Es gibt begehrtere und leistungsstärkere Sechszylinder-Boliden als eine 900er-Benelli. Für Rüdiger Manz jedoch keine Schönere als die Benelli 900 Sei aus Italien.
Es gibt begehrtere und leistungsstärkere Sechszylinder-Boliden als eine 900er-Benelli. Für Rüdiger Manz jedoch keine Schönere als die Benelli 900 Sei aus Italien.
An Alternativen mangelte es im Zweirad-Fuhrpark von Rüdiger Manz eigentlich nicht. Den Platz in der geräumigen Doppelgarage teilten sich bereits ein Single, ein englischer Triple und mit Honda CB 750 sowie Kawasaki Z 900 zwei japanische Vierzylinder-Legenden im Top-Zustand, als er beschloss, sich in dieser Hinsicht noch etwas breiter aufzustellen – ein Sechszylinder musste her.
Zwei Jahre suchte der Kfz-Meister nach einem geeigneten Restaurierungsobjekt. Kein ganz so leichtes Unterfangen, denn der Westhausener hatte sich ausgerechnet in eine Benelli Sei verguckt, und zwar in die 900er. „Japaner hatte ich schon, deshalb kam für mich nur die Benelli in Frage. Mir gefällt die 900er besser als die 750er, deshalb habe ich gezielt danach gesucht.“ Im Oktober 2012 wurde er endlich fündig, in der tiefsten fränkischen Provinz stand so eine Sei, die sich angeblich immer im Familienbesitz befand.
Was sich vor Ort jedoch nicht unbedingt als Vorteil erwies, denn familiäre und andere Wirren hatten dem einstigen de Tomaso-Flaggschiff heftig zugesetzt: Aufgrund der längeren Standzeit hatte sich der Gammel breitgemacht, speziell an der 6-in-1-Auspuffanlage von Marving. Der Motor ölte, lief aber nicht. Eine verbastelte Elektrik, verrostete Bremsen, rissige Vergaser-Ansauggummis und die „individuelle“ Sonderlackierung schreckten den erfahrenen Schrauber jedoch nicht ab, nach kurzem Verhandeln hatte die Benelli einen neuen Besitzer.
Kaum zu Hause angekommen, machte er sich sofort ans Werk. Zunächst galt es, die Benelli 900 Sei wieder zum Laufen zu bringen. Was nach dem gründlichen Reinigen und Einstellen der Vergaser tatsächlich gelang. Mit frischem Sprit im Tank und einer neuen Batterie sprang der Italo-Sechser tatsächlich an. Eine kurze Testrunde beruhigte das angespannte Nervenkostüm des Käufers – mechanisch wirkte die Benelli besser in Schuss als es ihr heruntergekommenes Erscheinungsbild vermuten ließ. „Die von einem Sattler überholte und leicht aufgepolsterte Sitzbank war das Beste an der Sei, die konnte ich so belassen, wie sie war,“ erinnert sich Manz.
Nicht jedoch die Zubehör-Fußrastenanlage. Die, so stellte sich bei der Zerlegung heraus, als Überbleibsel vom Sportumbau des früheren Benelli-Importeurs Demharter zeugen, zu dem einst auch eine Cantilever-Schwinge mit Zentralfederbein gehörte. Diesen Nachrüstteilen mussten damals Batterie und Luftfilterkasten weichen, weil sich dort bis heute die Befestigung des einzelnen Stoßdämpfers befindet. Der Vorbesitzer hatte die Benelli 900 Sei jedoch wieder auf Zweiarmschwinge und zwei Federbeine zurückgebaut. Nicht jedoch die Fußrasten.
Ein Problem, das Rüdiger Manz jedoch erst bewusst wurde, als er den Motor schon ausgebaut hatte. Denn den Demharter-Sportfußrasten fielen einst die serienmäßigen Halterungen von Bremshebel und -zylinder zum Opfer, sie wurden einfach abgeflext. Also musste Manz den gerade ausgebauten Motor wieder in den Rahmen hieven, um die notwendigen Referenzpunkte für die Positionierung der Anlenkpunkte von Fußbremshebel und hinterem Bremszylinder zu erhalten, die dann wieder angschweißt wurden.
Anschließend wurde der Motor wieder ausgebaut und zusammen mit dem Rahmen zum Strahlen gebracht. „Der Motor sollte im kompletten Zustand gestrahlt werden, weil das ein einheitliches Bild ergibt“, weiß Manz von früheren Restaurierungen. Hiefür hat er sich Verschlussstopfen für die Ein- und Auslässe selbst gebaut, außerdem die Trockenkupplung abmontiert und mit einem selbst gefertigten Deckel verschlossen.
Währenddessen erhielten die Lackteile bei Heinz Löblein ihre originale Farbe zurück. Um die Überholung von Bremsen, Gabel, 6-in-1-Auspuff und der maroden Elektrik kümmerte sich Manz selbst, der außerdem Gabelbrücken und Räder lackierte, die Bremsscheiben entrostete und die Tauchrohre sowie diverse Alu-Teile polierte. Ebenso entstanden die Halter für die gebrauchte Cockpitverkleidung in Eigenregie, den gestrahlten Rahmen brachte er jedoch zum Pulverbeschichter. Beim Motor beließ es der 53-Jährige zunächst bei der Kontrolle des Ventiltriebs, bevor er den Sechszylinder wieder einbaute.
Im Februar 2013 war die Benelli 900 Sei komplett fertig. „Als sie das erste Mal lief, hab ich mit meinen beiden Kumpels, die mir immer wieder geholfen haben, ein paar Bierchen gekippt“, erinnert sich der Restaurator an den feierlichen Moment zurück. Rund 1500 problemlose Kilometer hat er mit der Sei im vergangenen Jahr zurückgelegt. Ein höherer Ölverbrauch und Undichtigkeiten bewogen ihn im Winter jedoch zu einer Überholung des Motors.
Mit neuen Dichtungen, Kolbenringen, Ventilschaftabdichtungen und einem frischen Kolben für den dritten Zylinder war das Thema für den Profi-Schrauber jedoch schnell erledigt, zumal alle Teile auch heute noch problemlos lieferbar sind (www.benelli-bauer.com, www.benelliparts.de). Für Rüdiger Manz die Krönung des Ganzen: Eine eigens für die Benelli 900 Sei angefertigte 6-in-6-Auspuffanlage, die seinem glänzenden Schmuckstück noch zusätzliche Strahlkraft verleiht.