Motorradtouren im Lockdown nicht verboten

Motorradfahren in Corona-Zeiten Motorradtouren im Lockdown nicht verboten

Überall in Europa werden wieder verstärkt Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie angeordnet. Motorradtouren sind aber streng genommen in keinem deutschen Bundesland verboten.

Odenwald Klaus H. Daams
Baden-Württemberg
Bayern
Berlin
Brandenburg 16 Bilder

Ob man im Lockdown light noch Motorradfahren dürfe, fragte uns ein Leser. Ja, in keinem deutschen Bundesland ist Motorradfahren verboten. Es gilt – wie für alle anderen auch – das Beherbergungsverbot und die Quarantänepflicht bei Rückkehr aus einem Risikogebiet. Und die Ermahnung der Bundesregierung, nicht zu verreisen, wenn es nicht unbedingt notwendig ist.

Meldung zum Lockdown im Frühjahr (letztes Update 6. Mai 2020)

Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen werden weiter gelockert, Bayern hebt seine Ausgangsbeschränkungen zum 6. Mai 2020 komplett auf, im Saarland wurden die Ausgangsbeschränkungen bereits am 29. April vom Bundesverfassungsgericht gekippt. Wir listen euch im Folgenden auf, welche für Motorradfahrer relevanten Regeln in den jeweiligen Bundesländern gelten.

Ausgangsbeschränkungen galten in Bayern, dem Saarland, in Sachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Berlin. Hier musste zum Verlassen der Wohnung ein wichtiger Grund vorliegen. Diese Gründe regelt jedes Bundesland wiederum in einer eigenen Verordnung, was die ganze Sache äußerst unübersichtlich macht. Hinzu kommt, dass oft keine eindeutigen Verbote formuliert sind, was wiederum verdeutlicht, dass es sich bei den meisten "Motorradtour-Verboten" um Grauzonen oder Gebote handelte. Die Bayerische Polizei formulierte es noch am deutlichsten: "Die Polizei ist angehalten, die Einhaltung der Ausgangsbeschränkung zu kontrollieren. Im Falle einer Kontrolle sind die triftigen Gründe durch den Betroffenen glaubhaft zu machen". Und: "Das bedeutet nicht, dass es erlaubt ist, mit dem Pkw oder dem Motorrad private Spritztouren zu unternehmen."

Juristen sind sich uneinig

Auch in Sachsen-Anhalt war die Erklärung des Sozialministeriums unmissverständlich: "Motorradausflüge z.B. durch die Harzer Berge werden als Freizeitreisen gewertet, die derzeit leider nicht möglich sind. Bitte verschieben Sie derartige Ausflüge auf einen späteren Zeitpunkt." Ob die "Verbote" auf einer stabilen rechtlichen Grundlage fußen, ist nicht so einfach zu erörtern. Juristen streiten, ob die Verordnungen der Länder rechtmäßig waren oder nicht. In den anderen zehn Bundesländern gab/gibt es lediglich ein Kontaktverbot – Motorradtouren waren also zu keinem Zeitpunkt verboten in Baden-Württemberg, Bremen, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein, Thüringen.

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Baden-Württemberg

Motorradtouren waren und sind in Baden-Württemberg erlaubt.

Bayern

Am 5.5.2020 gab Bayerns Innenminister Joachim Herrmann bekannt: "Mit der Aufhebung der allgemeinen Ausgangsbeschränkungen sind ab Mittwoch, den 6. Mai, auch Motorradtouren wieder möglich, ohne dass es eines triftigen Grundes zum Verlassen der Wohnung bräuchte." In Bayern war gar das Verlassen des Hauses nur noch aus triftigen Gründen (Arbeiten, Einkaufen, Arztbesuche, Hilfe für andere, Sport an der frischen Luft) erlaubt. Damit waren auch Fahrten mit dem Kfz zweckgebunden, was auf den ersten Blick widersinnig wirkt, da auf dem Motorrad beispielsweise keine Ansteckungsgefahr herrscht.

Berlin

Motorradtouren waren und sind nicht explizit verboten. Doch wie auch in Bayern galten in Berlin strenge Ausgangsbeschränkungen – zum Verlassen der Wohnung musste immer ein wichtiger Grund vorliegen.

Brandenburg

Wie in Berlin und Bayern war auch in Brandenburg ein wichtiger Grund notwendig, um die Wohnung verlassen zu dürfen. Es sei jetzt nicht die Zeit für touristische Ausflüge und man bitte darum, Ausflüge möglichst im Wohnumfeld zu machen. Kontakt zu anderen Menschen sollte vermieden werden, so die Aussage von Gabriel Hesse, dem Sprecher des Brandenburger Ministeriums für Soziales, Gesundheit, Integration und Verbraucherschutz. Doch auch hier gilt: Motorradtouren waren und sind nicht explizit verboten.

Bremen

Motorradtouren waren und sind in Bremen erlaubt.

Hamburg

Motorradtouren waren und sind in Hamburg erlaubt.

Hessen

Motorradtouren waren und sind in Hessen erlaubt.

Mecklenburg-Vorpommern

Motorradtouren waren und sind in Mecklenburg-Vorpommern erlaubt.

Niedersachsen

Motorradtouren waren und sind in Niedersachsen erlaubt.

Nordrhein-Westfalen

Motorradtouren waren und sind in Nordrhein-Westfalen erlaubt.

Rheinland-Pfalz

Motorradtouren waren und sind in Rheinland-Pfalz erlaubt.

Saarland

Motorradtouren sind im Saarland erlaubt. Sie waren auch während der Ausgangsbeschränkungen nicht ausdrücklich verboten. Zudem kassierte der saarländische Verfassungsgerichtshof Teile der Ausgangsbeschränkungen am 29. April 2020 mit sofortiger Wirkung, nachdem ein Bürger, der seine Grundrechte beschnitten sah, Beschwerde einlegte.

Sachsen

Die Ausgangsbeschränkungen in Sachsen galten bis einschließlich 19. April 2020. Danach brauchte es keinen triftigen Grund mehr, um das Haus verlassen zu dürfen. Motorradtouren sind also auch hier ohne Probleme wieder machbar.

Sachsen-Anhalt

Auch Sachsen-Anhalt lockerte nun die Ausgangsbeschränkungen. Zuvor waren Reisen aus Freizeitgründen nicht erlaubt. Das Sozialministeriums von Sachsen-Anhalt äußerte sich kurz vor Ostern zum Thema Motorradtouren folgendermaßen: "Motorradausflüge z.B. durch die Harzer Berge werden als Freizeitreisen gewertet, die derzeit leider nicht möglich sind. Bitte verschieben Sie derartige Ausflüge auf einen späteren Zeitpunkt. Wer aus beruflichen, gewerblichen oder familiären Gründen eine Fahrt mit dem Motorrad unternimmt, kann dies selbstverständlich auch weiterhin tun."

Schleswig-Holstein

Motorradtouren waren und sind in Schleswig-Holstein erlaubt.

Thüringen

Motorradtouren waren und sind in Thüringen erlaubt.

Das sagt der Anwalt

Eine juristische Einschätzung, ob mit den Ausgangsbeschränkungen Motorradtouren gesetzlich noch erlaubt sind, hat sich MOTORRAD am 27.3. 2020 bei Thomas Kümmerle (Fachanwalt für Strafrecht) von Glienke & Kümmerle @ Kanzlei Hoenig Berlin eingeholt:

Es kommt darauf an, in welchem Bundesland man fährt. Nicht in allen Bundesländern gelten die gleichen Regeln. Derzeit haben nur Bayern und Sachsen Regelungen im Sinne einer Ausgangsbeschränkung, die über die Maßnahmen der übrigen Länder zur Kontaktbeschränkung hinausgehen. Nach den Länderregelungen mit Kontaktbeschränkung sollte man sich ständig in seiner Wohnung aufhalten und hat im Freien den Kontakt eben zu minimieren. Dagegen hat man sich bei einer Ausgangsbeschränkung ständig in der Wohnung aufzuhalten, es sei denn, es liegen triftige Gründe vor, die das Verlassen der Wohnung erlauben.

Die Gründe zum Verlassen der Wohnung in Bundesländern mit Ausgangsbeschränkung sind den jeweiligen Landesverordnungen zu entnehmen. Allgemein ist u.a. der Weg zur Arbeit, erlaubt, Einkäufe, Arztbesuche oder individueller Sport und Bewegung an der frischen Luft. Der Aufenthalt im Freien ist bei einer Ausgangsbeschränkung nur alleine oder im Kreis der Angehörigen des eigenen Hausstands gestattet, dazu muss ausreichender Abstand gewahrt sein; in den Ländern mit Kontaktbeschränkung darf es auch eine weitere nicht im Haushalt lebende Person sein. Bei Anordnung der Ausgangsbeschränkung ist das Vorliegen eines triftigen Grundes im Fall einer Kontrolle gegenüber der Polizei und den zuständigen Ordnungsbehörden glaubhaft zu machen. In den Ländern mit Kontaktbeschränkungen muss man keinen triftigen Grund nachweisen, ggf. nur, ob die Begleitpersonen zum Haushalt gehören.

Bundesregierung gibt nur Leitlinien vor

Diese Regelungen der Bundesländer haben ihre Rechtsgrundlage in § 32 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG). Danach dürfen die Länder durch Rechtsverordnungen entsprechende Gebote und Verbote zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten erlassen. Die Grundlage bildet das IfSG, die genaue Ausgestaltung erfolgt dann durch die Verordnungen der Länder. Eine "Bundesverordnung" gibt es übrigens nicht, die Bundesregierung hat nur Leitlinien vorgegeben, die die Länder in den Verordnungen umgesetzt, bzw. in Bayern und Sachsen verschärft haben.

Sport ist nicht Motorradsport

Freizeitgestaltung mit dem Motorrad findet sich in keiner der Verordnungen. Mit individuellem Sport und Bewegung an frischer Luft ist die körperliche Betätigung gemeint, nicht der Motorradsport. Man darf mit dem Motorrad zur Arbeit und zum Einkaufen fahren, insofern gibt es kein Fahrverbot. In den Ländern mit Ausgangsbeschränkung aber sind anlasslose Fahrten mit Kraftfahrzeugen zu unterlassen. Es käme allerdings sicher niemand auf die Idee, einen Autofahrer anzuhalten, um nach dem Zweck seiner Fahrt zu fragen. Bei Motorradfahrern scheint man, wie Kontrollen in Bayern zeigen, allerdings zu unterstellen, dass sie nur zum Spaß unterwegs sind. Ein vielleicht gewichtiges Argument gegen eine Tour wäre die Gefahr eines Unfalls, bei dem an sich verletzen kann und so dringend anderweitig benötigte Kapazitäten im Krankenhaus blockieren würde.

Keine Fahrt ohne triftigen Grund

Wer in den Bundesländern mit Ausgangsbeschränkung kontrolliert wird und keinen triftigen Grund für seine Fahrt angeben kann, also gegen die jeweilige Landesverordnung verstoßen hat, muss mit Konsequenzen rechnen. Verstöße gegen Anordnungen nach dem Infektionsschutzgesetz werden als Ordnungswidrigkeit oder – in schweren Fällen – sogar als Straftat eingestuft. Der Katalog der Ordnungswidrigkeiten ist lang (§ 73 Abs. 1a Nr. 1 bis 24 IfSG) und es drohen Geldbußen bis zu 2.500 bzw. 25.000 Euro (§ 73 Abs. 2 IfSG). Einzelne Bundesländer haben bereits Bußgeldkataloge verabschiedet. Bei Vorliegen einer Straftat kann eine Geldstrafe oder sogar eine Freiheitsstrafe bis zu maximal fünf Jahren verhängt werden (§§ 74, 75 IfSG). Wer durch einen Verstoß nachweislich das Virus weiterverbreitet, muss in jedem Fall mit einer Freiheitsstrafe (drei Monate bis fünf Jahre) rechnen (§ 75 Abs.3 IfSG).

Über Rechtmäßigkeit wird gestritten

Inwieweit gegen ein Bußgeld oder gegen ein Strafverfahren erfolgversprechend vorgegangen werden kann, lässt sich pauschal nicht beantworten. Da kommt es wie auch beim Bußgeld wegen Geschwindigkeitsüberschreitung oder dem Strafverfahren wegen angeblich illegalen Straßenrennens auf jeden Einzelfall und die Fähigkeiten des Verteidigers an. Auch streiten sich die Juristen bereits jetzt, ob die Verordnungen der Länder rechtmäßig sind oder nicht. Zumindest in Bayern war eine Klage vor dem Verwaltungsgericht gegen die Ausgangsbeschränkung, wenn auch nur kurzfristig erfolgreich. Die zunächst als Allgemeinverfügung ausgestalteten Verbote wurden eiligst als Rechtsverordnung verabschiedet. Ob auch das rechtmäßig war, wird sich zeigen.

Soweit die Einschätzung von Thomas Kümmerle. MOTORRAD bedankt sich.

Motorradfahren im EU-Ausland

Zuletzt hatte Belgien Freizeitbikern, die den Sinn dieser Anordnungen immer noch nicht verstanden haben, einen Riegel vorgeschoben. Die belgische Regierung verbietet mit seinem seit dem 18. März gültigen Dekret explizit Fahrten mit dem Motorrad und anderen motorisierten Zweirädern, die nicht absolut notwendig sind. Das Fahrverbot trifft in gleichem Maß aber auch Autofahrer. Die Cabrio-Spritztour ist also ebenfalls tabu. Ausgenommen sind nach wie vor Fahrten zum Arbeitsplatz oder zum Arzt. Die Anordnung ist aktuell bis zum 5. April befristet. Die belgische Regierung erinnert zudem an die geltenden Strafen gegen die ausgesprochenen Auflagen. Die Geldbußen für Zuwiderhandlungen liegen zwischen rund 200 und knapp 4.000 Euro. Auch sind Haftstrafen zwischen acht Tagen und drei Jahren als Strafe möglich.

Auch Frankreich, Spanien, Großbritannien und Italien hatten zuvor schon klargestellt, dass Fahrten mit Auto und Motorrad auf das absolut Notwendigste beschränkt bleiben sollen. Auch hier werden keine Spritztouren toleriert.

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