Seit 1. August gilt in Rheinland-Pfalz ein neues Fahrverbot: Die "Schliem", Teil einer Bundesstraße südlich von Limburg an der Lahn, ist seither an Wochenenden und Feiertagen für Motorräder gesperrt. Konkret handelt es sich dabei um eine wenige Kilometer lange Strecke der B 274 zwischen Hahnstätten/Zollhaus und Allendorf. Die Sperre gilt laut dem zuständigen Rhein-Lahn-Kreis "für die Sommermonate" und wurde "wegen wiederholter Unfälle, bei denen Motorräder beteiligt waren" verhängt – eine sehr vage Formulierung und eine wachsweiche Begründung.
Motorradfahrer abgezockt?
MOTORRAD-Leser Mathias Stryck aus Wiesbaden war mit seinem Sohn dort auf Motorradtour und wurde am Samstag, 9. August, von der Polizei gestoppt. Beide hatten das nagelneue Sperrschild übersehen. "Mein Sohn ist am Sonntag die Strecke am Sonntag noch mal abgefahren und hat dann das Schild vor dem Kreisel (vor der Zufahrt zur B 274, Red.) entdeckt", erzählt Stryck. "Was mich einfach sauer macht, ist die Tatsache, dass Straßensperrungen sonst auf großen weißen Tafeln angekündigt werden. Diese Schilder übersieht man nicht." Doch an der "Schliem" war das nicht der Fall. Dafür standen gleich sechs Polizisten mit drei Transportern zur Kontrolle an der Strecke. "In diesem Fall ist das reine Abzocke", sagt Mathias Stryck indigniert. "Meiner Meinung nach war diese Aktion bewusst geplant."
25.000 Euro in 6 Tagen kassiert
Ein bedauerlicher Einzelfall? Keineswegs. Laut der zuständigen Polizeidirektion Montabaur wurden an den ersten drei August-Wochenenden an der "Schliem" sage und schreibe 499 Motorradfahrer verwarnt. Sie alle hatten das neue Verbotsschild nicht gesehen – besonders auffällig kann es wirklich nicht gewesen sein. Das Bußgeld belief sich bei Zahlung vor Ort auf je 50 Euro, mit Bußgeldbescheid auf 80 Euro. Was mindestens 25.000 Euro in die Staatskasse spülte. Selbst die Polizei schreibt in ihrer Mitteilung, dass die Motorradfahrer das Verbotsschild möglicherweise übersehen hätten.
Hauruck-Aktion mit kleinen Schildern
Die ungenügende Beschilderung des Fahrverbots mit den folgenden Bußgeldern ist das eine Ärgernis. Das andere ist die Frage, warum die "Schliem" überhaupt so überraschend gesperrt wurde. Die kurvenreiche Strecke wurde im Jahr 2017 ausgebaut und gilt seither unter Motorradfahrern als beliebtes Ausflugsziel. Beschlossen wurde die Sperre für Motorräder am 1. Juli 2025 durch den Rhein-Lahr-Kreis. Der zitierten Begründung, dass es wiederholt zu Motorradunfällen gekommen sei, fehlte jedoch die übliche Untermauerung durch Zahlen und Fakten.
Bringt ein Abgeordneter das Fahrverbot ins Rollen?
Eine Rolle bei der plötzlichen Anordnung könnte die Kleine Anfrage eines Abgeordneten des rheinland-pfälzischen Landtags im Juni 2025 gespielt habe, der in der Nähe der Strecke lebt. Unter dem Betreff "Illegale verkehrsgefährdende Rasereien auf der B 274 (Auf der Schliem)" heißt es in der Anfrage unter anderem: "Zuletzt an Pfingstmontag dieses Jahres wurden von über 40 Motorradfahrern etwa sieben Stunden lang zwischen den Parkplätzen und der Zufahrt Schuhmacher und Häuser abwechselnde Rennen mit jeweils fünf bis sieben Maschinen veranstaltet." Weshalb der Abgeordnete von der Landesregierung wissen wollte, welche Maßnahmen sie ergreife, "damit diese illegalen, verkehrsgefährdenden Rasereien kurz- bzw. mittelfristig unterbunden werden können."
Kleine Anfrage, große Wirkung und Generalverdacht
Die Antwort erfolgte offenbar prompt – mit dem Fahrverbot für alle Motorradfahrer am Wochenende und an Feiertagen ab 1. August. Zwar kam es tatsächlich mehrmals zu einem Missbrauch der "Schliem" durch Raser, die Polizei hat 2024 zwei und 2025 drei Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts auf illegale Motorradrennen eingeleitet. Zudem ereigneten sich in den vergangenen fünf Jahren 36 Motorradunfälle auf der Strecke. Dabei kamen drei Menschen ums Leben, 15 wurden schwer verletzt – Zahlen, die man nicht auf die leichte Schulter nehmen darf.
Doch das sollte nicht zu einem Generalverdacht gegen Motorradfahrer führen, wie er mit dem Fahrverbot auf der "Schliem" praktiziert wird, denn hauptsächlich sind dort friedliche Motorradtouristen unterwegs. Außer einem Tempolimit von 70 km/h wurden offenbar keine weiteren Maßnahmen gegen die illegalen Rennen oder zur Eindämmung der Unfälle ergriffen, sondern im Handstreich gleich das Fahrverbot verhängt. "Es ist wie immer", fasst der mit Bußgeld bestrafte Mathias Stryck resigniert zusammen. "Die Mehrheit der Motorradfahrer leidet unter ein paar unverbesserlichen Rasern."