ducati taucht bereits beim ersten Anlegen der bissig zupackenden Bremse weit ein.

Punktewertung: Alltag

Für die durstige Benelli und die KTM mit ihrem kleinen Tank sollten Spritstationen nicht weit sein. Der Kardanantrieb der BMW reduziert den Wartungsaufwand, dazu taugt sie dank der höchsten Zuladung auch für den Trip zu zweit.

Punktewertung: Komfort

Das üppige Platzangebot und der
optionale Windschutz schaffen dem BMW-Fahrer ein fast schon lauschiges Plätzchen. Bemerkenswert: Der kultivierte Triumph-Dreizylinder erreicht bezüglich Laufruhe das Niveau des Yamaha-Vierzylinders.

Punktewertung: Kosten / Umwelt

Für die Tuono gewährt Aprilia
seit kurzem eine Garantie von 48 Monaten oder 50000 Kilometern. Negativ schlagen die Unterhaltskosten der BMW durch die breiten Reifen zu Buche. Was sie durch günstige Inspektionskosten wettmacht. Während bei der Ducati der hohe Grundpreis schmerzt, strapaziert die trinkfreudige Benelli bei jedem Tankstopp das Budget.

Fun-Wertung

Wie heißt es doch: Alles ist relativ.
Während die 1000-Punkte-Wertung von MOTORRAD das komplette
Spektrum der Testkriterien abdeckt und auch sehr rationale Gesichtspunkte wie Abgaswerte, Unterhaltskosten et cetera ins Gesamturteil einfließen, erlaubt ein Auszug
aus den für einen spezifischen Einsatz relevanten Elementen eine emotionale Unterwertung. Um das Fahrspaß-Ranking
zu erstellen, wählte die Test-Crew insgesamt 15 Aspekte (auf der Tabelle Seite 35 gelb unterlegt) aus.
Übrigens: Das Ergebnis der Punktewertung
deckt sich haargenau mit den subjektiven Ein-
drücken der Tester.

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