Harley-Deutschlandchef Kolja Rebstock im Interview

Harley-Deutschlandchef Kolja Rebstock im Interview Die Pan America ist eine echte Harley

Kolja Rebstock ist seit Januar 2021 der neue Chef von Harley-Davidson in Europa, dem Nahen Osten und Afrika. MOTORRAD stellt 13 Fragen im Zuge der Präsentation der neuen Harley-Davidson Pan America.

Kolja Rebstock VP EMEA Harley-Davidson 2021 Harley-Davidson

Seit Januar 2021 ist Kolja Rebstock bei Harley-Davidson verantwortlich für die Märkte in Europa, dem Nahen Osten und Afrika. Er kommt als Managing Director Deutschland von Mitsubishi und war zuvor bei Daimler unter anderem für den weltweiten Vertrieb von Vans und Trucks verantwortlich. Der 53-jährige aus dem Allgäu hat einen Doktortitel und forschte schon für die Raumfahrt an neuen Materialien.

Herr Rebstock, erzählen Sie uns doch von Ihrem ersten privaten Kontakt mit Harley-Davidson. Wann, wo und welches Modell?

Rebstock: Den ersten Kontakt zu Harley-Davidson hatte ich als Kind. Der Vater eines Schulfreundes war ein begeisterter Biker und ein sehr charismatischer Typ. An das Modell, das er fuhr, kann ich mich aber leider nicht mehr erinnern. Besonders schöne Erlebnisse, an die ich gern zurückdenke, hatte ich während meiner Zeit als Nutzfahrzeug-Chef von Daimler in Australien und Neuseeland. Damals habe ich eine Markenpartnerschaft zwischen den amerikanischen Freightliner-Trucks und Harley-Davidson initiiert. Den Höhepunkt bildete der 115. Geburtstag von Harley-Davidson. Den haben wir gemeinsam gefeiert, flankiert von chromglänzenden Trucks. Die Partnerschaft besteht übrigens heute noch.

Wann sind Sie zum letzten Mal Motorrad gefahren? Und welches?

Rebstock: Meine neue Fat Boy ist schon auf dem Weg zu mir. In den letzten Jahren bin ich sehr oft beruflich im Ausland unterwegs gewesen, sodass ich die wenige verbliebene Zeit meiner Frau und unseren drei Kindern gewidmet habe. Da kam das Motorradfahren leider oft zu kurz. Aber das will ich in der kommenden Saison ausgiebig nachholen.

Harley-Davidson Street Bob 114 (2021)
Chopper/Cruiser
Was machen Sie (privat), wenn es mal nicht um Motorräder geht?

Rebstock: Ich fotografiere sehr gern und – was ich als Kind niemals für möglich gehalten hätte – ich arbeite gern im Garten! Darüber hinaus grille ich gern, fahre Ski und mag als gebürtiger Allgäuer natürlich die Berge.

Wie war der erste Tag bei Harley-Davidson? Live oder remote?

Rebstock: Mein Hauptbüro für Europa, den Nahen Osten und Afrika ist ja eigentlich in Oxford, Großbritannien, aber meinen ersten Tag habe ich in unserer Deutschlandzentrale in Neu-Isenburg bei Frankfurt verbracht. Und es ging sofort los: Kaum war ich am Schreibtisch angekommen, wurde auch schon die erste Videokonferenz mit Milwaukee terminiert.

Als langjähriger Managing Director für Mitsubishi in Deutschland und Spezialist für den deutschen Automarkt. Wie stellt sich für Sie der deutsche Motorradmarkt im Vergleich dar?

Rebstock: Zunächst einmal ist der deutsche Motorradmarkt in Europa zahlenmäßig mit Abstand der wichtigste. Ich denke, dass es durchaus einige Parallelen gibt. Beide Märkte stehen unter großem politischem Druck, wobei der Automobilmarkt mit dem Wechsel zur E-Mobilität gerade den größten Umbruch in seiner Geschichte erlebt. Und eines ist für mich in beiden Märkten gleich: Im Fokus unserer Bemühungen steht immer die gute Beziehung zu unseren Kunden und zum Handel.

Ist der deutsche Motorradmarkt im Vergleich den europäischen, mittelasiatischen und afrikanischen ein anderer? Wo liegen die Unterschiede?

Rebstock: Es ist klar, dass der deutsche Motorradmarkt durchaus der professionellste und damit auch der umkämpfteste Markt auf unserem Kontinent ist. Europa ist ein saturierter Markt – das heißt, dass nur bei einer konstanten Topleistung für den Kunden Marktanteile hinzugewonnen werden können. Natürlich unterscheiden sich alle europäischen Märkte zum Teil deutlich in der Produktsegmentation. Außerdem ist Europa ein enorm regulierter Markt. Im Nahen Osten und in Afrika gibt es durchaus attraktive Wachstumspotenziale, mit denen wir uns intensiv beschäftigen. Aber aktuell liegt unsere absolute Priorität in der Sicherstellung bestmöglicher Kundenzufriedenheit und im Erschließen von Produktsegmenten. Dabei spielt natürlich unsere neue Pan America eine ganz besonders wichtige Rolle.

Was macht Deutschland zum Kernmarkt in der Hardwire-Strategie?

Rebstock: Das Marktvolumen in Deutschland und unser sehr gutes Händlernetz bilden hierfür zwei zentrale Aspekte.

Harley-Davidson Logo
Verkehr & Wirtschaft
Vor dem Hintergrund der neuen Hardwire-Strategie: Was muss in Deutschland getan werden, um das Ziel des Profitable Growth zu erreichen? Theoretisch kann das nur entstehen, wenn das Angebot stark verändert oder erweitert wird.

Rebstock: Profitable Growth kann meiner Meinung nach nur dann erreicht werden, wenn Preis und Leistung optimal passen. Das geht weit über das Motorrad hinaus, da spielen die Kundenbindung durch optimalen Service, das Geschäft mit gebrauchten Motorrädern, das Finanzdienstleistungsgeschäft und natürlich auch das wichtige Geschäft mit Bekleidung, Zubehör und Customizing eine große Rolle.

Bedingt Hardwire demnach mittelfristig eine neue Perspektive der Händler in Deutschland auf die eigenen Aktivitäten. Braucht es mehr Händler? Weniger? Alles bleibt gleich?

Rebstock: Hierzu werden wir in Kürze unsere deutsche Netzabdeckung sehr eingehend analysieren. Angesichts unserer ambitionierten Ziele können wir uns natürlich keine White Spots erlauben.

Harley hat ein sehr eigenes Image, und das auch über Jahrzehnte gepflegt. Jetzt wollen Sie mit der Pan America auch Fahrer ansprechen, die bisher BMWs, Ducatis und KTMs gekauft haben. Wie wollen Sie vorgehen? Wie sieht der Harley-Store aus, in dem eine Pan America 1250 verkauft wird?

Rebstock: Ich glaube nicht, dass wir den Harley-Store signifikant verändern müssen, denn dort wird unsere Marke heute gelebt und schließlich ist auch die Pan America eine echte Harley. Natürlich werden wir mit unseren Händlern gemeinsam daran arbeiten, dass die Pan America in "artgerechtem" Umfeld und zentral in den Harley-Stores präsentiert wird. Ganz besonderes Augenmerk legen wir auf die Ausbildung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Verkauf und im Service. Das ist ein zentraler Schlüssel zum Erfolg.

Harley-Davidson PanAmerica 2021
Harley-Davidson
Harley-Davidson PanAmerica 2021 Harley-Davidson PanAmerica 2021 Harley-Davidson PanAmerica 2021 Harley-Davidson PanAmerica 2021 21 Bilder
Gibt es Hürden zu nehmen, um dem klassischen Harley-Händler und Kunden das Motorrad zu "verkaufen"?

Rebstock: Momentan muss man sagen, dass wir auf einer Welle des positiven Feedbacks von allen Seiten schwimmen und gerade mit der Pan America neue Kunden ansprechen, die uns vorher noch nicht auf ihrem Zettel hatten. Das freut uns besonders, denn wer Harley-Davidson kennt, der weiß, dass wir schon immer eine Marke waren, die Menschen mit den unterschiedlichsten Hintergründen zusammengebracht hat. Uns alle vereint die Passion fürs Motorradfahren, das Streben nach diesem Freiheitsgefühl und dem Abenteuer. Nicht umsonst steht Harley-Davidson für "Freedom of the Soul". Ich denke, jeder Motorradfahrer versteht, was ich damit meine. Natürlich wird Harley-Davidson in den Medien oft pointiert auf das klassische "Easy Rider"-Image reduziert, aber wie jede Sippe ist auch die Harley-Davidson-Familie bunt gemischt und nicht über einen Kamm zu scheren.

Wie können Hürden entfernt werden, um den klassischen Nicht-Harley-Kunden in einen H-D-Shop zu bekommen?

Rebstock: Ich bin mir gar nicht so sicher, ob es den klassischen Nicht-Harley-Kunden überhaupt gibt … Man muss da durchaus auch mal von den Klischees ablassen. Freundlichkeit, Kompetenz, ein beeindruckendes Sortiment – das sind immer die Schlüsselfaktoren. Ich kann nur jeden einladen, mal seinem lokalen Harley-Davidson-Vertragshändler einen Besuch abzustatten, sobald es die aktuelle Situation erlaubt. Außerdem leben wir in einer Zeit, in der es nicht reicht, nur darauf zu warten, dass der Kunde zum Händler kommt – oft entstehen besonders gute Kontakte am Rande von Events und regionalen Veranstaltungen.

In Sachen Lautstärke haben Harleys ein Imageproblem, da sehr viele Fahrer mit Nachrüstanlagen unterwegs sind, die, sagen wir mal, akustisch auffällig sind. Gerade in DACH eskaliert aktuell beim Thema Lärm der politische Streit. Es droht eine Vielzahl neuer Streckensperrungen. Was können Sie als Hersteller dagegen tun?

Rebstock: Ich bin der Meinung, dass wir als Motorradindustrie hier gemeinsam agieren müssen. Auf der einen Seite darf unser schönes Hobby nicht kaputt reguliert werden, aber auf der anderen Seite hat natürlich jeder Biker die Aufgabe, beim Thema Akustik verantwortungsbewusst zu agieren. Wir müssen Verständnis für beide Seiten haben und gemeinsam eine Lösung finden. Persönlich empfinde ich Streckensperrungen hier nicht als richtigen Weg, da man die Mehrheit der Fahrer, die sich an die Regeln halten und verantwortungsvoll sind, mit bestraft.

MOTORRAD dankt für das Gespräch.

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Respekt! Mut haben sie bei Harley, das muss man ihnen lassen.
Na endlich! War höchste Zeit, dass da mal frischer Wind durchbläst.
Ich bin noch skeptisch, aber sehr interessiert.
Geht gar nicht ...

Fazit

Sympatisch der neue EMEA-Chef von Harley-Davidson. Kolja Rebstock hat bei Daimler und Mitsubishi immer viel bewegen können und erreicht. Wünschen wir ihm viel Erfolg, Glück und Fahrspaß bei Harley-Davidson.

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