Das Chaos: Die deutschen Autofahrer verweigern aus Angst um ihren Motor massenhaft das Tanken des seit Februar an den Tankstellen angebotenen Super E10. Dabei haben die Fahrzeughersteller schon vor Monaten rund 90 Prozent aller Automodelle in Deutschland dafür freigegeben. Nur weiß das fast niemand. Überraschend zitiert die "Welt" einen BMW-Entwickler, der warnt, dass E10 unter bestimmten Bedingungen zu einer erhöhten Wasseranreicherung im Motoröl führen könne. Dankbar springen Fernsehen und Zeitungen darauf an. Die Schlagzeile, die rauskommt, lautet: E10 fördert den Motorverschleiß. Das sofortige BMW-Dementi nimmt kaum jemand wahr.
Da will die Mineralölwirtschaft die weitere Einführung stoppen, spricht von "dramatisch geringer Nachfrage". Das Wort vom "Käuferstreik" macht die Runde, worauf die Politik beim eilig einberufenen "Benzin-Gipfel" den Stopp des angekündigten Einführungs-Stopps beschließt - der Wirrwarr um die Einführung des neuen Sprits ist komplett und könnte nicht größer sein.
Wen wundert‘s, dass Motorradfahrer angesichts dieses Chaos erst recht verunsichert sind. Welchen Kraftstoff sollen sie ihrer Maschine in den Tank kippen, das neue Bio-Benzin, dessen Nutzen für die Umwelt ebenfalls höchst umstritten ist, oder das ab sofort laut ADAC zwischen fünf und acht Cent teurere Super Plus?
Die Fakten: Vonseiten der Motorradhersteller kommen sehr unterschiedliche Aussagen. Nur BMW gibt alle seine Zweiräder jeglichen Baujahrs für E10 frei. Bei Harley sind es immerhin alle ab Baujahr 1980, bei Triumph und Yamaha ab 1990, wobei Yamaha ab einer Standzeit von vier Wochen empfiehlt, dass bei Vergasermodellen "das Kraftstoffsystem entleert werden" sollte, heißt: Vergaser leeren, Tank randvoll füllen. Honda schränkt ein, dass Motorräder ab 1990 nur "größtenteils" mit E10 gefahren werden können, warnt gleichzeitig, "dass Bio-Kraftstoff lackierte Flächen am Tank und Verkleidungsteile angreifen bzw. beschädigen kann" und dass auch bei freigegebenen Modellen "dieser Kraftstoff unter Umständen einen unrunden Motorlauf verursachen und zu einer Leistungsminderung führen" kann. Kawasaki gibt keines seiner Modelle vor 2006 frei, Suzuki keine Modelle vor 1992 und zwischen 1992 und 2002 nur manche, unbedenklich nennt Suzuki erst jene ab 2002. Aus Italien heißt es von Aprilia, Derbi, Gilera, Piaggio und Vespa, alle Viertakter ab 2000 seien unbedenklich, viele italienische Zweitakter jedoch nicht E10-geeignet. Von Ducati und Moto Guzzi kommt nur ein "wir testen noch".
Das Fazit: Wer vom Händler oder Hersteller (die meisten haben nähere, manche sehr detaillierte Infos auf der Homepage) keine ausdrückliche Freigabe für sein Modell hat oder unsicher ist, sollte weiter E5 bzw. Super Plus tanken. Übers Jahr gesehen macht der Preisunterschied 20 bis 30 Euro aus.

"Gefahr ist gering"
Interview mit Detlef Brandenburg, Pressesprecher Aral/BP
? Seitdem es E10 an den Tankstellen gibt, kostet E5 genauso viel wie teures Super Plus. Warum ist das so?
! Weil es derselbe Kraftstoff ist. Überall da, wo ein Aral Super 95 E10 (mit maximal zehn Prozent Bioethanol-Anteil) angeboten wird, wird auch gleichzeitig eine Bestandsschutzsorte mit maximal fünf Volumenprozent Ethanol und mindestens 95 Oktan angeboten - so wie es der Gesetzgeber in der 10. Bundesimmissionsschutzverordnung vorgesehen hat. Wie die meisten anderen Anbieter hat sich Aral aus technischen Gründen dafür entschieden, Super Plus 98 als Schutzsorte zu verwenden. Rechtlich kein Problem: Mineralölunternehmen dürfen unter der Auszeichnung "Super 95" auch den höherwertigen Super-Plus-Kraftstoff verkaufen, da er die geltenden Anforderungen übertrifft. Das Wettbewerbsrecht schreibt vor, dass die beiden Sorten, da sie identisch sind, auch zum selben Preis verkauft werden müssen.
? Der Motorradbestand in Deutschland besteht im Vergleich zu den Autos unterm Strich aus deutlich älteren Fahrzeugen. Etliche ältere Modelle haben keine E10-Freigabe bzw. die Verträglichkeit ist unklar. Was raten Sie Fahrern solcher Modelle, künftig zu tanken?
! Der sicherste Ansatz ist in diesem Fall der richtige, das bedeutet Super mit maximal fünf Prozent Ethanol, Super Plus oder unser Premiumprodukt Aral Ultimate 102. Angesichts der meist geringen jährlichen Fahrleistung ist der Aufpreis für den Kraftstoff verschmerzbar und gerechtfertigt, um auch die Motoren dieser Zweiräder noch lange ohne Probleme betreiben zu können.
? Was sollte man tun, wenn man versehentlich E10 getankt hat in ein Motorrad, das nicht dafür freigegeben ist?
! Bei vollem Tank die Hälfte umgehend mit geeigneten Hilfsmitteln aus dem Tank entfernen und anschließend mit Super Plus voll füllen.
? E10 ist hydrophil, das heißt es zieht Wasser. Was passiert, wenn E10 über längere Zeit, z. B. über die mehrmonatige Winterpause von Motorrädern, im Tank verbleibt?
! Wichtig ist, dass der Tank des Motorrads vor der Überwinterung möglichst voll ist. Hierdurch wird das über dem Kraftstoff stehende Luftvolumen und die sogenannte Tankatmung minimiert. Es kann so nur eine geringe Menge an Luftfeuchtigkeit in den Kraftstoff gelangen, die nicht zur Entmischung oder gar Korrosion führen kann. Der Vorteil von hydrophilem Kraftstoff wird wenig beachtet, dabei ist er ein Garant für die Vermeidung von separaten Wasserphasen, die sich am Tankboden absetzen und so zu Korrosion führen können. Gerade bei alten Motorradtanks kann man häufig Rostansatz am Tankboden beobachten. Mit E10 wird die Gefahr von Korrosion deutlich verringert, wenn, wie beschrieben, der Tank vor der Überwinterung voll gefüllt wird.
? Wie lange kann man bedenkenlos ein mit E10 betanktes und dafür freigegebenes Motorrad abstellen, ohne dass die Zugabe von Additiven nötig wird?
! Die übliche Winterpause von mehreren Monaten stellt kein Problem dar. Im Vergleich zu dem bisherigen Super verhält sich das neue E10 Super deutlich besser. Von der Zugabe sogenannter Additive, deren Qualität und Nutzen schlecht einzuschätzen ist, raten wir ab. Aral-Kraftstoffe sind bereits ausreichend additiviert, daher sind zusätzliche Additive nicht erforderlich.
? Seitens der Motorradhersteller und des ADAC heißt es, E10 könne Alu-Korrosion verursachen. Wurde der neue Treibstoff daraufhin untersucht oder getestet?
! Ja, bei Fahrzeugen der ersten Generation von Direkteinspritzern (gibt es im Motorradbereich nicht, Red.) hat sich unter besonders kritischen Bedingungen mit hohem Druck und hoher Temperatur gezeigt, dass Aluminium an Gewindeeinschraubungen - dort findet keine Passivierung durch Luftsauerstoff statt - Korrosion auftreten kann. Aluminium wird in Gegenwart von Luftsauerstoff oxidiert und dadurch vor weiterer Korrosion geschützt. Diese sogenannte Passivierung zeigt sich durch das graue Anlaufen des ansonsten metallisch blanken Aluminiums. Die Gefahr, dass an den im Motorradsektor eingesetzten Vergasern durch die Verwendung von E10 Korrosion auftreten könnte, schätzen wir wegen der relativ niedrigen Temperaturen und der fehlenden Drücke als ausgesprochen gering ein.
? Möglich sind laut Fahrzeugherstellern und ADAC auch Schäden an Leitungen und Dichtungen. Welche Materialen vertragen E10 nicht?
! Das kann im Detail nur die Fahrzeugindustrie beantworten, da in Fahrzeugen eine Vielzahl von Dichtungsmaterialien verbaut wird. Bei den von uns mit Fahrzeugen durchgeführten Versuchen sind keine Beeinträchtigungen von Elastomeren, Metallen (Ausnahme Aluminium wie beschrieben) und Metalllegierungen (Messing) aufgetreten. Insgesamt schätzen wir die mögliche Mehrbelastung von Materialien durch den höheren Ethanolanteil als ausgesprochen gering ein.