Die mächtigen Vierzylinder-Konstruktionen von BMW, speziell die K 1200 RS, polarisieren. Technik-Freaks finden den bayrischen Sporttourer unwiderstehlich: das längs eingebaute Triebwerk mit Kardan, geregeltem Kat, ABS, das einstellbare Windschild der Vollverkleidung, die variable Sitzbankhöhe und Position der Lenkerenden. Skeptiker monieren das hohe Gewicht, das Überangebot komplizierter Technik, das schwerfällige Aussehen und den stattlichen Preis.
Die Einbaulage des um 90 Grad nach links in die Vertikale gekippte Vierzylinder-Reihenmotors ist tatsächlich einzigartig. Schon beim Erscheinen des ersten K-Modells, der K 100 (1983), sparte die englische Fachpresse nicht mit beißendem Spott. Sie tauften BMWs ambitioniertes Konzept »Flying brick« (fliegender Ziegelstein). Mit einer aerodynamisch raffinierten, optisch jedoch sehr gewöhnungsbedürftigen Vollverkleidung bei der K1 (1989) entzog BMW allerdings das Tiebwerk den irritierten Blicken der Öffentlichkeit.
Dampf in allen Lebenslagen
Heute, zwei Generation später, ist die Konstruktion mit der K 1200 RS mehr als rehabilitiert. Für vernunftbetonte Anhänger der weißblauen Marke ist die K das perfekte Reisegerät. Wobei auch die eher gefühlsbetonten Boxerfreunde neidlos anerkennen, was die K-Kreation ausmacht: Dampf in allen Lebenslagen. Gerade die außergewöhnliche Elastizität des gegenüber der Vorgängerin K 1100 RS noch langhubiger ausgelegten Triebwerks gehört zu den herausragendsten Eigenschaften.
Doch wer mit dem 290-Kilogramm-Boliden liebäugelt, sollte sich nicht ohne ausführliche Probefahrt entscheiden. Fahrer deutlich unter 1,80 Meter müssen trotz verstellbarer Lenkerhälften die Arme weit über den Tank strecken. Für langbeinige Piloten wiederum ist der Kniewinkel sehr eng, weshalb sie die einstellbaren Fußrasten in der tiefsten Position montieren. Einschließlich der Generation 2000 bot BMW als Option einen so genannten Komfortlenker an, dessen höhere Position eine deutlich touristischere Sitzposition ermöglicht. Ab 2001 gehört er zur Serieausstattung.
Sechsganggetriebe arbeitet nicht ganz unauffällig
Gewöhnungsbedürftig ist, dass die längs laufende Kurbelwelle der Maschine nach dem Start einen deutlich spürbaren Rechtsdrall versetzt. Erst ab zirka 75 km/h wird das Fahrgefühl für den Geradeauslauf neutraler. Vibrationen werden durch Gummielemente zwischen Trieb- und Fahrwerk völlig vom Fahrer ferngehalten. Einen eigenen Weg geht BMW auch bei der Vorderradführung. Das Telelever-System verhindert das tiefe Eintauchen der Gabel beim Bremsen. Das von der BMW-Klientel schon lang gewünschte neue Sechsganggetriebe arbeitet zumindestens in kaltem Zustand speziell im ersten Gang, der sich zunächst nur mit einrückender Kupplung ganz einlegen lässt, konstruktionsbedingt nicht ganz so unauffällig präzise wie der Fernost-Standard.
Im Debütjahr 1997 startete BMW zwei Rückrufaktionen für alle bis Juli des Jahres zugelassenen RS. Im ersten Fall wurden die Lüfterräder samt Kühlergehäuse gewechselt sowie die elektronischen Steuergeräte ausgetauscht. Im zweiten Fall wurden die Einstellschrauben für die Kupplungs- und Bremsarmaturen überprüft und zusätzlich gesichert. Bei 1997er-Gebrauchtmaschinen sollten Interessenten sich erkundigen, ob diese Änderungen vorgenommen worden sind.
Langstreckentest über 100.000 Kilometer
Den Langstreckentest von MOTORRAD über 100.000 Kilometer (Heft 19/2000) absolvierte der Sporttourer äußerst problemlos. Die die Gabel-Standrohre waren viermal leck. Und die K 1200 RS verbrauchte im Schnitt einen halben Liter Öl pro 1000 Kilometer. Ein Wert, den BMW als ungewöhnlich ansieht, normal seinen 0,2 bis 0,3 Liter. Tatsache ist jedoch, dass viele RS-Fahrer speziell während der ersten 5000 Kilometer über ähnlichen, wenn nicht noch höheren Ölverbrauch beunruhigt waren. Ab Modelljahr 1999 erhielt die K 1200 andere Kolben- und -ringbestückung, was darauf schließen lässt, dass BMW der Schmiermittelbedarf selbst nicht ganz geheuer war.
Ein Phänomen bei mehreren RS: Der Vorderradreifen verschleißt schneller als der hintere. In einigen Fällen war er schon nach 5000 Kilometern austauschreif. Die Vermutung, dass die schwere Vorderpartie bei zügiger Kurvenhatz in Verbindung mit dem Telelever die Ursache für den Gummifraß ist, bleibt unbestätigt. Der Metzeler ME Z4 hielt bei MOTORRAD gut 10000 Kilometer, bei ihm wurde allerdings eine gewisse Schwergängigkeit beim Einlenken moniert. Erhöhter Luftdruck (2,9 statt 2,5 bar) brachte wenig, die Spezifikation Z4 B mit steiferer Karkasse eine deutliche Verbesserung. Wer es sportlicher liebt, wählt die Bridgestone-Paarung BT 56/57, muss aber Abstriche bei der Lebensdauer in Kauf nehmen. Ein guter Kompromiss zwischen Sportlichkeit und Laufleistung: der Dunlop D 205.
Die K 1200 RS gibt es in mit 72 und 96 kW. Wer gern zu zweit fährt, ist mit der Drosselvariante, die bis 6000/min bis um zehn Prozent mehr Elasizität bietet, besser dran. Eine Umrüstung kostet rund 180 Mark (Luftfiltergehäuse) Material, zirka 1,25 Stunden Arbeitszeit plus Eintragungsgebühren. Im verhältnis zum Anschaffungspreis der gebrauchten ein Klacks. Unter 18500 Mark für das 1997er-Modell sind K 1200 RS trotz des derzeit recht großen Angebots nicht zu haben, für zirka 26000 Mark werden 2000er-Maschinen gehandelt.
Marktübersicht BMW K 1200 RS
Das Flaggschiff der BMW-Vierzylinderreihe, die K 1200 RS ist seit ihrem Debüt 1997 rund 8000 mal verkauft worden. Die Schwacke-Liste notiert: Baujahr 1997 (33 000 Kilometer) 17600 Mark; 1998 (24600 Kilometer) 19300 Mark; 1999 (16200 Kilometer) 21300 Mark; 2000 (7800 Kilometer) 24100 Mark. Auf dem Gebiet der großen Tourensportler hat die K 1200 RSnicht nur im eigenen Haus mit einigen Boxermodellen Konkurrenz, sondern auch mit der Honda CBR 1100 XX. Mittlerweile ebenfalls mit geregeltem Kat ausgerüstet und trotz hohen gewichts sehr handlich, macht sie BGMW kräftig Kunden abspenstig. Schon etwas älteren Kalibers, aber immer noch potent im Rennen: die Kawasaki ZZ-R 1100 mit immer noc exzellenten Bremsen, aber zu verbesserndem Fahrwerk. Die ganz neu auf dem Markt drängende Yamha FJR 1300 spielt auf dem Gebauchtmarkt noch keine Rolle.
Technische Daten BMW K 1200 RS, Modelljahr 2001
Motor
Wassergekühlter Vierzylinder-Viertakt-Reihenmotor, vier Ventile pro Zylinder, Nasssumpfschmierung, elektronische Saugrohreinspritzung, G-Kat, hydraulisch betätigte Einscheiben-Trockenkupplung, Sechsganggetriebe, Kardan.
Bohrung x Hub 70,5 x 75 mm
Hubraum 1171 cm³
Nennleistung 96 kW (130 PS) bei 8800/min
Max. Drehmoment 117 Nm bei 6800/min
Fahrwerk
Brückenrahmen aus Alu-Guss, längslenkergeführte Telegabel, Federbein, Zweigelenk-Einarmschwinge aus Alu-Guss, Federbein, verstellbare Federbasis und Zugstufendämpfung, Doppelscheibenbremse vorn, Scheibenbremse hinten.
Alu-Gussräder 3.50 x 17; 5.50 x 17
Reifen 120/70 ZR 17; 170/60 ZR 17
Maße+Gewichte
Radstand 1555 mm, Lenkkopfwinkel 62,8 Grad, Nachlauf 124 mm, Federweg v/h 115/150 mm, Sitzhöhe* 720 mm, Gewicht vollgetankt* 295 kg, Zuladung* 205 kg, Tankinhalt 20,5 Liter.
Fahrleistungen
(MOTORRAD 8/2001)
Höchstgeschwindigkeit **247 km/h
Beschleunigung 0–100 km/h 3,3 sek
Durchzug 60–100 km/h 4,8 sek
Verbrauch 5,3 bis 6,7 l/100 km, Super
*MOTORRAD-Messungen; **Herstellerangabe
Besichtigung
Das wichtigste Gut für BMW-Neulinge bei einem Besichtigungstermin ist: Zeit. Durch die Kombination aus Telelever (Gabel), Paralever (Schwinge), längs liegender Kurbelwelle und teilweise eigensinniger Bedienung (z. B. Blinker) erschließt sich das Fahrverhalten einer K nicht bei einer Runde um den Block. So ist leichtes Taumeln bei niedrigem Tempo normal, darüber sollte es verschwinden. Bei Gabel und Motordeckel auf Ölaustritt achten. Wenn nichts zu finden ist, die komplette Elektrik samt Anzeigen und ABS einwandfrei funktionieren und das Serviceheft viele Stempel aufweist, kann man kaufen. Generell gilt/ die BMW-Technik sowie die Verarbeitung als solide und langlebig, wobei mitunter große Qualitätsschwankungen auftraten. Dies betrifft in besonderem Maß das Sechsganggetriebe. Japanischer Standard wird zwar nie erreicht, aber wenn es bei jedem Gangwechsel kracht, besser die Finger davon lassen.
Marktsituation
Von den 37992 produzierten K 1200 RS: blieb knapp die Hälfte im Land. Heute sind davon laut Kraftfahrt-Bundesamt noch rund 14600 unterwegs, davon stehen derzeit gut 330 zum Verkauf. K 1200 fahren ist kein billiges Vergnügen, die unterste Grenze liegt bei 4000 Euro für Bikes der ersten Serie mit rund 100000 Kilometern auf der Uhr. Modelle der zweiten Generation ab 2001 sind kaum unter 7000 Euro zu bekommen. ABS ist serienmäßig, Heizgriffe quasi auch, der Anteil an Kofferträgern ist ebenfalls hoch. Erst ab Baujahr 2000 wurde die K offiziell mit 130 PS ausgeliefert, davor galt noch die freiwillige Selbstbeschränkung auf 98 PS. Heute sind fast alle Offerten entdrosselt.
Modellpflege
1996 Markteinführung, Typ 589, Preis rund 14200 Euro
1997 Überprüfung der in einigen Fällen nicht ausreichend gesicherten Einstellschrauben von Brems- und Kupplungshebel
1999 Modifizierte Kolben zur Verringerung des Ölverbrauchs, Preis rund 14300 Euro
1998 Bei den Fahrgestellnummern ZA 20000 bis ZA 26463 (ECE), ZA 50000 bis ZA 50899 (US), wird die Dichtung zwischen Tank und Benzinpumpe durch eine modifizierte Version ersetzt
1999 Undichtigkeiten an Motordeckeln behoben
2000 130 PS serienmäßig, 98-PS-Variante nur noch auf Wunsch, Preis rund 14200 Euro
2001 Neues Verkleidungsoberteil mit größerem Windschild, hoher Komfortlenker jetzt Serie, Preis 14600 Euro
2002 Lichtschalter entfällt, wartungsfreie Batterie, Preis 14195 Euro
2004 Überprüfung kraftstoffführender Bauteile
2005 Letztes Produktionsjahr, Preis 15212 Euro
Tests in MOTORRAD
1997 6/1997 (T),
1998 24/1998 (KV), 7/1998 (VT),
1999 13/1999 (DT/ZB),
2000 9/2000 (VT), 19/2000 (DT),
2001 8/2001 (VT), 19/2001 (GK),
2004 2/2004 (alt gegen neu)
T = Test, KV = Konzeptvergleich, VT = Ver-gleichstest, DT/ZB = Dauertest Zwischenbilanz, GK = Gebrauchtkauf.
Nachbestellungen: Telefon 0711/182-1229
Internet
Fanseiten:
www.k1200rs.de
www.flyingbrick.de
www.bmw-bike-forum.info
Gebrauchtangebote:
https://www.1000ps.de/gebrauchte-motorraeder