Yamahas bisher größte Enduro: ein Verkaufsflop. Gebrauchtkäufer, die kleine Schwächen verkraften oder gar ausmerzen können, lassen sich davon nicht abschrecken. Sie finden ihre Ténéré super.
Yamahas bisher größte Enduro: ein Verkaufsflop. Gebrauchtkäufer, die kleine Schwächen verkraften oder gar ausmerzen können, lassen sich davon nicht abschrecken. Sie finden ihre Ténéré super.
Die Frage nach einem Super-Ténéré-Besitzer, der viele Erfahrungen mit diesem Modell gesammelt habe, wurde
in der Motorrad-Redaktion mit einem
süffisanten Lächeln beantwortet: »Suppen-Tätärä? Geh mal zum Bangemann,
der wird dir einiges erzählen können.«
Seltsame Andeutungen ließen vermuten,
Kollege Bangemann sei wohl nicht so glücklich mit seinem Gebrauchtkauf.
Christian Bangemann ist Testredakteur bei der Zeitschrift auto, motor und sport, schreibt also gerne über motorisierte Fahrzeuge, bastelt aber noch lieber an ihnen herum. Ein Kenner und versierter Schrauber. In der Garage parkt ein weißer VW Käfer von 1969 mit selbst getunten 79 PS unter der Haube, an dem es immer etwas zu warten gibt. Die Yamaha steht draußen unter einer schmucklosen Regenschutzhaube. »Meine vorherigen Motorräder waren diverse Yamaha XT. Die Super Ténéré habe ich mir eigentlich zugelegt, weil ich ein stressfreies Motorrad haben wollte«, erklärt Bangemann, holt Luft und erzählt weiter: »Und genau das ist sie.«
Wie, was jetzt? Kein Leidensepos, keine düsteren Geschichten von Pleiten und Pannen? »Nein, ich bin zufrieden.« Nichts zu schrauben gehabt? Bangemann schweigt. Etwa ein Sekunde lang. Dann: »Doch klar. Als ich sie 2000 gekauft habe, stand sie schon länger, und die Bremskolben waren festgegammelt. Da besorgte ich dann aber gleich ein spezielles
Austausch-Set von Kedo, und seitdem funktioniert die Bremse einwandfrei. Bei der Gelegenheit bin ich natürlich sofort
auf Stahlflex-Leitungen umgestiegen. Ich meine, ist doch sinnvoll, wenn man schon mal bei den Bremsen dabei ist.
Die Gabel war mir vorne viel zu weich, also habe ich nicht lange gewartet, sondern härtere Federn von White Power bestellt wobei das eigentlich egal ist, die anderen tuns genauso gut sowie das Original-Federbein ganz vorgespannt, und jetzt ist alles astrein. Ach ja, und schließlich hat mich diese Gummilagerung des Lenkers mächtig gestört, weil man ja
gar kein Gefühl für die Straße bekommt. Die Gummis mussten runter und wurden
durch passende Metallscheiben ersetzt, nun fährt es sich anständig. So, das waren
die Sachen, die ich direkt nach dem Kauf des Motorrads gemacht habe, aber dann gings ja noch weiter.«
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Mitschreiben: Christian Bangemann hatte ein 1991er-Modell im Jahr 2000 mit
26000 Kilometer Laufleistung für 4800 Mark erworben. Heute, vier Jahre später und nach etwa noch mal so viel Kilometern, steht das Motorrad komplett anders da als beim damaligen Kauf. Besser. Die anfänglichen notwendigen Schraubmaßnahmen reichten dem Perfektionisten nicht aus. Er besorgte sich einen breiteren, weil langlebigeren 530er-Kettensatz; und um besser im Stehen fahren zu können, gab es für den Lenker eine spezielle Erhöhung von Touratech (Telefon 07728/9279-0 oder im Internet unter www. Touratech.de).
Eine bequemere Sitzbank aus Al-
cantara ließ er sich bei einem Sattler
maßfertigen. Einer typischen Super-Té-
néré-Schwachstelle, der Überhitzung des
Lichtmaschinenreglers, kam er mit einer
Eigenbau-Lösung bei. Er schnitt in die linke Seitenverkleidung zwei kleine Aussparungen, sodass der Fahrtwind zur Kühlung direkt auf den Regler strömt. Seitdem gab es keine Probleme mehr.
Nach einem Unfall hatte der mittlerweile überzeugte Super-Ténérist endlich einen Grund, sich um die in seinen Augen grässliche Originallackierung zu kümmern. Nun glänzt die XTZ in dezentem Schwarz, unterbrochen vom Chrom-Silber der massigen Sturzbügel. Die schnell rostende Auspuffanlage wollte zum Gesamtbild nicht recht passen, deshalb kamen Edelstahlkrümmer und ein schlanker Sportauspuff ans Motorrad. Letzterer harmonierte jedoch überhaupt nicht mit der Vergaserabstimmung, Bangemann griff reumütig wieder auf den Serientopf zurück.
Stichwort Vergaserabstimmung: An ihr hat sich der Hobby-Schrauber vergebens versucht. Selbst schlaue Tipps aus einem engagiert geführten Internetforum halfen nicht weiter. Doch Bangemann, der sonst alles am Fahrzeug selbst macht, sogar
die zeitaufwendige Ventilspieleinstellung,
wollte einfach nicht wahrhaben, dass diese Aufgabe eine Nummer zu groß ist.
Nun erklärt sich auch das süffisante Lächeln der Kollegen zum Thema »Bangemann und seine Suppen-Tätärä«. Rückblickend erinnert sich der Testredakteur
an diverse Alpentouren, als er bei jeder Pause an den Vergasern rumfummelte
und die Bergwelt mit widerhallenden Kraftausdrücken verzückte. Letztlich überließ
er seine Maschine dann doch einer
Fachwerkstatt. Seitdem läuft der Motor rund und verbraucht über einen Liter weniger Benzin.
»Die Yamaha verursacht jetzt keinen Stress mehr. Ein super Motorrad für große Menschen, die sich auf der Straße mit dem Platzangebot einer Enduro am wohlsten fühlen. Perfekt für mehr als einsneunzig«, versichert Bangemann. Fast perfekt, denn zum Kontrollieren der Zündkerzen müsse man das halbe Motorrad auseinander nehmen. »Dann wünsche ich mir manchmal eine BMW GS. Aber nur dann.
Modellgeschichte
Zitat aus MOTORRAD, Ausgabe 2/1989: »Nicht jeder Versuch, frühere Erfolge fortzusetzen, gelingt. Wetten, dass die Super Ténéré es schafft?« Die Prognose schien berechtigt, immerhin lag die Riesen-Enduro mit ihrem zu jener Zeit hochmodernen Paralleltwin leistungsmäßig deutlich vor der Konkurrenz. Außerdem zierte sie der prestigeträchtige
Namenszusatz »Ténéré«, der abenteuerliches Reisen verhieß. Müsste also alles gut laufen. Dachten seinerzeit auch die Yamaha-Jungs.
Es kam anders. Von 1989 bis zum letzten Baujahr 1996 verkaufte sich die 750er in Deutschland nur schleppend (bestes Jahr war 1991 mit gerade mal 767 verkauften Stück), während zeitgleich Africa Twin und GS wie warme Semmeln weggingen. Und was kauften die XT-600-Fans? Die meisten hielten ihren Eintöpfen die Treue, weil die Super Ténéré auf unbefestigten Wegen nicht so super war, wie von vielen erhofft. Auf der Straße machte sie hingegen eine bessere Figur. Letztlich fand die XTZ 750 eine treue Klientel, die sich mit den Allrounder-Eigenschaften anfreundete, obwohl das Motorrad in den meisten Vergleichstests hinterherhinkte. MOTORRAD-Tester Werner Koch kommentierte 1990 den letzten Vergleichstest-Platz: »Werden die Schwachstellen ausgemerzt, kann aus der Super Ténéré sicher noch eine super Reisemaschine werden.«
Yamaha hatte schon im gleichen Jahr unter anderem den hinteren Teil des Rahmens verstärkt, sorgte
bei den Soziusfußrasten für mehr Komfort und modifizierte die Kupplung für eine bessere Schaltbarkeit. Kritikpunkte aber weiterhin: Bremsen,
Fahrwerk, Lenkung, Ölkontrolle. Abgesehen von Design-Retuschen tat sich allerdings bis zum
Produktionsende 1996 nicht mehr viel. Triumphs Tiger übernahm 1993 von der Super Ténéré die Krone der leistungsstärksten Enduro, Honda renovierte im gleichen Jahr die Africa Twin sicht- und spürbar, und BMW brachte 1994 den Verkaufsschlager R 1100 GS heraus.
So wundert wenig, dass aus Yamahas bisher größter Enduro kein Bestseller wurde. Sie fristete auf dem Markt ein Schattendasein. In einem Test-Fazit von 1993 heißt es lapidar: »Wer nichts verändert,
kann auch nichts schlechter machen. Ansonsten ist die Yamaha ein gutmütiger Reiseuntersatz zum günstigen Preis mit Soziusqualitäten.« Seit dem Abverkauf 1997 gibt es die Super Ténéré nur noch auf dem Gebrauchtmarkt. Viele Besitzer haben an ihrer Maschine die meisten Schwachstellen beseitigt und bewiesen, dass die XTZ 750 mehr ist als lediglich eine gutmütige Reisebegleiterin. Nun gibt es Gerüchte um eine neue Ténéré: mit 1000 cm3 Hubraum und über 100 PS (siehe MOTORRAD 14/2004). Die würde erfolgreich sein. Wetten, dass...?
Marktsituation
Sie wollen eine Super Ténéré mit wenig Laufleistung, am liebsten eines der letzten Modelle? Dann wenden Sie sich bitte an einen Privatdetektiv, der Ihnen bei der Recherche hilft. Denn derartige Angebote verstecken sich regelrecht vor den Käufern. Insgesamt wurden in Deutschland nur rund 4500 Maschinen verkauft, von denen sich eine nicht unbeträchtliche Zahl wahrscheinlich noch in erster Hand befindet.
Die Suche ist aber nicht hoffnungslos und lohnt
sich. Über den Gebrauchtfahrzeugmarkt auf der Yamaha-Homepage (www.yamaha-motor.de) etwa bot zu Redaktionsschluss ein Händler aus Franken zwei 1998er-Erstzulassungen mit nur wenigen tausend Kilometern für jeweils 5500 Euro an, und
im sächsischen Dohna wäre ein 1995er-Modell mit lediglich 10000 Kilometern auf der Uhr für knapp unter 4000 Euro zu haben gewesen.
Ansonsten gilt die Regel, dass gebrauchte Yamaha XTZ 750 tatsächlich auch viel gebraucht wurden, bevor sie zum Verkauf stehen. Die meisten Angebote sind fast unabhängig vom Baujahr 30000 bis 60000 Kilometer gelaufen und sollen 2000 bis 3000 Euro kosten. Dieses Preisniveau deckt sich ungefähr mit den Empfehlungen der Schwacke-Liste. Danach müsste ein 1994er-Modell mit rund 50000 Kilometer Laufleistung rund 2500 Euro kosten, eine Super-Ténéré, Erstzulassung 1997, mit gleichen Eckdaten zirka 3000 Euro. Wichtiger als das Baujahr sind für die Preisgestaltung der Pflegezustand des Motorrads sowie sinnvolle Veränderungen und Zubehörteile. Für eine gut ausgestattete Maschine sollte man mindestens 3000 Euro veranschlagen. Dafür kriegt man dann einen guten Gegenwert, denn eine fürsorglich behandelte XTZ 750 macht auch noch mit einigen Jahren und vielen Kilometern auf dem Buckel eine sehr gute Figur.
Besichtigung
Die Super Ténéré hat Schwachstellen. Das Schöne daran: Sie lassen sich beseitigen. Wie im hier beschriebenen Beispiel können sinnvolles Zubehör und einige Schraubarbeit aus der XTZ 750 ein fast perfektes Motorrad für Reise und Alltag machen. Der Motor bietet selten Anlass zur Klage und erzielt oft Laufleistungen jenseits von 100000 Kilometern. Das angegebene Intervall zum Einstellen der fünf Ventile pro Zylinder ist mit 42000 Kilometern sehr optimistisch. Super-Ténéré-Kenner empfehlen, schon nach 24000, spätestens nach 36000 Kilometern das Ventilspiel zu prüfen.
In der normalen Abstimmung rinnt überdurchschnittlich viel Benzin durch die Vergaser der XTZ 750, und auf Nachrüst-Schalldämpfer reagieren sie empfindlich. Mit der untersten Düsennadel-Stellung sinkt der Verbrauch nach Erfahrungen von MOTORRAD immerhin um einen Liter. Viele Fahrer bevorzugen
die in Deutschland nicht legale Schweizer Bedüsung, die Yamaha wegen Überfetten bei Passfahrten anbot. Auch beliebt: eine Bedüsung von Dynojet im Ver-bund mit einem K&N-Luftfilter. Entsprechende Kits gibts beim größten Anbieter von XTZ-750-Ersatzteilen, Kedo in Hamburg (Telefon 0700/22555336, www.kedo.de). Wichtig ist eine fachgerechte Einstellung, die man im Zweifelsfall besser einem Profi überlassen sollte. Bei der Besichtigung darf eine
ausgiebige Probefahrt nicht fehlen: Ein unrunder Motorlauf und starke Lastwechselreaktionen deuten auf eine falsche Vergasereinstellung hin.
Der Lichtmaschinenregler bei älteren Baujahren überhitzt gerne. Regler ab Baujahr 1993 oder von
der TDM 850 scheinen standfester zu sein. Bastler unterlegen das empfindliche Bauteil mit zusätz-
lichen Kühlrippen-Platten, die es im Elektronikfachhandel gibt.
Gebrauchtmaschinen, bei denen sich der Vorbesitzer um die Beseitigung der kleinen Mängel schon
selbst gekümmert hat und eventuell sogar härtere Gabelfedern, Heizgriffe oder ähnliches mit anbietet, empfehlen sich. Wer gerne selber schraubt, findet wertvolle Tipps im Forum des Ténéré- und Enduro-Clubs Rhein-Neckar unter www.tenere.de.
Motor
Wassergekühlter Zweizylinder-Viertakt-Reihenmotor, zwei oben liegende, kettengetriebene Nockenwellen, fünf Ventile pro Zylinder, Tassenstößel, Trockensumpfschmierung, keine Abgasreinigung, zwei Gleichdruckvergaser, Ø 38 mm, Transistorzündung, Lichtmaschine 350 Watt, Batterie
12 V/14 Ah, mechanisch betätigte Mehrscheiben-Ölbadkupplung, Fünfganggetriebe, O-Ring-Kette.
Bohrung x Hub 87 x 63 mm
Hubraum 749 cm3
Verdichtungsverhältnis 9,5:1
Nennleistung
51 kW (69 PS) bei 7500/min
Max. Drehmoment
67 Nm bei 6750/min
Fahrwerk
Doppelschleifenrahmen aus Stahl, Telegabel, Ø 43 mm, Zweiarmschwinge aus Aluminium, Zentralfederbein, verstellbare Federbasis, Doppelscheibenbremse vorn, Ø 245 mm, Zweikolben-Schwimmsattel, Einscheibenbremse hinten, Ø 245 mm, Zweikolben-Schwimmsattel.
Alu-Gussräder 1.85-21; 3.00-17
Reifen 90/90 H 21, 140/80 H 17
Maße und Gewichte
Radstand 1515 mm, Lenkkopfwinkel 63,5 Grad, Nachlauf 101 mm, Federweg v/h 235/215 mm, Sitzhöhe 865 mm, Gewicht vollgetankt 235 kg,
Zuladung 175 kg, Tankinhalt/Reserve 26/5 Liter.
Fahrleistungen
Höchstgeschwindigkeit 173 km/h
Beschleunigung
0100 km/h 4,9 sek
0140 km/h 9,8 sek
Durchzug
60120 km/h 9,9 sek
60140 km/h 14,9 sek
Verbrauch
6 bis 9,3 l/100 km, Normalbenzin
12/1993 (VT), 14 /1992 (VT),
14/1990 (VT), 10/1990 (LT),
10/1989 (VT), 08/1989 (T).
1989 Markteinführung
zum Preis von 12380 Mark
1990 Geänderter Kupplungskorb
und -zug sowie Ölabscheider der Kurbelgehäuse-Entlüftung, Heckrahmen verstärkt, Spritzschutz für unteres
Federbeinauge und die Tachowelle, ge-
änderte Bremsleitung vorne, modifizierte Fahrerfußrasten und Fußbremshebel, Soziusrasten 25 Millimeter nach vorn
und 100 Millimeter tiefer gelegt, kein Doppelfernlicht mehr
1993 Rahmen bekommt
andere Farbe, modifizierter Schalter
für die Lichthupe
1996 Produktionsende