Mit der 1999 vorgestellten SV 650 hat Suzuki bei der Zweiradgemeinde offene Türen eingerannt. Die Kombination aus sehr lebendigem V2, agilem Fahrverhalten, souveränem Handling und wertiger Ausstattung zum günstigen Preis sorgte allseits für Begeisterung, zumal den Japanern das Kunststück gelungen war, ein Motorrad auf die Räder zu stellen, das Einsteiger nicht überfordert und Routiniers nicht langweilt. Grundsätzlich muss man sich entscheiden zwischen bequemer Sitzposition oder passablem Windschutz, wobei auch das S-Modell keine Folterbank ist. Der zuverlässige, wassergekühlte Zweizylinder nimmt weder bummeln noch bolzen krumm. Selbst bekennende Angaser der Redaktion mussten nach Ausritten mit der SV zugeben, dass zumindest abseits der Rennstrecke kein Mensch mehr Motorrad fürs Vergnügen braucht. Das Volk sah es genauso und kaufte fleißig. Bis heute über 27600 Stück, alleine in Deutschland. Doch ganz ohne Schatten geht es selbst bei der SV nicht.
So wurde von Anfang an die viel zu weich abgestimmte Telegabel moniert, die vor allem bei flotter Fahrt überfordert ist. Abhilfe schaffen härtere Gabelfedern samt passendem Öl von Nachrüst-Anbietern. Auch das hakige Zündschloss dürfte für den einen oder anderen Fluch gesorgt haben. Bei schlecht schaltbarem Getriebe ist meist der komplexe Ausrückmechnismus der Kupplung nicht penibel eingestellt. Und warum Endtopf, Sammler und Krümmer verschweißt sind, weiß der Himmel. Die bei SV-Fahrern beliebte Montage von Zubehörschalldämpfern wird dadurch jedenfalls nicht erleichtert. Generell zeigt sich die SV zuverlässig und robust, wenngleich der Motor nach 50 000 Kilometern Dauertest doch einigen Verschleiß aufwies.
Besichtigung
Der wichtigste Punkt bei der SV-Besichtigung sollte schon vorher geklärt sein. Nackig oder mit Leibchen? Während ein hakiges Zündschloss bei der SV zum Normalfall zählt, ist bei einer schlecht dosierbaren Kupplung und kaum schaltbarem Getriebe meist der diffizile Ausrückmechanismus nicht korrekt eingestellt. Bei häufig angebautem Zubehör wie Cockpitscheiben oder Miniblinker darauf achten, dass es eingetragen ist oder über ein Prüfzeichen verfügt. Besonders bei den gern genommenen Zubehörauspuffanlagen sollte unbedingt das Original mitgeliefert werden, denn der Topf ist mit dem Sammler verschweißt, weswegen der Griff zur Säge zwecks Trennung unvermeidlich und beim Rückbau die Passform nur mit dem richtigen Topf gewährleistet ist.
Marktsituation
Bei einem Bestand von über 24000 Exemplaren herrscht kein Mangel an Gebrauchten. Das drückt auf die Preise, und wer mehr als 3000 Euro für ein Vergasermodell, egal, ob mit oder ohne Verkleidung, ausgibt, ist schlicht selber schuld. Dafür finden sich mit etwas Glück schon unverbastelte Exemplare der Bau-jahre 2000 und 2001 mit weniger als 15000 Kilometern auf der Uhr. Selbst die Einspritzversion ab 2003 ist im zahnbürstengepflegten Zustand und mit homöopathischem Kilometerstand für weit unter 4000 Euro zu haben. Allzu heftige Individualisierungen des quirligen V2 wirken sich auf den Preis eher negativ aus.
Modellpflege
1999
Einführung, Modellcode AV, Preis 11090 Mark (5670 Euro) ; S-Modell 11790 Mark (6028 Euro).
2001
Zylinder silberfarben, Preis 12390 Mark (6330 Euro), S-Modell 12990 Mark (6640 Euro).
2002
Federbasis der Telegabel einstellbar, Preise unverändert.
2003
Komplett neues Modell (WVBY) mit Gussrahmen, kantigem Design sowie Einspritzung mit U-Kat wegen Euro 2, Preis 6460 Euro, S-Modell 6900 Euro.
2004
Heckrahmen 40 Millimeter niedriger, Sitzposition sowie Position von Fahrer- und Soziusrasten und Auspuff geändert, kleinerer Hinterradkotflügel, Preis 6475 Euro, S-Modell 6640 Euro.
2005
Kühler 40 Millimeter schmaler, kleine Cockpitverkleidung für Normalversion. Preis 6330 Euro, S-Modell 6640 Euro.
2006
Keine technischen Änderungen, Preis 5860 Euro, S-Modell 6160 Euro.
2007
Motor stark überarbeitet, u. a. Doppelzündung; Auslieferung in Deutschland nur noch mit ABS, Preis 6490 Euro, S-Modell 6790 Euro.
Rückrufe (Modell 2000): Montage eines zusätzlichen Ölleitblechs im Motorgehäuse
MOTORRAD-Tests
SV 650 und 650 S: 10/1999 (VT), 24/1999 (Frisiersalon), 21/2002 (GK)
SV 650 S: 4/1999 (T), 8/00 (VT), 18/2000 (LT), 26/2000 (VT),17/2001 (Alpentest), 21/2002 (GK), 7/2003 (VT), 15/2003 (KV), 23/2003 (VT), 5/2005 (VT), 7/2006 (VT), 13/2007 (VT)
SV 650: 5/1999 (VT), 3/2000 (VT), 22/2000 (VT), 1/2001 (VT), 16/2001 (TT), 22/2001 (VT), 2/2002 (VT), 10/2003 (TT), 9/2004 (VT), 17/2005 (VT), 21/2005 (VT), 14/2006 (VT).
Internet: www.svrider.de
*T=Test, TT=Top-Test, VT=Vergleichstest, KV=Konzeptvergleich, LT=Langstreckentest, GK=Gebrauchtkauf; Nachbestellungen unter Telefon 0711/182-1229
Daten (Modell AV, Baujahr 2001) - (Modell AV, Baujahr 2001)
Motor
Wassergekühlter Zweizylinder-Viertakt-90-Grad-V-Motor, Kurbelwelle quer liegend, je zwei oben liegende, kettengetriebene Nockenwellen, vier Ventile pro Zylinder, Tassenstößel, Nasssumpfschmierung, Mikuni-Gleichdruckvergaser, Ø 39 mm, Digitalzündung, keine Abgasreinigung, Drehstromlichtmaschine 300 Watt, Batterie 12 V/10 Ah, mechanisch betätigte Mehrscheiben-Ölbadkupplung, Sechsganggetriebe, O-Ring-Kette.
Bohrung x Hub 81,0 x 62,6 mm
Hubraum 645 cm3
Verdichtungsverhältnis 11,5:1
Nennleistung 52 kW (71 PS) bei 9000/min
Max. Drehmoment 62 Nm bei 7500/min
Fahrwerk
Gitterrohrrahmen aus Aluminiumprofilen, geschraubtes Rahmenheck, Telegabel Ø 41 mm, Zweiarmschwinge aus Aluminium, Zentralfederbein mit Hebelsystem, verstellbare Federbasis, Doppelscheibenbremse vorn, Ø 290 mm, Scheibenbremse hinten, Ø 240 mm.
Alu-Gussräder3.50 x1 7; 4.50 x 17
Reifen120/60 ZR 17; 160/60 ZR 17
Maße und Gewichte
Radstand 1430 mm, Lenkkopfwinkel 65 Grad, Nachlauf 100 mm, Federweg v/h 120/125 mm, Sitzhöhe* 800 mm, Gewicht vollgetankt* 189 kg, Zuladung* 211 kg, Tankinhalt 16 Liter.
MESSUNGEN
(MOTORRAD 16/2001)
Fahrleistungen
Höchstgeschwindigkeit204 km/h
Beschleunigung
0100 km/h 3,6 sek
0160 km/h 9,4 sek
Durchzug
60100 km/h 4,8 sek
100140 km/h 5,9 sek
Verbrauch
4,3 bis 4,8 l/100 km, Normalbenzin
*Motorrad-Messungen
BJ 2003-2005
Bei der Besichtigung der Einspritz-SV gelten die gleichen Regeln wie bei der Vergaser-Variante und dieselbe Ausgangsfrage: mit oder ohne? Wobei die unverkleidete Variante relativ selten angeboten wird. Modellspezifische Schwachpunkte sind nicht bekannt. Auch in der aktuellen Version ist der Endtopf mit dem Sammler verschweißt, weshalb bei Zubehörendtöpfen immer das Original mitgegeben werden sollte, um eine eventuelle Rückrüstung zu ermöglichen.
Ebenfalls beliebt ist die Umrüstung auf einen 120/70er-Vorderreifen anstelle des 120/60ers, der größeren Reifenauswahl und des Fahrkomforts wegen. Hier sollte eine Freigabe vorliegen. Ansonsten genügt es, auf Sturzschäden zu achten (die Anschläge der Gabelbrücken sind gute Indikatoren). Da die allermeisten Offerten Laufleistungen um die 10 000 Kilometer aufweisen, beschränkt sich die Überprüfung im Wesentlichen auf den Zustand von Bereifung und Kette. Deren Pflege wird mitunter vernachlässigt, denn die SV verfügt nur über einen Seitenständer.
Daten (Modell WVBY, Baujahr 2003) - (Modell WVBY, Baujahr 2003)
Motor
Wassergekühlter Zweizylinder-Viertakt-90-Grad-V-Motor, je zwei oben liegende, kettengetriebene Nockenwellen, vier Ventile pro Zylinder, Einspritzung, G-Kat.
Bohrung x Hub 81,0 x 62,6 mm
Hubraum 645 cm3
Nennleistung 53 kW (72 PS) bei 9000/min
Max. Drehmoment 64 Nm bei 7200/min
Fahrwerk
Brückenrahmen aus Aluminium-Guss Telegabel, Ø 41 mm, verstellbare Federbasis, Zweiarmschwinge aus Aluminium, Zentralfederbein mit Hebelsystem, verstellbare Federbasis, Doppelscheibenbremse vorn, Ø 290 mm, Scheibenbremse hinten, Ø 240 mm.
Reifen120/60 ZR 17; 160/60 ZR 17
Maße und Gewichte
Sitzhöhe* 830 mm, Gewicht vollgetankt* 254 kg, Zuladung* 196 kg, Tankinhalt/Reserve 23/4 Liter.
Die Konkurrenten - Hyosung GT 650 Naked, Ducati Monster 620 i.e., Cagiva Raptor 650
Hyosung GT 650 Naked
Plus
Unschlagbarer Preis, komplette Ausstattung, lebendiger Motor, geringer Verbrauch
Minus
Unausgewogenes Fahrwerk, geringe Zuladung, misslungene Fahrwerksabstimmung
Ducati Monster 620 i.e.
Plus
Sehr gute Bremsen, vollständige Ausstattung, Einspritzung, fein ansprechender Motor
Minus
Bescheidene Fahrleistungen, unharmonische Fahrwerksabstimmung
Cagiva Raptor 650
Plus
Feine Verarbeitung, schöne Detaillösungen, die bessere SV
Minus
Dürres Händlernetz, Ersatz-teilversorgung schwierig
Am Anfang stand die SV ziemlich alleine da. Japanische Mittelklasse-Bikes hatten zu jener Zeit vier Zylinder in Reihe zu tragen, und damit basta. Wer zwei Zylinder wollte, musste sich bei den Einsteigermotorrädern umschauen, die damals schon nicht mehr auf dem neuesten Stand der Technik waren. Und V-Motoren waren das auch keine. Lediglich Ducati hatte mit der Monster 600 ein ähnliches Konzept am Start, das bei gleichem Preis jedoch rund 20 PS weniger Leistung und eine deutlich magerere Ausstattung besaß. Die Monster 750 und 900 spielen preislich in einer anderen Region. Am ehesten kann noch die 620 i.e. mit der SV mithalten.
Seit 2000 versucht Cagiva, sich mit der Raptor 650 ein Stück vom Kuchen zu sichern. Praktischerweise bedient sich das Reptil des unveränderten SV-Motors, was angesichts dessen Qualitäten kein Fehler ist. Dank hübschem Gitterohrrahmen aus Stahl und formidablen Fahreigenschaften gilt sie als SV-Edelbike.
Eine anderen Weg geht Hyosung mit der GT 650. Ebenfalls stark von der SV inspiriert, versuchen die Koreaner, den deutschen Markt über den Preis aufzurollen. Was bislang nicht gelang, eine Hyosung ist im Straßenverkehr eine echte Rarität. Dabei sind ihre Qualitäten gemessen am Preis gar nicht so übel. Die GT gibt es nackt, mit Halbschale und, das hat sie der SV voraus, mit Vollverkleidung. Wer auf das nicht vorhandene Image verzichten kann und keine allzu großen Ansprüche ans Fahrwerk stellt, könnte mit der GT glücklich werden, da die Preise äußerst attraktiv sind.