Stürmische Zeiten bei Fantic: Auf 136 Millionen Euro sollen sich die Schulden des italienischen Motorrad-Herstellers aus Veneto insgesamt belaufen. Um Fantic Zeit zur Sanierung zu geben, wurden diese Schulden Ende Juli 2025 von einem Gericht in Venedig für ein halbes Jahr eingefroren. Zudem verständigten sich die rund 140 Beschäftigten auf einen Solidaritätsvertrag, was bedeutet, dass sie weniger arbeiten und dafür auf einen Teil ihres Gehalts verzichten. Beide Maßnahmen gelten auch für Minarelli, den Motoren-Hersteller aus der Nähe von Bologna, den Fantic im Jahr 2020 von Yamaha übernommen hatte.
Unverkaufte E-Bikes und KTM-Nebeneffekte
Die Ursachen für die Krise bei Fantic sind vielfältig, sie reichen von massenhaft unverkauften E-Bikes und E-Rollern über zu schnelles Wachstum und die chinesische Billig-Konkurrenz bis hin zur KTM-Insolvenz. Letztere führte dazu, dass die Zulieferer der Österreicher nur 30 Prozent der Summe erhielten, die KTM ihnen eigentlich schuldete. Weshalb einige von ihnen – aus verständlichen Gründen – nun darauf pochen, ihr Geld sofort bei Lieferung zu erhalten, speziell bei kleinen Herstellern.
Teile für die Produktion fehlen
Doch wenn auch nur eine Komponente fehlt, können die Motorräder nicht fertig gebaut und ergo nicht ausgeliefert werden, es kommt kein Geld in die Kasse. So spitzte sich die Krise bei Fantic zu, trotz großer Nachfrage nach den Motorrädern, wie etwa der Fantic Caballero 500 mit dem neuen, selbst entwickelten und bei Minarelli gefertigten Einzylinder-Motor.
Fantic, 1968 gegründet in Italien
Dabei hatte der Aufstieg von Fantic zum selbstbewussten Hersteller mit umfassender Produktpalette für viel Bewunderung gesorgt. Die Marke, gegründet bereits 1968, war 2014 von der Aktiengesellschaft VeNetWork übernommen worden, einem Zusammenschluss von Unternehmern aus Norditalien. Die Produktion bestand damals aus wenigen Offroad-Maschinen, der Umsatz lag bei nicht einmal einer Million Euro.
Offroad-Motorräder und inzwischen viel mehr
Die neuen Eigner unter Führung des erfahrenen Ingenieurs Mariano Roman blieben bei der Positionierung im Offroad-Bereich, machten sich aber flugs daran, auch die damals gewinnträchtigen E-Bikes zu bauen. 2016 folgte das erste Straßenmotorrad: die Fantic Caballero, benannt nach dem bekanntesten historischen Fantic-Modell.
Yamaha-Kooperation und Minarelli-Übernahme
Danach ging es Schlag auf Schlag: 2019 begann eine fruchtbare Zusammenarbeit mit Yamaha, 2020 folgte die Übernahme des Motorenwerks Minarelli und die Rückkehr in den Offroad-Rennsport, 2022 kaufte Fantic den renommierten italienischen Fahrrad-Hersteller Bottecchia und startete zudem den Bau von Elektrorollern- und mopeds. Das Konzept, auch als kleiner Hersteller in vielen Töpfen mitzurühren, schien aufzugehen: Fantic produzierte jeweils rund 20.000 Motorräder und E-Bikes pro Jahr, der Umsatz stieg auf 200 Millionen Euro.
Elektro-Flops würgten die Liquidität ab
Das böse Aufwachen folgte bei Fantic nach Corona: Der Markt für E-Bikes, der während der Pandemie in fast groteskem Maß angeschwollen war, brach völlig zusammen. Zudem kam die E-Mobilität in den Städten, entgegen allen Vorhersagen der Experten, nicht in die Gänge, auch nicht im Heimatmarkt Italien. Fantic blieb auf seinen Elektrorollern und -mopeds sitzen. Zwar stieg gleichzeitig die Nachfrage nach den Motorrädern der Marke, doch mangels Liquidität konnte Fantic sie nicht bedienen – ein wirtschaftlicher Teufelskreis.
Rückhalt und Kapital von VeNetWork
Dennoch dürfte Fantic es schaffen, die Krise zu meistern – nicht zuletzt dank der ungewöhnlichen Eigentümerstruktur: Fantic gehört keinem Konzern oder einer Familie, die Verantwortung für die Marke teilen sich vielmehr 31 Gesellschafter des VeNetWork, allesamt solide Unternehmer. Von ihnen kommt bereits jede Menge Unterstützung, nicht zuletzt von der milliardenschweren Firma Buzzi spa, einem Zementhersteller mit Werken in 12 Ländern, darunter auch Deutschland. Buzzi sorgte bereits 2023 und 2024 für eine Kapitalerhöhung bei Fantic und hat für Ende 2025 eine weitere in Aussicht gestellt. Die finanzielle Basis von Fantic dürfte damit erst mal gesichert sein.
Costantino Sambuy als Chef-Sanierer bei Fantic
Derweil arbeitet das Fantic-Management an einem umfassenden Sanierungsplan. Neuer Vorstandschef ist seit Juni 2025 Costantino Sambuy. Der erfahrene Manager bekleidete zuvor bei Piaggio führende Positionen und leitete ab 2017 bei Peugeot das Comeback der französischen Marke als Zweiradhersteller ein. Der Sanierungsplan soll dem Vernehmen nach alle Bereiche von Fantic umfassen, von den defizitären E-Bikes und E-Rollern über die Offroad- und Straßenmotorräder bis hin zum Rennsport-Engagement, das von der Moto2 über die Motocross-WM bis zur Rallye Dakar reicht.
Caballero 700 mit Zweizylinder-Motor von Yamaha
Weiterhin Bestand haben dürfte die Zusammenarbeit zwischen Fantic und Yamaha: Die Japaner liefern seit 2019 Offroad-Motoren an Fantic, und auch im Scrambler Fantic Caballero 700 steckt Yamaha-Technik, nämlich der Reihenzweizylinder der Ténéré.
Loyale Mitarbeiter und viele neue Modelle
Zuversichtlich stimmt bei Fantic zudem, dass die Beschäftigten weiterhin auf ihre Firma vertrauen. Trotz des Solidaritätsvertrags, der finanzielle Einbußen mit sich bringt, hat keiner den Hersteller verlassen, die Mitarbeiter gehen fest von einem Gelingen des Neustarts aus. Genügend neue, appetitliche Motorräder dafür haben die Italiener in petto, von den 125ern Caballero, Stealth und Imola über das A2-Sport-Modell Imola 500 und das Naked Bike Stealth 500 bis zum Scrambler Caballero 500, allesamt erst auf der EICMA im November letzten Jahres vorgestellt.
2026 will Fantic wieder Gas geben
Auf den Markt kamen die neuen Fantic-Modelle indes wegen der Krise bislang entweder gar nicht (Stealth 500 und Imola 500) oder nur in geringen Stückzahlen. Wenn die Pläne des norditalienischen Herstellers aufgehen, werden sie aber ab 2026 in ausreichender Menge zur Verfügung stehen.