Ex-IDM-Profi Pascal Eckhardt erklärt, wie sich jeder als sportlicher Motorradfahrer verbessern kann. In Teil 4 geht es um die richtige Ausstattung.
Ex-IDM-Profi Pascal Eckhardt erklärt, wie sich jeder als sportlicher Motorradfahrer verbessern kann. In Teil 4 geht es um die richtige Ausstattung.
Bevor es endlich raus auf die Strecke geht, um unsere aktiven Fahrtechnik-Tipps zum Besten geben zu können, liegt mir noch ein Thema sehr am Herzen. Genauer gesagt geht es um eine Art Krankheit, die „Muss-ich-unbedingt-haben-Krankheit“.
Wenn ich so durch die Fahrerlager der Hobbyveranstaltungen schlendere, denke ich nicht selten, ich sei in der Superbike-WM. Da wird Material aufgefahren, dass Marco Melandri neidisch werden könnte. Wie neulich bei meinem letzten Instruktor-Job. Wie ich die Motorräder am Vorabend in den Boxen stehen sah, dachte ich mir: „Mann, das sind echt schnelle Jungs. Hoffentlich kann ich mit denen überhaupt mithalten.“ Am nächsten Tag auf der Strecke dann die Ernüchterung. Die Jungs sahen mit ihren Motorrädern nur schnell aus, waren es aber schlicht nicht.
Versteht mich nicht falsch, auch ich bin ein Technik-Nerd. Für mich gibt es nichts Genialeres als ein bis ins Detail durchdachtes und mit Liebe aufgebautes Rennmotorrad. In manchen Fällen und ab einem bestimmten Niveau braucht man auch die Qualität und die Zuverlässigkeit der teuren Produkte. Da gibt es Dinge, die wirklich eine sinnvolle Verbesserung bringen. Meine Meinung aber: Zu oft wird das Geld falsch ausgegeben. Hier ein paar anschauliche Beispiele.
Immer wieder sehe ich Fahrer, die beispielsweise sündteure Karbonverkleidungen an ihr Motorrad schrauben und dann mit einem Billighelm und einer nicht passenden Kombi durch die Gegend fahren. Der Gedanke ist klar: Das leichte Motorrad macht schneller, die Kombi nicht. Falsch – es ist genau anders rum! Wenn ich eine Lederkombi trage, die mir wie eine zweite Haut passt, dann kann ich richtig auf dem Motorrad sitzen und mit verschiedenen Haltungen entsprechend schneller fahren. Das steigert auch meine Konzentration, weil mich kein einschnürender Kragen ablenkt oder ein angelaufenes Visier stört.
Und noch was: Ja, auch ich habe meinen Namen und die Startnummer im „Bling-Bling“-Look auf meiner Kombi. Man sieht ja fast niemanden mehr ohne solch flashiges Zeug. Aber mal im Ernst: Wie uncool ist das denn, wenn man aussieht wie ein Werkspilot, aber die Runde in Hockenheim nur mit Mühe und Not in zwei Minuten schafft. Mein Tipp: Investiert lieber in eine sauber angepasste Kombi als in glitzernde Aufnäher – das bringt wirklich was!
Wie oft bin ich in den Anfangsjahren auf irgendwelche Pseudo-Fahrwerkstechniker reingefallen, die an meinem Motorrad rumgedrückt und irgendetwas verstellt haben. Dafür musste ich dann auch noch ganz tief in mein Portemonnaie greifen.
Fahrwerkskomponenten und die Geometrie sind meiner Meinung nach aber tatsächlich die beiden wichtigsten Punkte an einem Motorrad, um schnell und sicher fahren zu können. Umso wichtiger also, dass sie richtig eingestellt sind. Wir brauchen nicht zu diskutieren: Eine Öhlins FG-Gabel oder ein TTX-Federbein gehören zum Besten, was man für Geld kaufen kann und bieten sehr viel Spielraum. Aber: Wenn sie nicht richtig eingestellt sind, nützen sie euch nichts – und bei dem Profi-Einstellbereich kann man sich ganz schön verzetteln.
Es gibt aber ein paar Cracks, die vermessen die Geometrie des Motorrads, passen die Serien-Fahrwerkskomponenten entsprechend an und stellen sie anhand von Erfahrungswerten ein. Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass eine sauber überarbeitete und abgestimmte Original-Gabel mit passenden Gabelfedern ohne jegliche Zubehörkits problemlos für Rennsiege in der IDM gut war! Deshalb auch hier mein Rat: Lasst euch nicht verrückt machen. Es muss nicht immer das teuerste Zubehörmaterial sein. Eine Fahrwerksüberarbeitung vom Fachmann kostet längst nicht so viel, ihr könnt euch wieder voll aufs Fahren konzentrieren und habt ein paar Kreutzer übrig für ein paar Renntrainings mehr – das bringt wirklich was!
Bei Hobbypiloten höre ich oft: „Ich brauch unbedingt Slicks.“ Warum denn? Ein Supersportreifen, der in einem großen Temperaturbereich arbeitet und eine verträgliche Lebensdauer hat, ist meist die bessere Wahl. Seid gewiss: Das reicht, um schnell zu fahren und euch wieder mal aufs Fahren konzentrieren zu können. Klar bietet ein Slick unter bestimmten Voraussetzungen mehr Grip und dadurch auch mehr Sicherheitsreserven. Nur denkt mal dran, was da alles zusammenpassen muss. Ein Slick arbeitet nur perfekt, wenn die Mischung zum Fahrbahnbelag passt, und er hat ein sehr enges Temperaturfenster.
Jetzt stellt euch ein Training im Frühjahr vor. Selbst in Spanien gehen die Temperaturen nachts oft gegen null Grad, dann kommt die Sonne raus und heizt den Asphalt auf. Da funktioniert eine Mischung am Vormittag, aber nicht am Nachmittag und umgekehrt. Um den ganzen Stress und die immensen Kosten (Slicks sind verdammt teuer) zu vermeiden, nehme ich doch gerne etwas weniger Gesamtgrip in Kauf, schnapp mir die heute sensationell guten Supersportreifen und konzentriere mich aufs Wesentliche: meine Linie, meine Bremspunkte usw. – das bringt wirklich was!
Drei Punkte, die mir wichtig sind. Im Englischen heißt es: K.I.S.S. – Keep it simple stupid. Wir sagen gern: Bescheidenheit ist eine Zier. Wenn ihr mal darüber nachdenkt, könnt ihr eine Menge Geld sparen und diese Bescheidenheit in Speed umwandeln, denn das Geld könnt ihr in Renntrainings und Zeit auf der Strecke investieren. Zweifellos gibt es super Zubehör, einiges davon macht richtig Sinn, der Markt ist voll mit genialen Gimmicks und solchen „Muss-ich-unbedingt haben-Dingen“. Aber wenn ihr das nächste Mal durchs Internet stöbert, fragt euch einfach: „Schaut das nur gut aus oder bringt es auch was?“
Zum Schluss die entscheidende Frage. Was ist cooler: Im kompletten Werkslook auftreten, aber nichts auf der Strecke reißen oder in einem alten Transporter anfahren, dezent auftreten, aber dafür alle herbrennen, dass es nur so raucht? Eben! Beispiel gefällig? Guy Martin im Film „Hart am Limit“.