Bei der 1999 vorgestellten YZF-R6 verabschiedeten sich die Entwickler von dem Gedanken der Eier legenden Wollmilchsau auf zwei Rädern, wie es die Vorgängerin, die Thundercat, noch sein wollte. Stattdessen standen die Zeichen auf Sport, und am Ende kam die bis dato radikalste 600er an den (Vor-)Start. Mit einem ultradrehfreudigen Motor, der sowohl in Sachen Drehzahl (15500 Touren) als auch Geräuschentwicklung fast an zahnärztliche Instrumente herankommt, einem superhandlichen und dennoch stabilen Fahrwerk sowie austrainierten Federungs- und Bremskomponenten eroberte sie die Herzen der Heizerfraktion quasi in Bestzeit. Dass sie trotz aller sportlicher Gene den Alltagsbetrieb nicht zur Tortur macht, mindert die Begehrlichkeit keineswegs. Die Sitzposition ist auch bei StVO-verträglichen Geschwindigkeiten noch akzeptabel, der Sozius bleibt allerdings besser zu Hause. Dass bislang keine originale R6 ihre angegebene Leistung erreichte, liegt eher am Euphemismus der Marketingstrategen, weniger an der Mechanik. Die überstand einen Dauertest über 50000 Kilometer bei der MOTORRAD-Schwesterzeitschrift PS ohne größere Blessuren. Regelmäßige Liftings sorgen dafür, dass die R6 auf dem Wunschzettel vieler Heizer nach wie vor auf Pole steht egal, ob neu oder gebraucht.
Beim Kauf beachten

Marktsituation
Das Angebot an R6 ist groß, die Preisforderungen folgen nicht immer nachvollziehbaren Regeln und werden obendrein noch vom mitgelieferten Zubehör beeinflusst. Viele R6 sind mit Zubehörtüten und/oder Karbon- und Raceparts ausgestattet. Diese sollten eingetragen sein und die Originalteile mitgeliefert werden. Wer Zeit zur Suche hat und einen längeren Anfahrtsweg in Kauf nimmt, kann von den großen Preisdifferenzen profitieren.
Besichtigung
Bei der Besichtigung einer R6 gilt es schon im Vorfeld zu klären, ob und wie oft das Motorrad auf der Rennstrecke eingesetzt wurde. Ein hoher Rennstreckenanteil stresst den Motor mehr als ein Vielfaches an Landstraßenkilometern. Bei Sportlern generell gilt versteckten Sturzschäden erhöhte Aufmerksamkeit. Vorsicht also zum Beispiel bei Karbon- oder anderen Rahmenschützern. Sind sie präventiv drauf, oder sollen sie Spuren verstecken? Ein neuer Rahmen geht richtig ins Geld, im Zweifelsfall Finger weg! Bei den Baujahren 1999 und 2000 ist zu prüfen, ob das begutachtete Modell in den Genuss der Rückrufaktionen gekommen ist. Für die R6 gibt es Unmengen von Zubehör wie Auspuffanlagen, Fußrasten, andere Bremsanlagen, Fahrwerks- und Verkleidungsteile. Über Sinn und Notwendigkeit dieser Teile lässt sich trefflich streiten, unser Schwestermagazin PS hat in den Ausgaben 11 und 12/2002 weder Kosten noch Mühen gescheut, ein wenig Ordnung in den Dschungel der Tuningteile zu bringen. Im Hinblick auf die derzeitigen Wirren bei der Abgasuntersuchung ist es beruhigend, wenn man bei Bedarf den Originalauspufftopf zur Verfügung hat.
Modellpflege – Yamaha YZF-R6
1999
Modelleinführung (Typ RJ031), Preis: 16790 Mark
2000
Keine technischen Änderungen, Preis: 17490 Mark
2001
Überarbeitung von Kolben und Pleuel für geringeren Ölverbrauch, Pleuel 0,5 Millimeter kürzer, Getriebeschaltwellen mit kleinerem Durchmesser für sanftere Gangwechsel, Auspuffkrümmer mit kürzeren Interferenz-Verbindungsrohren, leichteres, konisches Aluminium-
Lenkrohr, andere Kröpfung der Lenkerstummel, neues Dioden-Rücklicht, Nummernschildhalter leichter und aerodynamischer, leichtere Batterie, kompaktere CDI- Einheit, längere Rückspiegelarme, Gewichtreduzierung
um zwei Kilogramm, Preis: 18900 Mark
2002
Keine technischen Änderungen, Preis: 9660 Euro
2003
Trotz unveränderter Typbezeichnung (RJ 031) de facto eine komplette Neuentwicklung. Der Motor besteht zu 90 Prozent aus neuen oder überarbeiteten Teilen und wird per elektronischer Einspritzung gefüttert. Saugrohrdurchmesser 38 Millimeter. Rahmen und Schwinge bestehen aus Aluminium-Druckguss statt aus Strangmaterial und sind leichter sowie stabiler als beim Vorgänger. Neue Fünf-Speichen-Räder mit sehr dünnen Wandstärken.
Neue Mischung der Bremsbeläge für höhere Transparenz. Rundere, aerodynamischere Verkleidung. Preis: 9830 Euro
2004
Keine technischen Änderungen, Preis: 9995 Euro
2005
Saugrohrdurchmesser auf 40 Millimeter erhöht, umgestaltete Ansaugwege, größere, dünnere Bremsscheiben, neue Upside-down-Gabel mit 41er-Standrohrdurchmesser, Radialbremspumpe, Radialbremszangen, Vorderreifen jetzt 120/70 statt 120/60 ZR 17, geänderte Anlenkung des Federbeins, Preis: 9995 Euro
2006
komplett neu entwickeltes Modell (Typ RJ111), Motor mit Titanventilen, Antihoppingkupplung, Exup-Auslassteuerung und Titan-Auspuff, Preis: 11195 Euro
Rückrufe
1999
Die Fahrgestellnummern RJ 031 0000002 bis 0009249 und RJ 032 0000002 bis 0001073 wurden wegen möglicher mangelnder Ölversorgung des Getriebes in die Werkstätten beordert. Der erfolgte Umbau wurde mit einem Körnerpunkt links neben der Motornummer dokumentiert.
2000
Bei den Fahrgestellnummern RJ 031 0000301 bis 0029567 sowie RJ 032 0000302 bis 0002304 konnten sich die Befestigungsschrauben des Seitenständerschalters lösen und diesen außer Funktion setzen. Beim Händler wurde eine modifizierte Befestigung montiert.
Technische Daten & MOTORRAD-Messungen
Motor
Wassergekühlter Vierzylinder-Viertakt-Reihenmotor, zwei oben liegende
kettengetriebene Nockenwellen, vier Ventile pro Zylinder, Tassenstößel, Nasssumpfschmierung, Keihin-Gleichdruckvergaser, Ø 37 mm, kontaktlose Transistorzündung, keine Abgasreinigung, Lichtmaschine 320 Watt, Batterie 12 V/8 Ah, mechanisch betätigte Mehrscheiben-Ölbadkupplung, Sechsganggetriebe, O-Ring-Kette.
Bohrung x Hub 65,5 x 44,5 mm
Hubraum 600 cm3
Verdichtungsverhältnis 12,4:1
Nennleistung
88 kW (120 PS) bei 13000/min
Max. Drehmoment
68 Nm bei 11500/min
Fahrwerk
Brückenrahmen aus Aluminium, Motor mittragend, Telegabel, Ø 43 mm, verstellbare Federbasis, Zug- und Druckstufendämpfung, Zweiarmschwinge aus Aluminium, Zentralfederbein mit Hebelsystem, verstellbare Federbasis, Zug- und Druckstufendämpfung, Doppelscheibenbremse vorn, Ø 295 mm, Vierkolben-Festsättel, Scheibenbremse hinten, Ø 220 mm, Doppelkolben-Schwimmsattel.
Alu-Gussräder 3.50 x 17; 5.50 x 17
Reifen 120/60 ZR 17; 180/55 ZR 17
Maße und Gewichte
Radstand 1380 mm, Lenkkopfwinkel 66 Grad, Nachlauf 81 mm, Federweg v/h 130/120 mm, Sitzhöhe 820 mm, Gewicht vollgetankt 195 kg, Zuladung 180 kg, Tankinhalt/Reserve 17/3,5 Liter.
messungen
(MOTORRAD 1/2001)
Fahrleistungen
Höchstgeschwindigkeit 255 km/h
Beschleunigung
0100 km/h 3,1 sek
0200 km/h 10,5 sek
Durchzug
60140 km/h 11,9 sek
140180 km/h 6,1 sek
Verbrauch
4,8 bis 6,6 l/100 km, Normalbenzin