Die Zusatzbezeichnung Sport im Modellnamen - das bedeutete vor rund 20 Jahren nicht vollverschalte Rennmaschinen mit Stummellenkern, sondern kernige Naked Bikes mit knappen Lenkerverkleidungen im Stil der amerikanischen »Superbikes«. Ein erster Serienableger dieser US-Rennmaschinen war 1983 die giftgrüne Z 1000 R. Von ihrem Äußeren steht in dieser Tradition die ZRX 1100, die zwischen 1997 bis heute rund 6500mal in Deutschland verkauft wurde.
Ihr Debüt geriet eher unauffällig. Erst bei den Vergleichstests mit Suzukis großer Bandit und Yamahas XJR 1200 fiel die gelungene Gesamtkonzeption der nackten Kawa so richtig auf. Zunächst wurde sie nur als Geheimtipp, später als der unauffällige Primus dieser Spezies gehandelt, und zwar aufgrund der souveränen Motorcharakteristik in Verbindung mit satten Fahrwerksreserven. Das von MOTORRAD gefahrene Exemplar ist eine Vorführmaschine des Kawasaki-Händlers Patrick Kayser aus Stuttgart-Weilimdorf und hat erst 125 Kilometer auf dem Tacho. Der Preis überrascht: 13999 Mark bei voller Zwei-Jahres-Garantie und Erstbesitzer-Status.
Schon beim Platznehmen weicht der Respekt vor dem gewichtigen Vierzylinder und dessen vermeintlich kräftezehrender Handhabung. Die Sitzposition ist ungemein zivil. Mit nur knapp 80 Zentimetern Sitzhöhe, weit genug hinten und nicht zu hoch platzierten Fußrasten sowie einem günstig gekröpften, ausreichend breiten Lenker passt die ZRX 1100 für Menschen zwischen 1,65 und 1,90 Meter.
Beim Losfahren mahnt zwar die rupfende Kupplung im noch kalten Motor zu defensiver Fahrweise. Aber nach kurzer Zeit rückt sie unauffällig ein und aus. Die Gänge flutschen weich ein, bereits ab 1500 Umdrehungen produziert der Vierventiler mit Ausgleichswelle sanften, aber nachdrücklichen Vortrieb. Selbst in Tempo-30-Zonen kann der ZRX-Fahrer ohne Herunterschalten im fünften Gang dahinrollen. Die Elastizität und Laufruhe des gegenüber dem GPZ 1100-Aggregat leicht modifizierten Triebwerks ist verblüffend.
Unauffällig arbeitet auch die vordere Bremse, die Sechskolbenanlage kann mit zwei Fingern bedient werden, verfügt über einen exakten Druckpunkt und effektive Wirkung, ist gut dosierbar und standfest. Das hintere Exemplar sollte dagegen nur sanft angetippt werden, Grobmotoriker haben mit einem schnell blockierenden Hinterbad zu kämpfen. Auf der Landstraße jedenfalls fühlt sich der ZRX-Treiber schnell wohl, die Eingewöhnungszeit ist erfreulich kurz.
Auch bei Richtungs- und schnellem Schräglagenwechsel machen sich die rund fünf Zentner Gewicht erstaunlich wenig bemerkbar. Wesentliche Unterstützung für das neutrale Einlenkverhalten sind natürlich die äußerst entspannte Sitzposition und das für den Boliden zivile Maß des 170er-Hinterradreifens. Etwas weniger souverän geraten Autobahnfahrten. Nicht die leichte Längsrillenempfindlichkeit stört, sondern die Orkanstärke des Fahrtwinds ab zirka 170 km/h. Die minimale Cockpit-Verkleidung verspricht dann mehr, als sie hält. Außerdem steigt der Verbrauch bei kontinuierlich hohem Tempo bis über neun Liter.
Viele ZRX-Piloten montieren deshalb eine höhere Spoilerscheibe von MRA (im Zubehör zirka 160 Mark), um den Winddruck zu minimieren. Dann können allerdings die Turbulenzen für den Sozius zunehmen. Doch der ist, wenn er mehr als 1,65 Meter misst, durch die zu hoch montierten Fußrasten ohnehin wenig kommod untergebracht.
Laut Kawasaki wurde an der ZRX 1100 während der vierjährigen Bauzeit keinerlie Änderungen vorgenommen. Lediglich auf die Kritik quietschender Bremsbelägen vorn reagierte das Werk ab 1999 mit einem Ring (Gasket Disc Plat) zwischen Bremsscheibe und Felge. Diese Unterlegscheibe kann bei den Modellen 1997/1998 nachträglich montiert werden.
Bemängelt wird von den besitzern, dass bei der nötigen Kettenpflege kein Hauptständer die Arbeit erleichtert. Auch die zu kurzen Spiegelausleger, die nicht genügend Blickfeld nach hinten freigeben, werden moniert. Der relativ häufige Verschleiß der Gabeldichtringe wird zwar konstatiert, aber eher stoisch aufgenommen und in der Garantiezeit von der Händlerschaft beim Werkstattaufenthalt behoben. Sensiblere Naturen stört die Empfindlichkeit des Modells, das, obwohl auf dem Vorderrad noch genügend Profiltiefe vorhanden ist, bereits mit leichtem Shimmy Lenkerflattern bei zirka 80 km/h reagiert.
Offiziell wird die ZRX 1100 mit 98 PS ausgeliefert. Die 106-PS-Version hat lediglich andere Vergaserdeckel ohne Anschlag. Material-, Arbeits- und Eintragungskosten betragen rund 350 Mark, um in den Genuss der offenen Leistung zu kommen. Das Triebwerks taugt laut Äußerungen der Händlerschaft, die bis heute freilich nur Kilometerstände von rund 50000 begutachten können, mühelos für die doppelte Laufleistung.
Potenzielle Käufer haben Anfang 2001 zwei Möglichkeiten: Entweder noch ein ladenfrisches Exemplar bei den Händlern abzugreifen, von denen offiziell noch zirka 500 Stück für 16720 Mark zum Abverkauf angeboten werden. Oder sie suchen auf dem Gebrauchtmarkt, bis sie das passende Schnäppchen finden. .
Technische Daten - Kawasaki ZRX 1100
Kawasaki ZRX 1100Technische DatenMotorWassergekühlter Vierzylinder-Viertakt-Reihenmotor, zwei obenliegende kettengetriebene Nockenwellen, vier über Schlepphebel betätigte Ventile pro Zylinder, Keihin-Gleichdruckvergaser, 0 36 mm, kontaktlose Transistorzündung, Hubraum 1052 cm³, Nennelistung 72 kW (98 PS) bei 8500/min, Fünfganggetriebe, Sekundärantrieb über Kette, E-Starter.FahrwerkDoppelschleifenrahmen aus Stahlrohr, Telegabel, Standrohrdurchmesser 43 mm, mit verstellbarer Federbasis, Zug- und Druckstufendämpfung, Zweiarmschwinge mit Unterzügen aus Alu-Rohr, zwei Federbeine mit verstellbarer Federbasis, Zug- und Druckstufendämpfung, Doppelscheibenbremse mit Kolbensätteln mit Sechskolbebenzangen vorn, 310 mm, Scheibenbremse hinten, 250 mm, Leichtmetall-Gußräder, Federweg vorn/hinten 125/88 mmGröße und GewichteSitzhöhe 790 mmTankinhalt/Reserve 20/4,5 LiterGewicht vollgetankt 248 kgZul. Gesamtgewicht 430 kgService-Intervalle alle 6000 kmTestwerteHöchstgeschwindigkeit solo/mit Sozius 209/194 km/hBeschleunigung 0-100 km/h solo/mit Sozius 3,3/4,4 sekVerbrauch 5 bis 10 LiterKraftstoff Normal Ersatzteil-PreiseSturzteileKupplungsarmatur 411 MarkHandbremsarmatur 439 MarkLenker 118 MarkRückspiegel 97 MarkBlinker vorn 40 MarkTachometer 246 MarkDrehzahlmesser 471 MarkGabelstandrohr 351 MarkSchutzblech vorn 221 MarkVorderrad 1029 MarkSchalldämpfer 925 MarkTank, lackiert 1263 MarkRahmen komplett 1708 MarkLampen-Verkleidung (mit Scheibe) 1250 MarkVerschleißteileKettenkit 348 MarkBremsbeläge vorn, komplett 63 MarkKupplungsreibscheiben 181 MarkBremsscheibe vorn 421 MarkLuftfilter 45 MarkÖlfilter 10 MarkStärken und SchwächenStärkenSouveränes, elastisches TriebwerkSpurstabiles FahrwerkEntspannte SitzpositionSchwächenKein HauptständerSoziusfußrasten zu hochTest in MOTORRAD1Test 5/1997Vergleichstest 8/1997Vergleichstest 21/1997Vergleichstest 14/1998Vergleichstest 4/1999Vergleichstest 11/1999Vergleichstest 22/1999Vergleichstest 14/2000Reifenfreigaben Typ ZRT 10 Cvorn hinten120/70 ZR 17 170/60 ZR 17Bridgestone Battlax BT 57 F/RBridgestone BT 010 F/RDunlop D 204 FP/GAlternativbereifungBridgestone Battlax BT 56 F/RMetzler ME Z3Michelin Pilot SportFußnoten:1Tests können beim Verlag bestellt werden, Telefon siehe Kasten auf Seite xxx.
Lesererfahrungen - Kawasaki ZRX 1100
Meine ZRX 1100 kaufte ich gebraucht Anfang 1999 und bin seitdem zirka 12 000 Kilometer damit unterwegs gewesen. Derzeitiger Kilometerstand: 24000. Kaufentscheidend war für mich eine Probefahrt, bei der ich mich sofort wie zu Hause fühlte, und auch der Respekt vor Motor- und Bremsleistung, sowie hohem Gewicht schnell verflogen war. Da es sich um meine erste Kawa handelte, war ich zunächst, was Zuverlässigkeit und Verarbeitung betrifft, etwas skeptisch. Bis heute gab es jedoch nichts zu beanstanden, im Gegenteil. Die Verarbeitung ist ausgezeichnet. Trotz einer feuchten Garage rostet oder gammelt nichts, keine einzige Schraube. Der Kettenkit ist nach 24000 Kilometern noch brauchbar, ebenso die Bremsklötze trotz diverser Alpen-Passfahrten mit Gepäck. Der Reifenverschleiß hält sich bei Bridgestone BT 57 mit 10000/14000 Kilometern vorn und hinten in Grenzen. Sinnvolle Verbesserungen: LSL-Superbike-Lenker und eine höhere Scheibe. Einzige Kritikpunkte: nervend quietschende Vorderradbremse und fehlender Hauptständer.René Uytterschaut, DuisburgDer Händler meiner gebrauchten ZRX ließ die Maschine im Neuzustand in original Limegrün lackieren, was für mich schon ein Kaufgrund war. Der Durchzug auch aus niedrigen Drehzahlen wurde durch ein 45er-Kettenblatt hinten und die Montage eine Nikko-Racing-Anlage aus Edelstahl spürbar verbessert. Gemessene 109 PS bei 8550/min. Über den Benzinverbrauch lässt sich sagen: Zwischen sechs und neun Litern ist alles möglich, es kommt auf den Spaß an, und davon hat die Maschine mehr als genug. Die Sitzposition ist für mich, 1,88 Meter, optimal, nur der Sozius muss leidensfähig sein.Bernhard Mertens, BrüggenMeine ZRX habe ich als Zweitmotorrad gekauft. Bis jetzt (30000 Kilometer) gab es keine Zwischenfälle. Zuerst kam eine Zephyr-Lampe dran (damals gabs in der Schweiz nur eine verschalte Version), und die Felgen wurden poliert. Die Krümmer wurden vernickelt, des weiteren gabs einen Remus-Topf, CNS-Kühlerrost, ZZR-Fußrasten und KTM-Blinker. Die Bremsen sind super, und der Motor ist ein Gedicht. Das Heck neigt zum Pumpen, deshalb stelle ich die Federn ziemlich hart ein, Zugstufendämpfung fast ganz zu. An besten fährt sich mit Zug durch die Kurven. Das Heck bricht zum Teil etwas aus, ist aber einfach zu kontrollieren. Ruhe ins Fahrwerk bringen die Metzeler ME Z4.Reto Zemp, Wädenswil, SchweizBisher keine einzige Panne, freue mich auf die nächsten zehn Jahre mit der ZRX. Aufgrund der niedrigen Drehzahlen animierenden Motorcharakteristik werden 100 000 Kilometer Laufleistung wohl kein Problem sein. Kritik dennoch: die erste Ventileinstellung erst bei 12000 Kilometern. Folge: Das Spiel von drei Ventilen war bereits erheblich unter Soll. Deswegen Inspektionskosten über 1000 Mark. Man sollte sich bei Kawasaki die sehr langen Erstintervalle noch mal durch den Kopf gehen lassen. Friedhelm Kohlhoff, Rösrath
Marktübersicht - Kawasaki ZRX 1100
Die Kawasaki ZRX 1100 wird 2001 nicht mehr importiert. Die letzten Neumaschinen bei den Händlern werden offiziell für 16 720 Mark angeboten. Doch der Preis ist Verhandlungssache. Die Angeote liegen schon jetzt bis zu gut 2000 Mark darunter, um die Lager für die neue ZRX 1200 zu räumen. Die Schwacke-Liste notiert: Baujahr 1996 (40900 Kilometer) 8350 Mark; 1997 (32500 Kilometer) 9100 Mark; 1998 (24100 Kilometer) 10600 Mark; 1999 (15700 Kiolmeter) 12150 Mark. Unmittelbare Konkurrenz bei den dicken »Nackten« ist die Suzuki GSX 1200, die neben der großen Bandit (GSF 1200) vom Absatz her ein Mauerblümchendasein fristet. Sie wird ebenfalls 2001 aus dem Progamm genommen und günstig abverkauft. Und die Yamaha XJR 1300, die es weiterhin gibt, deren Gebrauchtpreise entsprechend höher gehandelt werden.