Bremsbeläge am Motorrad wechseln
Schraubertipps vom Profi

Ein Wechsel der Bremsklötze am Motorrad ist aufwendiger und komplizierter als die reine Kontrolle der Belagstärke. Der Schraubertipp zeigt, was es alles zu beachten gibt.

Schraubertipps vom Profi
Foto: Ralf Schneider

Hat bei den letzten Ausfahrten im Herbst die Bremse nur noch widerwillig verzögert und fühlte sich teigig an, ist die Winterpause der ideale Zeitpunkt, sich der Bremsanlage zu widmen (siehe auch "Bremsbeläge prüfen" in MOTORRAD 24/2008).

Das Wichtigste zuerst

  1. Bremsklötze immer paar- und radweise wechseln!
  2. Ein Satz Bremsklötze besteht in der Regel aus zwei Stück pro Scheibe. Nur in wenigen Fällen sind kleine Einzelbeläge verbaut, also pro Bremskolben ein Bremsklotz – das können bis zu sechs Stück pro Bremssattel sein.
  3. Niemals unterschiedlich dicke oder unterschiedlich alte Bremsklötze sowie von verschiedenen Herstellern in einem Bremssattel verwenden! Das gilt auch bei Doppelscheibenbremsen im Vorderrad: Links und rechts werden nur gleiche Belag-Typen mit gleicher Laufleistung eingesetzt.
  4. Wenn auf den Rückseiten der alten Bremsklötze gelochte Scheiben oder Bleche aus Stahl oder Teflon montiert waren, müssen diese in sauberem Zustand an den neuen Bremsklötzen in gleicher Position wieder angebracht werden. Sie halten einen Teil der beim Bremsen entstehenden Hitze von den Bremskolben und damit auch von der Bremsflüssigkeit fern.


Tipp: Wenn Sie keine Original-Bremsbeläge verwenden wollen, fragen Sie zuerst Ihren Markenhändler. Der ist über den aktuellen Stand an Nachrüstbelägen gut informiert. Auch Tests in Motorrad können bei der Wahl helfen. Gebrauchte Bremsbeläge, die stark verschmutzt sind, schon lange nicht mehr zum Einsatz kamen oder aus einer Unfallmaschine stammen, sollten getauscht werden! Obwohl zum Wechseln der Beläge die Bremssättel meist nicht abgebaut werden müssen, ist es empfehlenswert, da das Innere des Bremssattels oft eine gründliche Reinigung nötig hat.

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Tipps zur Reinigung

  • Bremssattel und Bremsscheiben NICHT mit Öl oder Ölspray reinigen, sondern speziellen Bremsenreiniger verwenden!
  • Bremsenreiniger ist aggressiv und gesundheitsschädlich: Bei Benutzung darauf achten, dass die Werkstatträume gut gelüftet werden. Nicht rauchen! Nicht auf die Haut oder in die Augen sprühen! Einatmen der Dämpfe vermeiden!
  • Bei Einsatz von Bremsenreiniger alle Teile im Umkreis der einzusprühenden Bremssättel mit Lappen großflächig abdecken.
  • Bremsenreiniger sparsam und gezielt einsetzen, Sprühkopf direkt auf die zu reinigende Stelle richten und nur kurz betätigen.
  • Teile nach Einsprühen mit Bremsenreiniger sofort durchputzen. Dazu nicht fusselnde Lappen und eine kleine Bürste verwenden.
  • Bremssattel nicht mit harter Pressluft ausblasen! Wenn überhaupt: Druckluft beim Bremssattel nur sehr sparsam und ganz gezielt einsetzen
  • Bremsstaub ist gesundheitsschädlich!

Bremsklötze ausbauen

Motorrad sicher aufbocken. Achtung: Bremshebel bei abgebautem Bremssattel und/oder ausgebauten Klötzen nicht betätigen! Sonst fahren die Bremskolben ungehindert aus und müssen mühsam wieder in den Bremssattel gedrückt werden. Sie können sogar ganz aus ihren Bohrungen herausrutschen.

Tipp: Wenn die alten Bremsklötze aus dem Bremssattel herausgenommen sind und die Bremskolben noch in ihrer herausgefahrenen Position stehen, den Bremssattel sorgfältig reinigen. Erst danach die Kolben in ihre Bohrungen drücken, um Platz zu schaffen für die neuen Bremsklötze.

  1. Bremsklotz-Haltestift: Die Bremsklötze werden durch einen "Haltestift" in korrekter Position im Bremssattel gehalten. Dieser Haltestift ist gesteckt oder geschraubt und hat immer eine Sicherung gegen selbständiges Rausdrehen oder Herausfallen. Diese muss vor dem Ausbau des Haltestifts entfernt werden. Die Sicherung kann ein Splint sein, der rausgezogen, eine Madenschraube, die rausgedreht, oder eine kleine Sicherungsscheibe, die abgezogen wird. Am besten beim Kauf neuer Bremsklötze auch neue Sicherungssplinte oder Sicherungsscheiben kaufen, da die alten oft nicht mehr die volle Spannkraft besitzen – die Schraube dagegen ist weiter verwendbar.
  2. Wenn der Haltestift nur gesteckt ist, mit einem Splintdurchschlag vorsichtig ausschlagen. Durchschlag sicher auf der Mitte des Haltestifts ansetzen und mit kurzen, leichten Hammerschlägen austreiben. Der Haltestift rutscht Stück für Stück heraus. Ist der Haltestift eingeschraubt, diesen ausdrehen.
  3. Bremsklötze aus der Bremszange herausziehen.

Bremsklötze einbauen

Achtung: Keine scharfkantigen Gegenstände wie Schraubendreher in die Bremssättel einführen, die Kolbengleitflächen können dadurch zerkratzt werden!

  1. Um Platz für die neuen (dicken) Beläge zu schaffen, die alten Bremsklötze wieder in den Schacht schieben, mit Handkraft dagegendrücken und damit die Bremskolben zurück in ihre Bohrungen drücken. Das Ganze muss mit Handkraft gehen, keine Zange oder Ähnliches zu Hilfe nehmen! Beim Zurückdrücken steigt der Flüssigkeitsstand im Bremsflüssigkeitsbehälter: Deswegen Pegelstand im Auge behalten! Steigt er bis zur Oberkante, mit einer kleinen Spritze etwas Flüssigkeit absaugen. Achtung: Bremsflüssigkeit ist aggressiv und gesundheitsschädlich. Deshalb von Haut und Körper, aber auch von Lack und Kunststoff fernhalten! Mit Handschuhen arbeiten. Danebengegangene Tropfen mit reichlich Wasser wegspülen.
  2. Spezielles Bremsenfett auf die Rückseite der Trägerplatten sowie den Kanten, an denen sie im Bremssattel anliegen, geben.
  3. Kontrollieren, ob die Bremsbelagfeder innen im Bremssattel richtig sitzt: Sie muss satt sitzen – falls ein Pfeil eingeritzt ist, muss dieser in Raddrehrichtung zeigen.
  4. Bremsklötze in den Bremssattel einschieben. Manchmal gleiten die Bremsklötze auf einer oder beiden Seiten in einer Nut oder Führung. Unbedingt darauf achten, dass die Bremsklötze korrekt in diese Führung eingesetzt werden.
  5. Bremsbelag-Haltestift durch die äußere Bohrung im Bremssattel einführen (wenn die Bremsbelagfeder außen auf die Bremsklötze eingesetzt wird: Pfeil muss in Fahrtrichtung zeigen).
  6. Weiter durch die Bohrungen in den Bremsklötzen, der Bremsbelagfeder und in die andere Seite des Bremssattels durchschieben. Beim Gewindestift: Diesen einschrauben.
  7. Kontermadenschraube einschrauben und gegen den Kopf des Haltestifts kontern. Oder Sicherungssplint(e) einstecken. Oder Sicherungsscheibe in die Nut einklicken.
  8. Durch Pumpen am Bremshebel Druck im System aufbauen, bis die neuen Bremsbeläge an der Scheibe anliegen. Bremsflüssigkeitsstand kontrollieren und gegebenenfalls nachfüllen (Spezifikation im Betriebshandbuch nachlesen). Erst bei deutlich fühlbarem Druckpunkt ist die Bremse betriebsbereit!

Bremsbeläge einfahren

Neuen Bremsbelägen darf man keinesfalls schon bei der ersten Bremsung ihre maximale Leistung abfordern, sondern sie müssen sorgsam und mit Gefühl eingefahren werden. Die Einfahrzeit sollte 100 bis 150 Kilometer betragen. Während dieser Zeit:

  • Bremse nicht längere Zeit „schleifend“ betätigen, sondern kurz und knackig bremsen.
  • Bremse nicht "gegen den Motor" einfahren, das schadet den neuen Bremsbelägen: Ihre Oberfläche wird heiß und verglast.
  • Nach jeder Verzögerung der Bremse wieder genügend Zeit zum Abkühlen geben.
  • Längere Bremsungen sollten in der Einfahrzeit vermieden werden, sind aber im Verkehr manchmal erforderlich: Nach einer "längeren, heftigen Bremsung" nicht mit gezogener Bremse anhalten, sondern mit dem Anhalten wieder freigeben.


Nach einiger Zeit packt die Bremse immer fester zu, das Bremsgefühl ist schön transparent. Nun ist die Bremse voll einsatzbereit.

Die aktuelle Ausgabe
MOTORRAD 20 / 2023

Erscheinungsdatum 15.09.2023