Wir erklären, warum Führerscheinanwärter in Deutschland oft lange auf ihren Prüfungstermin warten müssen, ob Besserung in Sicht ist, wie diese aussehen könnte und warum sie langfristig gar nicht so unwahrscheinlich ist.
Wir erklären, warum Führerscheinanwärter in Deutschland oft lange auf ihren Prüfungstermin warten müssen, ob Besserung in Sicht ist, wie diese aussehen könnte und warum sie langfristig gar nicht so unwahrscheinlich ist.
Wer aktuell in Deutschland einen Führerschein machen möchte – egal, in welcher Klasse – muss wahrscheinlich länger auf einen Prüftermin warten, als ihm lieb ist. Das hat mehrere Ursachen, über die wir hier aufklären und die möglichen Lösungsansätze beleuchten.
Die langen Wartezeiten für die Prüftermine sind nicht erst seit den Lockdowns Realität. Klar, der Ausfall der Prüfungen hat nicht zur Entspannung der Situation beigetragen, schon in den Jahren zuvor hatten Fahrschulen in ganz Deutschland Probleme, an ausreichend zeitnahe Termine für ihre Prüflinge zu kommen.
Seit Anfang des Jahres dauern die praktischen Fahrprüfungen in allen Klassen 10 Minuten länger (Auto: 55 Minuten, Motorrad: 70 Minuten, Lkw und Bus: 85 Minuten). In der Klasse B, in der die meisten Fahrprüfungen stattfinden, bedeutet die Verlängerung von 45 auf 55 Minuten, dass ein Fahrprüfer an einem normalen Arbeitstag nicht mehr 11 Anwärter prüfen kann, sondern nur noch neun. Das sind 20 Prozent weniger Prüfungen, was hochgerechnet ganz schön einschlägt. Die Fahrlehrerverbände versuchten im Jahr 2020 bei der Bundesregierung noch eine Verschiebung oder Aussetzung der neuen Regelung zu erwirken, was die Bundesregierung wiederum veranlasste, beim TÜV-Verband nachzufragen, wie es um die Kapazitäten stünde. Die Kapazitäten würden für den neuen Prüfungsumfang ausreichen, so die Auskunft der Prüforganisation. Das Ergebnis scheinen jedoch noch längere Wartezeiten zu sein.
Der Hintergrund der "optimierten praktischen Fahrerlaubnisprüfung" ist eigentlich ein guter: Bisher wurden keinerlei Informationen dazu digital erfasst, aus welchen Gründen Prüflinge durchfallen, welche Aufgaben in der Prüfung gestellt und welche Fehler gemacht wurden. Um bundesweit einheitliche Prüfstandards zu gewähren und die Prüflinge optimaler für die Prüfung vorzubereiten, könnten gebündelte Informationen in digitaler Form natürlich beitragen. Für die digitale Erfassung und das Feedbackgespräch wurde um 5 Minuten verlängert. Außerdem wurde die Fahrzeit um 5 Minuten verlängert.
"Auf die verlängerten Prüfungszeiten waren wir eingestellt und haben unsere personellen Kapazitäten entsprechend ausgerichtet.", versichert die Dekra wiederum in einer Stellungnahme vom 6. September 2021. Die Erfolgsquote bei der praktischen Fahrerlaubnisprüfung sei in den letzten Monaten allerdings deutlich gesunken, weshalb es zusätzlich zu spürbar mehr Wiederholungsprüfungen komme. Hier appelliert die Prüforganisation an die Fahrschulen, "nur diejenigen Bewerberinnen und Bewerber zur Prüfung vorzustellen, die auch tatsächlich prüfungsreif sind, und nur Prüftermine zu vereinbaren, die auch tatsächlich benötigt werden."
Einen weiteren Grund für die langen Wartezeiten sieht der TÜV darin, dass während der Corona-Lockdowns zwar der praktische Ausbildungs- und Prüfbetrieb zum Erliegen kam, der Theorieunterricht und die theoretischen Prüfungen in den meisten Bundesländern aber weiterliefen. "Das Ergebnis: Nach Ende der Lockdowns ist die Nachfrage nach Terminen für die praktische Prüfung in die Höhe geschossen. Hinzu kamen Personalausfälle, weil Prüfer:innen an Corona erkrankt sind oder in Quarantäne gehen mussten. Auch bei Bewerber:innen und Fahrlehrer:innen kam es vermehrt zu kurzfristigen Terminabsagen.", so Dr. Joachim Bühler, Geschäftsführer des TÜV-Verbands.
Auch das Monopol kann als ein Grund für die langen Wartezeiten zur Führerscheinprüfung gesehen werden. Aktuell regelt § 10 des Kraftfahrsachverständigengesetzes (KfSachvG) bundesweit, dass ein Bundesland jeweils nur eine Technische Prüfstelle (TP) beauftragen darf. Zwei Organisationen teilen sich bisher die Aufträge – je nach Bundesland führt entweder der TÜV oder die Dekra den Auftrag aus.
Eine Öffnung des Kraftfahrsachverständigengesetzes könnte langfristig zu kürzeren Wartezeiten führen, kurzfristig jedoch keine Entspannung bringen, denn die Ausbildung zum Fahrprüfer dauere zwei Jahre, so die Einschätzung des Fahrlehrerverbands Baden-Württemberg.
Die GTÜ sieht das anders. Bereits ausgebildete Technische Prüfingenieure bräuchten nur eine Zusatzausbildung, die innerhalb von circa 6 Wochen absolviert werden könne. GTÜ-Geschäftsführer Robert Köstler schlägt vor, für eine kurzfristige Entspannung bezüglich der Prüftermine, die Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) dahingehend anzupassen, dass nicht nur amtlich anerkannte Sachverständige die Prüfungen abnehmen dürfen, sondern auch Technische Prüfingenieure mit einer vergleichbaren Ausbildung. Langfristig müsste aber auch das Kraftfahrsachverständigengesetz angepasst werden, denn das Monopol der Technischen Prüfstellen habe sich überholt, so Köstler.
Für die Fahrlehrer ist klar, dass es nur eine Möglichkeit zur kurzfristigen Lösung gibt: TÜV und Dekra könnten sich mit ihrem prüfberechtigten Personal verstärkt auf Fahrprüfungen konzentrieren. Dies geschieht laut einer Stellungnahme des TÜV-Verbands bereits, wie Dr. Joachim Bühler, Geschäftsführer des TÜV-Verbands beschreibt: "Wir haben mit den Fahrlehrerverbänden ein gemeinsames Maßnahmenbündel geschnürt, das wir jetzt umsetzen. Das betrifft vor allem das Personal. Die Fahrprüfer:innen leisten Mehrarbeit und verschieben in Absprache mit den Betriebsräten ihren Urlaub. Soweit möglich, werden amtlich anerkannte Sachverständige aus anderen Arbeitsgebieten ausgeliehen, zum Beispiel aus der Hauptuntersuchung von Fahrzeugen. Außerdem reaktivieren wir Fahrerlaubnisprüfer, die in den Ruhestand gegangen sind. Wichtigste organisatorische Änderung ist die Einführung des Samstags als sechsten Prüfungstag, um zusätzliche Termine anbieten zu können. Die Fahrschulen leisten ihren Beitrag, indem sie besser planen und rechtzeitig stornieren, um die Prüfzeiten optimal auszunutzen."
Das erwähnte Kraftfahrsachverständigengesetzes stammt von 1971 und auch wenn es einige Anpassungen und Änderungen gab, § 10 KfSachvG wurde nicht angefasst. Im ersten Absatz heißt es: "Eine Technische Prüfstelle für den Kraftfahrzeugverkehr wird von der Stelle unterhalten, die die Landesregierung oder die von ihr bestimmte Behörde hiermit beauftragt. (…). Für denselben Bereich dürfen nicht mehrere Technische Prüfstellen errichtet und unterhalten werden."
Auf unsere Frage, vor welchem Hintergrund das Gesetz so formuliert wurde, antwortete eine Sprecherin des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI): "Ergebnis dieser historisch gewachsenen Regelung ist ein fehlender, von den Technischen Prüfstellen von TÜV und Dekra bisher auch nicht gewollter Wettbewerb untereinander."
Seinerzeit hat das womöglich Sinn gemacht. Da es nun aber mehr als nur diese beiden Prüforganisationen gibt, scheint eine solche Absprache nicht mehr als zeitgemäße Grundlage für ein Gesetz zu taugen. Es stellt sich auch die Frage, ob der Wunsch einzelner Unternehmen, dem Gesetzgeber als Motivation zu einem Gesetz dienen sollte.
Weiterhin heißt es in der Rückmeldung auf unsere Anfrage zum Hintergrund des § 10 KfSachvG: "In die gegenwärtige Diskussion einzubeziehen ist dabei auch, dass ein Wettbewerb unter den Anbietern Belangen der Verkehrssicherheit, und eine solche stellt die Abnahme der Fahrerlaubnisprüfung und damit die verbundene Möglichkeit Kraftfahrzeuge zu führen dar, zu wider läuft." Der Wettbewerb im Bereich der Prüforganisationen könnte also die Verkehrssicherheit gefährden – vereinfacht gesagt.
Hier sagt auch der Fahrlehrerverband Baden-Württemberg, dass die Öffnung für Wettbewerber natürlich nicht eine Entwicklung dahingehend fördern dürfe, dass Fahrschulen bevorzugt mit der Organisation zusammenarbeiten, die eine besonders niedrige Durchfallquote aufweisen.
Was aber, wenn der Bund den Ländern ein System zur Verfügung stellen würde, in dem alle anerkannten und beauftragten Prüforganisationen ihre Kapazitäten hinterlegen – könnten, ohne dass Namen oder Prüforganisationen angezeigt würden? Die Fahrschulen könnten in einem solchen System ihre Prüftermine buchen, ohne eine Auskunft darüber zu bekommen, welcher Prüfer für diesen Termin vorgesehen ist oder welcher Prüforganisation er angehört. Auch im Vorfeld vereinbarte Kontingente sind denkbar, je nachdem, wie viele Fahrprüfer eine Organisation stellen kann – jedoch immer verwaltet und gebucht über ein System, das ausschließlich freie Termine anzeigt, nicht aber den Namen des Prüfers geschweige denn die Prüforganisation.
Selbstverständlich müsste auch eine einheitliche Preisgestaltung gewährleistet sein, aber auch das könnte der Auftraggeber – in dem Fall das jeweilige Bundesland festlegen.
Das Thema Prüfmonopol wird aber jetzt aus ganz anderen Gründen angegangen. Die EU-Kommission leitete am 22.7.2016 ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland ein, in dem sie erklärte, dass in Deutschland geltende Vorschriften (§ 21 StVZO in Verbindung mit §§ 6 und 10 des KfSachvG) die "Niederlassungsfreiheit von Dienstleistern und die Dienstleistungsfreiheit in nicht gerechtfertigter und unverhältnismäßiger Weise beschränkt werde und dass dies einen Verstoß gegen EU-Recht darstelle", wie es im Entwurf zur Zweiten Verordnung zur Änderung der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung vom 26.02.2018 heißt. Daraufhin wurde 2019 § 21 der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung angepasst und um den Zusatz ergänzt, dass für die Betriebserlaubnis für Einzelfahrzeuge künftig nicht mehr nur ein Gutachten der "nach Landesrecht zuständigen Behörde" vorgelegt werden kann, sondern auch ein Gutachten "eines nach § 30 der EG-Fahrzeuggenehmigungsverordnung zur Prüfung von Gesamtfahrzeugen der jeweiligen Fahrzeugklasse benannten Technischen Dienstes". Damit war das Monopol von TÜV und Dekra in Sachen Betriebserlaubnis für Einzelfahrzeuge Geschichte.
Auf den ersten Blick hat § 21 StVZO aber nichts mit der Fahrprüfungsabnahme zu tun. Doch hierzu heißt es in der Stellungnahme des BMVI: "Die erfolgten Änderungen im Bereich des § 21 StVZO haben weitreichende Auswirkungen einerseits auf die künftige Stellung der Technischen Prüfstellen (TP) im System der technischen Fahrzeugprüfung und damit auch andererseits auf das System der Fahrerlaubnisprüfung. Hintergrund ist, dass der Aufgabenbereich der TP beide Bereiche umfasst. Über die Auswirkungen im Bereich der Fahrerlaubnisprüfung haben erste Beratungen mit den Ländern stattgefunden. Das Ergebnis ist offen."
Dass es Änderungen im Bereich der Fahrerlaubnisprüfungen geben wird, scheint also klar. Noch undefiniert ist hingegen, ein zeitlicher Horizont und wie die Änderungen aussehen werden.
Langfristig könnte sich in Sachen Fahrprüfung tatsächlich etwas ändern. Denn wie es aussieht, haben die Änderung des § 21 StVZO auch Auswirkungen auf das Fahrprüfungs-Monopol. Sollten langfristig mehrere Technische Prüfstellen mit der Fahrprüfungsabnahme beauftragt werden dürfen, gäbe es höchstwahrscheinlich automatisch mehr Prüftermine. Wie und wann es in die Umsetzung gehen könnte, ist aber noch unklar.