Gebrauchtberatung Honda Africa Twin

Gebrauchtberatung Honda Africa Twin (2003) Leidlose Leidenschaft

Africa Twin. Kaum ein japanisches Motorrad löst so viele Emotionen aus. Ausgerechnet wegen ihrer unerhörten Zuverlässigkeit. Eine perfekte Gebrauchtmaschine?

Leidlose Leidenschaft Kutschera

Der hat es verbockt. Giovanni Marino ist sich ganz sicher. “Mann, der hätte die Maschine wenigstens voll tanken können, bevor er sie jahrelang abstellt. “ Gemeint ist der Vorbesitzer der weiß-blau-roten Honda Africa Twin, die nun mit kleinen Rostblumen im Tank in Marinos Garage steht – zum Verkauf. Marino will sie nämlich wieder loswerden. Nach einem Vierteljahr und nur rund 2000 Kilometern. “Fehlkauf“, kommentiert er. Auch in dieser Hinsicht ist er sich ganz sicher. Fehlkauf, weil er eigentlich was Sportlicheres für die Straße haben wollte. Der Rallye-Look der Honda hatte ihn zwar schon immer gereizt, aber die große Reiseenduro war ihm dann doch zu schwerfällig. Und fürs Gelände nehme er die Husky, erklärt er und nickt in Richtung der ebenfalls in der Garage geparkten Husqvarna-Sportenduro.

Fehlkauf also nicht etwa, weil die XRV 750, Baujahr 1995, technische Mängel aufweist. Versichert zumindest Marino und lobt die Twin für ihre Zuverlässigkeit. Der Rost im Tank lässt sich jedoch nicht wegreden. Ebenso wenig die Folgen eines Sturzes. Deutlich sichtbare Kratzer an den Verkleidungsteilen, der Fußraste und dem linken Lenkerende. Und der Tank weist eine Delle auf. Doch die Macken will der Verkäufer gar nicht vertuschen, die lange Standzeit hatte er schon in der Annonce im Anzeigenblatt aufgeführt und den genauen Zustand des Motorrads ausführlich am Telefon beschrieben. Laut Marino soll besagter Vor- und gleichzeitig Erstbesitzer der Maschine unter 1,70 Meter gemessen haben und sich nach einem harmlosen Rutscher bei Regen nicht mehr recht auf die große Honda getraut haben.

Fakt ist auf jeden Fall, dass die Africa Twin nach vier Jahren und 18000 Kilometern auf der Uhr ab 1999 für vier Jahre stillgelegt in einer Garage stand. Der Erstbesitzer wollte sie zwar nicht mehr fahren, aber offenbar auch nicht verkaufen. Erst im Sommer 2003 setzte er sie in die Zeitung. Giovanni Marino bekam den Zuschlag und widmete sich zwei Wochen lang der Pflege seiner neuen Zweite-Hand-Maschine. Er verpasste ihr Heizgriffe und eine neue Batterie, besserte Lackstellen aus, klebte und verstärkte eingerissene Verkleidungsteile. Den in der Standzeit von innen korrodierten Tank versuchte Marino selbst zu entrosten. Dazu ließ er mit Druckluft kleine Eisenkugeln im Tankinneren herumwirbeln, um die Rostschicht abzuschmirgeln. Erfolglos, wie das Ergebnis bei der Besichtigung zeigt. Neue Rostblumen haben sich gebildet, und Kenner wissen, dass diese wie bestimmte Symptome einer chronischen Krankheit immer wieder auftauchen, wenn das Spritfass nicht aufwendig restauriert wird. Ein Profi nimmt dafür rund 200 bis 300 Euro, fast schon so viel wie für ein gebrauchtes Teil. Das dürfte allerdings schwer zu finden sein.

Schade, denn der Rest des Motorrads lädt zum Kauf ein: Scheckheftgepflegt, Kunststoffe und Gummis sehen aus wie neu, der Motor springt gut an und läuft sehr rund. Das Federbein macht einen neuwertigen Eindruck, die Zweitbereifung, Metzeler Enduro 4, ist noch in Ordnung. Der Lack und die Farben wirken brillant, die Auspuffanlage präsentiert sich, gemessen an der Laufleistung, überdurchschnittlich gut erhalten. Ein original verpackter Kettensatz ist zudem mit dabei, das Topcase eine nette Dreingabe. Insgesamt kein schlechtes Angebot. Besonders für diejenigen, die ein gut erhaltenes, zuverlässiges Motorrad für alle Lebenslagen suchen. Mit den Kratzern vom Sturz kann man leben, bis man das Geld für neue Verkleidungsteile hat oder gebraucht Ersatz findet. Der Rost im Tank muss allerdings schleunigst raus oder ein neuer Tank her, um nicht die Vergaser mit Rostpartikeln zu verunreinigen.

Statt der in der Anzeige geforderten 3850 Euro wären auf dem Privatmarkt 3200 Euro, maximal 3400 für dieses Motorrad realistisch. Unter 3600 Euro will Giovanni Marino jedoch nicht gehen. Denn diese Summe habe ihm sein Händler beim Kauf einer Neumaschine geboten. Im Frühjahr soll nämlich eine Ducati her. Ob er denn die Africa Twin nicht sofort los werden möchte? Nein, schließlich habe sie ja schon jahrelang drinnen gestanden, da könne sie es die nächsten Monate auch noch gut bei ihm aushalten, meint der Africa-Twin-Besitzer und schiebt die Honda zurück in die Garage.

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MOTORRAD-Checkpoint – Honda XRV 650/750 Africa Twin

Motor
Wassergekühlter Zweizylinder-Viertakt-52-Grad-V-Motor, je eine oben liegende, kettengetriebene Nockenwelle, drei über Kipphebel betätigte Ventile pro Zylinder, Nasssumpfschmierung, zwei Keihin-Gleichdruckvergaser mit Flachschiebern, Ø 36 mm, Transistorzündung, keine Abgasreinigung, E-Starter, Drehstromlichtmaschine 360 Watt, Batterie 12 V/14 Ah.
Bohrung x Hub 81 x 72 mm
Hubraum 742 cm3
Verdichtungsverhältnis 9:1

Nennleistung
44 kW (60 PS) bei 7500/min
Max. Drehmoment 62 Nm (6,3 kpm) bei6000/min

Kraftübertragung
Primärantrieb über Zahnräder, mechanisch betätigte Mehrscheiben-Ölbadkupplung, Fünfganggetriebe, O-Ring-Kette.

Fahrwerk
Doppelschleifen-Stahlrohrrahmen, Telegabel, Standrohrdurchmesser 43 mm, Zweiarmschwinge aus Aluprofilen, über Hebelsystem angelenktes Zentralfederbein mit verstellbarer Federbasis, Doppelscheibenbremse vorn, Ø 276 mm, Doppelkolbensättel, Scheibenbremse hinten, Ø 256 mm, Einkolbensattel, Reifengröße vorn 90/90-21 H, hinten 140/80 HR 17.

Maße und Gewichte
Radstand 1565 mm, Lenkkopfwinkel 62,5 Grad, Nachlauf 112 mm, Federweg v/h 220/214 mm, Sitzhöhe 860 mm, Tankinhalt/Reserve 23/5 Liter, Gewicht vollgetankt 236 kg, zulässiges Gesamtgewicht 425 kg.

Messwerte (MOTORRAD 14/1999)
Höchstgeschwindigkeit
solo (mit Sozius) 180 (178) km/h
Beschleunigung
solo (mit Sozius)0–100 km/h 4,6 (6,1) sek
Durchzug
solo (mit Sozius) 60–100 km/h 5,4 (7,2) sek
Verbrauch 4,6 bis 7,3 l/100 km, Normalbenzin

Modellübersicht – Honda XRV 650/750 Africa Twin

Modellgeschichte
1986 nannte man sie respektvoll “Queen of Africa“, die legendäre, mehrfache Paris-Dakar-Siegermaschine Honda NXR 750. Zur Legende wurde auch der straßenzugelassene Ableger XRV seit dem ersten Verkaufsjahr 1988. Die Africa Twin XRV 650 mit Herstellercode RD03 ähnelte dem Werks-Rallye-Racer in vielen Details. Das kam an. Bezahlbare 10570 Mark kostete die Africa Twin damals; mit den serienmäßigen Aufklebern der Honda Racing Corporation (HRC) trug sie stolz die familiäre Verbindung zur sündhaft teuren NXR zur Schau. Die 650er-Honda gewann Vergleichstests und, dank ihrer Zuverlässigkeit, gleichzeitig die Herzen vieler Fernreisenden und Alltags-Motorradfahrer. Das formidable, stabile Fahrwerk setzte neue Maßstäbe in der Enduro-Welt, denn die rund 220 Kilogramm schwere Maschine ließ sich sowohl auf der Straße als auch im Gelände überraschend flott bewegen.

1990 kam die XRV 750 mit Modellbezeichung RD04. Mit 95 cm3 mehr Hubraum leistete sie 59 statt 57 PS, wog jedoch stattliche 238 Kilo. Dafür hatte sie eine Doppelscheibenbremse, eine etwas längere Schwinge und eine geänderte Frontverkleidung. 1992 kam noch ein Tripmaster hinzu. Die meisten hielten das so genannte Mäusekino allerdings für überflüssig, weil es wenig mit dem rallyetauglichen Bordcomputer der NXR gemein hatte. Wie die RD03 glänzte auch die RD04 durch Zuverlässigkeit. Bis auf Verschleißteile ging an diesen Motorrädern kaum etwas kaputt.

Honda ruhte sich nicht auf dem Verkaufserfolg aus und lancierte 1993 den nächsten Modellwechsel. Bei der XRV 750 RD07 nahmen die Konstrukteure die umfangreichsten Änderungen während der gesamten Bauzeit vor. Neuer Rahmen, tieferer Schwerpunkt, leichterer Endschalldämpfer, das Gewicht sank auf rund 230 Kilogramm vollgetankt. Geänderte Vergaser und ein wartungsfreundlich vor dem Tank installierter Luftfilter sorgten jetzt für 60 PS. Das entsprach zwar nicht ganz den Erwartungen der meisten Africa-Twin-Fans, aber Hondas Philosophie, ein ausgewogenes Motorrad mit sinnvollen Detailverbesserungen statt Spitzenleistungen auf die Stollenreifen zu stellen, ging auf. Die RD07 avancierte erneut zum Siegertyp, denn sie ist die Africa Twin mit den besten Fahreigenschaften. Der Rallye-Look wich indes einem modernen Flammendesign, insgesamt wirkt das Modell wegen der komplett geänderten Verkleidung runder.

Mittlerweile hatte der robuste Zweizylinder besonders unter Tourenfahrern begeisterte Anhänger gewonnen. Das in der Druckstufendämpfung verstellbare Federbein und die mit Luftdruck unterstützte Gabel ließen sich für den Fahrbetrieb mit Sozius und voller Beladung gut justieren. Ab Modell 1996 (RD07a) sparte Honda diese Einstellmöglichkeiten jedoch ein. Ansonsten blieb die XRV bis auf kleinere Änderungen der Verkleidungsmaske und des Schalldämpfers ab 1993 unverändert. Presse und Fangemeinde diskutierten lange über ein Nachfolgemodell XRV 850 mit rund 80 PS und etwa 200 Kilo Lebendgewicht. Honda selbst setzte mit dem Modelljahr 2003 allen Spekulationen ein Ende und verkündete den Produktionsstopp der Africa Twin.

Marktsituation
Alle mögen die Africa Twin. Nur Honda nicht. Jedenfalls mag der Hersteller sie 2004 offiziell nicht mehr neu verkaufen. Nicht mal ein Sondermodell legten die Japaner auf, um den Abschied eines Geschichte schreibenden Motorrads zu feiern. Auf das Preisniveau für Gebrauchtmaschinen hat sich der Produktionsstopp kaum ausgewirkt: Der Preis war, ist und bleibt hoch. Ein Ansturm auf gebrauchte XRV ist nicht zu erkennen, lediglich einige Händler berichten von einer leicht gestiegenen Nachfrage.

Besonders gut verkaufen sich neuwertige Modelle mit wenigen Kilometern. Ältere RD07 oder gar 04er stehen wegen meist hoher Laufleistungen selten beim Händler. Ein Großteil der Maschinen wird also von privat an privat verkauft. Wenige Motorräder besitzen einen derart guten Ruf, so dass viele Käufer einen Privatkauf ohne Gewährleistungspflicht wagen. Gute Angebote tauchen zumeist in den regionalen Anzeigenblättern auf.

Ab 2000 Euro finden sich vereinzelte RD03 und RD04 mit mehreren Vorbesitzern und Laufleistungen jenseits von 50000 Kilometern. Gepflegte RD03 mit wenig Kilometern sind indes schon Liebhaberstücke und äußerst selten. Sie werden selten unter 3000 Euro verkauft. Eine RD07 mit 30000 bis 40000 Kilometern liegt – sturzfrei und ordentlich gewartet – bei 3500 bis 5000 Euro. Generell gilt: Laufleistung und Gesamteindruck bestimmen den Preis stärker als das Baujahr. Neuwertige Fahrzeuge (ab Baujahr 2000) mit einer Laufleistung um die 10000 Kilometer sind unter 6000 Euro kaum zu bekommen. Gegenüber den vergleichsweise geringen Stückzahlen der RD03 (rund 1500) und des Nachfolgermodells RD04 (rund 4200) ist die RD07 mit über 15000 verkauften Exemplaren die populärste Africa Twin und auf dem Gebrauchtmarkt am gefragtesten.

Besichtigung
Trotz der fast schon sagenumwobenen Robustheit sollte man das begehrte Stück nicht mit verklärtem Blick begutachten. Ein wichtiger Punkt kann schon am Telefon geklärt werden: die Zahl der Vorbesitzer. Gerade bei älteren Modellen ist es ein großes Plus, wenn der Verkäufer gleichzeitig Erstbesitzer der Maschine ist. Oder sie zumindest lange gefahren hat, denn das lässt auf eine gute Pflege schließen. Vielleicht ist er sogar in einer der vielen Fangemeinden aktiv, die wertvolle Tipps im Internet handeln (zum Beispiel unter www.atic.org oder www.africatwin.de). Dort diskutieren Africa-Twin-Anhänger über Schwächen der einzelnen Modelle. Die ungünstig unter der Sitzbank positionierte Transistorzündung der RD03 etwa fiel wegen durchgescheuerter Lötstellen gelegentlich aus. Der Gleichrichter der RD04 soll in einigen Fällen zu starker Erhitzung von Batterieflüssigkeit und in Einzelfällen sogar zu Bränden im Kabelbaum geführt haben.

Die Benzinpumpe der RD07 ist eine der bekannteren Schwachstellen. Eingefleischte Fans ersetzen sie durch Austauschprodukte von Pierburg (Telefon 02133/267167) oder Mikuni (über African Queens, Telefon 08441/18442). In Notfällen überbrücken sie die Pumpe komplett. Einig in der Kritik sind sich beinahe alle Besitzer über die unbequeme Sitzbank sämtlicher Modelle. Pluspunkte gibt’s dementsprechend, wenn die Sitzbank gegen ein Produkt aus dem Zubehörhandel (Touratech, Telefon 07728/92790, African Queens, Corbin, Telefon 06371/18637) getauscht oder die Sitzbank professionell aufgepolstert wurde.

Außerdem erfragen: Wie, von wem und wo ist das Motorrad hauptsächlich gefahren worden. Bei Wüstenabenteurern und Ganzjahresfahrern genau hinschauen. Besonders auf Federelemente (kein Ölaustritt), Kratzer und die Lackqualität achten. Bei Garagenparkern, Scheckheftpflegern und Sommer-Touristen ist weniger Vorsicht geboten. Läuft der Motor bei der Probefahrt rund, hat der Käufer in der Africa Twin vermutlich für viele Jahre und Kilometer eine perfekte Partnernin gefunden.

Modellpflege – Honda XRV 650/750 Africa Twin

1988
Africa Twin, die erste. Die XRV 650, Code RD03, fuhr mit ihrem „Adventure Sports“-Konzept direkt in die Herzen von Reiseenduristen. Allein das Cockpit: eine Augenweide. 57 PS reichen der gut ausbalancierten Maschine im Gelände und auf der Straße aus. Schnellverschlüsse für die Verkleidung erleichtern Schrauberarbeiten.

1990
Die XRV wächst um 95 cm3 und zwei PS, die Schwinge wird etwas länger. Dazu bekommt die Honda einen Ölkühler. Zum Leidwesen sportlicher Enduristen legt die RD04 auch an Gewicht zu: statt 220 jetzt 238 Kilogramm. Eine leicht veränderte Front sowie eine höhere Scheibe sorgen für besseren Windschutz. Die Nissin-Bremsanlage funktionierte schon vorher gut, mit der neuen 276-Millimeter-Doppelscheibe vorbildlich.

1992
Drei Tageskilometerzähler, Uhrzeit, Stoppuhr – mehr bietet der wichtig aussehende „Tripmaster“ nicht.

1993
Neues Motorrad, gleicher Charakter. Für das Modell RD07 wird ein Doppelschleifen-Stahlrohrrahmen konstruiert, der das Handling verbessert. Am Motor ändert sich wenig, er hat nun größere Vergaser und 60 PS sowie mehr Drehmoment. Der neu gestaltete Tank, jetzt mit versenktem Deckel, fasst 23 statt bislang 24 Liter. Verkleidung und Windschutzscheibe wurden augenfällig modifiziert. Der Endtopf besitzt ein um 1,5 Liter größeres Volumen und ist dennoch leichter als die Vorgänger. Erstmals wird die Africa Twin mit Radialreifen bestückt, hinten wächst die Reifenbreite von 130 auf 140 Millimeter.

1996
Die Druckstufendämpfung am Federbein und die Luftdruck-Unterstützung für die Gabel fallen bei der RD07a weg. Die Frontmaske wird minimal modifiziert.

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