Seinen Standpunkt zum Thema Mobilitätsrechte machte Bundesverkehrsminister Scheuer bereits vor dem ersten Treffen unmissverständlich klar: 6,2 Millionen motorisierte Zweiradfahrerinnen und Zweiradfahrern in Deutschland haben das Recht, ihre Fahrzeuge gemäß den bestehenden Regelungen zu nutzen. Mit diesem Bekenntnis zur individuellen Mobilität gab Andreas Scheuer die Richtung der Diskussion vor, zu der er am 21. Juli die Vertreter der Motorradfahrerverbände sowie der Motorradindustrie eingeladen hatte, um die Perspektiven der zweirädrigen Mobilität und Freizeitnutzung dieser Fahrzeuge intensiv zu diskutieren.
Intensive Diskussionen um Bundesratinitiative
Dem Treffen gingen intensive Diskussionen voraus, begleitet von tausenden demonstrierenden Motorradfahrern in vielen deutschen Städten. Hintergrund: Die Bundesländer beschlossen im Bundesrat, die Bundesregierung aufzufordern, die Rechte der Motorradfahrerinnen und Motorradfahrer einzuschränken. Die Forderungen umfassen auch Fahrverbote und Streckensperrungen.
Vorteile von motorisierten Zweirädern
Am runden Tisch einigten sich Gastgeber und Gäste darauf, dass in Regionen, die in besonders hohem Maße von touristischen Motorradfahrern frequentiert werden, ein Interessenausgleich gemäß den regionalen und lokalen Gegebenheiten gefunden wird. "Gute Beispiele zeigen, dass nach intensivem Dialog zwischen Anwohnern und Motorradfahrer-Vertretern zahlreiche Optionen unterhalb von Streckensperrungen die Möglichkeiten bieten, Geräuschbelastungen zu reduzieren und gleichzeitig die weitere Nutzung der Strecken für Zweiräder zu erlauben. Hier können und sollen gemeinsame Strategien entwickelt werden und die Motorradfahrer-Organisationen sagen zu, sich aktiv in diese Konfliktlösungsprozesse einzubringen.", so der IVM in einer aktuellen Pressemitteilung.
Neben dem Thema Motorradlärm ging es bei dem Treffen auch um die Vorteile der zweirädrigen Mobilität. Gerade in Corona-Zeiten, in denen Pendler ihr eigenes Fahrzeug dem öffentlichen Nahverkehr oft vorziehen, bedarf es Mobilitätslösungen mit geringem Platzbedarf im ruhenden und fließenden Verkehr. Hier sieht auch das Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur die Vorteile von motorisierten Zweirädern.
125er fahren mit dem Autoführerschein
Vor diesem Hintergrund hatte die Bundesregierung bereits Ende des Jahres 2019 umgesetzt, dass Leichtkrafträder, also Roller und Motorräder mit 125 cm³ Hubraum, mit entsprechendem Mindestalter und Ausbildung in der Fahrschule (ohne Prüfung) auch mit dem Pkw-Führerschein der Klasse B gefahren werden dürfen. 55 Prozent mehr Neuzulassungen von Leichtkrafträdern im ersten Halbjahr 2020 bestätigen, dass diese Regelung einen Nerv in Deutschland getroffen hat. Wie das genau funktioniert mit dem Autoführerschein und der Schlüsselzahl erklären wir euch hier im Podcast und im Text hier.
Abschließend heißt es in der Pressemitteilung vom IVM:
"Die Verbände verständigten sich zum Abschluss der Diskussion auf die Entwicklung eines gemeinsamen Strategiepapieres, das den Interessenausgleich zwischen Bürgerinnen und Bürgern an hoch frequentierten Strecken und den Bedürfnissen der Motorradfahrerinnen und Motorradfahrern ebenso beinhalten soll, wie die Weiterentwicklung der zweirädrigen Mobilität als auch zukünftigen wichtigen Aspekt im Verkehrsmix einer modernen, zukunftssicheren Gesellschaft auch und gerade zu Zeiten der Corona-Situation. Zum Ende der Motorradsaison will der Round Table mit dem Bundesverkehrsminister wieder zusammentreffen.
Zusammenfassend fand das Gespräch in einer hoch konstruktiven und zukunftsorientierten Atmosphäre statt und hat die Basis für die gemeinsame Weiterentwicklung zweirädriger Mobilität im Dialog zwischen Politik, Endverbrauchern und Industrie gelegt."
Update vom 10. Mai 2021
Am 6. Mai trafen sich die Interessenvertreter erneut mit Bundesverkehrsminister Scheuer in Berlin. Zusammen mit dem Institut für Zweiradsicherheit (ifz) übergaben sie dem Minister das 19-seitige Strategiepapier. Das Papier soll "sowohl die Bedürfnisse der Motorradfahrerinnen und Motorradfahrer, als auch die Anliegen der Anwohnerinnen und Anwohner" berücksichtigen, so Reiner Brendicke, Hauptgeschäftsführer des IVM. Weiterhin sagt Brendicke: "Wir sind zuversichtlich, dass das erarbeitete Strategiepapier zur Konfliktlösung beitragen kann und wird." Neben dem Thema Motorradlärm befasst sich das Strategiepapier auch mit der Rolle des Zweirads in zukünftigen Verkehrskonzepten. Details aus den Unterlagen sind allerdings noch nicht bekannt. Das komplette Strategiepapier findet ihr hier beim ifz.
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Fazit
Reden hilft (fast) immer. Gut, dass das Bundesverkehrsministerium sowie die Motorradfahrerverbände und die Motorradindustrie miteinander sprechen und die Thematik "Motorradlärm" nun scheinbar fernab von Hetze und öffentlichkeistwirksamen Parolen in ruhigere und vor allem lösungsorientiertere Bahnen steuern. Gut auch, dass im Zentrum unter anderem der Interessenausgleich zwischen Bürgern an hoch frequentierten Strecken und Motorradfahrern steht. Denn darum geht es im Kern.