KTM AG beteiligt sich an MV Agusta
30 Millionen Euro nicht genug, KTM will mehr

Seit September 2022 wissen wir von einer Kooperation zwischen MV Agusta und KTM. Im November stieg KTM bei MV ein. Seit Mai 2023 ist klar: KTM will mehr.

Kooperation Vertrieb Nordamerika MV Agusta und KTM 09/2022
Foto: KTM/MV Agusta
In diesem Artikel:
  • Mehrheitsbeteiligung als Ziel
  • In 2 Jahren könnte MV zu KTM gehören
  • Trunkenpolz: MV ist ein Juwel
  • MV bleibt in Italien
  • 30 Millionen Euro für 25,1 Prozent
  • Timur Sardarov bleibt CEO bei MV Agusta
  • KTM übernimmt Vertrieb für MV Agusta in Nordamerika
  • Mehr "Straße" und mehr "Premium"
  • "Win-Win-Situation"
  • Vertrieb zunächst nur in Nordamerika zusammen
  • Fazit

"MV Agusta und Pierer Mobility haben sich auf eine strategische Zusammenarbeit geeinigt", gab MV Agusta in einer Pressemitteilung am 3. November 2022 bekannt. "Im Rahmen dieser strategischen Partnerschaft wird die KTM AG, ein Unternehmen von Pierer Mobility, MV Agusta in der Lieferkette unterstützen und den Einkauf übernehmen." Des Weiteren soll die Produktpalette von MV Agusta teilweise über das weltweite Vertriebsnetz von Pierer Mobility vertrieben werden.

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Im Mai 2023 folgte, was viele erwartet hatten: KTM spricht offen von der Übernahme.

Mehrheitsbeteiligung als Ziel

In einem Interview von Hubert Trunkenpolz mit einem italienischen Magazin, ließ das Vorstandsmitglied der Pierer Mobility die Äußerung fallen: "Sobald wir die Mehrheit am Unternehmen haben, …", sprich den Anteil von 25,1 Prozent auf mindestens 50,1 Prozent erhöhen. MOTORRAD fragte bei Hubert Trunkenpolz nach und er bestätigte die Richtigkeit: "Das ist richtig, dass ich das so gesagt habe! Die Anteile werden im Laufe der Zeit aufgestockt – über den Zeitplan ist unter den Gesellschaftern Stillschweigen vereinbart!"

In 2 Jahren könnte MV zu KTM gehören

Trunkenpolz ließ sich allerdings etwas in den Zeitplan hinter der schrittweisen Übernahme schauen. Im Interview sagte er: "Wir wollen in den nächsten zwei Jahren stark in das Werk Varese investieren. Aber zunächst müssen wir am Vertriebs- und Handelsnetzwerk arbeiten und ein Geschäft entwickeln, das für MV Agusta nachhaltig ist. Und so wie es heute aussieht, kann das MV Agusta-Geschäft leider nicht allein bestehen."

Trunkenpolz: MV ist ein Juwel

Über MV selbst sagte Hubert Trunkenpolz: "MV Agusta ist ein Juwel, es verdient mehr Sichtbarkeit, und wir werden das in angemessener Zeit in die Hand nehmen."

Allerdings muss das Juwel ordentlich geschliffen werden, denn von den möglichen 12.000 Motorrädern pro Jahr, die im Stammwerk Varese produziert werden könnten, wurden im Jahr 2022 laut Trunkenpolz gerade einmal 1.000 insgesamt hergestellt. "(…) Wir wollen sie so schnell wie möglich auf die volle Kapazität bringen. Dafür sind Investitionen und Menschen nötig, keine Entlassungen", unterstrich Trunkenpolz die Verpflichtung der Pierer Mobility zur Historie in Varese.

MV bleibt in Italien

Den Ängsten und Gerüchten, KTM würde sich MV Agusta räumlich einverleiben, also die Produktion nach Mattighofen holen, erteilte Hubert Trunkenpolz eine Absage: "Das wird nicht passieren. MV Agusta, außerhalb Italiens und weit entfernt von der historischen Fabrik in Varese, ist zum Sterben verurteilt."

30 Millionen Euro für 25,1 Prozent

"Im November 2022 wird sich die KTM AG im Rahmen einer Kapitalerhöhung mit 25,1 Prozent an der MV Agusta Motor S.p.A. mit Sitz in Varese (Italien) beteiligen." heißt es abschließend in der Mitteilung vom 3. November 2022. Mit diesem Anteil hält die KTM AG eine Sperrminorität an MV Agusta. Am 15. November 2022 fand in Varese eine außerordentliche Versammlung der Eigentümer und Aktionäre statt. Dabei wurde die KTM AG als neuer Anteilseigner offiziell vorgestellt. Anschließend, am 16. November 2022, verkündete MV Agusta, dass die Kapitalerhöhung durch die KTM AG 30 Millionen Euro betrage. In den Vorstand bei MV Agusta wurden zwei nicht namentlich genannte hochrangige KTM-Manager berufen.

Timur Sardarov bleibt CEO bei MV Agusta

Miteigentümer Timur Sardarov bleibt CEO bei MV Agusta. Seine Stellungnahme zum Einstieg der KTM AG: "Ich freue mich sehr über diese wichtige Vereinbarung und heiße die KTM AG, Europas führenden Hersteller motorisierter Zweiräder, gerne willkommen in der MV Agusta-Familie. Getrieben von unseren gemeinsamen Vorstellungen von Spitzenleistung, werden die grundsätzlichen Ziele unserer Allianz die Konsolidierung unseres Kerngeschäfts sowie die Produktion von Hochleistungsmotorrädern für das Premium-Segment sein. Ich bin zuversichtlich, dass diese Vereinbarung unsere Marke in einem komplexen, herausfordernden Marktumfeld stärken wird."

KTM übernimmt Vertrieb für MV Agusta in Nordamerika

Das bestehende KTM-Händlernetz in Nordamerika – also in den USA, Kanada und Mexiko – soll die italienische Marke MV Agusta in dieser Region voranbringen. Dem Vernehmen nach sollen bestehende sowie neu hinzukommende MV Agusta-Händler eingebunden werden.

Mehr "Straße" und mehr "Premium"

Während die Vorteile für MV Agusta offensichtlich sind, sind die Motive seitens KTM eher indirekter Art: Mit dem Sortiment von MV Agusta inklusive daran hängendem Kundenservice wird das Angebot bei den Händlern in den Bereichen "Straße" und "Premium" verstärkt. Wobei in den USA sogenannte Multi-Brand-Stores, also Mehrmarken-Händler, sowieso üblich sind. Mit den eigenen Ableger-Marken Husqvarna und GasGas ist KTM auch in dieser Hinsicht breit aufgestellt. Nun kommt dort also noch MV Agusta hinzu. Deren neueste RC-Modelle zeigen wir in der Bildergalerie.

"Win-Win-Situation"

Von beiden Seiten, also von den Managern bei MV Agusta wie bei KTM, wird die für mehrere Jahre vereinbarte Zusammenarbeit als "Win-Win-Situation" dargestellt. Zumindest bei den jeweils markentypischen Motorkonzepten gibt es kaum Überschneidungen: Einzylinder und Zweizylinder aus Österreich, Dreizylinder und Vierzylinder aus Italien.

Vertrieb zunächst nur in Nordamerika zusammen

Wenn der gemeinsame Auftritt in der Vertriebsregion Nordamerika für beide Partner die erhofften Früchte trägt, wäre eine Erweiterung dieser Kooperation auf andere Regionen denkbar. Womöglich später sogar in Europa und auch in Deutschland. Die Beteiligung der KTM AG an MV Agusta mit 25,1 Prozent im November 2022 wird die Zusammenarbeit wahrscheinlich weiter vorantreiben.

Fazit

Motorräder von MV Agusta in den Showrooms der KTM-Händler – eine überraschende neue Konstellation, die bald Realität wird. Allerdings – zunächst – nur in den USA, Kanada und Mexiko. Dabei wird es wohl nicht bleiben, nachdem die KTM AG im November 2022 für 30 Millionen Euro mit 25,1 Prozent bei MV Agusta eingestiegen ist. Im Mai 2023 bestätigte Pierer-Vorstand Hubert Trunkenpolz gegenüber MOTORRAD in einem Interview, dass eine Mehrheitsbeteiligung an MV das Ziel sei.

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MOTORRAD 12 / 2023

Erscheinungsdatum 26.05.2023