Gebrauchtberatung Kawasaki ZX-6R
Rennelement

Sie kam, sah und siegte - die Kawasaki ZX-6R, als sie sich 1995 zum ersten Mal der Konkurrenz stellte. Ganz ohne Kratzer kam die sportliche 600er aber nicht davon.

Die neunziger Jahre stehen im Zeichen sportlicher 600er Motorräder und Kawasakis ZX-6R steht mittendrin. Im Herbst 1994 präsentiert, stürmte das komplett neu konstruierte Modell bereits im ersten großen Vergleichstest Anfang 1995 an die Spitze des 600er Felds - zumindest auf der Rennstrecke. Kompromißlos auf Sportlichkeit getrimmt, fuhr sie der Konkurrenz auf und davon. Erst 1997 mußte sie sich beim jährlichen Kräftemessen mit einem zweiten Platz hinter Hondas CBR 600 begnügen.
Und so blieb beim diesjährigen Modell kein Stein auf dem anderen. Ein komplett neuer Rahmen, eine verwindungssteife 46er Gabel, Sechskolben-Bremszangen, Mikuni- statt Keihin-Vergaser und auf Wunsch ein Katalysator sollen die Kundschaft locken und dafür sorgen, daß der Konkurrenz in Zukunft wieder das Rücklicht gezeigt wird.
In den ersten drei Baujahren hielten sich dagegen die Modellpflegemaßnahmen in Grenzen. Neben Rahmenverstärkungen gehörten Gabelstandrohre mit dickerer Wandstärke zu den wichtigsten Änderungen des 1996er Modells. 1997 wurde neben der Farbgebung die Vergaserabstimmung und die Zündkurve geändert.
Bereits im Erscheinungsjahr überzeugte die Kawasaki ZX-6R, Modellbezeichnung ZX 600 F1, mit ihrem geringen Gewicht und einem fein einstellbaren Fahrwerk. Im Zusammenspiel mit der agilen Lenkgeometrie sorgen diese Kriterien für ein außergewöhnlich leichtes Handling. Die Möglichkeit der Höhenverstellung am Federbein garantiert ausreichend Bodenfreiheit im Rennbetrieb. Einziges Manko bei sehr sportlicher Fahrweise ist das lästige Gabelflattern, das auch bei den Modellen mit größerem Standrohrdurchmesser nicht ganz aus der Welt geschafft wurde. Bei harten Bremsmanövern gerät der Vorderbau der Maschine in Resonanzschwingungen. Im Alltagsbetrieb tritt diese Erscheinung aber nicht auf.
Dort überzeugt vielmehr der durchzugsstarke Motor, das exzellente, präzise zu schaltende Getriebe und der reaktionsarme Antriebsstrang des Sportlers. Die im harten Renneinsatz an ihre Grenzen stoßende Gabel hinterläßt auf Landstraßen einen guten Eindruck. Vor allem aber die Bremsen gehören zum Besten, was der Markt zu bieten hat: fein zu dosierende Zangen mit brachialer Wirkung. Ganz vereinzelt kam es bei einigen ZX-6R zu heftigem Bremsenrubbeln, so auch bei der Langstreckentestmaschine von MOTORRAD. Die Bremsscheiben wurden daraufhin in der Werkstatt auf Garantie ausgetauscht, womit das Problem erledigt war.
Im Alltagsbetrieb müssen aber auch Abstriche gemacht werden, denn was auf der Rennstrecke Sinn macht, ist bei gemäßigter Fahrweise oft störend. Nicht nur Großgewachsene beklagen sich über die sehr sportliche Sitzhaltung und den nur mäßigen Windschutz der ZX-6R. In langsamen Kurven muß sich der Fahrer darüber hinaus zuerst an das abrupte Ansprechverhalten der Vergaser gewöhnen, bevor er ruckfrei ums Eck biegen kann. Das Fahrwerk glänzt durch hervorragende Handlichkeit gepaart mit Spurstabilität und reagiert allenfalls auf einige wenige Reifenpaarungen empfindlich. Doch entscheidend für die Reifenwahl ist der Einsatzzweck.
Für gemütliche Touren sind die Serienreifen von Bridgestone, Typ BT 50, absolut ausreichend. Wer hingegen sportliche Fahrweise bevorzugt, ist mit den Metzeler MEZ1 besser bedient. Gutes Handling, hohe Zielgenauigkeit in Kurven aller Art, gute Fahrstabilität und sehr gute Haftung bis in den Grenzbereich zeichnen diese Reifenpaarung aus.
Die passenden Reifen für ihre ZX-6R zu finden bereitet auch den meisten Lesern keine Probleme. Klagen gibt’s dagegen von Besitzern der ersten ZX-6R über die anfangs zu kurzen Inspektionsintervalle, die Kawasaki mittlerweile auf 6000 Kilometer erhöht hat. Weitere Kritikpunkte sind rostende Auspuffanlagen, denen mit hochwertigen Werkstoffen ab dem 1998er Modell ein Ende bereitet werden soll, undichte Gabelsimmerringe und unzureichender Spritzschutz. So moniert Leser Olaf Dierker, daß bei Regenfahrten das Wasser in das Verkleidungsoberteil bis auf das Cockpit geschleudert wird. Und fährt fort: »Das hintere Federbein wird im Regen ebenfalls einer intensiven Dreckwäsche unterzogen.« Abhilfe schafft hier eine spezielle Radabdeckung aus dem Zubehörhandel, zum Beispiel die Carbon-Ausführung von Fechter, Telefon 07023/95230, für 359 Mark.
Für alle, die sich trotz der sportlichen Sitzhaltung auf der ZX-6R nicht von größeren Touren abhalten lassen wollen, gibt es weiteres sinnvolles Zubehör auf dem Markt. Besseren Windschutz bietet die Spoilerscheibe von MRA, Telefon 07666/8308, für 169 Mark inklusive ABE. Für leichtere Gepäckunterbringung sorgen ein Top-Case-Träger für 169 Mark von JF-Motorsport, Telefon 06002/1771, und ein Bagster-Tankrucksack mit angepaßtem Tanküberzug für zusammen 315 Mark - erhältlich bei Langenscheidt, Telefon 02368/1009. Federn von WP, Telefon 05921/6057, sollen die Flatterneigung der Gabel reduzieren, erwiesen sich aber bei der Langstrecken-ZX-6R von MOTORRAD nicht als der Weisheit letzter Schluß. Die Tester beklagten sich weiterhin über das - wenn auch geringere - unangenehme Gabelflattern. Vor den Rissen im Rahmenprofil, zwischen Steuerkopf und oberer Motorhalterung, von denen einige wenige 1995er Modelle betroffen waren, blieb die Dauertest-Kawasaki hingegen verschont.
Spätestens beim Blick auf das Gebrauchtangebot zeigt sich, daß nur wenige Besitzer ihre ZX-6R als Langstreckenmotorrad einsetzen. Laufleistungen von mehr als 20000 Kilometern gehören schon zu den Ausnahmen. Und diese 20000 Kilometer verkraftet der Kawasaki-Motor ohne weiteres. Auch vor Exemplaren mit ein paar tausend Kilometer mehr auf dem Tacho müssen Kaufinteressenten nicht zurückschrecken. Erst wenn es an die 40000-Kilometer-Marke geht, ist mit der einen oder anderen Reparatur zu rechnen. 1995er Modelle sind für rund 10000 Mark zu haben, also etwa soviel wie in der Schwacke-Liste angegeben. Wer sich für eine 1996er ZX-6R entscheidet, muß 12000 bis 13000 Mark investieren - deutlich mehr als nach Schwacke-Liste. Straßen-Renner vom Schlag einer Kawasaki ZX-6R sind eben gefragt und ihre sportlichen Qualitäten längst kein Geheimnis mehr.

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Lesererfahrungen - Kawasaki ZX-6R

Glaubt man den Leser-Zuschriften, dann gibt es kaum Grund zur Kritik an Kawasakis sportlichster 600er. Hier dürfte es ein bißchen mehr Windschutz sein, dort etwas mehr Soziustauglichkeit, ansonsten herrscht allgemeine Zufriedenheit.

Von einer Honda CBR 600 stieg ich auf die Kawasaki ZX-6R um. Der Fahrspaß mit der quirligen, grün-weißen Kawa ist für mich das zweithöchste der Gefühle. Sie hat absolut geniale Bremsen und ein super Handling. Auf kurvigen, engen Landstraßen, auch wenn diese mit Schlaglöchern durchsetzt sind, habe ich das Gefühl, unsere Symbiose kann keiner trennen. Die ZX-6R ist das beste Motorrad, mit dem ich jemals gefahren bin.Uschi Faidt, MarkgröningenNachdem ich mich von meiner GPZ 500 S nach einem Unfall trennen mußte, erwarb ich im Dezember 1996 eine neue ZX-6R. Jeder der mittlerweile 7500 Kilometer hat sehr viel Spaß gemacht. Das Problem des Gabelflatterns und Lenkerschlagens, das in vielen Tests beschrieben wurde, konnte ich nicht beobachten. Der Spritverbrauch liegt bei vier bis fünf Litern auf 100 Kilometer, bei Autobahnfahrt bis zu sieben Litern. Die ZX-6R springt auch bei Kälte sofort an. Stahlflexbremsleitungen, Spiegelverlängerungen und eine Carbon-Hinterradabdeckung habe ich nachträglich montiert. Zur Sicherheit ließ ich eine Alarmanlage einbauen. Um das Design noch ein wenig aufzubessern, montierte ich farbig eloxierte Racingfußrasten und eine Carbon-Auspuffhalterung. Eine Sitzbankabdeckung und eine Ram-Air-Abdeckung kamen auch noch dran. Den Sound verbesserte ein Racing-Endtopf, natürlich aus Carbon. Die langweiligen Serienaufkleber ersetzte ich durch neongelbe Flammenaufkleber, was nicht nur stark auf der schwarzen Maschine aussieht, sondern auch im Dunkeln Vorteile bringt. Es gibt noch einiges, was ich an der Maschine ändern möchte, um kein Serienmotorrad zu haben. Langweilig ist die ZX-6R keinesfalls, und den Kauf habe ich bis heute nicht bereut.Birgit Bulenda, WilhelmshavenMitte 1995 erwarb ich eine neue ZX-6R mit 100 PS in Rot/Blau. Von Anfang an war ich mit der Leistung und der Handlichkeit zufrieden. Nach Umrüsten der Reifen von Bridgestone BT 50 auf BT 56 und Hochsetzen des Hecks um zirka 1,5 Zentimeter wurde das Motorrad noch handlicher. Den Windschutz verbesserte ich mit einer hohen Scheibe von MRA. Außerdem montierte ich eine Hinterradabdeckung von MPR. Mit Hilfe einer Flügelschraube läßt sich der Fahrersitz ohne Werkzeug demontieren. Das Bordwerkzeug verlagerte ich auf die Batterie, wodurch unter dem Beifahrersitz Platz für eine Regenkombi entstand.Stefan Straut, BrühlMeine erste ZX-6R kaufte ich im Frühjahr 1995 neu. Weil sie mir zu teuer war, habe ich sie im Herbst wieder verkauft. Anschließend kaufte ich mir eine Unfall-ZX-6R, die ich neu aufgebaut habe und mit der ich bisher 17500 Kilometer gefahren bin. Fahrleistungen, Sitzposition und Bremsen sind hervorragend. Bremsscheiben, Startschalter und Krümmer wurden auf Garantie erneuert. Den schnell rostenden Krümmer habe ich verzinken lassen und schwarz lackiert. Rahmen und Schwinge sind dünn lackiert, deshalb habe ich beides pulverbeschichtet. Trotz kleiner Mängel, die beim 1998er Modell gelöst scheinen, ist die grüne ZX-6R ein tolles Motorrad - auch für Durchschnittsfahrer. Top-Leistung, butterweiches Getriebe, agiles Handling, solide Verarbeitung und schönes Design überzeugen.Christian Storz, HornbergDas Los hat entschieden: Die 100 Mark erhält Christian Storz

Technische Daten: Kawasaki ZX-6R - Typ ZX 600 F1

Technische DatenMotorWassergekühlter Vierzylinder-Viertakt-Reihenmotor, zwei obenliegende, kettengetriebene Nockenwellen, vier über Tassenstößel betätigte Ventile pro Zylinder, Naßsumpfschmierung, Digital-Zündung, Sekundärluftsystem (KCAS), vier Keihin-Gleichdruckvergaser, 0 36 mm, Drehstromlichtmaschine 336 Watt, Batterie 12V/10Ah, E-Starter.Bohrung x Hub 66 x 43,8 mmHubraum 599 cm3Verdichtungsverhältnis 11,8 : 1Nennleistung 100 PS (74 kW) bei 12500/minMax. Drehmoment 6,5 kpm (64 Nm) bei 10000/minKraftübertragungPrimärantrieb über Zahnräder, mechanisch betätigte Mehrscheiben-Ölbadkupplung, Sechsganggetriebe, Sekundärantrieb über O-Ring-Kette.FahrwerkBrückenrahmen aus Alu-Profilen, Motor mittragend, Telegabel, Standrohrdurchmesser 41 mm, mit verstellbarer Federbasis, Zug- und Druckstufendämpfung, Zweiarmschwinge aus Alu-Profilen, Zentralfederbein, über Hebelsystem angelenkt, mit verstellbarer Federbasis, Zug- und Druckstufendämpfung, Doppelscheibenbremse vorn mit Vierkolbensätteln und schwimmend gelagerten Bremsscheiben,O 300 mm, Scheibenbremse hinten, O 230 mm, Alu-Gußräder.Federweg vorn/hinten 120/137 mmFelgengrößevorn 3.50 x 17hinten 5.00 x 17 Maße und GewichteLenkkopfwinkel 66 GradNachlauf 87 mmRadstand 1415 mmSitzhöhe 810 mmLenkerbreite 620 mmTankinhalt/Reserve 18/4 LiterGewicht vollgetankt 206 kgZul. Gesamtgewicht 390 kgService-DatenService-Intervalle alle 6000 kmÖlwechsel mit Filter alle 6000 kmMotoröl SAE 20 W 40Füllmengemit/ohne Filter 3,6/3,4 LiterZündkerzen NGK CR 9 ETelegabelöl SAE 10 W 20Füllmenge je Holm 325 cm3Ventilspiel kalt Einlaß 0,15 bis 0,24 mm Auslaß 0,22 bis 0,31 mm TestwerteHöchstgeschwindigkeit Solo/mit Sozius 241/214 km/hBeschleunigung 0-100 km/h Solo/mit Sozius 3,6/5,1 sekVerbrauch 7 LiterKraftstoff Normal Ersatzteil-PreiseSturzteileKupplungs-Armatur 79 MarkLenker komplett 437 MarkRückspiegel 93 MarkBlinker vorn 45 MarkTachometer 344 MarkGabelstandrohr 177 MarkSchutzblech vorn 178 MarkVorderrad 841 MarkSchalldämpfer 625 MarkTank, lackiert 998 MarkRahmen komplett 2095 MarkVerkleidung komplett 2064 MarkScheibe 272 MarkVerschleißteileKettenkit 278 MarkBremsbeläge vorn, ein Satz 56 MarkKupplungsbeläge, ein Satz 180 MarkBremsscheibe vorn 440 MarkLuftfilter 29 MarkÖlfilter 14 MarkGabeldichtring 18 Mark Stärken und SchwächenStärkengute Fahrleistungenprima Bremsenleichtes HandlingSchwächenFlatterneigung der Gabelhoher Spritverbrauchschwacher Windschutz Test in MOTORRAD1Vergleichstest 1/1995Vergleichstest 12/1995Vergleichstest 7/1996Langstreckentest 24/1996Vergleichstest 2/1997 Reifenfreigabenvorn / hinten120/60 ZR 17 / 160/60 ZR 17Bridgestone BT-50 F / BT-50 RMichelin Macadam 90X / 90XDunlop D 204 FG / D 204 GMetzeler MEZ1 Front / MEZ1Pirelli MTR01 / MTR02Alternativbereifungvorn / hintenDunlop Sportmax II D 204 F / D 204Metzeler MEZ1 / MEZ2Michelin TX 15 / TX 25Pirelli MTR03 / MTR 04Dunlop D 205 F / D 205Bridgestone BT 57 F / BT 57 RContinental Radial 2000 F / 2000Schwacke PreiseBaujahr 1996 1995Preis in Mark 11700 10300Fußnoten:1Tests können beim Verlag bestellt werden, Telefon siehe Kasten auf Seite 131.

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MOTORRAD 12 / 2023

Erscheinungsdatum 26.05.2023