- Eher etwas für Sportfahrer?
- Marktsituation
- Händler-Interview
- Die Alternativen
- Technische Daten KTM 1190 Adventure
Reiseenduristen gehören sicherlich nicht zur bequemen Sesselpupserfraktion. Selbst mit Kofferset und Tankrucksack sind sie dynamisch unterwegs. Insbesondere bei Abenteurern und Fernreisenden strömt literweise Schweiß, wenn sie ihre Fünf-Zentner-Rösser über holprige Pisten scheuchen. Doch der Begriff "sportlich" bekam beim ersten Auftritt der KTM 1190 Adventure im Jahr 2013 eine andere Färbung. Mit für die Klasse sensationellen 150 PS ließ KTM die neue Reiseenduro gegen Platzhirsch BMW R 1200 GS (125 PS) antreten. In Sachen Landstraßenperformance tütete Orange die Weißblauen locker ein. Auf einmal interessierten sich auch bekennende Ballermänner für dieses "Reisemobil". Sie ließen die Blades und Gixxer stehen, streckten sich in ihren Rennledern aus gebückter Haltung und erklommen die mächtige, aber schön schlank wirkende Enduro.
Eher etwas für Sportfahrer?
Ein Mega-Verkaufsschlager wurde die KTM 1190 Adventure aber dann doch nicht. Über die gesamte Bauzeit hinweg zählte sie weniger Zulassungen als ein einziger Jahrgang der 1200er-GS. Der deutsche Reiseendurist mag es wohl lieber etwas moderater und weniger sportlich-radikal. Zudem neigt die 1190er schon bei leichtem Gepäck zu Highspeed-Pendeln, auf längeren Autobahnetappen ein echtes Manko. Dennoch fand die Adventure viele Fans, die sich an guter Ergonomie, prächtiger Drehfreude, kernigem Sound, elektronischem Fahrwerk und – als Erste ihrer Klasse – an Kurven-ABS (ab 2014) ergötzten.

Für Globetrotter bietet sich übrigens eher die R-Version an. Mit mehr Federweg und – viel wichtiger auf Geländetouren – mit schmaleren und größeren Rädern. Passend bereift lassen sich mit dem Power-Geschoss tatsächlich übelste Pisten abseits der Zivilisation meistern. Ketzerische Frage: Wer braucht dazu allerdings 150 PS? Bis zum Baustopp 2016 hatte die KTM 1190 Adventure zumindest bei Reiseenduristen einen gespaltenen Eindruck hinterlassen, dafür aber Sportfahrer zum Umsatteln überzeugt. Eine erfolgreiche Bilanz, die sich nun auch auf dem Gebrauchtmarkt fortzusetzen scheint.
Modellpflege
2013: Markteinführung der 150 PS starken Modelle KTM 1190 Adventure und KTM 1190 Adventure R (mit 30 mm mehr Federweg vorn und hinten, 890 statt 860 mm Sitzhöhe, mehr Bodenfreiheit, 21- und 18-Zoll-Rädern und schmaleren Reifen). ABS ist serienmäßig, elektronisches Fahrwerk (EDS) sowie Reifendruckkontrolle (TPMS) sind Sonderausstattung. Preise Standard-/R-Modell: 13.995 (mit EDS/TPMS für 14.795)/14.895 Euro. Neuzulassungen in Deutschland: 1.101 Stück.
2014: Die Kombination aus Traktionskontrolle und sogenanntem Kurven-ABS heißt "MSC" und ist fortan bei der Adventure erhältlich. Preise Standard-/R-Modell: 13.995 (mit MSC/EDS/TPMS für 15.395)/15.495 Euro. Neuzulassungen in Deutschland: 1.537 Stück.
2015: Leichter Preisanstieg bei Standard-/R-Modell: 13.995 (mit MCS/EDS/TPMS für 15.545)/15.645 Euro. Neuzulassungen in Deutschland: 592 Stück.
2016: Letztes Modelljahr. Preise Standard-/R-Modell: 15.695/15.795 Euro. Neuzulassungen in Deutschland: 763 Stück (durch Abverkäufe 2017 plus 119 Stück).
Marktsituation
Vor allem seit der Ablösung durch die 1290er-Nachfolgerin wurden viele Exemplare der KTM 1190 Adventure auf den Gebrauchtmarkt gespült. Angebot: groß. Preise: trotzdem recht hoch.

Angebote ab 8.000 Euro (niedriges Preisniveau):
Beispielanzeige: 40.266 km, EZ 5/2013, wurde von mir bei Kilometerstand 39.146 beim Händler aus erster Hand gekauft, bin aus beruflichen Gründen aber nur 1.120 km gefahren, sehr viel Zubehör! 9.499 Euro (Privatanbieter aus NRW)
Um 8.000 Euro werden Vielfahrer-Maschinen mit 50.000 Kilometern und mehr angeboten, das Angebot ist aber dünn. Für gut 1.000 Euro mehr gibt es schon Ersthand-Exemplare mit weniger Kilometern und mit viel Zubehör bepackt. Die besseren Offerten.
Angebote ab 9.500 Euro (mittleres Preisniveau):
Beispielanzeige: 29.188 km, EZ 3/2013, 1. Hand, sehr gepflegter Zustand mit EDS/TMPS, Sturzbügel, Touringscheibe, Heizgriffe, Hauptständer, Navihalterung, Finanzierung und Inzahlungnahme möglich, 10.290 Euro (Händler aus Hessen)
Bei Neupreisen um 15.000 Euro sind Gebrauchtangebote vom Händler für gut ein Drittel weniger ein guter Deal. Vor allem, wenn ein elektronisches Fahrwerk und Kurven-ABS mit an Bord sind und nur ein Vorbesitzer das Motorrad sichtbar gut gepflegt hat.
Angebote ab 12.000 Euro (niedriges Preisniveau):
Beispielanzeige: 3.320 km, EZ 6/2016, HU neu, ein Vorbesitzer, vom Vertragshändler, zwei Jahre Garantie, Akrapovic-Auspuff, scheckheftgepflegt, 12.990 (Händler aus Niedersachsen)
Viele Händler bieten tadellose, durchgecheckte Neuwert-Bikes mit Garantie an. Was will man mehr? Privatanbieter können auf diesem Niveau dann nur mit Dumpingpreisen punkten.
Händler-Interview
Frank Buermann (49). Gemischthändler aus Melle mit privatem Faible für die Farbe Orange.
MOTORRAD: Wie überzeugst du Interessenten von der KTM 1190 Adventure?
Frank Buermann: Das brauche ich meistens gar nicht. Die Käufer sind oftmals mindestens 30 Jahre alt, haben ein gutes Einkommen und bereits die KTM-Brille auf. Sie sind umfassend und gezielt informiert, kennen die üblichen Marktpreise, den brauche ich nichts anderes anzubieten. Die kommen manchmal von weiter weg angereist, machen bei mir kurz die Probefahrt, bezahlen, und das war’s. Absolut mündige Käufer, die schon vorher wissen, dass die KTM 1190 Adventure geil ist.

MOTORRAD: Umsteiger von BMW?
Frank Buermann: Nicht nur, aber auch. Einige geben ihre GS für die KTM in Zahlung, weil die BMW ihnen zu langweilig und brav ist. Ich persönlich mag auch die KTM 1190 Adventure lieber: totale Spaßmaschine, ständig zu schnell, gehört meiner Meinung nach nicht in die Kategorie Reiseenduro, dazu ist sie zu sportlich. Um in der Clique auch aufrecht sitzend mit anderen Sportheizern mithalten zu können, ist die Adventure aber eine Top-Wahl und deshalb wohl auch attraktiv als neuwertige Gebrauchte. Für Normalfahrer vielleicht etwas zu sportlich, das ist schon ein flottes Ding! Aber du kannst auch gut bummeln mit dem Motorrad, echt vielseitig.
MOTORRAD: Welches Zubehör ist denn gefragt?
Frank Buermann: Erstaunlich oft bekomme ich volle Hütten angeboten: Koffer, Schutzbügel, Ergo-Sitzbank, Zusatzscheinwerfer und viele andere Teile aus dem Power Parts-Originalzubehör. KTM-Leute wollen Qualität und sparen nicht jeden Cent. Das ist gut für den Gebrauchtkäufer, denn für das ursprünglich teure Zeugs zahlt er einen vergleichsweise kleinen Aufschlag. Bei karg ausgestatteten Exemplaren habe ich es allerdings auch schwerer, sie schnell zu verkaufen.
MOTORRAD: Also alles super, keine Nachteile?
Frank Buermann: Doch, die Maschine ist secondhand noch recht teuer und benötigt regelmäßige Wartung, am besten vom Vertragshändler. Nur diese sind nämlich ans KTM-Netz angeschlossen und bekommen alle nötigen Updates, Rückrufe und technischen Informationen zum Modell. Wir können zwar Öl- und Filterwechsel sowie kleinere Arbeiten auch selbst erledigen, aber ohne die passende Software kommt man schnell an die Grenzen. Das gilt für uns freie Werkstätten, aber auch für Privatschrauber. Beim Kauf der KTM 1190 Adventure sollte man also bedenken, dass regelmäßige Inspektionen beim Vertragshändler und dementsprechende Kosten mit einkalkuliert werden sollten. Lohnt aber, denn bei guter Betreuung ist die 1190er gut für 100.000 Kilometer und mehr.
Die Alternativen
BMW R 1200 GS (LC)
Der starke Wasserboxer (ab 2013) bleibt bei den großen Reiseenduros die Benchmark – aber auch unverschämt teuer. Zweizylinder-Boxermotor, 125 PS, Gewicht 246 kg, 0–100 km/h 3,6 sek, Vmax 219 km/h, Verbrauch 4,8 Liter, ABS, ab 9.500 Euro*
Zu allen Tests der BMW R 1200 GS

Suzuki V-Strom 1000
Die 2014 neu aufgelegte Zweizylinder-Maschine gilt als optimaler Touren-Allrounder. Sehr gutmütig. Zweizylinder-V-Motor, 100 PS, Gewicht 229 kg, 0–100 km/h 4,0 sek, Vmax 205 km/h, Verbrauch 5,0 Liter, ABS, ab 7.500 Euro*
Zu allen Tests der Suzuki V-Strom 1000
Triumph Tiger Sport
Ab Modelljahr 2013 mit schicker Einarmschwinge und starkem 1050er-Triple konsequent in Richtung Funbike gestrickt. Dreizylinder-Reihenmotor, 125 PS, Gewicht 244 kg, 0–100 km/h 3,4 sek, Vmax 220 km/h, Verbrauch 5,4 Liter, ABS, ab 7.500 Euro*
Zu allen Tests der Triumph Tiger Sport
Yamaha XT 1200 Z Super Ténéré
Der ab 2013 angebotene Worldcrosser ist besser als das Standardmodell fürs große Abenteuer gerüstet. Gebraucht eher rar. Zweizylinder-V-Motor, 110 PS, Gewicht 271 kg, 0–100 km/h 3,7 sek, Vmax 210 km/h, Verbrauch 5,0 Liter, ABS, ab 9.000 Euro*
Zu allen Tests der Yamaha XT 1200 Z Super Ténéré
Technische Daten KTM 1190 Adventure
Motor
Wassergekühlter Zweizylinder-Viertakt-75-Grad-V-Motor, vier Ventile pro Zylinder, Trockensumpfschmierung, Einspritzung, geregelter Katalysator, hydraulisch betätigte Mehrscheiben-Ölbadkupplung, Sechsganggetriebe, O-Ring-Kette.
Bohrung x Hub: 105,0 x 69,0 mm
Hubraum: 1.195 cm³
Nennleistung: 110,0 kW (150 PS) bei 9.500/min
Max. Drehmoment: 125 Nm bei 7.500/min
Fahrwerk
Gitterrohrrahmen aus Stahl, Upside-down-Gabel, verstellbare Federbasis, Zug- und Druckstufendämpfung, Zweiarmschwinge aus Aluminium, Zentralfederbein, direkt angelenkt, verstellbare Federbasis, Zug- und Druckstufendämpfung, Doppelscheibenbremse vorn, Scheibenbremse hinten, Verbundbremse, Traktionskontrolle, ABS.
Alu-Gussräder: 3.50 x 19; 5.00 x 17
Reifen: 120/70 ZR 19; 170/60 ZR 17
Maße + Gewichte
Radstand 1.560 mm, Lenkkopfwinkel 64,0 Grad, Nachlauf 120 mm, Federweg v/h 190/190 mm, Sitzhöhe* 860–875 mm, Gewicht vollgetankt* 238 kg, Tankinhalt 23 Liter.
Messungen (MOTORRAD 6/2013)
Höchstgeschwindigkeit: 250 km/h
Beschleunigung 0–100 km/h*: 3,7 sek
Durchzug 60–100 km/h*: 3,6 sek
Verbrauch*: 5,6 l/100 km (Landstraße)
*MOTORRAD-Messungen